raschung erfahren mußte, außerordentlich scheu. Einen klugen Vogel will ich ihn nicht nennen, einen dummen lasse ich ihn leicht schelten. Gegen Seinesgleichen bekundet er die in seiner Familie übliche Geselligkeit und Verträglichkeit. Es mag sein, daß mehr Zänkereien zwischen den Lunden vorkommen als zwischen den Lummen: ich aber habe davon Nichts gesehen, sondern immer nur bemerkt, daß auch unter jenen das beste Einvernehmen herrschte. Jm Falle der Noth freilich weiß sich der Lund seines scharfen Schnabels mit Erfolg zu bedienen; er aber hat auch mehr als jeder andere Bergvogel Veranlassung zum Beißen, da er in seiner Höhle dem Eindringlinge nothwendigerweise Widerstand leisten muß. Alle Lunde, welche ich aus ihren Höhlen hervorzog, bedienten sich ihres Schnabels mit sehr vielem Geschick und mit erstaunlichem Nachdruck, und jener, welchen ich etwas fern vom Meere freiließ, wies einen großen Bauerköter, welcher sich unvorsichtig näherte, so entschieden zurück, daß der Hund fortan durch kein Zureden mehr zu einem erneuten Angriffe auf den kleinen Vogel zu bewegen war.
Die Nahrung besteht in kleinen Krustenthieren und kleinen Fischen; mit letzteren füttert er seine Jungen groß. Welchen besonderen Dienst ihm sein merkwürdiger Schnabel beim Fangen seiner Beute leistet, vermag ich nicht zu sagen, zerbreche mir auch den Kopf darüber nicht, wie andere Forscher es gethan haben, sondern begnüge mich mit der Voraussetzung, daß er ihn geschickt zu gebrauchen weiß. Auf den Brutbergen soll er zuweilen grüne Pflanzentheile fressen, Blätter des Löffelkrautes z. B.; nach eigener Beobachtung vermag ich hierüber Nichts zu sagen.
Da der Lund überall unter den Lummen und Alken brütet und wahrscheinlich nirgends eigene Ansiedelungen bildet, gilt alles über das Brutgeschäft der Verwandten Gesagte auch für ihn. Mitte Aprils oder Anfangs Mai, je nachdem der Schnee früher oder später von den Bergen schmilzt, nähert er sich den Bergen und sucht nun baldmöglichst seine alte Bruthöhle wieder auf oder gräbt sich eine neue. Jn dieser Hinsicht unterscheidet er sich von den Lummen und Alken; denn niemals wohl legt er sein Ei auf freiem Boden ab. Nicht alle graben sich selbst Nisthöhlen, weil jede Felsenritze oder dunkle Spalte, welche sich findet, zunächst benutzt wird und erst die Noth sie zu eigener Arbeit zwingt: so wenigstens hat es mir erscheinen wollen. Auf den Nyken brüteten sehr viele Lunde unter großen Blöcken oder Steinen, nicht wenigere in den Klüften, Spalten und Ritzen der seitlich abfallenden Felsenwände; aber freilich für die Menge der Vögel gab es auf den großen Bergen der natürlichen Brutplätze nicht genug und deswegen war die dünne Torfschicht, welche sie bedeckte, überall durch- wühlt. Die Löcher haben, was den Durchmesser anlangt, Aehnlichkeit mit Kaninchenhöhlen, sind aber selten lang, in den meisten Fällen vielmehr so kurz, daß man den brütenden Vogel vom Eingange aus hinten sitzen sieht. Beide Geschlechter scheinen am Baue der Höhle zu arbeiten; ich habe ebenso- wohl Männchen als Weibchen beim Graben gefangen. Zu ihrer Arbeit benutzen sie den Schnabel und die Füße, in welcher Weise kann ich jedoch nicht sagen, weil sie zu graben aufhören, wenn man sich ihnen nähert. Während sie scharren, sind sie mit Torferde so eingestäubt, oder richtiger ein- geschmiert, daß man die Farben ihres Gefieders kaum noch zu erkennen vermag; allen Schmuz aber entfernen sie, noch ehe sie zum Brüten schreiten. Jedes Pärchen legt blos ein einziges Ei von ver- hältnißmäßig bedeutender Größe, da es das unserer Hausenten übertrifft. Seine Schale ist grob- körnig und uneben, seine Färbung ein reines Weiß, welches jedoch durch den Torfboden sehr bald gilblich und später bräunlich gefärbt wird. Beide Eltern brüten, wie viele Zeit, ist mir unbekannt, man sagt ungefähr fünf Wochen lang. Das Junge kommt in einem langen und dichten Dunenkleide von kohlschwarzer und lichtgrauer Färbung zur Welt, piept in den ersten Tagen seines Lebens sehr kläglich, schreit später kräftiger, lernt aber das knarrende "Orr" der Alten erst, wenn es ausgeflogen. Es scheint ziemlich langsam zu wachsen, demgemäß auch über Monatsfrist in seiner Höhle verweilen zu müssen; denn erst, wenn es vollkommen flügge geworden ist, verläßt es diese, und stürzt sich unter Führung seiner Alten in das Meer. Beide Eltern erweisen ihm die größte Zärtlichkeit, schleppen ihm meilenweit Fische herbei und setzen sich rücksichtslos Gefahren aus, wenn sie glauben, dadurch das geliebte Kind zu schützen, vertheidigen es auch nöthigenfalls mit wüthenden Bissen. Beide
Die Schwimmer. Taucher. Alken.
raſchung erfahren mußte, außerordentlich ſcheu. Einen klugen Vogel will ich ihn nicht nennen, einen dummen laſſe ich ihn leicht ſchelten. Gegen Seinesgleichen bekundet er die in ſeiner Familie übliche Geſelligkeit und Verträglichkeit. Es mag ſein, daß mehr Zänkereien zwiſchen den Lunden vorkommen als zwiſchen den Lummen: ich aber habe davon Nichts geſehen, ſondern immer nur bemerkt, daß auch unter jenen das beſte Einvernehmen herrſchte. Jm Falle der Noth freilich weiß ſich der Lund ſeines ſcharfen Schnabels mit Erfolg zu bedienen; er aber hat auch mehr als jeder andere Bergvogel Veranlaſſung zum Beißen, da er in ſeiner Höhle dem Eindringlinge nothwendigerweiſe Widerſtand leiſten muß. Alle Lunde, welche ich aus ihren Höhlen hervorzog, bedienten ſich ihres Schnabels mit ſehr vielem Geſchick und mit erſtaunlichem Nachdruck, und jener, welchen ich etwas fern vom Meere freiließ, wies einen großen Bauerköter, welcher ſich unvorſichtig näherte, ſo entſchieden zurück, daß der Hund fortan durch kein Zureden mehr zu einem erneuten Angriffe auf den kleinen Vogel zu bewegen war.
Die Nahrung beſteht in kleinen Kruſtenthieren und kleinen Fiſchen; mit letzteren füttert er ſeine Jungen groß. Welchen beſonderen Dienſt ihm ſein merkwürdiger Schnabel beim Fangen ſeiner Beute leiſtet, vermag ich nicht zu ſagen, zerbreche mir auch den Kopf darüber nicht, wie andere Forſcher es gethan haben, ſondern begnüge mich mit der Vorausſetzung, daß er ihn geſchickt zu gebrauchen weiß. Auf den Brutbergen ſoll er zuweilen grüne Pflanzentheile freſſen, Blätter des Löffelkrautes z. B.; nach eigener Beobachtung vermag ich hierüber Nichts zu ſagen.
Da der Lund überall unter den Lummen und Alken brütet und wahrſcheinlich nirgends eigene Anſiedelungen bildet, gilt alles über das Brutgeſchäft der Verwandten Geſagte auch für ihn. Mitte Aprils oder Anfangs Mai, je nachdem der Schnee früher oder ſpäter von den Bergen ſchmilzt, nähert er ſich den Bergen und ſucht nun baldmöglichſt ſeine alte Bruthöhle wieder auf oder gräbt ſich eine neue. Jn dieſer Hinſicht unterſcheidet er ſich von den Lummen und Alken; denn niemals wohl legt er ſein Ei auf freiem Boden ab. Nicht alle graben ſich ſelbſt Niſthöhlen, weil jede Felſenritze oder dunkle Spalte, welche ſich findet, zunächſt benutzt wird und erſt die Noth ſie zu eigener Arbeit zwingt: ſo wenigſtens hat es mir erſcheinen wollen. Auf den Nyken brüteten ſehr viele Lunde unter großen Blöcken oder Steinen, nicht wenigere in den Klüften, Spalten und Ritzen der ſeitlich abfallenden Felſenwände; aber freilich für die Menge der Vögel gab es auf den großen Bergen der natürlichen Brutplätze nicht genug und deswegen war die dünne Torfſchicht, welche ſie bedeckte, überall durch- wühlt. Die Löcher haben, was den Durchmeſſer anlangt, Aehnlichkeit mit Kaninchenhöhlen, ſind aber ſelten lang, in den meiſten Fällen vielmehr ſo kurz, daß man den brütenden Vogel vom Eingange aus hinten ſitzen ſieht. Beide Geſchlechter ſcheinen am Baue der Höhle zu arbeiten; ich habe ebenſo- wohl Männchen als Weibchen beim Graben gefangen. Zu ihrer Arbeit benutzen ſie den Schnabel und die Füße, in welcher Weiſe kann ich jedoch nicht ſagen, weil ſie zu graben aufhören, wenn man ſich ihnen nähert. Während ſie ſcharren, ſind ſie mit Torferde ſo eingeſtäubt, oder richtiger ein- geſchmiert, daß man die Farben ihres Gefieders kaum noch zu erkennen vermag; allen Schmuz aber entfernen ſie, noch ehe ſie zum Brüten ſchreiten. Jedes Pärchen legt blos ein einziges Ei von ver- hältnißmäßig bedeutender Größe, da es das unſerer Hausenten übertrifft. Seine Schale iſt grob- körnig und uneben, ſeine Färbung ein reines Weiß, welches jedoch durch den Torfboden ſehr bald gilblich und ſpäter bräunlich gefärbt wird. Beide Eltern brüten, wie viele Zeit, iſt mir unbekannt, man ſagt ungefähr fünf Wochen lang. Das Junge kommt in einem langen und dichten Dunenkleide von kohlſchwarzer und lichtgrauer Färbung zur Welt, piept in den erſten Tagen ſeines Lebens ſehr kläglich, ſchreit ſpäter kräftiger, lernt aber das knarrende „Orr“ der Alten erſt, wenn es ausgeflogen. Es ſcheint ziemlich langſam zu wachſen, demgemäß auch über Monatsfriſt in ſeiner Höhle verweilen zu müſſen; denn erſt, wenn es vollkommen flügge geworden iſt, verläßt es dieſe, und ſtürzt ſich unter Führung ſeiner Alten in das Meer. Beide Eltern erweiſen ihm die größte Zärtlichkeit, ſchleppen ihm meilenweit Fiſche herbei und ſetzen ſich rückſichtslos Gefahren aus, wenn ſie glauben, dadurch das geliebte Kind zu ſchützen, vertheidigen es auch nöthigenfalls mit wüthenden Biſſen. Beide
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Die Schwimmer. Taucher. Alken.
raſchung erfahren mußte, außerordentlich ſcheu. Einen klugen Vogel will ich ihn nicht nennen, einen
dummen laſſe ich ihn leicht ſchelten. Gegen Seinesgleichen bekundet er die in ſeiner Familie übliche
Geſelligkeit und Verträglichkeit. Es mag ſein, daß mehr Zänkereien zwiſchen den Lunden vorkommen
als zwiſchen den Lummen: ich aber habe davon Nichts geſehen, ſondern immer nur bemerkt, daß auch
unter jenen das beſte Einvernehmen herrſchte. Jm Falle der Noth freilich weiß ſich der Lund
ſeines ſcharfen Schnabels mit Erfolg zu bedienen; er aber hat auch mehr als jeder andere Bergvogel
Veranlaſſung zum Beißen, da er in ſeiner Höhle dem Eindringlinge nothwendigerweiſe Widerſtand
leiſten muß. Alle Lunde, welche ich aus ihren Höhlen hervorzog, bedienten ſich ihres Schnabels mit
ſehr vielem Geſchick und mit erſtaunlichem Nachdruck, und jener, welchen ich etwas fern vom Meere
freiließ, wies einen großen Bauerköter, welcher ſich unvorſichtig näherte, ſo entſchieden zurück, daß
der Hund fortan durch kein Zureden mehr zu einem erneuten Angriffe auf den kleinen Vogel zu
bewegen war.
Die Nahrung beſteht in kleinen Kruſtenthieren und kleinen Fiſchen; mit letzteren füttert er ſeine
Jungen groß. Welchen beſonderen Dienſt ihm ſein merkwürdiger Schnabel beim Fangen ſeiner
Beute leiſtet, vermag ich nicht zu ſagen, zerbreche mir auch den Kopf darüber nicht, wie andere
Forſcher es gethan haben, ſondern begnüge mich mit der Vorausſetzung, daß er ihn geſchickt zu
gebrauchen weiß. Auf den Brutbergen ſoll er zuweilen grüne Pflanzentheile freſſen, Blätter des
Löffelkrautes z. B.; nach eigener Beobachtung vermag ich hierüber Nichts zu ſagen.
Da der Lund überall unter den Lummen und Alken brütet und wahrſcheinlich nirgends eigene
Anſiedelungen bildet, gilt alles über das Brutgeſchäft der Verwandten Geſagte auch für ihn. Mitte
Aprils oder Anfangs Mai, je nachdem der Schnee früher oder ſpäter von den Bergen ſchmilzt, nähert
er ſich den Bergen und ſucht nun baldmöglichſt ſeine alte Bruthöhle wieder auf oder gräbt ſich eine
neue. Jn dieſer Hinſicht unterſcheidet er ſich von den Lummen und Alken; denn niemals wohl legt
er ſein Ei auf freiem Boden ab. Nicht alle graben ſich ſelbſt Niſthöhlen, weil jede Felſenritze oder
dunkle Spalte, welche ſich findet, zunächſt benutzt wird und erſt die Noth ſie zu eigener Arbeit zwingt:
ſo wenigſtens hat es mir erſcheinen wollen. Auf den Nyken brüteten ſehr viele Lunde unter großen
Blöcken oder Steinen, nicht wenigere in den Klüften, Spalten und Ritzen der ſeitlich abfallenden
Felſenwände; aber freilich für die Menge der Vögel gab es auf den großen Bergen der natürlichen
Brutplätze nicht genug und deswegen war die dünne Torfſchicht, welche ſie bedeckte, überall durch-
wühlt. Die Löcher haben, was den Durchmeſſer anlangt, Aehnlichkeit mit Kaninchenhöhlen, ſind
aber ſelten lang, in den meiſten Fällen vielmehr ſo kurz, daß man den brütenden Vogel vom Eingange
aus hinten ſitzen ſieht. Beide Geſchlechter ſcheinen am Baue der Höhle zu arbeiten; ich habe ebenſo-
wohl Männchen als Weibchen beim Graben gefangen. Zu ihrer Arbeit benutzen ſie den Schnabel
und die Füße, in welcher Weiſe kann ich jedoch nicht ſagen, weil ſie zu graben aufhören, wenn man
ſich ihnen nähert. Während ſie ſcharren, ſind ſie mit Torferde ſo eingeſtäubt, oder richtiger ein-
geſchmiert, daß man die Farben ihres Gefieders kaum noch zu erkennen vermag; allen Schmuz aber
entfernen ſie, noch ehe ſie zum Brüten ſchreiten. Jedes Pärchen legt blos ein einziges Ei von ver-
hältnißmäßig bedeutender Größe, da es das unſerer Hausenten übertrifft. Seine Schale iſt grob-
körnig und uneben, ſeine Färbung ein reines Weiß, welches jedoch durch den Torfboden ſehr bald
gilblich und ſpäter bräunlich gefärbt wird. Beide Eltern brüten, wie viele Zeit, iſt mir unbekannt,
man ſagt ungefähr fünf Wochen lang. Das Junge kommt in einem langen und dichten Dunenkleide
von kohlſchwarzer und lichtgrauer Färbung zur Welt, piept in den erſten Tagen ſeines Lebens ſehr
kläglich, ſchreit ſpäter kräftiger, lernt aber das knarrende „Orr“ der Alten erſt, wenn es ausgeflogen.
Es ſcheint ziemlich langſam zu wachſen, demgemäß auch über Monatsfriſt in ſeiner Höhle verweilen
zu müſſen; denn erſt, wenn es vollkommen flügge geworden iſt, verläßt es dieſe, und ſtürzt ſich unter
Führung ſeiner Alten in das Meer. Beide Eltern erweiſen ihm die größte Zärtlichkeit, ſchleppen
ihm meilenweit Fiſche herbei und ſetzen ſich rückſichtslos Gefahren aus, wenn ſie glauben, dadurch
das geliebte Kind zu ſchützen, vertheidigen es auch nöthigenfalls mit wüthenden Biſſen. Beide
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 960. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1012>, abgerufen am 22.11.2024.
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