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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Taucher. Lummen.
schreien und schießen; die armen Lummen bedenken nicht, daß unter ihnen das Meer noch mit Eis
bedeckt ist, stürzen sich entsetzt kopflings herab und stoßen sich auf dem Eise den Kopf ein. Außer
den Menschen stellen ihnen alle großen Raubvögel, die Kolkraben und Raubmöven ununterbrochen
nach, und ebenso verfolgen sie die Raubfische unter dem Wasser. Aber trotz aller Verfolgung, welcher
sie ausgesetzt sind, trotz aller Einbußen, welche sie an Eiern und Jungen erleiden, nimmt ihre Anzahl
nicht ab, wenigstens nicht in einer uns bemerkbaren Weise: die Vogelberge werden noch heutigentags
von anscheinend ebensoviel Hunderttausenden besucht als vor Menschengedenken.

Gefangene Lummen habe ich einmal längere Zeit gepflegt und meine wahre Freude an ihnen
gehabt. Sie gingen ohne Umstände an das Futter, welches ich ihnen reichte, und scheinen zwischen
kleinen Fischen und Krabben keinen Unterschied zu machen. Mehrere Stunden täglich vergnügten sie
sich mit Schwimmen auf dem Wasser, zum Tauchen aber entschlossen sie sich noch nicht, vielleicht weil
sie diese Kunst noch nicht erlernt hatten. Wenn sie ermüdet waren, begaben sie sich auf das Land
und drängten sich hier so dicht zusammen, daß sie nur einen einzigen Haufen bildeten. Niemals
rutschten sie auf der Fußwurzel fort, gingen vielmehr stets auf den Zehen und nahmen nur zuweilen
ihre Schwingen zu Hilfe; dann bewegten sie sich höchst zierlich, tänzelnd, überraschend schnell und
gewandt. Mehrere wurden durch Raubthiere getödtet, die übrigen erlagen wahrscheinlich dem
Kummer über den Verlust ihrer Gefährten.



Alle Forscher, welche die kleinste aller Lummen, den Krabbentaucher (Arctica-Mergulus-alle)
lebend sahen, drücken sich übereinstimmend dahin aus, daß dieser Vogel zu den anmuthigsten Kindern
des Meeres gezählt werden muß. Durch den kurzen und dicken, oben gewölbten, an der Schneide
sehr eingezogenen, vor der scharfen Spitze mit einem Einschnitt versehenen Schnabel, welcher bei
alten Vögeln noch Furchen vor den eirunden Nasenlöchern zeigt, unterscheidet er sich von seinen
Familienverwandten, denen er im übrigen ähnelt, und erscheint uns gewissermaßen als ein Ueber-
gangsglied zwischen den Lummen und Alken. Das Gefieder ist auf der Oberseite dunkel-, am Vorder-
halse mattschwarz, auf der Unterseite weiß, seitlich braun gestreift, der Fuß bläulich; im Winterkleide
ist auch die Kehle weißlich und der Hals tiefgrau. Die Länge beträgt 9 bis 10, die Breite 16 bis
18, die Fittiglänge 51/2 bis 6, die Schwanzlänge 1 1/8 bis 1 3/8 Zoll.

Die Grönlandsfahrer nennen den Krabbentaucher, welcher sonst auch noch Alklumme, kleine
Seetaube, Rott und Murr heißt, den "Eisvogel", weil sein massenhaftes Auftreten gewöhnlich die
Nähe großer Eismassen andeutet. "Zweimal", sagt Holboell, "bin ich vom Eise eingeschlossen
gewesen, und beide Male sah ich zahllose Vögel dieser Art stets in großen Haufen nach Norden
ziehen." Andere Beobachter bemerkten den Vogel, soweit sie nach Norden vordrangen: Parry
fand ihn noch unter dem 82.° 45' nördlicher Breite, zwischen dem 81. und 82. Grade aber in großer
Menge. Um Spitzbergen, Jan-Mayen, Nowaja-Semlja ist er gemein, in Grönland häufig; auf
Jsland kommt er stellenweise vor; weiter nach Süden hin gehört er zu den Seltenheiten, obgleich
einzelne ebenfalls bis an unsere Küste oder die Großbritanniens, Hollands und Frankreichs verschlagen
wurden, ja bei Helgoland alljährlich einige im Winter vorkommen sollen. Möglich, daß der Vogel,
mit dem Meere vertrauter als irgend ein anderer, größere Wanderungen unternimmt, als man bis
jetzt geglaubt hat, möglich also, daß wir ihn keineswegs im strengen Sinne als Standvogel anzusehen
haben. Auch er nähert sich dem Lande freiwillig blos, um zu brüten, und gezwungen, dann aber
meist zu seinem Verderben, nur nach längeren Stürmen im Winter; denn bei gewöhnlichem Verlaufe
der Dinge, auch bei sehr hohem Wellengange, schwimmt er wohlgemuth auf den bewegten Wogen,
welche ihn, wie es scheint, widerstandslos umherschleudern, schläft auf ihnen, den Schnabel zwischen
die Schulterfedern verborgen, kurz, fühlt sich im Meere überall heimisch, wo er sich auch befinden möge.

Die Schwimmer. Taucher. Lummen.
ſchreien und ſchießen; die armen Lummen bedenken nicht, daß unter ihnen das Meer noch mit Eis
bedeckt iſt, ſtürzen ſich entſetzt kopflings herab und ſtoßen ſich auf dem Eiſe den Kopf ein. Außer
den Menſchen ſtellen ihnen alle großen Raubvögel, die Kolkraben und Raubmöven ununterbrochen
nach, und ebenſo verfolgen ſie die Raubfiſche unter dem Waſſer. Aber trotz aller Verfolgung, welcher
ſie ausgeſetzt ſind, trotz aller Einbußen, welche ſie an Eiern und Jungen erleiden, nimmt ihre Anzahl
nicht ab, wenigſtens nicht in einer uns bemerkbaren Weiſe: die Vogelberge werden noch heutigentags
von anſcheinend ebenſoviel Hunderttauſenden beſucht als vor Menſchengedenken.

Gefangene Lummen habe ich einmal längere Zeit gepflegt und meine wahre Freude an ihnen
gehabt. Sie gingen ohne Umſtände an das Futter, welches ich ihnen reichte, und ſcheinen zwiſchen
kleinen Fiſchen und Krabben keinen Unterſchied zu machen. Mehrere Stunden täglich vergnügten ſie
ſich mit Schwimmen auf dem Waſſer, zum Tauchen aber entſchloſſen ſie ſich noch nicht, vielleicht weil
ſie dieſe Kunſt noch nicht erlernt hatten. Wenn ſie ermüdet waren, begaben ſie ſich auf das Land
und drängten ſich hier ſo dicht zuſammen, daß ſie nur einen einzigen Haufen bildeten. Niemals
rutſchten ſie auf der Fußwurzel fort, gingen vielmehr ſtets auf den Zehen und nahmen nur zuweilen
ihre Schwingen zu Hilfe; dann bewegten ſie ſich höchſt zierlich, tänzelnd, überraſchend ſchnell und
gewandt. Mehrere wurden durch Raubthiere getödtet, die übrigen erlagen wahrſcheinlich dem
Kummer über den Verluſt ihrer Gefährten.



Alle Forſcher, welche die kleinſte aller Lummen, den Krabbentaucher (Arctica-Mergulus-alle)
lebend ſahen, drücken ſich übereinſtimmend dahin aus, daß dieſer Vogel zu den anmuthigſten Kindern
des Meeres gezählt werden muß. Durch den kurzen und dicken, oben gewölbten, an der Schneide
ſehr eingezogenen, vor der ſcharfen Spitze mit einem Einſchnitt verſehenen Schnabel, welcher bei
alten Vögeln noch Furchen vor den eirunden Naſenlöchern zeigt, unterſcheidet er ſich von ſeinen
Familienverwandten, denen er im übrigen ähnelt, und erſcheint uns gewiſſermaßen als ein Ueber-
gangsglied zwiſchen den Lummen und Alken. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite dunkel-, am Vorder-
halſe mattſchwarz, auf der Unterſeite weiß, ſeitlich braun geſtreift, der Fuß bläulich; im Winterkleide
iſt auch die Kehle weißlich und der Hals tiefgrau. Die Länge beträgt 9 bis 10, die Breite 16 bis
18, die Fittiglänge 5½ bis 6, die Schwanzlänge 1⅛ bis 1⅜ Zoll.

Die Grönlandsfahrer nennen den Krabbentaucher, welcher ſonſt auch noch Alklumme, kleine
Seetaube, Rott und Murr heißt, den „Eisvogel“, weil ſein maſſenhaftes Auftreten gewöhnlich die
Nähe großer Eismaſſen andeutet. „Zweimal“, ſagt Holboell, „bin ich vom Eiſe eingeſchloſſen
geweſen, und beide Male ſah ich zahlloſe Vögel dieſer Art ſtets in großen Haufen nach Norden
ziehen.“ Andere Beobachter bemerkten den Vogel, ſoweit ſie nach Norden vordrangen: Parry
fand ihn noch unter dem 82.° 45′ nördlicher Breite, zwiſchen dem 81. und 82. Grade aber in großer
Menge. Um Spitzbergen, Jan-Mayen, Nowaja-Semlja iſt er gemein, in Grönland häufig; auf
Jsland kommt er ſtellenweiſe vor; weiter nach Süden hin gehört er zu den Seltenheiten, obgleich
einzelne ebenfalls bis an unſere Küſte oder die Großbritanniens, Hollands und Frankreichs verſchlagen
wurden, ja bei Helgoland alljährlich einige im Winter vorkommen ſollen. Möglich, daß der Vogel,
mit dem Meere vertrauter als irgend ein anderer, größere Wanderungen unternimmt, als man bis
jetzt geglaubt hat, möglich alſo, daß wir ihn keineswegs im ſtrengen Sinne als Standvogel anzuſehen
haben. Auch er nähert ſich dem Lande freiwillig blos, um zu brüten, und gezwungen, dann aber
meiſt zu ſeinem Verderben, nur nach längeren Stürmen im Winter; denn bei gewöhnlichem Verlaufe
der Dinge, auch bei ſehr hohem Wellengange, ſchwimmt er wohlgemuth auf den bewegten Wogen,
welche ihn, wie es ſcheint, widerſtandslos umherſchleudern, ſchläft auf ihnen, den Schnabel zwiſchen
die Schulterfedern verborgen, kurz, fühlt ſich im Meere überall heimiſch, wo er ſich auch befinden möge.

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[954/1006] Die Schwimmer. Taucher. Lummen. ſchreien und ſchießen; die armen Lummen bedenken nicht, daß unter ihnen das Meer noch mit Eis bedeckt iſt, ſtürzen ſich entſetzt kopflings herab und ſtoßen ſich auf dem Eiſe den Kopf ein. Außer den Menſchen ſtellen ihnen alle großen Raubvögel, die Kolkraben und Raubmöven ununterbrochen nach, und ebenſo verfolgen ſie die Raubfiſche unter dem Waſſer. Aber trotz aller Verfolgung, welcher ſie ausgeſetzt ſind, trotz aller Einbußen, welche ſie an Eiern und Jungen erleiden, nimmt ihre Anzahl nicht ab, wenigſtens nicht in einer uns bemerkbaren Weiſe: die Vogelberge werden noch heutigentags von anſcheinend ebenſoviel Hunderttauſenden beſucht als vor Menſchengedenken. Gefangene Lummen habe ich einmal längere Zeit gepflegt und meine wahre Freude an ihnen gehabt. Sie gingen ohne Umſtände an das Futter, welches ich ihnen reichte, und ſcheinen zwiſchen kleinen Fiſchen und Krabben keinen Unterſchied zu machen. Mehrere Stunden täglich vergnügten ſie ſich mit Schwimmen auf dem Waſſer, zum Tauchen aber entſchloſſen ſie ſich noch nicht, vielleicht weil ſie dieſe Kunſt noch nicht erlernt hatten. Wenn ſie ermüdet waren, begaben ſie ſich auf das Land und drängten ſich hier ſo dicht zuſammen, daß ſie nur einen einzigen Haufen bildeten. Niemals rutſchten ſie auf der Fußwurzel fort, gingen vielmehr ſtets auf den Zehen und nahmen nur zuweilen ihre Schwingen zu Hilfe; dann bewegten ſie ſich höchſt zierlich, tänzelnd, überraſchend ſchnell und gewandt. Mehrere wurden durch Raubthiere getödtet, die übrigen erlagen wahrſcheinlich dem Kummer über den Verluſt ihrer Gefährten. Alle Forſcher, welche die kleinſte aller Lummen, den Krabbentaucher (Arctica-Mergulus-alle) lebend ſahen, drücken ſich übereinſtimmend dahin aus, daß dieſer Vogel zu den anmuthigſten Kindern des Meeres gezählt werden muß. Durch den kurzen und dicken, oben gewölbten, an der Schneide ſehr eingezogenen, vor der ſcharfen Spitze mit einem Einſchnitt verſehenen Schnabel, welcher bei alten Vögeln noch Furchen vor den eirunden Naſenlöchern zeigt, unterſcheidet er ſich von ſeinen Familienverwandten, denen er im übrigen ähnelt, und erſcheint uns gewiſſermaßen als ein Ueber- gangsglied zwiſchen den Lummen und Alken. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite dunkel-, am Vorder- halſe mattſchwarz, auf der Unterſeite weiß, ſeitlich braun geſtreift, der Fuß bläulich; im Winterkleide iſt auch die Kehle weißlich und der Hals tiefgrau. Die Länge beträgt 9 bis 10, die Breite 16 bis 18, die Fittiglänge 5½ bis 6, die Schwanzlänge 1⅛ bis 1⅜ Zoll. Die Grönlandsfahrer nennen den Krabbentaucher, welcher ſonſt auch noch Alklumme, kleine Seetaube, Rott und Murr heißt, den „Eisvogel“, weil ſein maſſenhaftes Auftreten gewöhnlich die Nähe großer Eismaſſen andeutet. „Zweimal“, ſagt Holboell, „bin ich vom Eiſe eingeſchloſſen geweſen, und beide Male ſah ich zahlloſe Vögel dieſer Art ſtets in großen Haufen nach Norden ziehen.“ Andere Beobachter bemerkten den Vogel, ſoweit ſie nach Norden vordrangen: Parry fand ihn noch unter dem 82.° 45′ nördlicher Breite, zwiſchen dem 81. und 82. Grade aber in großer Menge. Um Spitzbergen, Jan-Mayen, Nowaja-Semlja iſt er gemein, in Grönland häufig; auf Jsland kommt er ſtellenweiſe vor; weiter nach Süden hin gehört er zu den Seltenheiten, obgleich einzelne ebenfalls bis an unſere Küſte oder die Großbritanniens, Hollands und Frankreichs verſchlagen wurden, ja bei Helgoland alljährlich einige im Winter vorkommen ſollen. Möglich, daß der Vogel, mit dem Meere vertrauter als irgend ein anderer, größere Wanderungen unternimmt, als man bis jetzt geglaubt hat, möglich alſo, daß wir ihn keineswegs im ſtrengen Sinne als Standvogel anzuſehen haben. Auch er nähert ſich dem Lande freiwillig blos, um zu brüten, und gezwungen, dann aber meiſt zu ſeinem Verderben, nur nach längeren Stürmen im Winter; denn bei gewöhnlichem Verlaufe der Dinge, auch bei ſehr hohem Wellengange, ſchwimmt er wohlgemuth auf den bewegten Wogen, welche ihn, wie es ſcheint, widerſtandslos umherſchleudern, ſchläft auf ihnen, den Schnabel zwiſchen die Schulterfedern verborgen, kurz, fühlt ſich im Meere überall heimiſch, wo er ſich auch befinden möge.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 954. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1006>, abgerufen am 22.11.2024.