"Die Geduld, welche unsere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, ist nicht das einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die sie anwenden müssen, sich die Eicheln zu verschaffen, ist noch staunenswerther. Der Pizarro erhebt sich inmitten einer Wüste von Sand und Laven, auf denen kein Eichbaum wächst. Es ist mir unbegreiflich, von woher unsere Vögel ihre Lebensmittel geholt hatten. Sie müssen mehrere Meilen weit danach geflogen sein, vielleicht bis zum Abhang der Cordillera."
"Durch ein so kunstvolles Verfahren schützt die Natur diese Spechte gegen die Schrecken des Hungers in einem öden Lande, während eines sechsmonatlichen Winters, wo ein stets heitrer Himmel Alles aufs Höchste ausdorrt. Die Trockenheit verursacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei uns die Kälte, und die allein ihr widerstehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächse der Savanne ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu seinem Unterhalt bedarf. Ohne die geschilderte Hilfsquelle bliebe unsern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu sterben."
"Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder sechsten Monat der rauhen Jahreszeit, und die Spechte beschäftigten sich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln sind, die ihnen zur Speise dienen und nicht etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weise, wie sie sie genießen; ist ebenso merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen des Spechts schwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um sie mit dem Schnabel spalten zu können, nimmt der Vogel wieder seine Zuflucht zu einem sehr geschickten Kunstgriff. Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccastämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug, um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzustecken, aber nicht groß genug, um sie ganz hineingehen zu lassen, klemmt sie in dies Loch und stößt sie mit seinem Schnabel hinein, wie einen Zapfen in ein Spundloch. Die so festgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange- griffen und mit der größten Leichtigkeit zerstückt; denn mit jedem Streiche stößt der Specht sie tiefer und fester hinein. Aus diesem Grunde sind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenso durchlöchert, wie die Agavenschafte. Wenn diese Bäume absterben, löst sich die sie bedeckende Rinde vom Stamm und läßt so zwischen sich und dem Holze des Baumes einen sehr geräumigen Zwischenraum, der selbst wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloestengel, dienen kann. Unsere Vögel, schnell bereit, sich diesen Umstand zu Nutze zu machen, bohren die abgestorbene Rinde voller Löcher und stecken Eicheln zwischen dieselbe und das Holz. Aber dies Verfahren scheint ihnen nicht besonders zuzu- sagen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieser natürlichen Tasche fallen läßt, aus welcher die Spechte sie nachher nicht wieder hervorziehen können. Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenstücke meist nur Ueberbleibsel von Eicheln gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte sie in den von außen her hineinge- bohrten Löchern zerstückten. Ganze Eicheln waren darin sehr selten."
"Das im Vorstehenden geschilderte Verfahren ist merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der Wintervorrath sammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die seiner Gattung sonst nicht eigen ist und trägt sie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächst, die ihm zur Vorrathskammer dient. Er verbirgt sie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felsenspalten oder Erdhöhlen, kurz an keinem jener Orte, die sich naturgemäß seinem Suchen darzubieten scheinen, vielmehr in schmalen, im Mittelpunkt eines Pflanzenstengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandensein er weiß. Zu diesen Röhren bahnt er sich einen Weg, indem er das sie rings umschließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft er seinen Vorrath in strengster Ordnung auf und bewahrt ihn so sicher vor der Feuchtigkeit in einem Zustande, der höchst günstig auf seine Erhaltung einwirkt, geschützt zugleich vor Ratten und samen- fressenden Vögeln, welche nicht im Stande sind, durch das ihn schützende Holz zu dringen."
"Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob sie ein ähnliches Verfahren beobachten. Jn einer gewissen Gegend des Berges sah man unzählige trockene und in Vorrathskammern
Die Späher. Klettervögel. Kukuksſpechte.
„Die Geduld, welche unſere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, iſt nicht das einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die ſie anwenden müſſen, ſich die Eicheln zu verſchaffen, iſt noch ſtaunenswerther. Der Pizarro erhebt ſich inmitten einer Wüſte von Sand und Laven, auf denen kein Eichbaum wächſt. Es iſt mir unbegreiflich, von woher unſere Vögel ihre Lebensmittel geholt hatten. Sie müſſen mehrere Meilen weit danach geflogen ſein, vielleicht bis zum Abhang der Cordillera.“
„Durch ein ſo kunſtvolles Verfahren ſchützt die Natur dieſe Spechte gegen die Schrecken des Hungers in einem öden Lande, während eines ſechsmonatlichen Winters, wo ein ſtets heitrer Himmel Alles aufs Höchſte ausdorrt. Die Trockenheit verurſacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei uns die Kälte, und die allein ihr widerſtehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächſe der Savanne ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu ſeinem Unterhalt bedarf. Ohne die geſchilderte Hilfsquelle bliebe unſern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu ſterben.“
„Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder ſechsten Monat der rauhen Jahreszeit, und die Spechte beſchäftigten ſich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln ſind, die ihnen zur Speiſe dienen und nicht etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weiſe, wie ſie ſie genießen; iſt ebenſo merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen des Spechts ſchwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um ſie mit dem Schnabel ſpalten zu können, nimmt der Vogel wieder ſeine Zuflucht zu einem ſehr geſchickten Kunſtgriff. Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccaſtämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug, um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzuſtecken, aber nicht groß genug, um ſie ganz hineingehen zu laſſen, klemmt ſie in dies Loch und ſtößt ſie mit ſeinem Schnabel hinein, wie einen Zapfen in ein Spundloch. Die ſo feſtgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange- griffen und mit der größten Leichtigkeit zerſtückt; denn mit jedem Streiche ſtößt der Specht ſie tiefer und feſter hinein. Aus dieſem Grunde ſind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenſo durchlöchert, wie die Agavenſchafte. Wenn dieſe Bäume abſterben, löſt ſich die ſie bedeckende Rinde vom Stamm und läßt ſo zwiſchen ſich und dem Holze des Baumes einen ſehr geräumigen Zwiſchenraum, der ſelbſt wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloeſtengel, dienen kann. Unſere Vögel, ſchnell bereit, ſich dieſen Umſtand zu Nutze zu machen, bohren die abgeſtorbene Rinde voller Löcher und ſtecken Eicheln zwiſchen dieſelbe und das Holz. Aber dies Verfahren ſcheint ihnen nicht beſonders zuzu- ſagen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieſer natürlichen Taſche fallen läßt, aus welcher die Spechte ſie nachher nicht wieder hervorziehen können. Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenſtücke meiſt nur Ueberbleibſel von Eicheln gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte ſie in den von außen her hineinge- bohrten Löchern zerſtückten. Ganze Eicheln waren darin ſehr ſelten.“
„Das im Vorſtehenden geſchilderte Verfahren iſt merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der Wintervorrath ſammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die ſeiner Gattung ſonſt nicht eigen iſt und trägt ſie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächſt, die ihm zur Vorrathskammer dient. Er verbirgt ſie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felſenſpalten oder Erdhöhlen, kurz an keinem jener Orte, die ſich naturgemäß ſeinem Suchen darzubieten ſcheinen, vielmehr in ſchmalen, im Mittelpunkt eines Pflanzenſtengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandenſein er weiß. Zu dieſen Röhren bahnt er ſich einen Weg, indem er das ſie rings umſchließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft er ſeinen Vorrath in ſtrengſter Ordnung auf und bewahrt ihn ſo ſicher vor der Feuchtigkeit in einem Zuſtande, der höchſt günſtig auf ſeine Erhaltung einwirkt, geſchützt zugleich vor Ratten und ſamen- freſſenden Vögeln, welche nicht im Stande ſind, durch das ihn ſchützende Holz zu dringen.“
„Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob ſie ein ähnliches Verfahren beobachten. Jn einer gewiſſen Gegend des Berges ſah man unzählige trockene und in Vorrathskammern
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0100"n="86"/><fwplace="top"type="header">Die Späher. Klettervögel. Kukuksſpechte.</fw><lb/><p>„Die Geduld, welche unſere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, iſt nicht das<lb/>
einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die ſie anwenden müſſen, ſich die Eicheln zu<lb/>
verſchaffen, iſt noch ſtaunenswerther. Der Pizarro erhebt ſich inmitten einer Wüſte von Sand und<lb/>
Laven, auf denen kein Eichbaum wächſt. Es iſt mir unbegreiflich, von woher unſere Vögel ihre<lb/>
Lebensmittel geholt hatten. Sie müſſen mehrere Meilen weit danach geflogen ſein, vielleicht bis zum<lb/>
Abhang der Cordillera.“</p><lb/><p>„Durch ein ſo kunſtvolles Verfahren ſchützt die Natur dieſe Spechte gegen die Schrecken des<lb/>
Hungers in einem öden Lande, während eines ſechsmonatlichen Winters, wo ein ſtets heitrer Himmel<lb/>
Alles aufs Höchſte ausdorrt. Die Trockenheit verurſacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei<lb/>
uns die Kälte, und die allein ihr widerſtehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächſe der Savanne<lb/>
ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu ſeinem Unterhalt bedarf. Ohne die<lb/>
geſchilderte Hilfsquelle bliebe unſern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu ſterben.“</p><lb/><p>„Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder ſechsten Monat der rauhen Jahreszeit,<lb/>
und die Spechte beſchäftigten ſich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles<lb/>
veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln ſind, die ihnen zur Speiſe dienen und nicht<lb/>
etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weiſe, wie ſie ſie genießen; iſt ebenſo<lb/>
merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen<lb/>
des Spechts ſchwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um ſie mit dem Schnabel<lb/>ſpalten zu können, nimmt der Vogel wieder ſeine Zuflucht zu einem ſehr geſchickten Kunſtgriff.<lb/>
Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccaſtämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug,<lb/>
um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzuſtecken, aber nicht groß genug, um ſie ganz<lb/>
hineingehen zu laſſen, klemmt ſie in dies Loch und ſtößt ſie mit ſeinem Schnabel hinein, wie<lb/>
einen Zapfen in ein Spundloch. Die ſo feſtgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange-<lb/>
griffen und mit der größten Leichtigkeit zerſtückt; denn mit jedem Streiche ſtößt der Specht ſie<lb/>
tiefer und feſter hinein. Aus dieſem Grunde ſind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenſo durchlöchert,<lb/>
wie die Agavenſchafte. Wenn dieſe Bäume abſterben, löſt ſich die ſie bedeckende Rinde vom Stamm<lb/>
und läßt ſo zwiſchen ſich und dem Holze des Baumes einen ſehr geräumigen Zwiſchenraum, der ſelbſt<lb/>
wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloeſtengel, dienen kann. Unſere Vögel, ſchnell<lb/>
bereit, ſich dieſen Umſtand zu Nutze zu machen, bohren die abgeſtorbene Rinde voller Löcher und ſtecken<lb/>
Eicheln zwiſchen dieſelbe und das Holz. Aber dies Verfahren ſcheint ihnen nicht beſonders zuzu-<lb/>ſagen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieſer<lb/>
natürlichen Taſche fallen läßt, aus welcher die Spechte ſie nachher nicht wieder hervorziehen können.<lb/>
Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenſtücke meiſt nur Ueberbleibſel von Eicheln<lb/>
gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte ſie in den von außen her hineinge-<lb/>
bohrten Löchern zerſtückten. Ganze Eicheln waren darin ſehr ſelten.“</p><lb/><p>„Das im Vorſtehenden geſchilderte Verfahren iſt merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der<lb/>
Wintervorrath ſammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die ſeiner Gattung ſonſt nicht eigen<lb/>
iſt und trägt ſie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächſt, die ihm zur Vorrathskammer<lb/>
dient. Er verbirgt ſie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felſenſpalten oder Erdhöhlen, kurz an<lb/>
keinem jener Orte, die ſich naturgemäß ſeinem Suchen darzubieten ſcheinen, vielmehr in ſchmalen, im<lb/>
Mittelpunkt eines Pflanzenſtengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandenſein er weiß. Zu dieſen<lb/>
Röhren bahnt er ſich einen Weg, indem er das ſie rings umſchließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft<lb/>
er ſeinen Vorrath in ſtrengſter Ordnung auf und bewahrt ihn ſo ſicher vor der Feuchtigkeit in einem<lb/>
Zuſtande, der höchſt günſtig auf ſeine Erhaltung einwirkt, geſchützt zugleich vor Ratten und ſamen-<lb/>
freſſenden Vögeln, welche nicht im Stande ſind, durch das ihn ſchützende Holz zu dringen.“</p><lb/><p>„Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des<lb/>
Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob ſie ein ähnliches Verfahren beobachten.<lb/>
Jn einer gewiſſen Gegend des Berges ſah man unzählige trockene und in Vorrathskammern<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[86/0100]
Die Späher. Klettervögel. Kukuksſpechte.
„Die Geduld, welche unſere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, iſt nicht das
einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die ſie anwenden müſſen, ſich die Eicheln zu
verſchaffen, iſt noch ſtaunenswerther. Der Pizarro erhebt ſich inmitten einer Wüſte von Sand und
Laven, auf denen kein Eichbaum wächſt. Es iſt mir unbegreiflich, von woher unſere Vögel ihre
Lebensmittel geholt hatten. Sie müſſen mehrere Meilen weit danach geflogen ſein, vielleicht bis zum
Abhang der Cordillera.“
„Durch ein ſo kunſtvolles Verfahren ſchützt die Natur dieſe Spechte gegen die Schrecken des
Hungers in einem öden Lande, während eines ſechsmonatlichen Winters, wo ein ſtets heitrer Himmel
Alles aufs Höchſte ausdorrt. Die Trockenheit verurſacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei
uns die Kälte, und die allein ihr widerſtehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächſe der Savanne
ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu ſeinem Unterhalt bedarf. Ohne die
geſchilderte Hilfsquelle bliebe unſern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu ſterben.“
„Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder ſechsten Monat der rauhen Jahreszeit,
und die Spechte beſchäftigten ſich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles
veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln ſind, die ihnen zur Speiſe dienen und nicht
etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weiſe, wie ſie ſie genießen; iſt ebenſo
merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen
des Spechts ſchwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um ſie mit dem Schnabel
ſpalten zu können, nimmt der Vogel wieder ſeine Zuflucht zu einem ſehr geſchickten Kunſtgriff.
Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccaſtämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug,
um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzuſtecken, aber nicht groß genug, um ſie ganz
hineingehen zu laſſen, klemmt ſie in dies Loch und ſtößt ſie mit ſeinem Schnabel hinein, wie
einen Zapfen in ein Spundloch. Die ſo feſtgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange-
griffen und mit der größten Leichtigkeit zerſtückt; denn mit jedem Streiche ſtößt der Specht ſie
tiefer und feſter hinein. Aus dieſem Grunde ſind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenſo durchlöchert,
wie die Agavenſchafte. Wenn dieſe Bäume abſterben, löſt ſich die ſie bedeckende Rinde vom Stamm
und läßt ſo zwiſchen ſich und dem Holze des Baumes einen ſehr geräumigen Zwiſchenraum, der ſelbſt
wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloeſtengel, dienen kann. Unſere Vögel, ſchnell
bereit, ſich dieſen Umſtand zu Nutze zu machen, bohren die abgeſtorbene Rinde voller Löcher und ſtecken
Eicheln zwiſchen dieſelbe und das Holz. Aber dies Verfahren ſcheint ihnen nicht beſonders zuzu-
ſagen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieſer
natürlichen Taſche fallen läßt, aus welcher die Spechte ſie nachher nicht wieder hervorziehen können.
Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenſtücke meiſt nur Ueberbleibſel von Eicheln
gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte ſie in den von außen her hineinge-
bohrten Löchern zerſtückten. Ganze Eicheln waren darin ſehr ſelten.“
„Das im Vorſtehenden geſchilderte Verfahren iſt merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der
Wintervorrath ſammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die ſeiner Gattung ſonſt nicht eigen
iſt und trägt ſie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächſt, die ihm zur Vorrathskammer
dient. Er verbirgt ſie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felſenſpalten oder Erdhöhlen, kurz an
keinem jener Orte, die ſich naturgemäß ſeinem Suchen darzubieten ſcheinen, vielmehr in ſchmalen, im
Mittelpunkt eines Pflanzenſtengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandenſein er weiß. Zu dieſen
Röhren bahnt er ſich einen Weg, indem er das ſie rings umſchließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft
er ſeinen Vorrath in ſtrengſter Ordnung auf und bewahrt ihn ſo ſicher vor der Feuchtigkeit in einem
Zuſtande, der höchſt günſtig auf ſeine Erhaltung einwirkt, geſchützt zugleich vor Ratten und ſamen-
freſſenden Vögeln, welche nicht im Stande ſind, durch das ihn ſchützende Holz zu dringen.“
„Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des
Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob ſie ein ähnliches Verfahren beobachten.
Jn einer gewiſſen Gegend des Berges ſah man unzählige trockene und in Vorrathskammern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/100>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.