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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Knacker. Die Papageien. Sittiche.
zogen: -- aber siehe da, nach einigen Minuten war er wieder im Garten erschienen, wahrscheinlich in Folge
des eifrigen Rufens seines Gatten; denn diesen hatte ich selbstverständlich sofort ans Fenster gebracht.
Jetzt antwortete er dem Genossen im Käfig und ließ sich dicht unter dem Fenster auf einem Baume
nieder, eifrig rufend, lockend und zwitschernd. Dies hatte noch etwas Anderes zur Folge, woran ich
nicht gedacht. Der Liebhaber, welcher Wellenpapageien gehalten hat, wird erfahren haben, daß deren
Lockton zuweilen täuschend dem unserer Sperlinge gleicht. Jch hatte früher darauf wenig geachtet,
mußte Dies aber jetzt wohl thun, weil mich neben dem Papagei bald auch die Sperlinge beschäftigten.
Es war gerade Hochsommer und alle Dächer umher bedeckt mit jungen Spatzen. Unter ihnen nun
zeigte sich sofort, nachdem der schöne Fremdling erschienen war, große Bewegung. Der Wellensittich
hatte sich auf einem Pflaumenbaum unter dem Fenster niedergelassen und unterhielt sich von dort aus
mit seinem Gatten. Die jungen Spatzen aber mochten meinen, daß sein lockendes "Tschilp" wohl
ihnen gelten möge und kamen in Scharen herbei, ungeachtet des warnenden und bedenklichen "Zerrrr"
der älteren Weisen ihres Geschlechts. Diese schienen allerdings auch verwundert zu sein, ließen sich
jedoch als erfahrene Vögel durchaus nicht täuschen, sondern sahen sich zunächst den grünen Australier
vor sich an; die jungen Sperlinge hingegen umringten ihn bald in Menge. Er beachtete sie nicht im
geringsten; sie aber ließen sich deshalb nicht zurückhalten. Sie wurden förmlich zudringlich, hüpften
dicht an ihn heran, beschauten ihn scheinbar höchst erfreut und erwiederten sein "Tschilp" nach Kräften.
Wenn er sich ärgerlich hierüber erhob und einem anderen Baume zuflog, folgte die ganze Rotte, und nur,
wenn er einige seiner prächtigen Flugbewegungen ausführte, blieben die schwerfälligen Spatzen ver-
dutzt unten sitzen. Dieses Schauspiel mochte wohl eine halbe Stunde währen, und der Garten war
schließlich förmlich erfüllt von allen Sperlingen weit und breit, bis die Sehnsucht nach dem Gatten
den Wellensittich bewog, ins Zimmer zurückzufliegen. Hier wurde er eingefangen, wieder in den
Käfig gesperrt, höchst zärtlich von seinem Männchen begrüßt, und damit löste sich von selbst die Volks-
versammlung draußen im Garten.

Zum Schluß will ich noch anführen, daß Wellenpapageien sich auch bei uns wochenlang im
Freien halten können. Auf dem Gute eines bedeutenden Thierliebhabers in Belgien entflogen im
Frühling des Jahres 1861 zwei Paar Wellenpapageien aus einem Gebauer. Sie verloren sich
alsbald in den Baumwipfeln einer großen Parkanlage und wurden längere Zeit gar nicht oder nur
sehr flüchtig gesehen. Doch blieben sie in ihrem Gebiete wohnen, und wie sich später ergab, hatten sie
hier sogar in Baumhöhlen genistet und eine Anzahl Junge erzogen. Der Besitzer überraschte im
Herbste einen ganzen Flug von zehn bis zwölf Stück in einem Haferfelde, woselbst sie sich gütlich
thaten. Von nun an wurden die Vögel durch vorsichtiges Füttern allgemach herbeigelockt und vor Ein-
tritt des Winters zehn Stück von ihnen gefangen. Leider ließ sich nicht ermitteln, ob noch Andere
im Freien geblieben waren; beobachtet wurden freilich keine mehr. Es wäre wichtig gewesen, zu er-
fahren, ob die Fremdlinge unsern Winter überstehen können oder nicht.



Als Vertreter der Kakadus innerhalb der Sittichfamilie darf die Corella der Ansiedler, der
Schmucksittich oder Falkenkakadu unserer deutschen Forscher (Nymphicus Novae-Hollandiae) betrach-
tet werden. Sie gehört zu den größeren Breitschwanzsittichen; sie wird reichlich einen Fuß lang
und ungefähr ebenso breit. Das Gefieder ist sehr bunt gezeichnet. Der Vorderkopf, der Schopf und
die Wangen sind citronengelb, die Ohrdecken hoch orange, der Hinterhals, zwei mittle Schwanz-
federn und die Außenränder der Schwingen braungrau, der Rücken, die Schultern, die ganze Unter-
seite und die äußersten Schwanzfedern graulich schokoladenbraun, die Schultern und Seiten am dun-
kelsten, die oberen Flügeldeckfedern aber weiß; der Augenring ist dunkelbraun, der Schnabel bleifarbig,
der Fuß bläulichgrau. Das Weibchen ähnelt im allgemeinen dem Männchen, doch sind Gesicht und

Knacker. Die Papageien. Sittiche.
zogen: — aber ſiehe da, nach einigen Minuten war er wieder im Garten erſchienen, wahrſcheinlich in Folge
des eifrigen Rufens ſeines Gatten; denn dieſen hatte ich ſelbſtverſtändlich ſofort ans Fenſter gebracht.
Jetzt antwortete er dem Genoſſen im Käfig und ließ ſich dicht unter dem Fenſter auf einem Baume
nieder, eifrig rufend, lockend und zwitſchernd. Dies hatte noch etwas Anderes zur Folge, woran ich
nicht gedacht. Der Liebhaber, welcher Wellenpapageien gehalten hat, wird erfahren haben, daß deren
Lockton zuweilen täuſchend dem unſerer Sperlinge gleicht. Jch hatte früher darauf wenig geachtet,
mußte Dies aber jetzt wohl thun, weil mich neben dem Papagei bald auch die Sperlinge beſchäftigten.
Es war gerade Hochſommer und alle Dächer umher bedeckt mit jungen Spatzen. Unter ihnen nun
zeigte ſich ſofort, nachdem der ſchöne Fremdling erſchienen war, große Bewegung. Der Wellenſittich
hatte ſich auf einem Pflaumenbaum unter dem Fenſter niedergelaſſen und unterhielt ſich von dort aus
mit ſeinem Gatten. Die jungen Spatzen aber mochten meinen, daß ſein lockendes „Tſchilp‟ wohl
ihnen gelten möge und kamen in Scharen herbei, ungeachtet des warnenden und bedenklichen „Zerrrr‟
der älteren Weiſen ihres Geſchlechts. Dieſe ſchienen allerdings auch verwundert zu ſein, ließen ſich
jedoch als erfahrene Vögel durchaus nicht täuſchen, ſondern ſahen ſich zunächſt den grünen Auſtralier
vor ſich an; die jungen Sperlinge hingegen umringten ihn bald in Menge. Er beachtete ſie nicht im
geringſten; ſie aber ließen ſich deshalb nicht zurückhalten. Sie wurden förmlich zudringlich, hüpften
dicht an ihn heran, beſchauten ihn ſcheinbar höchſt erfreut und erwiederten ſein „Tſchilp‟ nach Kräften.
Wenn er ſich ärgerlich hierüber erhob und einem anderen Baume zuflog, folgte die ganze Rotte, und nur,
wenn er einige ſeiner prächtigen Flugbewegungen ausführte, blieben die ſchwerfälligen Spatzen ver-
dutzt unten ſitzen. Dieſes Schauſpiel mochte wohl eine halbe Stunde währen, und der Garten war
ſchließlich förmlich erfüllt von allen Sperlingen weit und breit, bis die Sehnſucht nach dem Gatten
den Wellenſittich bewog, ins Zimmer zurückzufliegen. Hier wurde er eingefangen, wieder in den
Käfig geſperrt, höchſt zärtlich von ſeinem Männchen begrüßt, und damit löſte ſich von ſelbſt die Volks-
verſammlung draußen im Garten.

Zum Schluß will ich noch anführen, daß Wellenpapageien ſich auch bei uns wochenlang im
Freien halten können. Auf dem Gute eines bedeutenden Thierliebhabers in Belgien entflogen im
Frühling des Jahres 1861 zwei Paar Wellenpapageien aus einem Gebauer. Sie verloren ſich
alsbald in den Baumwipfeln einer großen Parkanlage und wurden längere Zeit gar nicht oder nur
ſehr flüchtig geſehen. Doch blieben ſie in ihrem Gebiete wohnen, und wie ſich ſpäter ergab, hatten ſie
hier ſogar in Baumhöhlen geniſtet und eine Anzahl Junge erzogen. Der Beſitzer überraſchte im
Herbſte einen ganzen Flug von zehn bis zwölf Stück in einem Haferfelde, woſelbſt ſie ſich gütlich
thaten. Von nun an wurden die Vögel durch vorſichtiges Füttern allgemach herbeigelockt und vor Ein-
tritt des Winters zehn Stück von ihnen gefangen. Leider ließ ſich nicht ermitteln, ob noch Andere
im Freien geblieben waren; beobachtet wurden freilich keine mehr. Es wäre wichtig geweſen, zu er-
fahren, ob die Fremdlinge unſern Winter überſtehen können oder nicht.



Als Vertreter der Kakadus innerhalb der Sittichfamilie darf die Corella der Anſiedler, der
Schmuckſittich oder Falkenkakadu unſerer deutſchen Forſcher (Nymphicus Novae-Hollandiae) betrach-
tet werden. Sie gehört zu den größeren Breitſchwanzſittichen; ſie wird reichlich einen Fuß lang
und ungefähr ebenſo breit. Das Gefieder iſt ſehr bunt gezeichnet. Der Vorderkopf, der Schopf und
die Wangen ſind citronengelb, die Ohrdecken hoch orange, der Hinterhals, zwei mittle Schwanz-
federn und die Außenränder der Schwingen braungrau, der Rücken, die Schultern, die ganze Unter-
ſeite und die äußerſten Schwanzfedern graulich ſchokoladenbraun, die Schultern und Seiten am dun-
kelſten, die oberen Flügeldeckfedern aber weiß; der Augenring iſt dunkelbraun, der Schnabel bleifarbig,
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[80/0096] Knacker. Die Papageien. Sittiche. zogen: — aber ſiehe da, nach einigen Minuten war er wieder im Garten erſchienen, wahrſcheinlich in Folge des eifrigen Rufens ſeines Gatten; denn dieſen hatte ich ſelbſtverſtändlich ſofort ans Fenſter gebracht. Jetzt antwortete er dem Genoſſen im Käfig und ließ ſich dicht unter dem Fenſter auf einem Baume nieder, eifrig rufend, lockend und zwitſchernd. Dies hatte noch etwas Anderes zur Folge, woran ich nicht gedacht. Der Liebhaber, welcher Wellenpapageien gehalten hat, wird erfahren haben, daß deren Lockton zuweilen täuſchend dem unſerer Sperlinge gleicht. Jch hatte früher darauf wenig geachtet, mußte Dies aber jetzt wohl thun, weil mich neben dem Papagei bald auch die Sperlinge beſchäftigten. Es war gerade Hochſommer und alle Dächer umher bedeckt mit jungen Spatzen. Unter ihnen nun zeigte ſich ſofort, nachdem der ſchöne Fremdling erſchienen war, große Bewegung. Der Wellenſittich hatte ſich auf einem Pflaumenbaum unter dem Fenſter niedergelaſſen und unterhielt ſich von dort aus mit ſeinem Gatten. Die jungen Spatzen aber mochten meinen, daß ſein lockendes „Tſchilp‟ wohl ihnen gelten möge und kamen in Scharen herbei, ungeachtet des warnenden und bedenklichen „Zerrrr‟ der älteren Weiſen ihres Geſchlechts. Dieſe ſchienen allerdings auch verwundert zu ſein, ließen ſich jedoch als erfahrene Vögel durchaus nicht täuſchen, ſondern ſahen ſich zunächſt den grünen Auſtralier vor ſich an; die jungen Sperlinge hingegen umringten ihn bald in Menge. Er beachtete ſie nicht im geringſten; ſie aber ließen ſich deshalb nicht zurückhalten. Sie wurden förmlich zudringlich, hüpften dicht an ihn heran, beſchauten ihn ſcheinbar höchſt erfreut und erwiederten ſein „Tſchilp‟ nach Kräften. Wenn er ſich ärgerlich hierüber erhob und einem anderen Baume zuflog, folgte die ganze Rotte, und nur, wenn er einige ſeiner prächtigen Flugbewegungen ausführte, blieben die ſchwerfälligen Spatzen ver- dutzt unten ſitzen. Dieſes Schauſpiel mochte wohl eine halbe Stunde währen, und der Garten war ſchließlich förmlich erfüllt von allen Sperlingen weit und breit, bis die Sehnſucht nach dem Gatten den Wellenſittich bewog, ins Zimmer zurückzufliegen. Hier wurde er eingefangen, wieder in den Käfig geſperrt, höchſt zärtlich von ſeinem Männchen begrüßt, und damit löſte ſich von ſelbſt die Volks- verſammlung draußen im Garten. Zum Schluß will ich noch anführen, daß Wellenpapageien ſich auch bei uns wochenlang im Freien halten können. Auf dem Gute eines bedeutenden Thierliebhabers in Belgien entflogen im Frühling des Jahres 1861 zwei Paar Wellenpapageien aus einem Gebauer. Sie verloren ſich alsbald in den Baumwipfeln einer großen Parkanlage und wurden längere Zeit gar nicht oder nur ſehr flüchtig geſehen. Doch blieben ſie in ihrem Gebiete wohnen, und wie ſich ſpäter ergab, hatten ſie hier ſogar in Baumhöhlen geniſtet und eine Anzahl Junge erzogen. Der Beſitzer überraſchte im Herbſte einen ganzen Flug von zehn bis zwölf Stück in einem Haferfelde, woſelbſt ſie ſich gütlich thaten. Von nun an wurden die Vögel durch vorſichtiges Füttern allgemach herbeigelockt und vor Ein- tritt des Winters zehn Stück von ihnen gefangen. Leider ließ ſich nicht ermitteln, ob noch Andere im Freien geblieben waren; beobachtet wurden freilich keine mehr. Es wäre wichtig geweſen, zu er- fahren, ob die Fremdlinge unſern Winter überſtehen können oder nicht. Als Vertreter der Kakadus innerhalb der Sittichfamilie darf die Corella der Anſiedler, der Schmuckſittich oder Falkenkakadu unſerer deutſchen Forſcher (Nymphicus Novae-Hollandiae) betrach- tet werden. Sie gehört zu den größeren Breitſchwanzſittichen; ſie wird reichlich einen Fuß lang und ungefähr ebenſo breit. Das Gefieder iſt ſehr bunt gezeichnet. Der Vorderkopf, der Schopf und die Wangen ſind citronengelb, die Ohrdecken hoch orange, der Hinterhals, zwei mittle Schwanz- federn und die Außenränder der Schwingen braungrau, der Rücken, die Schultern, die ganze Unter- ſeite und die äußerſten Schwanzfedern graulich ſchokoladenbraun, die Schultern und Seiten am dun- kelſten, die oberen Flügeldeckfedern aber weiß; der Augenring iſt dunkelbraun, der Schnabel bleifarbig, der Fuß bläulichgrau. Das Weibchen ähnelt im allgemeinen dem Männchen, doch ſind Geſicht und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/96>, abgerufen am 23.11.2024.