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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Gebirgs-, Schaf- und sammtköpfige Stelze.
man ihr nachstellt, dann wird sie so scheu, daß sie sich durchaus nicht schußgerecht ankommen läßt,
wenn sie nicht hinterschlichen wird. Jhr Lockton, den sie hauptsächlich im Fluge, seltener aber im
Sitzen hören läßt, hat sehr viel Aehnlichkeit mit dem der Bachstelze, sodaß man beide Arten genau
kennen muß, wenn man sie genügend unterscheiden will. Er klingt fast wie "ziwi", es ist aber
unmöglich, ihn mit Buchstaben genau zu bezeichnen." Jm Fluge stößt sie Laute aus, welche wie
"stip, stitip" und "zizis" klingen.

Auch die Gebirgsstelze brütet zeitig im Frühjahre, das erstemal schon im April, das zweitemal
spätestens im Juli. Bei der Paarung beträgt sich das Männchen sehr eigenthümlich. "Es setzt sich",
sagt mein Vater, "auf einen Zweig oder eine Firste, hoch oder tief, auf ein Wehr oder einen Stein u. f. w.
und gibt einen trillerartigen Ton von sich, welcher fast wie "törrli" klingt und besonders in den ersten
Morgenstunden gehört wird. Fliegt es auf, dann flattert es mit den Flügeln, setzt sich aber bald
wieder nieder. Es hat gewisse Plätze, gewisse Bäume, Häuser und Wehre, auf denen es im März
und im Anfang des April alle Morgen sitzt und seine einfachen Töne hören läßt. Jm Frühjahr
vernimmt man auch, jedoch selten, einen recht angenehmen Gesang, welcher mit dem der Bachstelze
einige Aehnlichkeit hat, aber hübscher ist. Das Nest steht in Felsen-, Mauer- und Erdlöchern,
unter überhängenden Ufern, in Mühlbetten, im Gewurzel u. s. w., regelmäßig nahe am Wasser. Es
richtet sich hinsichtlich seiner Größe nach dem Standorte, ist dem entsprechend bald größer, bald kleiner;
es ist aber auch bald dichterer, bald lockerer, bald mehr, bald weniger gut gebaut. Die äußere Lage
besteht aus Würzelchen, Reisern, dürren Blättern, Erdmos und dergleichen, die zweite Lage aus den-
selben, aber feiner gewählten Stoffen, die innere Ausfütterung aus zarten Würzelchen, Borsten,
Pferdehaaren und Wolle. Die vier bis sechs Eier sind auf grauschmuzigem oder bläulichweißen
Grunde mit gelben oder aschgrauen Flecken und Strichelchen gezeichnet, gewässert und geadert. Das
Weibchen brütet allein; doch kommt es ausnahmsweise vor, daß das Männchen es ablöst. Der Brut-
eifer der Mutter ist so groß, daß es sich mit der Hand ergreifen läßt. Die Jungen werden von beiden
Eltern reichlich mit Nahrung versehen, sehr geliebt und nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang
geführt und geleitet.



Die Schafstelzen (Budytes) unterscheiden sich von andern Arten der Familie durch die Kürze
ihres Schwanzes, den geraden, spornartigen Nagel der Hinterzehe und ein sehr lebhaftes, nach dem
Geschlecht verschiedenes Gesieder.

Zur Zeit ist eine Streitfrage der Vogelkundigen noch nicht entschieden. Es handelt sich darum,
ob gewisse Schafstelzon, welche man in Europa beobachtet hat, zu ein und derselben Art gezählt werden
müssen, oder ob sie als verschiedene Arten zu betrachten sind. So viel ist unzweifelhaft, daß mehrere
von ihnen sich ständig durch die Färbung unterscheiden und daß sich diese Verschiedenheit namentlich bei
den Männchen zeigt.

Unsere deutsche Schafstelze, welche auch Kuh-, Rinder-, Wiesen- oder Triftstelze
genannt wird (Budytes flavus), ist auf Kopf und Hinterhals aschblaugrau, auf dem Rücken olivengrün,
auf der Unterseite hochgelb; die Schwingen und Schwanzfedern sind schwärzlich, heller gerandet;
ein lichter Streifen zieht sich über dem Auge dahin; zwei gilbliche Binden verlaufen über die Flügel.
Bei den Weibchen und den Jungen sind alle Farben blässer und graulicher. Das Auge ist dunkel-
braun, der Schnabel schwarz, an der Wurzel des Unterschnabels lichtblau, der Fuß schwarz.

Jm Süden Europas tritt neben dieser Schafstelze eine zweite Art oder Spielart auf, die
sammtköpfige Stelze (Budytes melanocephalus). Bei dem Männchen sind Stirn, Scheitel,
Nacken und Augengegend sammtschwarz, der Mantel und Rücken olivenfarbig, mit grünlichem
Schimmer; der Unterkörper ist hoch schwefelgelb; die Flügel und mittleren Schwanzdeckfedern sind

Gebirgs-, Schaf- und ſammtköpfige Stelze.
man ihr nachſtellt, dann wird ſie ſo ſcheu, daß ſie ſich durchaus nicht ſchußgerecht ankommen läßt,
wenn ſie nicht hinterſchlichen wird. Jhr Lockton, den ſie hauptſächlich im Fluge, ſeltener aber im
Sitzen hören läßt, hat ſehr viel Aehnlichkeit mit dem der Bachſtelze, ſodaß man beide Arten genau
kennen muß, wenn man ſie genügend unterſcheiden will. Er klingt faſt wie „ziwi‟, es iſt aber
unmöglich, ihn mit Buchſtaben genau zu bezeichnen.‟ Jm Fluge ſtößt ſie Laute aus, welche wie
„ſtip, ſtitip‟ und „zizis‟ klingen.

Auch die Gebirgsſtelze brütet zeitig im Frühjahre, das erſtemal ſchon im April, das zweitemal
ſpäteſtens im Juli. Bei der Paarung beträgt ſich das Männchen ſehr eigenthümlich. „Es ſetzt ſich‟,
ſagt mein Vater, „auf einen Zweig oder eine Firſte, hoch oder tief, auf ein Wehr oder einen Stein u. f. w.
und gibt einen trillerartigen Ton von ſich, welcher faſt wie „törrli‟ klingt und beſonders in den erſten
Morgenſtunden gehört wird. Fliegt es auf, dann flattert es mit den Flügeln, ſetzt ſich aber bald
wieder nieder. Es hat gewiſſe Plätze, gewiſſe Bäume, Häuſer und Wehre, auf denen es im März
und im Anfang des April alle Morgen ſitzt und ſeine einfachen Töne hören läßt. Jm Frühjahr
vernimmt man auch, jedoch ſelten, einen recht angenehmen Geſang, welcher mit dem der Bachſtelze
einige Aehnlichkeit hat, aber hübſcher iſt. Das Neſt ſteht in Felſen-, Mauer- und Erdlöchern,
unter überhängenden Ufern, in Mühlbetten, im Gewurzel u. ſ. w., regelmäßig nahe am Waſſer. Es
richtet ſich hinſichtlich ſeiner Größe nach dem Standorte, iſt dem entſprechend bald größer, bald kleiner;
es iſt aber auch bald dichterer, bald lockerer, bald mehr, bald weniger gut gebaut. Die äußere Lage
beſteht aus Würzelchen, Reiſern, dürren Blättern, Erdmos und dergleichen, die zweite Lage aus den-
ſelben, aber feiner gewählten Stoffen, die innere Ausfütterung aus zarten Würzelchen, Borſten,
Pferdehaaren und Wolle. Die vier bis ſechs Eier ſind auf grauſchmuzigem oder bläulichweißen
Grunde mit gelben oder aſchgrauen Flecken und Strichelchen gezeichnet, gewäſſert und geadert. Das
Weibchen brütet allein; doch kommt es ausnahmsweiſe vor, daß das Männchen es ablöſt. Der Brut-
eifer der Mutter iſt ſo groß, daß es ſich mit der Hand ergreifen läßt. Die Jungen werden von beiden
Eltern reichlich mit Nahrung verſehen, ſehr geliebt und nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang
geführt und geleitet.



Die Schafſtelzen (Budytes) unterſcheiden ſich von andern Arten der Familie durch die Kürze
ihres Schwanzes, den geraden, ſpornartigen Nagel der Hinterzehe und ein ſehr lebhaftes, nach dem
Geſchlecht verſchiedenes Geſieder.

Zur Zeit iſt eine Streitfrage der Vogelkundigen noch nicht entſchieden. Es handelt ſich darum,
ob gewiſſe Schafſtelzon, welche man in Europa beobachtet hat, zu ein und derſelben Art gezählt werden
müſſen, oder ob ſie als verſchiedene Arten zu betrachten ſind. So viel iſt unzweifelhaft, daß mehrere
von ihnen ſich ſtändig durch die Färbung unterſcheiden und daß ſich dieſe Verſchiedenheit namentlich bei
den Männchen zeigt.

Unſere deutſche Schafſtelze, welche auch Kuh-, Rinder-, Wieſen- oder Triftſtelze
genannt wird (Budytes flavus), iſt auf Kopf und Hinterhals aſchblaugrau, auf dem Rücken olivengrün,
auf der Unterſeite hochgelb; die Schwingen und Schwanzfedern ſind ſchwärzlich, heller gerandet;
ein lichter Streifen zieht ſich über dem Auge dahin; zwei gilbliche Binden verlaufen über die Flügel.
Bei den Weibchen und den Jungen ſind alle Farben bläſſer und graulicher. Das Auge iſt dunkel-
braun, der Schnabel ſchwarz, an der Wurzel des Unterſchnabels lichtblau, der Fuß ſchwarz.

Jm Süden Europas tritt neben dieſer Schafſtelze eine zweite Art oder Spielart auf, die
ſammtköpfige Stelze (Budytes melanocephalus). Bei dem Männchen ſind Stirn, Scheitel,
Nacken und Augengegend ſammtſchwarz, der Mantel und Rücken olivenfarbig, mit grünlichem
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[905/0953] Gebirgs-, Schaf- und ſammtköpfige Stelze. man ihr nachſtellt, dann wird ſie ſo ſcheu, daß ſie ſich durchaus nicht ſchußgerecht ankommen läßt, wenn ſie nicht hinterſchlichen wird. Jhr Lockton, den ſie hauptſächlich im Fluge, ſeltener aber im Sitzen hören läßt, hat ſehr viel Aehnlichkeit mit dem der Bachſtelze, ſodaß man beide Arten genau kennen muß, wenn man ſie genügend unterſcheiden will. Er klingt faſt wie „ziwi‟, es iſt aber unmöglich, ihn mit Buchſtaben genau zu bezeichnen.‟ Jm Fluge ſtößt ſie Laute aus, welche wie „ſtip, ſtitip‟ und „zizis‟ klingen. Auch die Gebirgsſtelze brütet zeitig im Frühjahre, das erſtemal ſchon im April, das zweitemal ſpäteſtens im Juli. Bei der Paarung beträgt ſich das Männchen ſehr eigenthümlich. „Es ſetzt ſich‟, ſagt mein Vater, „auf einen Zweig oder eine Firſte, hoch oder tief, auf ein Wehr oder einen Stein u. f. w. und gibt einen trillerartigen Ton von ſich, welcher faſt wie „törrli‟ klingt und beſonders in den erſten Morgenſtunden gehört wird. Fliegt es auf, dann flattert es mit den Flügeln, ſetzt ſich aber bald wieder nieder. Es hat gewiſſe Plätze, gewiſſe Bäume, Häuſer und Wehre, auf denen es im März und im Anfang des April alle Morgen ſitzt und ſeine einfachen Töne hören läßt. Jm Frühjahr vernimmt man auch, jedoch ſelten, einen recht angenehmen Geſang, welcher mit dem der Bachſtelze einige Aehnlichkeit hat, aber hübſcher iſt. Das Neſt ſteht in Felſen-, Mauer- und Erdlöchern, unter überhängenden Ufern, in Mühlbetten, im Gewurzel u. ſ. w., regelmäßig nahe am Waſſer. Es richtet ſich hinſichtlich ſeiner Größe nach dem Standorte, iſt dem entſprechend bald größer, bald kleiner; es iſt aber auch bald dichterer, bald lockerer, bald mehr, bald weniger gut gebaut. Die äußere Lage beſteht aus Würzelchen, Reiſern, dürren Blättern, Erdmos und dergleichen, die zweite Lage aus den- ſelben, aber feiner gewählten Stoffen, die innere Ausfütterung aus zarten Würzelchen, Borſten, Pferdehaaren und Wolle. Die vier bis ſechs Eier ſind auf grauſchmuzigem oder bläulichweißen Grunde mit gelben oder aſchgrauen Flecken und Strichelchen gezeichnet, gewäſſert und geadert. Das Weibchen brütet allein; doch kommt es ausnahmsweiſe vor, daß das Männchen es ablöſt. Der Brut- eifer der Mutter iſt ſo groß, daß es ſich mit der Hand ergreifen läßt. Die Jungen werden von beiden Eltern reichlich mit Nahrung verſehen, ſehr geliebt und nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang geführt und geleitet. Die Schafſtelzen (Budytes) unterſcheiden ſich von andern Arten der Familie durch die Kürze ihres Schwanzes, den geraden, ſpornartigen Nagel der Hinterzehe und ein ſehr lebhaftes, nach dem Geſchlecht verſchiedenes Geſieder. Zur Zeit iſt eine Streitfrage der Vogelkundigen noch nicht entſchieden. Es handelt ſich darum, ob gewiſſe Schafſtelzon, welche man in Europa beobachtet hat, zu ein und derſelben Art gezählt werden müſſen, oder ob ſie als verſchiedene Arten zu betrachten ſind. So viel iſt unzweifelhaft, daß mehrere von ihnen ſich ſtändig durch die Färbung unterſcheiden und daß ſich dieſe Verſchiedenheit namentlich bei den Männchen zeigt. Unſere deutſche Schafſtelze, welche auch Kuh-, Rinder-, Wieſen- oder Triftſtelze genannt wird (Budytes flavus), iſt auf Kopf und Hinterhals aſchblaugrau, auf dem Rücken olivengrün, auf der Unterſeite hochgelb; die Schwingen und Schwanzfedern ſind ſchwärzlich, heller gerandet; ein lichter Streifen zieht ſich über dem Auge dahin; zwei gilbliche Binden verlaufen über die Flügel. Bei den Weibchen und den Jungen ſind alle Farben bläſſer und graulicher. Das Auge iſt dunkel- braun, der Schnabel ſchwarz, an der Wurzel des Unterſchnabels lichtblau, der Fuß ſchwarz. Jm Süden Europas tritt neben dieſer Schafſtelze eine zweite Art oder Spielart auf, die ſammtköpfige Stelze (Budytes melanocephalus). Bei dem Männchen ſind Stirn, Scheitel, Nacken und Augengegend ſammtſchwarz, der Mantel und Rücken olivenfarbig, mit grünlichem Schimmer; der Unterkörper iſt hoch ſchwefelgelb; die Flügel und mittleren Schwanzdeckfedern ſind

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 905. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/953>, abgerufen am 22.11.2024.