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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
oder etwas längliche Gestalt, fein schwach glänzende Schale und auf blanweißem Grunde zu unterst
blaugraue, dann gelbbraune und zu oberst dunkelbraune Flecke. Andere sind über und über braun-
grau bekritzelt und gepunktet und sehen den Wiesen- und Wasserpiepereiern ähnlich."

Nach Jerdon wird der Sporenpieper auf den Markt von Calcutta in Massen gebracht und
als Ortolan verkauft.



Früher vereinte man mit den Piepern die Stelzen in einer Familie. Beide Gruppen
haben in der That Manches mit einander gemein; andererseits aber zeigen die Stelzen so viel
Eigenthümliches, daß die Trennung gerechtfertigter erscheint, als jene Vereinigung. Die Stelzen
(Motacillae) kennzeichnen sich durch äußerst schlank gebauten Leib, mittellange Flügel, in denen
die dritte Schwinge die längste ist, die Armschwingen aber kaum kürzer als die Handschwingen
sind, durch schlanke und dünne, ziemlich hohe Füße, einen sehr langen, schmalfedrigen, nur aus-
nahmsweise gegabelten Schwanz, schwache und kurzzehige Füße, einen dünnen, geraden, gestreckten,
pfriemenförmigen, auf der Firste kantigen, vor der Spitze des Oberkiefers mit seichtem Ausschnitt
versehenen Schnabel und ein buntes, nach dem Geschlecht einigermaßen verschiedenes Gefieder,
welches einer doppelten Mauser unterworfen ist.

Die an Arten nicht eben reiche Familie gehört nur der alten Welt an und verbreitet sich
hier über alle Gürtel der Breite und der Höhe. Wasserreiche Gegenden oder richtiger die Gewässer
selbst sind als die eigentlichen Wohnsitze zu betrachten. Einzelne Arten entfernen sich nur während
ihrer Reisen von dem Wasser, andere treiben sich, Nahrung suchend, auch auf trockenen Stellen
umher, kehren aber immer wieder zum Wasser zurück und verweilen wenigstens einige Stunden
lang. Jn ihrem Betragen erinnern die Stelzen vielfach an die Pieper; ihre Bewegungen sind
aber zierlicher und anmuthiger als bei diesen, wenn auch nicht so schnell und hastig. Sie gehen
gewöhnlich schrittweise, bedachtsam, nicken bei jedem Schritt mit dem Kopfe und halten dabei den
langen Schwanz wagrecht oder ein wenig erhaben, bewegen ihn auch beständig auf und nieder, sodaß
sie ihren lateinischen Namen bethätigen. Zuweilen rennen sie auch sehr flink dahin, aber immer nur
in Absätzen. Jhr Flug ist sehr rasch und geschickt; er besteht aus großen Bogen, welche dadurch ent-
stehen, daß sie ihre Flügel wechselseitig heftig bewegen und dann wieder zeitweilig stark zusammen-
ziehen. Jhre Stimme ist nicht gerade klangvoll, ihr Gesang sehr einfach, aber dennoch ansprechend.
Die Rahrung besteht aus allerhand Kerbthieren oder deren Larven und niederem Wassergethier. Sie
lesen vom Wasser, vom Ufersande oder von Blättern ab, verfolgen auch fliegende Kerfe in der Luft und
treiben sich, Nahrung suchend, weit umher: gerade ihrer Jagd halber verlassen sie zeitweilig das ihnen
so befreundete Wasser. Pflanzenstoffe scheinen sie gänzlich zu verschmähen. Die nordischen Arten
sind Zugvögel, die südlichen Strichvögel, einzelne aber entschiedene Standvögel. Sie erscheinen im
Norden frühzeitig im Jahre und verweilen hier bis in den Spätherbst; demungeachtet wandern sie
weit nach Süden hinab, die europäischen Arten bis nach Mittelafrika, die asiatischen bis Jndien.
Fast alle haben eine sehr große Verbreitung, und nur wenige scheinen auf ein gewisses Gebiet beschränkt
zu sein. Das Nest ist ein schlechter Bau aus feinen Reischen, Würzelchen, schwachen Gras- und
Strohhalmen, Mos, dürren Blättern und dergleichen, welcher im Jnnern mit Wolle und ähn-
lichen weichen Stoffen ausgelegt wird. Es steht in Höhlen und Vertiefungen, regelmäßig nahe
am Wasser, wenn auch nicht immer in der Nachbarschaft eines größeren Sees oder Baches; denn schon
eine kleine Pfütze kann einer Stelze genügen. Die Eier sind zartschalig und auf lichtem oder
graulichem Grunde fein gefleckt. Die Jungen erhalten zunächst ein Kleid, welches von dem der Alten
durchaus verschieden ist.

Die meisten Stelzen siedeln sich gern in der Nähe des Menschen an und wissen durch ihre
Anmuth und Zuthunlichkeit auch das roheste Gemüth für sich zu gewinnen. Sie haben deshalb ver-

Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
oder etwas längliche Geſtalt, fein ſchwach glänzende Schale und auf blanweißem Grunde zu unterſt
blaugraue, dann gelbbraune und zu oberſt dunkelbraune Flecke. Andere ſind über und über braun-
grau bekritzelt und gepunktet und ſehen den Wieſen- und Waſſerpiepereiern ähnlich.‟

Nach Jerdon wird der Sporenpieper auf den Markt von Calcutta in Maſſen gebracht und
als Ortolan verkauft.



Früher vereinte man mit den Piepern die Stelzen in einer Familie. Beide Gruppen
haben in der That Manches mit einander gemein; andererſeits aber zeigen die Stelzen ſo viel
Eigenthümliches, daß die Trennung gerechtfertigter erſcheint, als jene Vereinigung. Die Stelzen
(Motacillae) kennzeichnen ſich durch äußerſt ſchlank gebauten Leib, mittellange Flügel, in denen
die dritte Schwinge die längſte iſt, die Armſchwingen aber kaum kürzer als die Handſchwingen
ſind, durch ſchlanke und dünne, ziemlich hohe Füße, einen ſehr langen, ſchmalfedrigen, nur aus-
nahmsweiſe gegabelten Schwanz, ſchwache und kurzzehige Füße, einen dünnen, geraden, geſtreckten,
pfriemenförmigen, auf der Firſte kantigen, vor der Spitze des Oberkiefers mit ſeichtem Ausſchnitt
verſehenen Schnabel und ein buntes, nach dem Geſchlecht einigermaßen verſchiedenes Gefieder,
welches einer doppelten Mauſer unterworfen iſt.

Die an Arten nicht eben reiche Familie gehört nur der alten Welt an und verbreitet ſich
hier über alle Gürtel der Breite und der Höhe. Waſſerreiche Gegenden oder richtiger die Gewäſſer
ſelbſt ſind als die eigentlichen Wohnſitze zu betrachten. Einzelne Arten entfernen ſich nur während
ihrer Reiſen von dem Waſſer, andere treiben ſich, Nahrung ſuchend, auch auf trockenen Stellen
umher, kehren aber immer wieder zum Waſſer zurück und verweilen wenigſtens einige Stunden
lang. Jn ihrem Betragen erinnern die Stelzen vielfach an die Pieper; ihre Bewegungen ſind
aber zierlicher und anmuthiger als bei dieſen, wenn auch nicht ſo ſchnell und haſtig. Sie gehen
gewöhnlich ſchrittweiſe, bedachtſam, nicken bei jedem Schritt mit dem Kopfe und halten dabei den
langen Schwanz wagrecht oder ein wenig erhaben, bewegen ihn auch beſtändig auf und nieder, ſodaß
ſie ihren lateiniſchen Namen bethätigen. Zuweilen rennen ſie auch ſehr flink dahin, aber immer nur
in Abſätzen. Jhr Flug iſt ſehr raſch und geſchickt; er beſteht aus großen Bogen, welche dadurch ent-
ſtehen, daß ſie ihre Flügel wechſelſeitig heftig bewegen und dann wieder zeitweilig ſtark zuſammen-
ziehen. Jhre Stimme iſt nicht gerade klangvoll, ihr Geſang ſehr einfach, aber dennoch anſprechend.
Die Rahrung beſteht aus allerhand Kerbthieren oder deren Larven und niederem Waſſergethier. Sie
leſen vom Waſſer, vom Uferſande oder von Blättern ab, verfolgen auch fliegende Kerfe in der Luft und
treiben ſich, Nahrung ſuchend, weit umher: gerade ihrer Jagd halber verlaſſen ſie zeitweilig das ihnen
ſo befreundete Waſſer. Pflanzenſtoffe ſcheinen ſie gänzlich zu verſchmähen. Die nordiſchen Arten
ſind Zugvögel, die ſüdlichen Strichvögel, einzelne aber entſchiedene Standvögel. Sie erſcheinen im
Norden frühzeitig im Jahre und verweilen hier bis in den Spätherbſt; demungeachtet wandern ſie
weit nach Süden hinab, die europäiſchen Arten bis nach Mittelafrika, die aſiatiſchen bis Jndien.
Faſt alle haben eine ſehr große Verbreitung, und nur wenige ſcheinen auf ein gewiſſes Gebiet beſchränkt
zu ſein. Das Neſt iſt ein ſchlechter Bau aus feinen Reischen, Würzelchen, ſchwachen Gras- und
Strohhalmen, Mos, dürren Blättern und dergleichen, welcher im Jnnern mit Wolle und ähn-
lichen weichen Stoffen ausgelegt wird. Es ſteht in Höhlen und Vertiefungen, regelmäßig nahe
am Waſſer, wenn auch nicht immer in der Nachbarſchaft eines größeren Sees oder Baches; denn ſchon
eine kleine Pfütze kann einer Stelze genügen. Die Eier ſind zartſchalig und auf lichtem oder
graulichem Grunde fein gefleckt. Die Jungen erhalten zunächſt ein Kleid, welches von dem der Alten
durchaus verſchieden iſt.

Die meiſten Stelzen ſiedeln ſich gern in der Nähe des Menſchen an und wiſſen durch ihre
Anmuth und Zuthunlichkeit auch das roheſte Gemüth für ſich zu gewinnen. Sie haben deshalb ver-

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[898/0946] Die Fänger. Singvögel. Stelzen. oder etwas längliche Geſtalt, fein ſchwach glänzende Schale und auf blanweißem Grunde zu unterſt blaugraue, dann gelbbraune und zu oberſt dunkelbraune Flecke. Andere ſind über und über braun- grau bekritzelt und gepunktet und ſehen den Wieſen- und Waſſerpiepereiern ähnlich.‟ Nach Jerdon wird der Sporenpieper auf den Markt von Calcutta in Maſſen gebracht und als Ortolan verkauft. Früher vereinte man mit den Piepern die Stelzen in einer Familie. Beide Gruppen haben in der That Manches mit einander gemein; andererſeits aber zeigen die Stelzen ſo viel Eigenthümliches, daß die Trennung gerechtfertigter erſcheint, als jene Vereinigung. Die Stelzen (Motacillae) kennzeichnen ſich durch äußerſt ſchlank gebauten Leib, mittellange Flügel, in denen die dritte Schwinge die längſte iſt, die Armſchwingen aber kaum kürzer als die Handſchwingen ſind, durch ſchlanke und dünne, ziemlich hohe Füße, einen ſehr langen, ſchmalfedrigen, nur aus- nahmsweiſe gegabelten Schwanz, ſchwache und kurzzehige Füße, einen dünnen, geraden, geſtreckten, pfriemenförmigen, auf der Firſte kantigen, vor der Spitze des Oberkiefers mit ſeichtem Ausſchnitt verſehenen Schnabel und ein buntes, nach dem Geſchlecht einigermaßen verſchiedenes Gefieder, welches einer doppelten Mauſer unterworfen iſt. Die an Arten nicht eben reiche Familie gehört nur der alten Welt an und verbreitet ſich hier über alle Gürtel der Breite und der Höhe. Waſſerreiche Gegenden oder richtiger die Gewäſſer ſelbſt ſind als die eigentlichen Wohnſitze zu betrachten. Einzelne Arten entfernen ſich nur während ihrer Reiſen von dem Waſſer, andere treiben ſich, Nahrung ſuchend, auch auf trockenen Stellen umher, kehren aber immer wieder zum Waſſer zurück und verweilen wenigſtens einige Stunden lang. Jn ihrem Betragen erinnern die Stelzen vielfach an die Pieper; ihre Bewegungen ſind aber zierlicher und anmuthiger als bei dieſen, wenn auch nicht ſo ſchnell und haſtig. Sie gehen gewöhnlich ſchrittweiſe, bedachtſam, nicken bei jedem Schritt mit dem Kopfe und halten dabei den langen Schwanz wagrecht oder ein wenig erhaben, bewegen ihn auch beſtändig auf und nieder, ſodaß ſie ihren lateiniſchen Namen bethätigen. Zuweilen rennen ſie auch ſehr flink dahin, aber immer nur in Abſätzen. Jhr Flug iſt ſehr raſch und geſchickt; er beſteht aus großen Bogen, welche dadurch ent- ſtehen, daß ſie ihre Flügel wechſelſeitig heftig bewegen und dann wieder zeitweilig ſtark zuſammen- ziehen. Jhre Stimme iſt nicht gerade klangvoll, ihr Geſang ſehr einfach, aber dennoch anſprechend. Die Rahrung beſteht aus allerhand Kerbthieren oder deren Larven und niederem Waſſergethier. Sie leſen vom Waſſer, vom Uferſande oder von Blättern ab, verfolgen auch fliegende Kerfe in der Luft und treiben ſich, Nahrung ſuchend, weit umher: gerade ihrer Jagd halber verlaſſen ſie zeitweilig das ihnen ſo befreundete Waſſer. Pflanzenſtoffe ſcheinen ſie gänzlich zu verſchmähen. Die nordiſchen Arten ſind Zugvögel, die ſüdlichen Strichvögel, einzelne aber entſchiedene Standvögel. Sie erſcheinen im Norden frühzeitig im Jahre und verweilen hier bis in den Spätherbſt; demungeachtet wandern ſie weit nach Süden hinab, die europäiſchen Arten bis nach Mittelafrika, die aſiatiſchen bis Jndien. Faſt alle haben eine ſehr große Verbreitung, und nur wenige ſcheinen auf ein gewiſſes Gebiet beſchränkt zu ſein. Das Neſt iſt ein ſchlechter Bau aus feinen Reischen, Würzelchen, ſchwachen Gras- und Strohhalmen, Mos, dürren Blättern und dergleichen, welcher im Jnnern mit Wolle und ähn- lichen weichen Stoffen ausgelegt wird. Es ſteht in Höhlen und Vertiefungen, regelmäßig nahe am Waſſer, wenn auch nicht immer in der Nachbarſchaft eines größeren Sees oder Baches; denn ſchon eine kleine Pfütze kann einer Stelze genügen. Die Eier ſind zartſchalig und auf lichtem oder graulichem Grunde fein gefleckt. Die Jungen erhalten zunächſt ein Kleid, welches von dem der Alten durchaus verſchieden iſt. Die meiſten Stelzen ſiedeln ſich gern in der Nähe des Menſchen an und wiſſen durch ihre Anmuth und Zuthunlichkeit auch das roheſte Gemüth für ſich zu gewinnen. Sie haben deshalb ver-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 898. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/946>, abgerufen am 25.11.2024.