Waldungen Europas und Sibiriens beherbergen den Baumpieper im Sommer, die Steppenwälder Afrikas und die des unteren Himalaya im Winter; baumarme Landstriche besucht er nur während seines Zuges. Blößen im Walde, lichte Gehaue, frische Schläge und andere, wenig bewachsene Stellen des Waldes sind seine Lieblingsplätze; er verlangt aber immer einige hohe Bäume in der Nähe. Jn seinem Wesen erinnert er vielfach an seinen Verwandten, hält sich jedoch nicht so viel am Boden auf, wie dieser, flüchtet bei Gefahr vielmehr stets den Bäumen zu und läuft auch, was jener niemals thut, auf den Aesten schrittweise dahin. Er ist ferner weit weniger gesellig als der Wiesen- pieper, lebt meist einsam und blos im Herbst familienweise, zeigt wenig Anhänglichkeit gegen die Gesellschaft und wird im Frühjahr geradezu ungesellig. Der Lockton ist ein schwer wiederzugebender Laut, welcher ungefähr wie "Srit" klingt, der Ausdruck der Zärtlichkeit ein leises "Sib sib sib". Der Gesang ist vortrefflich, weit besser, als jeder andere Piepergesang, kräftig und lieblich, dem Schlage eines Kanarienvogels nicht unähnlich, ausgezeichnet durch Fülle und Klarheit des Tones, Abwechslung und Mauchfaltigkeit der Weise. "Er besteht", wie Naumann sagt, "aus vielen trillerartigen, laut pfeifenden, sehr verschieden schnell auf einander folgenden Strophen, die sich zu einem lieblichen Ganzen gestalten und gewöhnlich mit einem sanft ersterbenden "Zia zia zia" schließen. Das Männchen singt sehr fleißig, am eifrigsten selbstverständlich während der Paarungszeit, vom Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang fast ununterbrochen, aber nur bis gegen Ende Junis. Es setzt sich, um zu singen, auf einen hervorragenden Zweig oder auf die Spitze eines Baumes, steigt während des Liedes in schiefer Richtung flatternd in die Luft empor und schwebt, noch ehe er zu Ende gekommen, sanft wieder auf dieselbe Stelle oder auf den nächsten Baumwipfel nieder und bringt hier das Lied zu Ende.
Das Nest steht auf dem Boden in einer kleinen Grube unter Gebüsch oder tief im Gras und Haidekraut, immer verborgen. Es ist wie alle Piepernester, schlecht gebaut und nur im Jnnern einigermaßen sorgfältig ausgelegt. Die vier bis fünf Eier wechseln außerordentlich ab in der Gestalt ebensowohl, wie in Färbung und Zeichnung. Sie sind auf röthlichem oder schmuzigen, auf grau- lichen oder bläulichweißen Grunde mit dunkleren Punkten, Strichen, Spritzeln gezeichnet, geadert, gemarmelt und gefleckt. Das Weibchen sitzt so fest auf den Eiern, daß es das Nest erst verläßt, wenn der Feind oder der Beobachter schon in unmittelbare Nähe desselben gekommen ist. Die Jungen werden von beiden Eltern überaus zärtlich geliebt und verlassen das Nest ebenfalls, noch ehe sie flugfähig sind.
Gefangene Baumpieper halten sich bei sorgfältiger Pflege leichter, als die übrigen Verwandten, werden ebenfalls sehr zahm und erfreuen den Liebhaber durch ihren ausgezeichneten Gesang. Je öfter in diesem gewisse langgezogene Strophen wiederholt und je mehr sie verlängert werden, um so größeren Werth hat der Sänger für den Kenner.
Der Wasserpieper, die Wasser-, Sumpf- oder Moorlerche, der Weißler, Gipser oder das Herdvögelchen (Anthus aquaticus) ist auf der Oberseite dunkelolivengrau, mit vertuschten, schwarzgrauen Längsflecken gezeichnet, auf der Unterseite schmuzig- oder grauweiß, an den Brustseiten dunkelolivenbraun gefleckt; hinter dem Auge verläuft ein hellgrauer Streifen; über die Flügel ziehen sich zwei lichtgraue Binden. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel hornschwarz, an der Spitze des Unterschnabels gelblich, der Fuß dunkelbraun. Die Länge beträgt 63/4 bis 7 Zoll, die Breite 111/4 bis 111/2, die Fittiglänge 31/2, die Schwanzlänge 23/4 Zoll. Der Ragel der Hinterzehe ist lang und stark gebogen.
Während andere Pieperarten die Ebene entschieden bevorzugen und Berggegenden nur hier und da bewohnen, gehört der Wasserpieper dem Gebirge an. Er bevölkert in namhaster Anzahl die Alpen und das Riesengebirge und zwar den Gürtel des Knieholzes. Vonhieraus kommt er blos während seines Zuges in die Ebenen herab. Jn der Schweiz gehört er zu den gemeinsten Alpenvögeln; das Riesengebirge bewohnt er zu Tausenden. "Jm Frühling", sagt Tschudi, "sucht der Wasserpieper schon im Laufe des April die schneefreien Stellen der Alpen auf und verläßt sie nicht mehr. Jm
Die Fänger. Singvögel. Pieper.
Waldungen Europas und Sibiriens beherbergen den Baumpieper im Sommer, die Steppenwälder Afrikas und die des unteren Himalaya im Winter; baumarme Landſtriche beſucht er nur während ſeines Zuges. Blößen im Walde, lichte Gehaue, friſche Schläge und andere, wenig bewachſene Stellen des Waldes ſind ſeine Lieblingsplätze; er verlangt aber immer einige hohe Bäume in der Nähe. Jn ſeinem Weſen erinnert er vielfach an ſeinen Verwandten, hält ſich jedoch nicht ſo viel am Boden auf, wie dieſer, flüchtet bei Gefahr vielmehr ſtets den Bäumen zu und läuft auch, was jener niemals thut, auf den Aeſten ſchrittweiſe dahin. Er iſt ferner weit weniger geſellig als der Wieſen- pieper, lebt meiſt einſam und blos im Herbſt familienweiſe, zeigt wenig Anhänglichkeit gegen die Geſellſchaft und wird im Frühjahr geradezu ungeſellig. Der Lockton iſt ein ſchwer wiederzugebender Laut, welcher ungefähr wie „Srit‟ klingt, der Ausdruck der Zärtlichkeit ein leiſes „Sib ſib ſib‟. Der Geſang iſt vortrefflich, weit beſſer, als jeder andere Piepergeſang, kräftig und lieblich, dem Schlage eines Kanarienvogels nicht unähnlich, ausgezeichnet durch Fülle und Klarheit des Tones, Abwechslung und Mauchfaltigkeit der Weiſe. „Er beſteht‟, wie Naumann ſagt, „aus vielen trillerartigen, laut pfeifenden, ſehr verſchieden ſchnell auf einander folgenden Strophen, die ſich zu einem lieblichen Ganzen geſtalten und gewöhnlich mit einem ſanft erſterbenden „Zia zia zia‟ ſchließen. Das Männchen ſingt ſehr fleißig, am eifrigſten ſelbſtverſtändlich während der Paarungszeit, vom Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang faſt ununterbrochen, aber nur bis gegen Ende Junis. Es ſetzt ſich, um zu ſingen, auf einen hervorragenden Zweig oder auf die Spitze eines Baumes, ſteigt während des Liedes in ſchiefer Richtung flatternd in die Luft empor und ſchwebt, noch ehe er zu Ende gekommen, ſanft wieder auf dieſelbe Stelle oder auf den nächſten Baumwipfel nieder und bringt hier das Lied zu Ende.
Das Neſt ſteht auf dem Boden in einer kleinen Grube unter Gebüſch oder tief im Gras und Haidekraut, immer verborgen. Es iſt wie alle Pieperneſter, ſchlecht gebaut und nur im Jnnern einigermaßen ſorgfältig ausgelegt. Die vier bis fünf Eier wechſeln außerordentlich ab in der Geſtalt ebenſowohl, wie in Färbung und Zeichnung. Sie ſind auf röthlichem oder ſchmuzigen, auf grau- lichen oder bläulichweißen Grunde mit dunkleren Punkten, Strichen, Spritzeln gezeichnet, geadert, gemarmelt und gefleckt. Das Weibchen ſitzt ſo feſt auf den Eiern, daß es das Neſt erſt verläßt, wenn der Feind oder der Beobachter ſchon in unmittelbare Nähe deſſelben gekommen iſt. Die Jungen werden von beiden Eltern überaus zärtlich geliebt und verlaſſen das Neſt ebenfalls, noch ehe ſie flugfähig ſind.
Gefangene Baumpieper halten ſich bei ſorgfältiger Pflege leichter, als die übrigen Verwandten, werden ebenfalls ſehr zahm und erfreuen den Liebhaber durch ihren ausgezeichneten Geſang. Je öfter in dieſem gewiſſe langgezogene Strophen wiederholt und je mehr ſie verlängert werden, um ſo größeren Werth hat der Sänger für den Kenner.
Der Waſſerpieper, die Waſſer-, Sumpf- oder Moorlerche, der Weißler, Gipſer oder das Herdvögelchen (Anthus aquaticus) iſt auf der Oberſeite dunkelolivengrau, mit vertuſchten, ſchwarzgrauen Längsflecken gezeichnet, auf der Unterſeite ſchmuzig- oder grauweiß, an den Bruſtſeiten dunkelolivenbraun gefleckt; hinter dem Auge verläuft ein hellgrauer Streifen; über die Flügel ziehen ſich zwei lichtgraue Binden. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel hornſchwarz, an der Spitze des Unterſchnabels gelblich, der Fuß dunkelbraun. Die Länge beträgt 6¾ bis 7 Zoll, die Breite 11¼ bis 11½, die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 2¾ Zoll. Der Ragel der Hinterzehe iſt lang und ſtark gebogen.
Während andere Pieperarten die Ebene entſchieden bevorzugen und Berggegenden nur hier und da bewohnen, gehört der Waſſerpieper dem Gebirge an. Er bevölkert in namhaſter Anzahl die Alpen und das Rieſengebirge und zwar den Gürtel des Knieholzes. Vonhieraus kommt er blos während ſeines Zuges in die Ebenen herab. Jn der Schweiz gehört er zu den gemeinſten Alpenvögeln; das Rieſengebirge bewohnt er zu Tauſenden. „Jm Frühling‟, ſagt Tſchudi, „ſucht der Waſſerpieper ſchon im Laufe des April die ſchneefreien Stellen der Alpen auf und verläßt ſie nicht mehr. Jm
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Die Fänger. Singvögel. Pieper.
Waldungen Europas und Sibiriens beherbergen den Baumpieper im Sommer, die Steppenwälder
Afrikas und die des unteren Himalaya im Winter; baumarme Landſtriche beſucht er nur während
ſeines Zuges. Blößen im Walde, lichte Gehaue, friſche Schläge und andere, wenig bewachſene
Stellen des Waldes ſind ſeine Lieblingsplätze; er verlangt aber immer einige hohe Bäume in der
Nähe. Jn ſeinem Weſen erinnert er vielfach an ſeinen Verwandten, hält ſich jedoch nicht ſo viel am
Boden auf, wie dieſer, flüchtet bei Gefahr vielmehr ſtets den Bäumen zu und läuft auch, was jener
niemals thut, auf den Aeſten ſchrittweiſe dahin. Er iſt ferner weit weniger geſellig als der Wieſen-
pieper, lebt meiſt einſam und blos im Herbſt familienweiſe, zeigt wenig Anhänglichkeit gegen die
Geſellſchaft und wird im Frühjahr geradezu ungeſellig. Der Lockton iſt ein ſchwer wiederzugebender
Laut, welcher ungefähr wie „Srit‟ klingt, der Ausdruck der Zärtlichkeit ein leiſes „Sib ſib ſib‟.
Der Geſang iſt vortrefflich, weit beſſer, als jeder andere Piepergeſang, kräftig und lieblich, dem Schlage
eines Kanarienvogels nicht unähnlich, ausgezeichnet durch Fülle und Klarheit des Tones, Abwechslung
und Mauchfaltigkeit der Weiſe. „Er beſteht‟, wie Naumann ſagt, „aus vielen trillerartigen, laut
pfeifenden, ſehr verſchieden ſchnell auf einander folgenden Strophen, die ſich zu einem lieblichen Ganzen
geſtalten und gewöhnlich mit einem ſanft erſterbenden „Zia zia zia‟ ſchließen. Das Männchen ſingt
ſehr fleißig, am eifrigſten ſelbſtverſtändlich während der Paarungszeit, vom Sonnenaufgang bis nach
Sonnenuntergang faſt ununterbrochen, aber nur bis gegen Ende Junis. Es ſetzt ſich, um zu ſingen,
auf einen hervorragenden Zweig oder auf die Spitze eines Baumes, ſteigt während des Liedes in
ſchiefer Richtung flatternd in die Luft empor und ſchwebt, noch ehe er zu Ende gekommen, ſanft wieder
auf dieſelbe Stelle oder auf den nächſten Baumwipfel nieder und bringt hier das Lied zu Ende.
Das Neſt ſteht auf dem Boden in einer kleinen Grube unter Gebüſch oder tief im Gras und
Haidekraut, immer verborgen. Es iſt wie alle Pieperneſter, ſchlecht gebaut und nur im Jnnern
einigermaßen ſorgfältig ausgelegt. Die vier bis fünf Eier wechſeln außerordentlich ab in der Geſtalt
ebenſowohl, wie in Färbung und Zeichnung. Sie ſind auf röthlichem oder ſchmuzigen, auf grau-
lichen oder bläulichweißen Grunde mit dunkleren Punkten, Strichen, Spritzeln gezeichnet, geadert,
gemarmelt und gefleckt. Das Weibchen ſitzt ſo feſt auf den Eiern, daß es das Neſt erſt verläßt,
wenn der Feind oder der Beobachter ſchon in unmittelbare Nähe deſſelben gekommen iſt. Die Jungen
werden von beiden Eltern überaus zärtlich geliebt und verlaſſen das Neſt ebenfalls, noch ehe
ſie flugfähig ſind.
Gefangene Baumpieper halten ſich bei ſorgfältiger Pflege leichter, als die übrigen Verwandten,
werden ebenfalls ſehr zahm und erfreuen den Liebhaber durch ihren ausgezeichneten Geſang.
Je öfter in dieſem gewiſſe langgezogene Strophen wiederholt und je mehr ſie verlängert werden,
um ſo größeren Werth hat der Sänger für den Kenner.
Der Waſſerpieper, die Waſſer-, Sumpf- oder Moorlerche, der Weißler, Gipſer
oder das Herdvögelchen (Anthus aquaticus) iſt auf der Oberſeite dunkelolivengrau, mit vertuſchten,
ſchwarzgrauen Längsflecken gezeichnet, auf der Unterſeite ſchmuzig- oder grauweiß, an den Bruſtſeiten
dunkelolivenbraun gefleckt; hinter dem Auge verläuft ein hellgrauer Streifen; über die Flügel ziehen
ſich zwei lichtgraue Binden. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel hornſchwarz, an der Spitze
des Unterſchnabels gelblich, der Fuß dunkelbraun. Die Länge beträgt 6¾ bis 7 Zoll, die Breite
11¼ bis 11½, die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 2¾ Zoll. Der Ragel der Hinterzehe iſt
lang und ſtark gebogen.
Während andere Pieperarten die Ebene entſchieden bevorzugen und Berggegenden nur hier und
da bewohnen, gehört der Waſſerpieper dem Gebirge an. Er bevölkert in namhaſter Anzahl die Alpen
und das Rieſengebirge und zwar den Gürtel des Knieholzes. Vonhieraus kommt er blos während
ſeines Zuges in die Ebenen herab. Jn der Schweiz gehört er zu den gemeinſten Alpenvögeln; das
Rieſengebirge bewohnt er zu Tauſenden. „Jm Frühling‟, ſagt Tſchudi, „ſucht der Waſſerpieper
ſchon im Laufe des April die ſchneefreien Stellen der Alpen auf und verläßt ſie nicht mehr. Jm
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 892. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/940>, abgerufen am 22.11.2024.
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