Ein kleines Zimmer, welches, ohne die Vögel zu stören, beliebig gelüftet und geheizt werden kann, dessen Fußboden mit Sand bestreut und dessen Wände mit Nistkästen behangen sind, genügt allen Erfordernissen, welche die bescheidenen Wellensittiche an einen Aufenthaltsort stellen. Nicht gerade nöthig, aber doch sehr zu empfehlen ist, wenn der Nistraum außerdem noch durch lebende und durchaus unschädliche Pflanzen geziert werden kann; denn diese Pflanzen bieten der munteren Schar geeignete Orte zum Ruhen und Versteckespielen. Jmmergrüne Bäume sind zu diesem Zwecke besonders zu em- pfehlen -- freilich müssen sie oft erfetzt werden, weil auch diese Papageien das Nagen nicht ganz lassen können. Zu den Nisthöhlen eignen sich am besten hohle Weidenbäume, deren inneren Raum man an mehreren Stellen durch Bretter abgetrennt hat, um das ganze Stück für mehrere Paare bewohnbar zu machen. Ein solches Brutzimmer liefert die günstigsten Ergebnisse; doch genügt in den meisten Fäl- len auch schon ein mittelgroßer Bauer. Bedingung ist, daß die Vögel wohl gepflegt und vor Allem nicht gestört werden.
Man muß selbst die liebenswürdigen Thiere gehalten und ihre Fortpflanzung beobachtet haben, um die Begeisterung verstehen zu können, mit welcher alle wahren Liebhaber von ihnen sprechen. Je länger man sie kennt, um so mehr gewinnt man sie lieb. Die Beobachtung ihres Treibens und Lebens, ihrer Sitten und Gewohnheiten ist eine unversiegliche Quelle von Vergnügen und Genuß. Während der Paarungszeit wird eigentlich ihre ganze Liebenswürdigkeit erst kund und offenbar. "Das Männchen", sagt Devon, "ist ein Muster von einem Gatten, wie das Weibchen das Muster einer Mutter ist. Er beschäftigt sich ausschließlich mit seiner Erwählten und nie mit einem anderen Weibchen, welches etwa zugleich in demselben Raum sein möge; es ist stets eifrig, aufmerksam glühend, ja sogar sinnlich gegen sein Weib. Auf einem Zweige vor der Oeffnung des Nestes sitzend, singt er ihr seine schönsten Lieder vor, und während sie brütet, äzt er sie mit ebensoviel Eifer als Ver- gnügen. Er ist niemals traurig, still oder schläfrig, wie so viele andere Papageien, sondern immer heiter und liebenswürdig." -- "Jmmer begehrlich", sagt ein anderer Liebhaber, "erzwingt er doch nie- mals seinen Willen, wie andere Vögel, durch Verfolgung des Weibchens bis zu dessen Ermattung. Den Abweisungen der Gattin fügt er sich achtungsvoll und harrt geduldig, bis sich dieses seinen Zärtlich- keiten und Wünschen aus freiem Antriebe ergibt. Die Begattung selbst erinnert in ihrer Jnnigkeit an das Märchen der Alten von Leda und dem Schwan. Das Weibchen, den Kopf nach dem Männchen zurückgebogen und von demselben Schnabel in Schnabel erfaßt und mit seinen langen Schwingen um- schlungen, empfängt seinen Eindruck in nachhaltiger Lust. Jn der Fütterung des Weibchens und in seiner Zärtlichkeit gegen dasselbe, wenn es auf Augenblicke die Nisthöhle verläßt, ist er unerschöpflich; aber freilich kommt seiner Zärtlichkeit auch seine Eifersucht gleich."
Der Ausbau des Nestes ist ausschließlich Sache des Weibchens. Es arbeitet mit dem Schnabel solange an dem Eingangsloche, bis dies seinen Wünschen entspricht, nagt dann im Jnnern größere oder kleinere Spänchen los und legt auf diese in Zwischenräumen von zwei Tagen seine vier bis acht kleinen rundlichen glänzend weißen Eier, welche das Gelege bilden. Dann brütet es sehr eifrig acht- zehn bis zwanzig Tage und während der ganzen Zeit wird es von dem Männchen gefüttert, verläßt deshalb auch nur seine Nisthöhle, um den dringlichsten Bedürfnissen zu genügen. Die Jungen, welche etwa 30 bis 35 Tage im Reste verweilen, verlassen dieses erst dann, wenn sie ganz befiedert sind. Wäh- rend der ganzen Zeit ist das Weibchen eifrig bemüht, das Nest rein zu halten; es kehrt wie eine ordentliche Hausfrau jeden Morgen sein Zimmer aus und putzt und reinigt seine Kinder mit einer unvergleich- lichen Sorgfalt. Sofort nach dem Ausfliegen gehen die Jungen ans Futter, und wenige Tage später benehmen sie sich ganz wie die Alten; doch muß man um die Zeit des Ausfliegens eine gewisse Vorsicht anwenden, namentlich wenn man nur ein Paar Brutvögel im Käfig hat; denn die erwähnte Eifersucht des Vaters macht sich dann oft in unbegreiflicher Weise geltend. Derselbe Vogel, welcher seine Brut mit hingebender Zärtlichkeit fütterte, fällt zuweilen über die flügge gewordenen Kinder wüthend her, greift sie mörderisch an und verletzt sie nicht selten so, daß sie in Folge der jetzigen Lieblosigkeit zu Grunde gehen.
Knacker. Die Papageien. Sittiche.
Ein kleines Zimmer, welches, ohne die Vögel zu ſtören, beliebig gelüftet und geheizt werden kann, deſſen Fußboden mit Sand beſtreut und deſſen Wände mit Niſtkäſten behangen ſind, genügt allen Erforderniſſen, welche die beſcheidenen Wellenſittiche an einen Aufenthaltsort ſtellen. Nicht gerade nöthig, aber doch ſehr zu empfehlen iſt, wenn der Niſtraum außerdem noch durch lebende und durchaus unſchädliche Pflanzen geziert werden kann; denn dieſe Pflanzen bieten der munteren Schar geeignete Orte zum Ruhen und Verſteckeſpielen. Jmmergrüne Bäume ſind zu dieſem Zwecke beſonders zu em- pfehlen — freilich müſſen ſie oft erfetzt werden, weil auch dieſe Papageien das Nagen nicht ganz laſſen können. Zu den Niſthöhlen eignen ſich am beſten hohle Weidenbäume, deren inneren Raum man an mehreren Stellen durch Bretter abgetrennt hat, um das ganze Stück für mehrere Paare bewohnbar zu machen. Ein ſolches Brutzimmer liefert die günſtigſten Ergebniſſe; doch genügt in den meiſten Fäl- len auch ſchon ein mittelgroßer Bauer. Bedingung iſt, daß die Vögel wohl gepflegt und vor Allem nicht geſtört werden.
Man muß ſelbſt die liebenswürdigen Thiere gehalten und ihre Fortpflanzung beobachtet haben, um die Begeiſterung verſtehen zu können, mit welcher alle wahren Liebhaber von ihnen ſprechen. Je länger man ſie kennt, um ſo mehr gewinnt man ſie lieb. Die Beobachtung ihres Treibens und Lebens, ihrer Sitten und Gewohnheiten iſt eine unverſiegliche Quelle von Vergnügen und Genuß. Während der Paarungszeit wird eigentlich ihre ganze Liebenswürdigkeit erſt kund und offenbar. „Das Männchen‟, ſagt Devon, „iſt ein Muſter von einem Gatten, wie das Weibchen das Muſter einer Mutter iſt. Er beſchäftigt ſich ausſchließlich mit ſeiner Erwählten und nie mit einem anderen Weibchen, welches etwa zugleich in demſelben Raum ſein möge; es iſt ſtets eifrig, aufmerkſam glühend, ja ſogar ſinnlich gegen ſein Weib. Auf einem Zweige vor der Oeffnung des Neſtes ſitzend, ſingt er ihr ſeine ſchönſten Lieder vor, und während ſie brütet, äzt er ſie mit ebenſoviel Eifer als Ver- gnügen. Er iſt niemals traurig, ſtill oder ſchläfrig, wie ſo viele andere Papageien, ſondern immer heiter und liebenswürdig.‟ — „Jmmer begehrlich‟, ſagt ein anderer Liebhaber, „erzwingt er doch nie- mals ſeinen Willen, wie andere Vögel, durch Verfolgung des Weibchens bis zu deſſen Ermattung. Den Abweiſungen der Gattin fügt er ſich achtungsvoll und harrt geduldig, bis ſich dieſes ſeinen Zärtlich- keiten und Wünſchen aus freiem Antriebe ergibt. Die Begattung ſelbſt erinnert in ihrer Jnnigkeit an das Märchen der Alten von Leda und dem Schwan. Das Weibchen, den Kopf nach dem Männchen zurückgebogen und von demſelben Schnabel in Schnabel erfaßt und mit ſeinen langen Schwingen um- ſchlungen, empfängt ſeinen Eindruck in nachhaltiger Luſt. Jn der Fütterung des Weibchens und in ſeiner Zärtlichkeit gegen daſſelbe, wenn es auf Augenblicke die Niſthöhle verläßt, iſt er unerſchöpflich; aber freilich kommt ſeiner Zärtlichkeit auch ſeine Eiferſucht gleich.‟
Der Ausbau des Neſtes iſt ausſchließlich Sache des Weibchens. Es arbeitet mit dem Schnabel ſolange an dem Eingangsloche, bis dies ſeinen Wünſchen entſpricht, nagt dann im Jnnern größere oder kleinere Spänchen los und legt auf dieſe in Zwiſchenräumen von zwei Tagen ſeine vier bis acht kleinen rundlichen glänzend weißen Eier, welche das Gelege bilden. Dann brütet es ſehr eifrig acht- zehn bis zwanzig Tage und während der ganzen Zeit wird es von dem Männchen gefüttert, verläßt deshalb auch nur ſeine Niſthöhle, um den dringlichſten Bedürfniſſen zu genügen. Die Jungen, welche etwa 30 bis 35 Tage im Reſte verweilen, verlaſſen dieſes erſt dann, wenn ſie ganz befiedert ſind. Wäh- rend der ganzen Zeit iſt das Weibchen eifrig bemüht, das Neſt rein zu halten; es kehrt wie eine ordentliche Hausfrau jeden Morgen ſein Zimmer aus und putzt und reinigt ſeine Kinder mit einer unvergleich- lichen Sorgfalt. Sofort nach dem Ausfliegen gehen die Jungen ans Futter, und wenige Tage ſpäter benehmen ſie ſich ganz wie die Alten; doch muß man um die Zeit des Ausfliegens eine gewiſſe Vorſicht anwenden, namentlich wenn man nur ein Paar Brutvögel im Käfig hat; denn die erwähnte Eiferſucht des Vaters macht ſich dann oft in unbegreiflicher Weiſe geltend. Derſelbe Vogel, welcher ſeine Brut mit hingebender Zärtlichkeit fütterte, fällt zuweilen über die flügge gewordenen Kinder wüthend her, greift ſie mörderiſch an und verletzt ſie nicht ſelten ſo, daß ſie in Folge der jetzigen Liebloſigkeit zu Grunde gehen.
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[78/0094]
Knacker. Die Papageien. Sittiche.
Ein kleines Zimmer, welches, ohne die Vögel zu ſtören, beliebig gelüftet und geheizt werden kann,
deſſen Fußboden mit Sand beſtreut und deſſen Wände mit Niſtkäſten behangen ſind, genügt allen
Erforderniſſen, welche die beſcheidenen Wellenſittiche an einen Aufenthaltsort ſtellen. Nicht gerade
nöthig, aber doch ſehr zu empfehlen iſt, wenn der Niſtraum außerdem noch durch lebende und durchaus
unſchädliche Pflanzen geziert werden kann; denn dieſe Pflanzen bieten der munteren Schar geeignete
Orte zum Ruhen und Verſteckeſpielen. Jmmergrüne Bäume ſind zu dieſem Zwecke beſonders zu em-
pfehlen — freilich müſſen ſie oft erfetzt werden, weil auch dieſe Papageien das Nagen nicht ganz laſſen
können. Zu den Niſthöhlen eignen ſich am beſten hohle Weidenbäume, deren inneren Raum man
an mehreren Stellen durch Bretter abgetrennt hat, um das ganze Stück für mehrere Paare bewohnbar
zu machen. Ein ſolches Brutzimmer liefert die günſtigſten Ergebniſſe; doch genügt in den meiſten Fäl-
len auch ſchon ein mittelgroßer Bauer. Bedingung iſt, daß die Vögel wohl gepflegt und vor Allem
nicht geſtört werden.
Man muß ſelbſt die liebenswürdigen Thiere gehalten und ihre Fortpflanzung beobachtet haben,
um die Begeiſterung verſtehen zu können, mit welcher alle wahren Liebhaber von ihnen ſprechen.
Je länger man ſie kennt, um ſo mehr gewinnt man ſie lieb. Die Beobachtung ihres
Treibens und Lebens, ihrer Sitten und Gewohnheiten iſt eine unverſiegliche Quelle von Vergnügen
und Genuß. Während der Paarungszeit wird eigentlich ihre ganze Liebenswürdigkeit erſt kund und
offenbar. „Das Männchen‟, ſagt Devon, „iſt ein Muſter von einem Gatten, wie das Weibchen das
Muſter einer Mutter iſt. Er beſchäftigt ſich ausſchließlich mit ſeiner Erwählten und nie mit einem
anderen Weibchen, welches etwa zugleich in demſelben Raum ſein möge; es iſt ſtets eifrig, aufmerkſam
glühend, ja ſogar ſinnlich gegen ſein Weib. Auf einem Zweige vor der Oeffnung des Neſtes ſitzend,
ſingt er ihr ſeine ſchönſten Lieder vor, und während ſie brütet, äzt er ſie mit ebenſoviel Eifer als Ver-
gnügen. Er iſt niemals traurig, ſtill oder ſchläfrig, wie ſo viele andere Papageien, ſondern immer
heiter und liebenswürdig.‟ — „Jmmer begehrlich‟, ſagt ein anderer Liebhaber, „erzwingt er doch nie-
mals ſeinen Willen, wie andere Vögel, durch Verfolgung des Weibchens bis zu deſſen Ermattung. Den
Abweiſungen der Gattin fügt er ſich achtungsvoll und harrt geduldig, bis ſich dieſes ſeinen Zärtlich-
keiten und Wünſchen aus freiem Antriebe ergibt. Die Begattung ſelbſt erinnert in ihrer Jnnigkeit
an das Märchen der Alten von Leda und dem Schwan. Das Weibchen, den Kopf nach dem Männchen
zurückgebogen und von demſelben Schnabel in Schnabel erfaßt und mit ſeinen langen Schwingen um-
ſchlungen, empfängt ſeinen Eindruck in nachhaltiger Luſt. Jn der Fütterung des Weibchens und in
ſeiner Zärtlichkeit gegen daſſelbe, wenn es auf Augenblicke die Niſthöhle verläßt, iſt er unerſchöpflich;
aber freilich kommt ſeiner Zärtlichkeit auch ſeine Eiferſucht gleich.‟
Der Ausbau des Neſtes iſt ausſchließlich Sache des Weibchens. Es arbeitet mit dem Schnabel
ſolange an dem Eingangsloche, bis dies ſeinen Wünſchen entſpricht, nagt dann im Jnnern größere
oder kleinere Spänchen los und legt auf dieſe in Zwiſchenräumen von zwei Tagen ſeine vier bis acht
kleinen rundlichen glänzend weißen Eier, welche das Gelege bilden. Dann brütet es ſehr eifrig acht-
zehn bis zwanzig Tage und während der ganzen Zeit wird es von dem Männchen gefüttert, verläßt
deshalb auch nur ſeine Niſthöhle, um den dringlichſten Bedürfniſſen zu genügen. Die Jungen, welche
etwa 30 bis 35 Tage im Reſte verweilen, verlaſſen dieſes erſt dann, wenn ſie ganz befiedert ſind. Wäh-
rend der ganzen Zeit iſt das Weibchen eifrig bemüht, das Neſt rein zu halten; es kehrt wie eine ordentliche
Hausfrau jeden Morgen ſein Zimmer aus und putzt und reinigt ſeine Kinder mit einer unvergleich-
lichen Sorgfalt. Sofort nach dem Ausfliegen gehen die Jungen ans Futter, und wenige Tage ſpäter
benehmen ſie ſich ganz wie die Alten; doch muß man um die Zeit des Ausfliegens eine gewiſſe Vorſicht
anwenden, namentlich wenn man nur ein Paar Brutvögel im Käfig hat; denn die erwähnte Eiferſucht
des Vaters macht ſich dann oft in unbegreiflicher Weiſe geltend. Derſelbe Vogel, welcher ſeine Brut
mit hingebender Zärtlichkeit fütterte, fällt zuweilen über die flügge gewordenen Kinder wüthend her,
greift ſie mörderiſch an und verletzt ſie nicht ſelten ſo, daß ſie in Folge der jetzigen Liebloſigkeit zu
Grunde gehen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/94>, abgerufen am 23.11.2024.
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