zu Lande erscheint er im Frühjahre mit der Schneeschmelze, gewöhnlich schon zu Anfang des März, spätestens Mitte Aprils und verweilt bis zum November, selbst bis zum Dezember. Er wandert, wie die Lerchen, in großen Scharen, nicht selten mit den Feldlerchen, und reist ebensowohl bei Tage, wie bei Nacht.
Wiesen, Sümpfe und Moräste tiefliegender Gegenden sind es, welche er allen anderen bevorzugt; trockene Strecken meidet er, denn er ist ein halber Sumpfvogel. Auf dem Zuge nimmt er allerdings auch mit trockneren Oertlichkeiten vorlieb; eigentlich dürre Stellen aber besucht er selbst dann nicht. Zum Winteraufenthalt wählt er ebenfalls nur wasserreiche Gegenden, so in Egypten die Nach- barschaft der Seen, die Sümpfe oder die unter Wasser gesetzten Felder.
Der Wiesenpieper ist äußerst lebhaft, während des ganzen Tages in Bewegung. Er läuft ungemein hurtig umher, soviel als möglich zwischen Gras und Ried versteckt. Aufge- scheucht erhebt er sich gewandten Fluges in die Luft, stößt seinen Lockton aus und streicht nun rasch geradeaus, einem ähnlichen Orte zu; denn nur selten läßt er sich auf Baumzweige nieder, und wenn es geschieht, hält er sich hier nie lange auf: das Umklammern eines Astes scheint ihn zu ermüden. Der Flug geschieht in kurzen Absätzen und erscheint dadurch zuckend oder hüpfend, auch anstrengend, obgleich Dies nicht der Fall ist. Der Lockton ist ein heiseres, feines "Jßt", welches oft rasch nach einander ausgestoßen wird und dann schwirrend klingt; der Ausdruck der Zärtlichkeit lautet sanft wie "dwitt" oder "zeritt" und wird niemals oft nach einander ausgerufen. Der Gesang besteht nach Naumann aus verschiedenen, zusammenhängenden Strophen, deren Töne oft wiederholt werden; "Wittge wittge, wittge witt, zick zick, jück jück und türrrrr", mit einander verbunden, aber etwas ver- schieden betont, sind die Grundlaute des Gesanges. Das Männchen singt fast nur im Fluge, indem es vom Boden oder von der Spitze eines niedern Strauches, in schiefer Richtung flatternd, sich aufschwingt, hoch in die Luft steigt, da einige Augenblicke schwebend oder schnell flatternd verweilt und nun in schiefer Richtung mit hochgehaltenen Flügeln singend herabschwebt oder mit angezogenen Fittigen schnell herabfällt. Man vernimmt das Lied vom Morgen bis zum Abend und von Mitte Aprils bis gegen den Juli hin fast ununterbrochen.
Gegen Seinesgleichen zeigt sich der Wiesenpieper sehr friedfertig, mit anderen, neben ihm wohnenden Vögeln, mit Schafstelzen, Schilf- und Seggenrohrsängern, Rohrammern und dergleichen neckt er sich gern herum. Jn der Brutzeit behauptet jedes Pärchen seinen Stand, und es kommt auch wohl zwischen zwei benachbarten Männchen zu Kampf und Streit; im ganzen aber liebt unser Vogel selbst um diese Zeit geselliges Zusammenleben. Auf dem Zuge und in der Winterherberge halten die oft sehr zahlreichen Herden treulichst zusammen.
Das Nest steht zwischen Seggenschilf, Binsen oder Gras auf dem Boden, meist in einer kleinen Vertiefung desselben, immer so versteckt, daß es schwer zu finden ist. Eine Menge dürrer Stengel, Würzelchen und Halme, zwischen welche zuweilen etwas grünes Erdmos eingewebt wird, bilden die Außenwandungen; die tiefe, zierlich gebildete Mulde ist mit seinen Halmen und Pferde- haaren ausgelegt. Fünf bis sechs Eier, welche auf graulichweißem oder schmuzigröthlichen Grunde überall dicht mit graubraunen oder gelbbraunen Punkten, Schmitzen oder Kritzeln bezeichnet sind, bilden das Gelege. Sie werden in dreizehn Tagen gezeitigt. Die Jungen verlassen das Nest, noch ehe sie ordentlich fliegen können, verstehen es aber so meisterhaft, sich zwischen den niedern Pflanzen zu verstecken, daß sie doch vor den meisten Feinden gesichert sind. Bei Annäherung eines solchen geberden sich die Alten sehr ängstlich und setzen sich rücksichtslos jeder Gefahr aus. Wenn Alles gut geht, ist die erste Brut bereits Anfangs Mai, die zweite Ende Julis ausgeflogen und selbständig geworden; doch findet man auch bis in den August hinein Junge, welche eben das Nest verlassen haben.
Jn einem großen Käfig hält sich der Wiesenpieper bei guter Pflege mehrere Jahre, wird sehr zahm und singt ziemlich eifrig. Jm Zimmer darf man ihn nicht umherlaufen lassen, weil sich bald Haare, Fäden oder Schmuz an seine Füße hängt und diese krank macht. Mein Vater hielt einen Wiesen- pieper, welchen er seines schönen Gesanges wegen unter dem Namen Singpieper unterscheidet, längere
Die Fänger. Singvögel. Pieper.
zu Lande erſcheint er im Frühjahre mit der Schneeſchmelze, gewöhnlich ſchon zu Anfang des März, ſpäteſtens Mitte Aprils und verweilt bis zum November, ſelbſt bis zum Dezember. Er wandert, wie die Lerchen, in großen Scharen, nicht ſelten mit den Feldlerchen, und reiſt ebenſowohl bei Tage, wie bei Nacht.
Wieſen, Sümpfe und Moräſte tiefliegender Gegenden ſind es, welche er allen anderen bevorzugt; trockene Strecken meidet er, denn er iſt ein halber Sumpfvogel. Auf dem Zuge nimmt er allerdings auch mit trockneren Oertlichkeiten vorlieb; eigentlich dürre Stellen aber beſucht er ſelbſt dann nicht. Zum Winteraufenthalt wählt er ebenfalls nur waſſerreiche Gegenden, ſo in Egypten die Nach- barſchaft der Seen, die Sümpfe oder die unter Waſſer geſetzten Felder.
Der Wieſenpieper iſt äußerſt lebhaft, während des ganzen Tages in Bewegung. Er läuft ungemein hurtig umher, ſoviel als möglich zwiſchen Gras und Ried verſteckt. Aufge- ſcheucht erhebt er ſich gewandten Fluges in die Luft, ſtößt ſeinen Lockton aus und ſtreicht nun raſch geradeaus, einem ähnlichen Orte zu; denn nur ſelten läßt er ſich auf Baumzweige nieder, und wenn es geſchieht, hält er ſich hier nie lange auf: das Umklammern eines Aſtes ſcheint ihn zu ermüden. Der Flug geſchieht in kurzen Abſätzen und erſcheint dadurch zuckend oder hüpfend, auch anſtrengend, obgleich Dies nicht der Fall iſt. Der Lockton iſt ein heiſeres, feines „Jßt‟, welches oft raſch nach einander ausgeſtoßen wird und dann ſchwirrend klingt; der Ausdruck der Zärtlichkeit lautet ſanft wie „dwitt‟ oder „zeritt‟ und wird niemals oft nach einander ausgerufen. Der Geſang beſteht nach Naumann aus verſchiedenen, zuſammenhängenden Strophen, deren Töne oft wiederholt werden; „Wittge wittge, wittge witt, zick zick, jück jück und türrrrr‟, mit einander verbunden, aber etwas ver- ſchieden betont, ſind die Grundlaute des Geſanges. Das Männchen ſingt faſt nur im Fluge, indem es vom Boden oder von der Spitze eines niedern Strauches, in ſchiefer Richtung flatternd, ſich aufſchwingt, hoch in die Luft ſteigt, da einige Augenblicke ſchwebend oder ſchnell flatternd verweilt und nun in ſchiefer Richtung mit hochgehaltenen Flügeln ſingend herabſchwebt oder mit angezogenen Fittigen ſchnell herabfällt. Man vernimmt das Lied vom Morgen bis zum Abend und von Mitte Aprils bis gegen den Juli hin faſt ununterbrochen.
Gegen Seinesgleichen zeigt ſich der Wieſenpieper ſehr friedfertig, mit anderen, neben ihm wohnenden Vögeln, mit Schafſtelzen, Schilf- und Seggenrohrſängern, Rohrammern und dergleichen neckt er ſich gern herum. Jn der Brutzeit behauptet jedes Pärchen ſeinen Stand, und es kommt auch wohl zwiſchen zwei benachbarten Männchen zu Kampf und Streit; im ganzen aber liebt unſer Vogel ſelbſt um dieſe Zeit geſelliges Zuſammenleben. Auf dem Zuge und in der Winterherberge halten die oft ſehr zahlreichen Herden treulichſt zuſammen.
Das Neſt ſteht zwiſchen Seggenſchilf, Binſen oder Gras auf dem Boden, meiſt in einer kleinen Vertiefung deſſelben, immer ſo verſteckt, daß es ſchwer zu finden iſt. Eine Menge dürrer Stengel, Würzelchen und Halme, zwiſchen welche zuweilen etwas grünes Erdmos eingewebt wird, bilden die Außenwandungen; die tiefe, zierlich gebildete Mulde iſt mit ſeinen Halmen und Pferde- haaren ausgelegt. Fünf bis ſechs Eier, welche auf graulichweißem oder ſchmuzigröthlichen Grunde überall dicht mit graubraunen oder gelbbraunen Punkten, Schmitzen oder Kritzeln bezeichnet ſind, bilden das Gelege. Sie werden in dreizehn Tagen gezeitigt. Die Jungen verlaſſen das Neſt, noch ehe ſie ordentlich fliegen können, verſtehen es aber ſo meiſterhaft, ſich zwiſchen den niedern Pflanzen zu verſtecken, daß ſie doch vor den meiſten Feinden geſichert ſind. Bei Annäherung eines ſolchen geberden ſich die Alten ſehr ängſtlich und ſetzen ſich rückſichtslos jeder Gefahr aus. Wenn Alles gut geht, iſt die erſte Brut bereits Anfangs Mai, die zweite Ende Julis ausgeflogen und ſelbſtändig geworden; doch findet man auch bis in den Auguſt hinein Junge, welche eben das Neſt verlaſſen haben.
Jn einem großen Käfig hält ſich der Wieſenpieper bei guter Pflege mehrere Jahre, wird ſehr zahm und ſingt ziemlich eifrig. Jm Zimmer darf man ihn nicht umherlaufen laſſen, weil ſich bald Haare, Fäden oder Schmuz an ſeine Füße hängt und dieſe krank macht. Mein Vater hielt einen Wieſen- pieper, welchen er ſeines ſchönen Geſanges wegen unter dem Namen Singpieper unterſcheidet, längere
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[890/0938]
Die Fänger. Singvögel. Pieper.
zu Lande erſcheint er im Frühjahre mit der Schneeſchmelze, gewöhnlich ſchon zu Anfang des März,
ſpäteſtens Mitte Aprils und verweilt bis zum November, ſelbſt bis zum Dezember. Er wandert,
wie die Lerchen, in großen Scharen, nicht ſelten mit den Feldlerchen, und reiſt ebenſowohl bei Tage,
wie bei Nacht.
Wieſen, Sümpfe und Moräſte tiefliegender Gegenden ſind es, welche er allen anderen bevorzugt;
trockene Strecken meidet er, denn er iſt ein halber Sumpfvogel. Auf dem Zuge nimmt er allerdings
auch mit trockneren Oertlichkeiten vorlieb; eigentlich dürre Stellen aber beſucht er ſelbſt dann nicht.
Zum Winteraufenthalt wählt er ebenfalls nur waſſerreiche Gegenden, ſo in Egypten die Nach-
barſchaft der Seen, die Sümpfe oder die unter Waſſer geſetzten Felder.
Der Wieſenpieper iſt äußerſt lebhaft, während des ganzen Tages in Bewegung. Er
läuft ungemein hurtig umher, ſoviel als möglich zwiſchen Gras und Ried verſteckt. Aufge-
ſcheucht erhebt er ſich gewandten Fluges in die Luft, ſtößt ſeinen Lockton aus und ſtreicht nun
raſch geradeaus, einem ähnlichen Orte zu; denn nur ſelten läßt er ſich auf Baumzweige nieder, und
wenn es geſchieht, hält er ſich hier nie lange auf: das Umklammern eines Aſtes ſcheint ihn zu ermüden.
Der Flug geſchieht in kurzen Abſätzen und erſcheint dadurch zuckend oder hüpfend, auch anſtrengend,
obgleich Dies nicht der Fall iſt. Der Lockton iſt ein heiſeres, feines „Jßt‟, welches oft raſch nach
einander ausgeſtoßen wird und dann ſchwirrend klingt; der Ausdruck der Zärtlichkeit lautet ſanft wie
„dwitt‟ oder „zeritt‟ und wird niemals oft nach einander ausgerufen. Der Geſang beſteht nach
Naumann aus verſchiedenen, zuſammenhängenden Strophen, deren Töne oft wiederholt werden;
„Wittge wittge, wittge witt, zick zick, jück jück und türrrrr‟, mit einander verbunden, aber etwas ver-
ſchieden betont, ſind die Grundlaute des Geſanges. Das Männchen ſingt faſt nur im Fluge,
indem es vom Boden oder von der Spitze eines niedern Strauches, in ſchiefer Richtung flatternd, ſich
aufſchwingt, hoch in die Luft ſteigt, da einige Augenblicke ſchwebend oder ſchnell flatternd verweilt
und nun in ſchiefer Richtung mit hochgehaltenen Flügeln ſingend herabſchwebt oder mit angezogenen
Fittigen ſchnell herabfällt. Man vernimmt das Lied vom Morgen bis zum Abend und von Mitte
Aprils bis gegen den Juli hin faſt ununterbrochen.
Gegen Seinesgleichen zeigt ſich der Wieſenpieper ſehr friedfertig, mit anderen, neben ihm
wohnenden Vögeln, mit Schafſtelzen, Schilf- und Seggenrohrſängern, Rohrammern und dergleichen
neckt er ſich gern herum. Jn der Brutzeit behauptet jedes Pärchen ſeinen Stand, und es kommt auch
wohl zwiſchen zwei benachbarten Männchen zu Kampf und Streit; im ganzen aber liebt unſer Vogel
ſelbſt um dieſe Zeit geſelliges Zuſammenleben. Auf dem Zuge und in der Winterherberge halten die
oft ſehr zahlreichen Herden treulichſt zuſammen.
Das Neſt ſteht zwiſchen Seggenſchilf, Binſen oder Gras auf dem Boden, meiſt in einer
kleinen Vertiefung deſſelben, immer ſo verſteckt, daß es ſchwer zu finden iſt. Eine Menge dürrer
Stengel, Würzelchen und Halme, zwiſchen welche zuweilen etwas grünes Erdmos eingewebt wird,
bilden die Außenwandungen; die tiefe, zierlich gebildete Mulde iſt mit ſeinen Halmen und Pferde-
haaren ausgelegt. Fünf bis ſechs Eier, welche auf graulichweißem oder ſchmuzigröthlichen Grunde
überall dicht mit graubraunen oder gelbbraunen Punkten, Schmitzen oder Kritzeln bezeichnet ſind, bilden
das Gelege. Sie werden in dreizehn Tagen gezeitigt. Die Jungen verlaſſen das Neſt, noch ehe ſie
ordentlich fliegen können, verſtehen es aber ſo meiſterhaft, ſich zwiſchen den niedern Pflanzen zu
verſtecken, daß ſie doch vor den meiſten Feinden geſichert ſind. Bei Annäherung eines ſolchen
geberden ſich die Alten ſehr ängſtlich und ſetzen ſich rückſichtslos jeder Gefahr aus. Wenn Alles gut
geht, iſt die erſte Brut bereits Anfangs Mai, die zweite Ende Julis ausgeflogen und ſelbſtändig
geworden; doch findet man auch bis in den Auguſt hinein Junge, welche eben das Neſt verlaſſen haben.
Jn einem großen Käfig hält ſich der Wieſenpieper bei guter Pflege mehrere Jahre, wird ſehr zahm
und ſingt ziemlich eifrig. Jm Zimmer darf man ihn nicht umherlaufen laſſen, weil ſich bald Haare,
Fäden oder Schmuz an ſeine Füße hängt und dieſe krank macht. Mein Vater hielt einen Wieſen-
pieper, welchen er ſeines ſchönen Geſanges wegen unter dem Namen Singpieper unterſcheidet, längere
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 890. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/938>, abgerufen am 22.11.2024.
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