Jn seiner äußeren Erscheinung ähnelt er andern Mitgliedern der Familie. Das Gefieder ist oben graugrün, auf dem Bürzel reingrün, auf der Unterseite gelblichweiß; über den Scheitel ver- läuft eine hellgrüngelbliche Längsbinde, über das Auge hin ein rostgelber Streifen; die Flügel sind durch zwei weißgelbe Querbinden gezeichnet. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel oben schwärz- lichbraun, unten gelblich, der Fuß blaßbraun. Die Länge beträgt 4 Zoll, die Breite 61/4, die Fittig- länge 2, die Schwanzlänge 11/2 Zoll.
Es ist möglich, daß der Laubkönig in Europa öfter vorkommt, als man glaubt. Man hat ihn bis jetzt in Dalmatien und andern Ländern Südeuropas wiederholt, in Mitteldeutschland und mehrfach auf Helgoland beobachtet. Seine Heimat ist Mittelasien. Jn Jndien ist er, nach Jerdon, ziemlich häufig während des Winters; im Himalaya und, nach Swinhoe, auch in China gemein zu jeder Jahreszeit.
Ueber seine Lebensweise fehlen noch ausführliche Beobachtungen. Blyth bemerkt, daß er ein- sam lebe und einen Gesang habe, welcher an den unseres Waldlaubsängers (Phyllopneuste sibilatrix) erinnere. Hancock behauptet, daß er sich ganz wie ein Goldhähnchen betrage, fortwährend in Bewe- gung sei, von einer Stelle zur anderen flattere und nach Goldhähnchenart die Gebüsche durchsuche; Gätke hingegen versichert, daß er in allen Bewegungen und in seinem Wesen andern Laubvögeln, nicht aber dem Goldhähnchen ähnele. Swinhoe sagt, daß man ihn (in China) selten in Gesellschaft anderer Vögel sehe, daß er lebendig und stets in Bewegung sei und durch seinen lauten, eintönigen Lock- ruf "Swiht" seine Anwesenheit kundgebe. Radde theilt uns mit, daß er in Südost-Sibirien um die Mitte des Mai erscheint, und bis gegen Ende Septembers verweilt. Gelegentlich seines Herbst- zuges bleibt er, wie die Goldhähnchen, lange an ein und demselben Orte, oder reist wenigstens sehr langsam, und wird deshalb im Gebüsch der Uferweiden monatelang beobachtet.
Das Nest wurde von Blyth beschrieben. Es ist ein zierlicher Bau, welcher zwischen den Baum- zweigen in beträchtlicher Höhe über dem Boden aufgehängt wird. Seine Gestalt ist ballförmig, der obere Theil mit seiner ganzen Brut dem Zweige angeheftet und da, wo er in den unteren übergeht, auffallend verdickt. Die Wandungen bestehen aus feinen, weichen Pflanzenfasern, welche dicht mit einander verflochten sind und zugleich die inwendige Ausfütterung bilden. An der äußeren Seite sieht man Bruchstücke von Baumrinde, Spinnengewebe und mancherlei andern Stoffen. Zwei Oeffnungen führen ins Jnnere, die eine vorn über der Mitte, die andere seitlich hinten, etwas weiter oben. Die vorderste, welche als Haupteingang zu betrachten ist, wird durch ein Vordach geschützt.
Eine andere Sippe umfaßt die Gartensänger oder Bastardnachtigallen (Hypolais), nicht blos die größten, sondern auch die edelsten Mitglieder aller Laubvögel. Auch sie sind schlank gebaut; der Flügel, in welchem die dritte oder vierte Schwinge die andern überragt, ist verhältnißmäßig lang, der Schwanz etwas ausgeschnitten, der Fuß kräftig, der Schnabel groß, stark und breit, von oben angesehen dreieckig, an den Schneiden scharf, jedoch kaum merklich eingezogen. Mein Vater, welcher die Sippe aufstellte, sagt, daß die Bastardnachtigallen von den Laubsängern weiter Nichts als die Farbe haben, da ihr Körper gedrungener, ihr Schnabel viel größer und stärker, ihr Fuß dicker ist als bei den letztgenannten. Auch erinnert ihre Lebensart mehr an die Grasmücken, als an die der Laubsänger. Jhr Gesang zeichnet sich durch große Manchfaltigkeit vor dem anderer Laubvögel aus; und ihr Nest wird nicht auf dem Boden angelegt und oben zugewölbt, sondern zwischen den Baumzweigen einge- hängt und oben nicht überdeckt. Selbst die Eier behaupten ein eigenthümliches Gepräge.
Jn Europa leben wenigstens fünf verschiedenartige Gartensänger, die einen diesseits, die andern jenseits der südlichen Scheidegebirge. Der Gartensänger oder große Laubvogel, die Mehlbrust und Bastardnachtigall, der Spötterling und Hagspatz, das Titeritchen und Schake-
Laubkönig. Gartenſänger.
Jn ſeiner äußeren Erſcheinung ähnelt er andern Mitgliedern der Familie. Das Gefieder iſt oben graugrün, auf dem Bürzel reingrün, auf der Unterſeite gelblichweiß; über den Scheitel ver- läuft eine hellgrüngelbliche Längsbinde, über das Auge hin ein roſtgelber Streifen; die Flügel ſind durch zwei weißgelbe Querbinden gezeichnet. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel oben ſchwärz- lichbraun, unten gelblich, der Fuß blaßbraun. Die Länge beträgt 4 Zoll, die Breite 6¼, die Fittig- länge 2, die Schwanzlänge 1½ Zoll.
Es iſt möglich, daß der Laubkönig in Europa öfter vorkommt, als man glaubt. Man hat ihn bis jetzt in Dalmatien und andern Ländern Südeuropas wiederholt, in Mitteldeutſchland und mehrfach auf Helgoland beobachtet. Seine Heimat iſt Mittelaſien. Jn Jndien iſt er, nach Jerdon, ziemlich häufig während des Winters; im Himalaya und, nach Swinhoe, auch in China gemein zu jeder Jahreszeit.
Ueber ſeine Lebensweiſe fehlen noch ausführliche Beobachtungen. Blyth bemerkt, daß er ein- ſam lebe und einen Geſang habe, welcher an den unſeres Waldlaubſängers (Phyllopneuste sibilatrix) erinnere. Hancock behauptet, daß er ſich ganz wie ein Goldhähnchen betrage, fortwährend in Bewe- gung ſei, von einer Stelle zur anderen flattere und nach Goldhähnchenart die Gebüſche durchſuche; Gätke hingegen verſichert, daß er in allen Bewegungen und in ſeinem Weſen andern Laubvögeln, nicht aber dem Goldhähnchen ähnele. Swinhoe ſagt, daß man ihn (in China) ſelten in Geſellſchaft anderer Vögel ſehe, daß er lebendig und ſtets in Bewegung ſei und durch ſeinen lauten, eintönigen Lock- ruf „Swiht‟ ſeine Anweſenheit kundgebe. Radde theilt uns mit, daß er in Südoſt-Sibirien um die Mitte des Mai erſcheint, und bis gegen Ende Septembers verweilt. Gelegentlich ſeines Herbſt- zuges bleibt er, wie die Goldhähnchen, lange an ein und demſelben Orte, oder reiſt wenigſtens ſehr langſam, und wird deshalb im Gebüſch der Uferweiden monatelang beobachtet.
Das Neſt wurde von Blyth beſchrieben. Es iſt ein zierlicher Bau, welcher zwiſchen den Baum- zweigen in beträchtlicher Höhe über dem Boden aufgehängt wird. Seine Geſtalt iſt ballförmig, der obere Theil mit ſeiner ganzen Brut dem Zweige angeheftet und da, wo er in den unteren übergeht, auffallend verdickt. Die Wandungen beſtehen aus feinen, weichen Pflanzenfaſern, welche dicht mit einander verflochten ſind und zugleich die inwendige Ausfütterung bilden. An der äußeren Seite ſieht man Bruchſtücke von Baumrinde, Spinnengewebe und mancherlei andern Stoffen. Zwei Oeffnungen führen ins Jnnere, die eine vorn über der Mitte, die andere ſeitlich hinten, etwas weiter oben. Die vorderſte, welche als Haupteingang zu betrachten iſt, wird durch ein Vordach geſchützt.
Eine andere Sippe umfaßt die Gartenſänger oder Baſtardnachtigallen (Hypolais), nicht blos die größten, ſondern auch die edelſten Mitglieder aller Laubvögel. Auch ſie ſind ſchlank gebaut; der Flügel, in welchem die dritte oder vierte Schwinge die andern überragt, iſt verhältnißmäßig lang, der Schwanz etwas ausgeſchnitten, der Fuß kräftig, der Schnabel groß, ſtark und breit, von oben angeſehen dreieckig, an den Schneiden ſcharf, jedoch kaum merklich eingezogen. Mein Vater, welcher die Sippe aufſtellte, ſagt, daß die Baſtardnachtigallen von den Laubſängern weiter Nichts als die Farbe haben, da ihr Körper gedrungener, ihr Schnabel viel größer und ſtärker, ihr Fuß dicker iſt als bei den letztgenannten. Auch erinnert ihre Lebensart mehr an die Grasmücken, als an die der Laubſänger. Jhr Geſang zeichnet ſich durch große Manchfaltigkeit vor dem anderer Laubvögel aus; und ihr Neſt wird nicht auf dem Boden angelegt und oben zugewölbt, ſondern zwiſchen den Baumzweigen einge- hängt und oben nicht überdeckt. Selbſt die Eier behaupten ein eigenthümliches Gepräge.
Jn Europa leben wenigſtens fünf verſchiedenartige Gartenſänger, die einen diesſeits, die andern jenſeits der ſüdlichen Scheidegebirge. Der Gartenſänger oder große Laubvogel, die Mehlbruſt und Baſtardnachtigall, der Spötterling und Hagſpatz, das Titeritchen und Schake-
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Laubkönig. Gartenſänger.
Jn ſeiner äußeren Erſcheinung ähnelt er andern Mitgliedern der Familie. Das Gefieder iſt
oben graugrün, auf dem Bürzel reingrün, auf der Unterſeite gelblichweiß; über den Scheitel ver-
läuft eine hellgrüngelbliche Längsbinde, über das Auge hin ein roſtgelber Streifen; die Flügel ſind
durch zwei weißgelbe Querbinden gezeichnet. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel oben ſchwärz-
lichbraun, unten gelblich, der Fuß blaßbraun. Die Länge beträgt 4 Zoll, die Breite 6¼, die Fittig-
länge 2, die Schwanzlänge 1½ Zoll.
Es iſt möglich, daß der Laubkönig in Europa öfter vorkommt, als man glaubt. Man hat
ihn bis jetzt in Dalmatien und andern Ländern Südeuropas wiederholt, in Mitteldeutſchland und
mehrfach auf Helgoland beobachtet. Seine Heimat iſt Mittelaſien. Jn Jndien iſt er, nach Jerdon,
ziemlich häufig während des Winters; im Himalaya und, nach Swinhoe, auch in China gemein zu
jeder Jahreszeit.
Ueber ſeine Lebensweiſe fehlen noch ausführliche Beobachtungen. Blyth bemerkt, daß er ein-
ſam lebe und einen Geſang habe, welcher an den unſeres Waldlaubſängers (Phyllopneuste sibilatrix)
erinnere. Hancock behauptet, daß er ſich ganz wie ein Goldhähnchen betrage, fortwährend in Bewe-
gung ſei, von einer Stelle zur anderen flattere und nach Goldhähnchenart die Gebüſche durchſuche;
Gätke hingegen verſichert, daß er in allen Bewegungen und in ſeinem Weſen andern Laubvögeln,
nicht aber dem Goldhähnchen ähnele. Swinhoe ſagt, daß man ihn (in China) ſelten in Geſellſchaft
anderer Vögel ſehe, daß er lebendig und ſtets in Bewegung ſei und durch ſeinen lauten, eintönigen Lock-
ruf „Swiht‟ ſeine Anweſenheit kundgebe. Radde theilt uns mit, daß er in Südoſt-Sibirien um
die Mitte des Mai erſcheint, und bis gegen Ende Septembers verweilt. Gelegentlich ſeines Herbſt-
zuges bleibt er, wie die Goldhähnchen, lange an ein und demſelben Orte, oder reiſt wenigſtens ſehr
langſam, und wird deshalb im Gebüſch der Uferweiden monatelang beobachtet.
Das Neſt wurde von Blyth beſchrieben. Es iſt ein zierlicher Bau, welcher zwiſchen den Baum-
zweigen in beträchtlicher Höhe über dem Boden aufgehängt wird. Seine Geſtalt iſt ballförmig, der
obere Theil mit ſeiner ganzen Brut dem Zweige angeheftet und da, wo er in den unteren übergeht,
auffallend verdickt. Die Wandungen beſtehen aus feinen, weichen Pflanzenfaſern, welche dicht mit
einander verflochten ſind und zugleich die inwendige Ausfütterung bilden. An der äußeren Seite
ſieht man Bruchſtücke von Baumrinde, Spinnengewebe und mancherlei andern Stoffen. Zwei
Oeffnungen führen ins Jnnere, die eine vorn über der Mitte, die andere ſeitlich hinten, etwas weiter
oben. Die vorderſte, welche als Haupteingang zu betrachten iſt, wird durch ein Vordach geſchützt.
Eine andere Sippe umfaßt die Gartenſänger oder Baſtardnachtigallen (Hypolais), nicht
blos die größten, ſondern auch die edelſten Mitglieder aller Laubvögel. Auch ſie ſind ſchlank gebaut;
der Flügel, in welchem die dritte oder vierte Schwinge die andern überragt, iſt verhältnißmäßig lang,
der Schwanz etwas ausgeſchnitten, der Fuß kräftig, der Schnabel groß, ſtark und breit, von oben
angeſehen dreieckig, an den Schneiden ſcharf, jedoch kaum merklich eingezogen. Mein Vater, welcher
die Sippe aufſtellte, ſagt, daß die Baſtardnachtigallen von den Laubſängern weiter Nichts als die Farbe
haben, da ihr Körper gedrungener, ihr Schnabel viel größer und ſtärker, ihr Fuß dicker iſt als bei den
letztgenannten. Auch erinnert ihre Lebensart mehr an die Grasmücken, als an die der Laubſänger.
Jhr Geſang zeichnet ſich durch große Manchfaltigkeit vor dem anderer Laubvögel aus; und ihr Neſt
wird nicht auf dem Boden angelegt und oben zugewölbt, ſondern zwiſchen den Baumzweigen einge-
hängt und oben nicht überdeckt. Selbſt die Eier behaupten ein eigenthümliches Gepräge.
Jn Europa leben wenigſtens fünf verſchiedenartige Gartenſänger, die einen diesſeits, die andern
jenſeits der ſüdlichen Scheidegebirge. Der Gartenſänger oder große Laubvogel, die Mehlbruſt
und Baſtardnachtigall, der Spötterling und Hagſpatz, das Titeritchen und Schake-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 861. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/909>, abgerufen am 22.11.2024.
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