"Sein Nest legt er am liebsten in einem dichten Dornen- oder Mirtenbusche an, da ihm die Cisten doch im ganzen zu durchsichtig sind. Es besteht aus dürren Halmen und ist inwendig mit einzelnen Pferdehaaren, hin und wieder auch mit einer Feder ausgelegt. Es ist verhältnißmäßig ziemlich tief, jedoch nicht sehr fest gebaut und mehr dünnwandig, nach Art etwa des der fahlen Grasmücke, mit welcher überhaupt alle Strauchsänger im Nestbau Aehnlichkeit haben."
"Die vier bis fünf Eier sind auf grünlich schmuzigweißem Grunde mit ölgrünen Wolken gezeich- net, welche hin und wieder das Gepräge von Flecken annehmen, sowie mit einzelnen wirklichen ins Aschbläuliche spielenden Flecken, schwarzen Pünktchen und ab und zu einer schwarzen Schnörkellinie. Jhre Größe ist die des Stieglitzeies."
"Die Jungen gleichen vollkommen den Alten, nur daß der dunkle Anflug auf dem Scheitel und an den Zügeln bei dem jungen Männchen bei weitem nicht so stark ist, als bei dem erwachsenen, und daß der Augenlidrand des Jugendkleides einen nur geringen rothen Anflug zeigt."
"Sonst aber ist das Wesen, wie wir es an den alten Vögeln sehen, schon gänzlich bei dem kaum flüggen Jungen ausgeprägt, und es hält ziemlich schwer, die aus dem Neste noch vor ihrer vollkom- menen Flugbarkeit herausgehüpften Vögel zu ergreifen, da sie mit ungemeiner Behendigkeit zwischen den Cistenzweigen hindurch zu klimmen und so zu entfliehen wissen."
"Der sardische Sänger ist Standvogel für Sardinien und verläßt auch im Winter seinen einmal gewählten Aufenthaltsort nicht. Da er schon mit dem Anfange des April zu nisten beginnt, bringt er gewiß den Sommer über drei Bruten zu Stande."
Aus vorstehender Schilderung ist mir deutlich hervorgegangen, daß der Sänger der Provence (Pyrophthalma provincialis), welchen ich in Spanien sehr häufig beobachtet habe, als der nächste Verwandte des sardischen Sängers angesehen werden muß. Auch jener ist ein einfach, aber dennoch hübsch gezeichneter Vogel. Das Gefieder der Oberseite ist dunkelaschgrau, das der Unterseite dunkel- weinroth, das der Kehle weiß gestreift; die Schwingen und Steuerfedern sind bräunlichgrau, die vier äußersten Schwanzfedern jederseits an der Spitze weiß gesäumt. Das Auge ist hellrothbraun, der Augenring ziegelroth, der Schnabel schwarz, an der Wurzel des Unterschnabels röthlich, der Fuß röthlichgrau. Die Länge beträgt 43/4 bis 5 Zoll, die Breite 6 bis 61/4 Zoll, die Fittiglänge beinahe 2, die Schwanzlänge 21/4 bis 21/2 Zoll.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der Sänger der Provence keineswegs blos diese und das übrige Südeuropa oder Kleinasien und Nordwestafrika, sondern auch Großbritannien bewohnt. Hier traf ihn Montague besonders in den mit Stachelginst bestandenen Triften und, wie es scheint, keineswegs blos als Jrrling an.
Ein prächtiges Thierchen ist auch dieser kleine, muntere, fleißig singende, gewandte Sänger. Man freut sich immer von neuem, wenn man ihn wieder sieht. Die niederen Kieferdickichte, die mit der stattlichen Buschhaide, den Cistenrosen bedeckten Nordabhänge der Gebirge Cataloniens, die mit dürftigem Gestrüpp kaum begrünten Einöden Valencias, die steppenartigen Ackerstücke Castiliens, die Eichenwälder, Hecken, niedere Gebüsche, kurzum, der Buschwald im weitesten Sinne sind seine Heimat; in ihm nimmt er seine Wohnung. Kaum betritt man einen dieser Urwälder der kleinen Sängerschaft, so vernimmt man sein einfaches, aber gemüthliches Liedchen, welches nach Hansmann's Versicherung dem des sardinischen Sängers aufs täuschendste ähnelt und erblickt, wenn man glücklich ist, das roth- gebrüstete Vögelchen auf der Astspitze eines Busches. Hier dreht und wendet er sich nach allen Seiten, spielt mit seinem Schwanze, den er bald stelzt, bald wieder niederlegt, sträubt die Kehle und singt dazwischen. Beim Herannahen des Jägers huscht er aber gar schnell nieder in das Dickicht, und dann ist er auch dem schärfsten Auge zeitweilig verschwunden. Aber Das währt nicht lange; denn immer und immer wieder erscheint er auf der Spitze des Kronentriebes einer Kiefer, auf dem höchsten Zweige eines Busches, sieht sich einen Augenblick um, stürzt wieder zum Boden herab und huscht und läuft hier wie eine Maus dahin. Jst das Dickicht weniger filzig, so sieht man ihn ab und zu, doch nur
Die Fänger. Singvögel. Grasmücken.
„Sein Neſt legt er am liebſten in einem dichten Dornen- oder Mirtenbuſche an, da ihm die Ciſten doch im ganzen zu durchſichtig ſind. Es beſteht aus dürren Halmen und iſt inwendig mit einzelnen Pferdehaaren, hin und wieder auch mit einer Feder ausgelegt. Es iſt verhältnißmäßig ziemlich tief, jedoch nicht ſehr feſt gebaut und mehr dünnwandig, nach Art etwa des der fahlen Grasmücke, mit welcher überhaupt alle Strauchſänger im Neſtbau Aehnlichkeit haben.‟
„Die vier bis fünf Eier ſind auf grünlich ſchmuzigweißem Grunde mit ölgrünen Wolken gezeich- net, welche hin und wieder das Gepräge von Flecken annehmen, ſowie mit einzelnen wirklichen ins Aſchbläuliche ſpielenden Flecken, ſchwarzen Pünktchen und ab und zu einer ſchwarzen Schnörkellinie. Jhre Größe iſt die des Stieglitzeies.‟
„Die Jungen gleichen vollkommen den Alten, nur daß der dunkle Anflug auf dem Scheitel und an den Zügeln bei dem jungen Männchen bei weitem nicht ſo ſtark iſt, als bei dem erwachſenen, und daß der Augenlidrand des Jugendkleides einen nur geringen rothen Anflug zeigt.‟
„Sonſt aber iſt das Weſen, wie wir es an den alten Vögeln ſehen, ſchon gänzlich bei dem kaum flüggen Jungen ausgeprägt, und es hält ziemlich ſchwer, die aus dem Neſte noch vor ihrer vollkom- menen Flugbarkeit herausgehüpften Vögel zu ergreifen, da ſie mit ungemeiner Behendigkeit zwiſchen den Ciſtenzweigen hindurch zu klimmen und ſo zu entfliehen wiſſen.‟
„Der ſardiſche Sänger iſt Standvogel für Sardinien und verläßt auch im Winter ſeinen einmal gewählten Aufenthaltsort nicht. Da er ſchon mit dem Anfange des April zu niſten beginnt, bringt er gewiß den Sommer über drei Bruten zu Stande.‟
Aus vorſtehender Schilderung iſt mir deutlich hervorgegangen, daß der Sänger der Provence (Pyrophthalma provincialis), welchen ich in Spanien ſehr häufig beobachtet habe, als der nächſte Verwandte des ſardiſchen Sängers angeſehen werden muß. Auch jener iſt ein einfach, aber dennoch hübſch gezeichneter Vogel. Das Gefieder der Oberſeite iſt dunkelaſchgrau, das der Unterſeite dunkel- weinroth, das der Kehle weiß geſtreift; die Schwingen und Steuerfedern ſind bräunlichgrau, die vier äußerſten Schwanzfedern jederſeits an der Spitze weiß geſäumt. Das Auge iſt hellrothbraun, der Augenring ziegelroth, der Schnabel ſchwarz, an der Wurzel des Unterſchnabels röthlich, der Fuß röthlichgrau. Die Länge beträgt 4¾ bis 5 Zoll, die Breite 6 bis 6¼ Zoll, die Fittiglänge beinahe 2, die Schwanzlänge 2¼ bis 2½ Zoll.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der Sänger der Provence keineswegs blos dieſe und das übrige Südeuropa oder Kleinaſien und Nordweſtafrika, ſondern auch Großbritannien bewohnt. Hier traf ihn Montague beſonders in den mit Stachelginſt beſtandenen Triften und, wie es ſcheint, keineswegs blos als Jrrling an.
Ein prächtiges Thierchen iſt auch dieſer kleine, muntere, fleißig ſingende, gewandte Sänger. Man freut ſich immer von neuem, wenn man ihn wieder ſieht. Die niederen Kieferdickichte, die mit der ſtattlichen Buſchhaide, den Ciſtenroſen bedeckten Nordabhänge der Gebirge Cataloniens, die mit dürftigem Geſtrüpp kaum begrünten Einöden Valencias, die ſteppenartigen Ackerſtücke Caſtiliens, die Eichenwälder, Hecken, niedere Gebüſche, kurzum, der Buſchwald im weiteſten Sinne ſind ſeine Heimat; in ihm nimmt er ſeine Wohnung. Kaum betritt man einen dieſer Urwälder der kleinen Sängerſchaft, ſo vernimmt man ſein einfaches, aber gemüthliches Liedchen, welches nach Hansmann’s Verſicherung dem des ſardiniſchen Sängers aufs täuſchendſte ähnelt und erblickt, wenn man glücklich iſt, das roth- gebrüſtete Vögelchen auf der Aſtſpitze eines Buſches. Hier dreht und wendet er ſich nach allen Seiten, ſpielt mit ſeinem Schwanze, den er bald ſtelzt, bald wieder niederlegt, ſträubt die Kehle und ſingt dazwiſchen. Beim Herannahen des Jägers huſcht er aber gar ſchnell nieder in das Dickicht, und dann iſt er auch dem ſchärfſten Auge zeitweilig verſchwunden. Aber Das währt nicht lange; denn immer und immer wieder erſcheint er auf der Spitze des Kronentriebes einer Kiefer, auf dem höchſten Zweige eines Buſches, ſieht ſich einen Augenblick um, ſtürzt wieder zum Boden herab und huſcht und läuft hier wie eine Maus dahin. Jſt das Dickicht weniger filzig, ſo ſieht man ihn ab und zu, doch nur
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[856/0904]
Die Fänger. Singvögel. Grasmücken.
„Sein Neſt legt er am liebſten in einem dichten Dornen- oder Mirtenbuſche an, da ihm die Ciſten
doch im ganzen zu durchſichtig ſind. Es beſteht aus dürren Halmen und iſt inwendig mit einzelnen
Pferdehaaren, hin und wieder auch mit einer Feder ausgelegt. Es iſt verhältnißmäßig ziemlich tief,
jedoch nicht ſehr feſt gebaut und mehr dünnwandig, nach Art etwa des der fahlen Grasmücke, mit
welcher überhaupt alle Strauchſänger im Neſtbau Aehnlichkeit haben.‟
„Die vier bis fünf Eier ſind auf grünlich ſchmuzigweißem Grunde mit ölgrünen Wolken gezeich-
net, welche hin und wieder das Gepräge von Flecken annehmen, ſowie mit einzelnen wirklichen ins
Aſchbläuliche ſpielenden Flecken, ſchwarzen Pünktchen und ab und zu einer ſchwarzen Schnörkellinie.
Jhre Größe iſt die des Stieglitzeies.‟
„Die Jungen gleichen vollkommen den Alten, nur daß der dunkle Anflug auf dem Scheitel und
an den Zügeln bei dem jungen Männchen bei weitem nicht ſo ſtark iſt, als bei dem erwachſenen, und
daß der Augenlidrand des Jugendkleides einen nur geringen rothen Anflug zeigt.‟
„Sonſt aber iſt das Weſen, wie wir es an den alten Vögeln ſehen, ſchon gänzlich bei dem kaum
flüggen Jungen ausgeprägt, und es hält ziemlich ſchwer, die aus dem Neſte noch vor ihrer vollkom-
menen Flugbarkeit herausgehüpften Vögel zu ergreifen, da ſie mit ungemeiner Behendigkeit zwiſchen
den Ciſtenzweigen hindurch zu klimmen und ſo zu entfliehen wiſſen.‟
„Der ſardiſche Sänger iſt Standvogel für Sardinien und verläßt auch im Winter ſeinen einmal
gewählten Aufenthaltsort nicht. Da er ſchon mit dem Anfange des April zu niſten beginnt, bringt
er gewiß den Sommer über drei Bruten zu Stande.‟
Aus vorſtehender Schilderung iſt mir deutlich hervorgegangen, daß der Sänger der Provence
(Pyrophthalma provincialis), welchen ich in Spanien ſehr häufig beobachtet habe, als der nächſte
Verwandte des ſardiſchen Sängers angeſehen werden muß. Auch jener iſt ein einfach, aber dennoch
hübſch gezeichneter Vogel. Das Gefieder der Oberſeite iſt dunkelaſchgrau, das der Unterſeite dunkel-
weinroth, das der Kehle weiß geſtreift; die Schwingen und Steuerfedern ſind bräunlichgrau, die vier
äußerſten Schwanzfedern jederſeits an der Spitze weiß geſäumt. Das Auge iſt hellrothbraun, der
Augenring ziegelroth, der Schnabel ſchwarz, an der Wurzel des Unterſchnabels röthlich, der Fuß
röthlichgrau. Die Länge beträgt 4¾ bis 5 Zoll, die Breite 6 bis 6¼ Zoll, die Fittiglänge
beinahe 2, die Schwanzlänge 2¼ bis 2½ Zoll.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der Sänger der Provence keineswegs blos dieſe und
das übrige Südeuropa oder Kleinaſien und Nordweſtafrika, ſondern auch Großbritannien bewohnt.
Hier traf ihn Montague beſonders in den mit Stachelginſt beſtandenen Triften und, wie es ſcheint,
keineswegs blos als Jrrling an.
Ein prächtiges Thierchen iſt auch dieſer kleine, muntere, fleißig ſingende, gewandte Sänger.
Man freut ſich immer von neuem, wenn man ihn wieder ſieht. Die niederen Kieferdickichte, die mit
der ſtattlichen Buſchhaide, den Ciſtenroſen bedeckten Nordabhänge der Gebirge Cataloniens, die mit
dürftigem Geſtrüpp kaum begrünten Einöden Valencias, die ſteppenartigen Ackerſtücke Caſtiliens, die
Eichenwälder, Hecken, niedere Gebüſche, kurzum, der Buſchwald im weiteſten Sinne ſind ſeine Heimat;
in ihm nimmt er ſeine Wohnung. Kaum betritt man einen dieſer Urwälder der kleinen Sängerſchaft,
ſo vernimmt man ſein einfaches, aber gemüthliches Liedchen, welches nach Hansmann’s Verſicherung
dem des ſardiniſchen Sängers aufs täuſchendſte ähnelt und erblickt, wenn man glücklich iſt, das roth-
gebrüſtete Vögelchen auf der Aſtſpitze eines Buſches. Hier dreht und wendet er ſich nach allen
Seiten, ſpielt mit ſeinem Schwanze, den er bald ſtelzt, bald wieder niederlegt, ſträubt die Kehle und
ſingt dazwiſchen. Beim Herannahen des Jägers huſcht er aber gar ſchnell nieder in das Dickicht, und
dann iſt er auch dem ſchärfſten Auge zeitweilig verſchwunden. Aber Das währt nicht lange; denn immer
und immer wieder erſcheint er auf der Spitze des Kronentriebes einer Kiefer, auf dem höchſten Zweige
eines Buſches, ſieht ſich einen Augenblick um, ſtürzt wieder zum Boden herab und huſcht und läuft
hier wie eine Maus dahin. Jſt das Dickicht weniger filzig, ſo ſieht man ihn ab und zu, doch nur
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/904>, abgerufen am 22.11.2024.
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