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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Sperbergrasmücke.
Forscher mit Recht behaupten durfte, daß vom August ab alle Grasmücken Feigenfresser seien.
Ungeachtet dieser geringen Räubereien bringen sie niemals und nirgends Schaden; denn der Nutzen,
welchen sie durch Aufzehren von Kerbthieren stiften, überwiegt den ohnehin kaum nennenswerthen
Schaden bei weitem.

Es hält nicht schwer, Grasmücken zu fangen; die meisten gewöhnen sich auch leicht an die
Gefangenschaft, und einzelne halten im Käfige jahrelang aus. Kein Wunder daher, daß diese Vögel
als Stubengenossen des Menschen hoch geschätzt und wahre Lieblinge der Thierfreunde sind. Nicht
wenige Liebhaber von Stubenvögeln gibt es, welche sie allen übrigen Singvögeln vorziehen, der
Spottdrossel ebensowohl, wie dem Sprosser oder der Nachtigall.



Man hat in der Neuzeit auch die Familie der Grasmücken in viele Sippen getrennt; die Ueber-
einstimmung aller Arten ist aber sehr groß, und die Kennzeichnung der einzelnen Gruppen deshalb
schwierig. Wir wollen hauptsächlich zwei Gruppen ins Auge fassen: die Grasmücken ohne jede
weitere Nebenbezeichnung und die Strauchsänger Südeuropas. Jn dankbarer Anerkennung der
ausgezeichneten Eigenschaften dieser Vögel will ich ausnahmsweise alle europäischen Arten aufzählen
und einige ausführlich zu schildern suchen.

Die Grasmücken (Curruca) kennzeichnen sich durch verhältnißmäßig langen, zugespitzten Flügel,
in dem die dritte Schwinge die längste ist, und mittellangen, mehr oder weniger gerade abgeschnittenen
Schwanz. Unter ihnen mag die Sperbergrasmücke (Curruca nisoria) an erster Stelle erwähnt
werden, weil sie unter den europäischen Arten die größte ist. Jhre Länge beträgt gegen 7 Zoll, ihre
Breite 11 Zoll, die Fittiglänge 31/2, die Schwanzlänge 3 Zoll. Das Gefieder der Oberseite ist tief
aschgrau, gewöhnlich mit rostgelblichem Anfluge, das der Unterseite grauweiß, durch dunkelgraue
Mondflecken, welche besonders beim Männchen deutlich hervortreten, gesperbert; die Schwingen sind
braungrau, lichter gesäumt, die Steuerfedern dunkelaschgrau, lichtgrau gesäumt. Das Auge ist gold-
gelb, der Schnabel braunschwarz, an der Wurzel gelblichfleischfarben, der Fuß lichtbleigrau. Bei dem
Weibchen ist die Fleckenzeichnung schwächer, bei den Jungen nur angedeutet. Eine genauere
Beschreibung ist unnöthig, weil der Vogel schon seiner Größe wegen mit keiner andern verwechselt
werden kann.

Noch ist nicht festgestellt, wie weit das Vaterland dieser Art sich erstreckt. Man hat sie vom
südlichen Schweden an bis Mittelitalien und nach Osten hin bis Kasan angetrossen, überall nur
hier und da, keineswegs aller Orten. Jn einzelnen Theilen Deutschlands, und namentlich in den
Augegenden, an den buschreichen Usern größerer Flüsse ist sie häufig, an andern Orten fehlt sie
gänzlich oder gehört wenigstens zu den größten Seltenheiten. Jn Spanien haben wir sie nie gesehen,
jedoch erfahren, daß sie zuweilen dort sich zeigt; in Griechenland ist sie noch nicht beobachtet worden;
auch in England soll sie nicht vorkommen. Sie erscheint in Deutschland Ende Aprils oder Anfangs
Mai und verweilt hier höchstens bis zum August. Sofort nach ihrer Ankunft, welche des Nachts
erfolgt, bezieht sie diejenigen Waldungen, welche ihr zum Sommeraufenthalte dienen sollen, am liebsten
solche, deren Boden sumpfig oder wasserreich ist. Jmmer wählt sie ein Dickicht zu ihrem Wohnsitz;
wächst dasselbe zum Stangenholze heran, so verläßt sie es und wendet sich dafür einem andern, aus
jungem Nachwuchs gebildeten zu. Höhere Bäume besucht sie blos während ihres Zuges.

Jn ihrem Betragen ist sie eine echte Grasmücke. Sie kommt selten auf den Boden herab und
bewegt sich hier schwerfällig, fliegt auch ungern, springt dafür aber mit größter Gewandtheit von einem
Zweige zum andern und zwängt sich mit überraschender Fertigkeit durch die dichtesten Hecken.
Jhre Lockstimme ist ein schnalzendes "Tscheck", der Warnungslaut ein schnarchendes "Err", der

Sperbergrasmücke.
Forſcher mit Recht behaupten durfte, daß vom Auguſt ab alle Grasmücken Feigenfreſſer ſeien.
Ungeachtet dieſer geringen Räubereien bringen ſie niemals und nirgends Schaden; denn der Nutzen,
welchen ſie durch Aufzehren von Kerbthieren ſtiften, überwiegt den ohnehin kaum nennenswerthen
Schaden bei weitem.

Es hält nicht ſchwer, Grasmücken zu fangen; die meiſten gewöhnen ſich auch leicht an die
Gefangenſchaft, und einzelne halten im Käfige jahrelang aus. Kein Wunder daher, daß dieſe Vögel
als Stubengenoſſen des Menſchen hoch geſchätzt und wahre Lieblinge der Thierfreunde ſind. Nicht
wenige Liebhaber von Stubenvögeln gibt es, welche ſie allen übrigen Singvögeln vorziehen, der
Spottdroſſel ebenſowohl, wie dem Sproſſer oder der Nachtigall.



Man hat in der Neuzeit auch die Familie der Grasmücken in viele Sippen getrennt; die Ueber-
einſtimmung aller Arten iſt aber ſehr groß, und die Kennzeichnung der einzelnen Gruppen deshalb
ſchwierig. Wir wollen hauptſächlich zwei Gruppen ins Auge faſſen: die Grasmücken ohne jede
weitere Nebenbezeichnung und die Strauchſänger Südeuropas. Jn dankbarer Anerkennung der
ausgezeichneten Eigenſchaften dieſer Vögel will ich ausnahmsweiſe alle europäiſchen Arten aufzählen
und einige ausführlich zu ſchildern ſuchen.

Die Grasmücken (Curruca) kennzeichnen ſich durch verhältnißmäßig langen, zugeſpitzten Flügel,
in dem die dritte Schwinge die längſte iſt, und mittellangen, mehr oder weniger gerade abgeſchnittenen
Schwanz. Unter ihnen mag die Sperbergrasmücke (Curruca nisoria) an erſter Stelle erwähnt
werden, weil ſie unter den europäiſchen Arten die größte iſt. Jhre Länge beträgt gegen 7 Zoll, ihre
Breite 11 Zoll, die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 3 Zoll. Das Gefieder der Oberſeite iſt tief
aſchgrau, gewöhnlich mit roſtgelblichem Anfluge, das der Unterſeite grauweiß, durch dunkelgraue
Mondflecken, welche beſonders beim Männchen deutlich hervortreten, geſperbert; die Schwingen ſind
braungrau, lichter geſäumt, die Steuerfedern dunkelaſchgrau, lichtgrau geſäumt. Das Auge iſt gold-
gelb, der Schnabel braunſchwarz, an der Wurzel gelblichfleiſchfarben, der Fuß lichtbleigrau. Bei dem
Weibchen iſt die Fleckenzeichnung ſchwächer, bei den Jungen nur angedeutet. Eine genauere
Beſchreibung iſt unnöthig, weil der Vogel ſchon ſeiner Größe wegen mit keiner andern verwechſelt
werden kann.

Noch iſt nicht feſtgeſtellt, wie weit das Vaterland dieſer Art ſich erſtreckt. Man hat ſie vom
ſüdlichen Schweden an bis Mittelitalien und nach Oſten hin bis Kaſan angetroſſen, überall nur
hier und da, keineswegs aller Orten. Jn einzelnen Theilen Deutſchlands, und namentlich in den
Augegenden, an den buſchreichen Uſern größerer Flüſſe iſt ſie häufig, an andern Orten fehlt ſie
gänzlich oder gehört wenigſtens zu den größten Seltenheiten. Jn Spanien haben wir ſie nie geſehen,
jedoch erfahren, daß ſie zuweilen dort ſich zeigt; in Griechenland iſt ſie noch nicht beobachtet worden;
auch in England ſoll ſie nicht vorkommen. Sie erſcheint in Deutſchland Ende Aprils oder Anfangs
Mai und verweilt hier höchſtens bis zum Auguſt. Sofort nach ihrer Ankunft, welche des Nachts
erfolgt, bezieht ſie diejenigen Waldungen, welche ihr zum Sommeraufenthalte dienen ſollen, am liebſten
ſolche, deren Boden ſumpfig oder waſſerreich iſt. Jmmer wählt ſie ein Dickicht zu ihrem Wohnſitz;
wächſt daſſelbe zum Stangenholze heran, ſo verläßt ſie es und wendet ſich dafür einem andern, aus
jungem Nachwuchs gebildeten zu. Höhere Bäume beſucht ſie blos während ihres Zuges.

Jn ihrem Betragen iſt ſie eine echte Grasmücke. Sie kommt ſelten auf den Boden herab und
bewegt ſich hier ſchwerfällig, fliegt auch ungern, ſpringt dafür aber mit größter Gewandtheit von einem
Zweige zum andern und zwängt ſich mit überraſchender Fertigkeit durch die dichteſten Hecken.
Jhre Lockſtimme iſt ein ſchnalzendes „Tſcheck‟, der Warnungslaut ein ſchnarchendes „Err‟, der

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[837/0885] Sperbergrasmücke. Forſcher mit Recht behaupten durfte, daß vom Auguſt ab alle Grasmücken Feigenfreſſer ſeien. Ungeachtet dieſer geringen Räubereien bringen ſie niemals und nirgends Schaden; denn der Nutzen, welchen ſie durch Aufzehren von Kerbthieren ſtiften, überwiegt den ohnehin kaum nennenswerthen Schaden bei weitem. Es hält nicht ſchwer, Grasmücken zu fangen; die meiſten gewöhnen ſich auch leicht an die Gefangenſchaft, und einzelne halten im Käfige jahrelang aus. Kein Wunder daher, daß dieſe Vögel als Stubengenoſſen des Menſchen hoch geſchätzt und wahre Lieblinge der Thierfreunde ſind. Nicht wenige Liebhaber von Stubenvögeln gibt es, welche ſie allen übrigen Singvögeln vorziehen, der Spottdroſſel ebenſowohl, wie dem Sproſſer oder der Nachtigall. Man hat in der Neuzeit auch die Familie der Grasmücken in viele Sippen getrennt; die Ueber- einſtimmung aller Arten iſt aber ſehr groß, und die Kennzeichnung der einzelnen Gruppen deshalb ſchwierig. Wir wollen hauptſächlich zwei Gruppen ins Auge faſſen: die Grasmücken ohne jede weitere Nebenbezeichnung und die Strauchſänger Südeuropas. Jn dankbarer Anerkennung der ausgezeichneten Eigenſchaften dieſer Vögel will ich ausnahmsweiſe alle europäiſchen Arten aufzählen und einige ausführlich zu ſchildern ſuchen. Die Grasmücken (Curruca) kennzeichnen ſich durch verhältnißmäßig langen, zugeſpitzten Flügel, in dem die dritte Schwinge die längſte iſt, und mittellangen, mehr oder weniger gerade abgeſchnittenen Schwanz. Unter ihnen mag die Sperbergrasmücke (Curruca nisoria) an erſter Stelle erwähnt werden, weil ſie unter den europäiſchen Arten die größte iſt. Jhre Länge beträgt gegen 7 Zoll, ihre Breite 11 Zoll, die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 3 Zoll. Das Gefieder der Oberſeite iſt tief aſchgrau, gewöhnlich mit roſtgelblichem Anfluge, das der Unterſeite grauweiß, durch dunkelgraue Mondflecken, welche beſonders beim Männchen deutlich hervortreten, geſperbert; die Schwingen ſind braungrau, lichter geſäumt, die Steuerfedern dunkelaſchgrau, lichtgrau geſäumt. Das Auge iſt gold- gelb, der Schnabel braunſchwarz, an der Wurzel gelblichfleiſchfarben, der Fuß lichtbleigrau. Bei dem Weibchen iſt die Fleckenzeichnung ſchwächer, bei den Jungen nur angedeutet. Eine genauere Beſchreibung iſt unnöthig, weil der Vogel ſchon ſeiner Größe wegen mit keiner andern verwechſelt werden kann. Noch iſt nicht feſtgeſtellt, wie weit das Vaterland dieſer Art ſich erſtreckt. Man hat ſie vom ſüdlichen Schweden an bis Mittelitalien und nach Oſten hin bis Kaſan angetroſſen, überall nur hier und da, keineswegs aller Orten. Jn einzelnen Theilen Deutſchlands, und namentlich in den Augegenden, an den buſchreichen Uſern größerer Flüſſe iſt ſie häufig, an andern Orten fehlt ſie gänzlich oder gehört wenigſtens zu den größten Seltenheiten. Jn Spanien haben wir ſie nie geſehen, jedoch erfahren, daß ſie zuweilen dort ſich zeigt; in Griechenland iſt ſie noch nicht beobachtet worden; auch in England ſoll ſie nicht vorkommen. Sie erſcheint in Deutſchland Ende Aprils oder Anfangs Mai und verweilt hier höchſtens bis zum Auguſt. Sofort nach ihrer Ankunft, welche des Nachts erfolgt, bezieht ſie diejenigen Waldungen, welche ihr zum Sommeraufenthalte dienen ſollen, am liebſten ſolche, deren Boden ſumpfig oder waſſerreich iſt. Jmmer wählt ſie ein Dickicht zu ihrem Wohnſitz; wächſt daſſelbe zum Stangenholze heran, ſo verläßt ſie es und wendet ſich dafür einem andern, aus jungem Nachwuchs gebildeten zu. Höhere Bäume beſucht ſie blos während ihres Zuges. Jn ihrem Betragen iſt ſie eine echte Grasmücke. Sie kommt ſelten auf den Boden herab und bewegt ſich hier ſchwerfällig, fliegt auch ungern, ſpringt dafür aber mit größter Gewandtheit von einem Zweige zum andern und zwängt ſich mit überraſchender Fertigkeit durch die dichteſten Hecken. Jhre Lockſtimme iſt ein ſchnalzendes „Tſcheck‟, der Warnungslaut ein ſchnarchendes „Err‟, der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 837. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/885>, abgerufen am 22.07.2024.