dem ködernden Mehlwurm kaum widerstehen und wird deshalb mit dem einfachsten Fangwerkzeug berückt.
Gefangene Blaukehlchen sind eine wahre Zierde des Gebauers. Bei geeigneter Pflege werden die klugen Geschöpfe bald und in hohem Grade zahm, so wild und scheu sie sich anfangs auch geberdeten; sie singen dann fleißig und erfreuen also ihren Gebieter in jeder Hinsicht. Leider ertragen sie nur ausnahmsweise mehrere Jahre die Gefangenschaft: sie verlangen die sorgfältigste Wartung, zumal gutes Futter und dieses recht reichlich, um ausdauern zu können.
Als die nächsten Verwandten der Blaukehlchen und wenn man will als Uebergangsglieder von ihnen zu gewissen Schilfsängern, darf man die Rubinnachtigallen (Calliope) ansehen: asiatische Erdsänger mit mittellangem und mittelstarken Schnabel, kräftigen, mäßig hochläufigen, großzehigen Füßen, mittellangen Flügeln, deren erste Schwinge stark verkürzt ist, verhältnißmäßig kurzem, leicht gerundeten Schwanze, dessen Seitenfedern zugespitzt sind (während die beiden Mittelfedern ebenfalls sich abrunden) und knapp anliegendem, glatten Gefieder.
Unter den wenigen Arten dieser Sippe, welche man kennt, ist die Calliope (Calliope camtschatcensis) besonderer Erwähnung werth, weil sie sich, Temminck's Angaben zu Folge, nach Europa verflogen und dadurch unter den Vögeln dieses Erdtheils Bürgerrecht erlangt hat. Jhr Gefieder ist auf der Oberseite olivenbraun, auf Kopf und Stirn am dunkelsten, auf der Unterseite schmuzig weiß, d. h. seitlich graulich olivengrün, und auf der Brustmitte weiß; ein Augenbrauen- streifen ist seidig weiß, der Zügel darunter schwarz, die Kehle prachtvoll rubinroth, ein sie umgrän- zendes nach unten hin in Braungrau oder Aschgrau übergehendes Band schwarz. Beim Weibchen sind alle Farben blässer, die der Kehle nur angedentet. Die Jungen sind auf dunkelbraungrauem Grunde hellrostgelb längsgefleckt. Die Länge beträgt 6, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 21/2 Zoll (englisch).
Lichte Vorwälder Nordostasiens, in denen dichtes Unterholz steht, Weidendickichte längs der Fluß- ufer, Hecken und Gebüsche auf feuchtem Grunde sind die eigentlichen Wohnsitze der Calliope. Hier erscheint sie, nach Middendorf, in der zweiten Hälfte des Mai, ausnahmsweise aber auch früher und auf ihnen verweilt sie, laut Kittlitz, bis zu Anfang Oktobers, obwohl einige auch schon Ende Augusts auf die Wanderschaft sich begeben. Diese führt sie durch Ostsibirien, die Mongolei, Süd- China, Japan etc. bis nach Ostindien, wo sie, wie Jerdon berichtet, gegen den November hin eintrifft. Swinhoe, welcher sie in der Nachbarschaft von Peking beobachtete und als einen dort häufigen Vogel kennen lernte, glaubt, daß sie schon in China überwintern möge, hat sie jedoch auch nicht später, als Kittlitz in Kamtschatka, im Oktober nämlich, bemerkt.
Jn ihrer Lebensweise erinnert die Calliope, nach Angabe der Forscher, welche sie lebend beobach- teten, ebenso sehr an unsere Blaukehlchen, wie an die Schilfsänger; Radde und Kittlitz vergleichen sie mit jenen, Swinhoe mit diesen. Jhre Nahrung sucht sie auf dem Boden, wie es scheint, hauptsächlich erst mit eintretender Dämmerung, während sie bei Tage ihre Verstecke so wenig als möglich verläßt. Laufend gleicht sie ganz dem Blaukehlchen; sie ist eben so gewandt wie dieses, im Seggengrase vielleicht noch gewandter, den Rohrsängern ähnlicher. Jerdon nennt sie "scheu, unge- sellig und still"; Nadde bestätigt das Erste, nicht aber das Uebrige. Auf dem Zuge, welchen die Männchen früher antreten, als die Weibchen, halten sie sich gern in Gesellschaften und während des Frühlings "schlägt in dem leichen Laub der Birke oder noch lieber in dem Weidengestrüpp die Calliope ebensowohl bei Tage, wie bei Nacht". Der Gesang wird sehr gepriesen; er hat auch, sagt Kittlitz, "einen schönen Klang, aber eine zwitschernde, wenig deutliche Melodie". Mit Europas Nachtigall kann die Calliope also nicht wetteifern. "Keinen schnarrenden Anschlag", schildert Radde, "kein
Brehm, Thierleben. III. 49
Blaukehlchen. Calliope.
dem ködernden Mehlwurm kaum widerſtehen und wird deshalb mit dem einfachſten Fangwerkzeug berückt.
Gefangene Blaukehlchen ſind eine wahre Zierde des Gebauers. Bei geeigneter Pflege werden die klugen Geſchöpfe bald und in hohem Grade zahm, ſo wild und ſcheu ſie ſich anfangs auch geberdeten; ſie ſingen dann fleißig und erfreuen alſo ihren Gebieter in jeder Hinſicht. Leider ertragen ſie nur ausnahmsweiſe mehrere Jahre die Gefangenſchaft: ſie verlangen die ſorgfältigſte Wartung, zumal gutes Futter und dieſes recht reichlich, um ausdauern zu können.
Als die nächſten Verwandten der Blaukehlchen und wenn man will als Uebergangsglieder von ihnen zu gewiſſen Schilfſängern, darf man die Rubinnachtigallen (Calliope) anſehen: aſiatiſche Erdſänger mit mittellangem und mittelſtarken Schnabel, kräftigen, mäßig hochläufigen, großzehigen Füßen, mittellangen Flügeln, deren erſte Schwinge ſtark verkürzt iſt, verhältnißmäßig kurzem, leicht gerundeten Schwanze, deſſen Seitenfedern zugeſpitzt ſind (während die beiden Mittelfedern ebenfalls ſich abrunden) und knapp anliegendem, glatten Gefieder.
Unter den wenigen Arten dieſer Sippe, welche man kennt, iſt die Calliope (Calliope camtschatcensis) beſonderer Erwähnung werth, weil ſie ſich, Temminck’s Angaben zu Folge, nach Europa verflogen und dadurch unter den Vögeln dieſes Erdtheils Bürgerrecht erlangt hat. Jhr Gefieder iſt auf der Oberſeite olivenbraun, auf Kopf und Stirn am dunkelſten, auf der Unterſeite ſchmuzig weiß, d. h. ſeitlich graulich olivengrün, und auf der Bruſtmitte weiß; ein Augenbrauen- ſtreifen iſt ſeidig weiß, der Zügel darunter ſchwarz, die Kehle prachtvoll rubinroth, ein ſie umgrän- zendes nach unten hin in Braungrau oder Aſchgrau übergehendes Band ſchwarz. Beim Weibchen ſind alle Farben bläſſer, die der Kehle nur angedentet. Die Jungen ſind auf dunkelbraungrauem Grunde hellroſtgelb längsgefleckt. Die Länge beträgt 6, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 2½ Zoll (engliſch).
Lichte Vorwälder Nordoſtaſiens, in denen dichtes Unterholz ſteht, Weidendickichte längs der Fluß- ufer, Hecken und Gebüſche auf feuchtem Grunde ſind die eigentlichen Wohnſitze der Calliope. Hier erſcheint ſie, nach Middendorf, in der zweiten Hälfte des Mai, ausnahmsweiſe aber auch früher und auf ihnen verweilt ſie, laut Kittlitz, bis zu Anfang Oktobers, obwohl einige auch ſchon Ende Auguſts auf die Wanderſchaft ſich begeben. Dieſe führt ſie durch Oſtſibirien, die Mongolei, Süd- China, Japan ꝛc. bis nach Oſtindien, wo ſie, wie Jerdon berichtet, gegen den November hin eintrifft. Swinhoe, welcher ſie in der Nachbarſchaft von Peking beobachtete und als einen dort häufigen Vogel kennen lernte, glaubt, daß ſie ſchon in China überwintern möge, hat ſie jedoch auch nicht ſpäter, als Kittlitz in Kamtſchatka, im Oktober nämlich, bemerkt.
Jn ihrer Lebensweiſe erinnert die Calliope, nach Angabe der Forſcher, welche ſie lebend beobach- teten, ebenſo ſehr an unſere Blaukehlchen, wie an die Schilfſänger; Radde und Kittlitz vergleichen ſie mit jenen, Swinhoe mit dieſen. Jhre Nahrung ſucht ſie auf dem Boden, wie es ſcheint, hauptſächlich erſt mit eintretender Dämmerung, während ſie bei Tage ihre Verſtecke ſo wenig als möglich verläßt. Laufend gleicht ſie ganz dem Blaukehlchen; ſie iſt eben ſo gewandt wie dieſes, im Seggengraſe vielleicht noch gewandter, den Rohrſängern ähnlicher. Jerdon nennt ſie „ſcheu, unge- ſellig und ſtill‟; Nadde beſtätigt das Erſte, nicht aber das Uebrige. Auf dem Zuge, welchen die Männchen früher antreten, als die Weibchen, halten ſie ſich gern in Geſellſchaften und während des Frühlings „ſchlägt in dem leichen Laub der Birke oder noch lieber in dem Weidengeſtrüpp die Calliope ebenſowohl bei Tage, wie bei Nacht‟. Der Geſang wird ſehr geprieſen; er hat auch, ſagt Kittlitz, „einen ſchönen Klang, aber eine zwitſchernde, wenig deutliche Melodie‟. Mit Europas Nachtigall kann die Calliope alſo nicht wetteifern. „Keinen ſchnarrenden Anſchlag‟, ſchildert Radde, „kein
Brehm, Thierleben. III. 49
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[769/0813]
Blaukehlchen. Calliope.
dem ködernden Mehlwurm kaum widerſtehen und wird deshalb mit dem einfachſten Fangwerkzeug
berückt.
Gefangene Blaukehlchen ſind eine wahre Zierde des Gebauers. Bei geeigneter Pflege werden
die klugen Geſchöpfe bald und in hohem Grade zahm, ſo wild und ſcheu ſie ſich anfangs auch
geberdeten; ſie ſingen dann fleißig und erfreuen alſo ihren Gebieter in jeder Hinſicht. Leider ertragen
ſie nur ausnahmsweiſe mehrere Jahre die Gefangenſchaft: ſie verlangen die ſorgfältigſte Wartung,
zumal gutes Futter und dieſes recht reichlich, um ausdauern zu können.
Als die nächſten Verwandten der Blaukehlchen und wenn man will als Uebergangsglieder von
ihnen zu gewiſſen Schilfſängern, darf man die Rubinnachtigallen (Calliope) anſehen: aſiatiſche
Erdſänger mit mittellangem und mittelſtarken Schnabel, kräftigen, mäßig hochläufigen, großzehigen
Füßen, mittellangen Flügeln, deren erſte Schwinge ſtark verkürzt iſt, verhältnißmäßig kurzem, leicht
gerundeten Schwanze, deſſen Seitenfedern zugeſpitzt ſind (während die beiden Mittelfedern ebenfalls
ſich abrunden) und knapp anliegendem, glatten Gefieder.
Unter den wenigen Arten dieſer Sippe, welche man kennt, iſt die Calliope (Calliope
camtschatcensis) beſonderer Erwähnung werth, weil ſie ſich, Temminck’s Angaben zu Folge, nach
Europa verflogen und dadurch unter den Vögeln dieſes Erdtheils Bürgerrecht erlangt hat. Jhr
Gefieder iſt auf der Oberſeite olivenbraun, auf Kopf und Stirn am dunkelſten, auf der Unterſeite
ſchmuzig weiß, d. h. ſeitlich graulich olivengrün, und auf der Bruſtmitte weiß; ein Augenbrauen-
ſtreifen iſt ſeidig weiß, der Zügel darunter ſchwarz, die Kehle prachtvoll rubinroth, ein ſie umgrän-
zendes nach unten hin in Braungrau oder Aſchgrau übergehendes Band ſchwarz. Beim Weibchen
ſind alle Farben bläſſer, die der Kehle nur angedentet. Die Jungen ſind auf dunkelbraungrauem
Grunde hellroſtgelb längsgefleckt. Die Länge beträgt 6, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge
2½ Zoll (engliſch).
Lichte Vorwälder Nordoſtaſiens, in denen dichtes Unterholz ſteht, Weidendickichte längs der Fluß-
ufer, Hecken und Gebüſche auf feuchtem Grunde ſind die eigentlichen Wohnſitze der Calliope. Hier
erſcheint ſie, nach Middendorf, in der zweiten Hälfte des Mai, ausnahmsweiſe aber auch früher und
auf ihnen verweilt ſie, laut Kittlitz, bis zu Anfang Oktobers, obwohl einige auch ſchon Ende
Auguſts auf die Wanderſchaft ſich begeben. Dieſe führt ſie durch Oſtſibirien, die Mongolei, Süd-
China, Japan ꝛc. bis nach Oſtindien, wo ſie, wie Jerdon berichtet, gegen den November hin eintrifft.
Swinhoe, welcher ſie in der Nachbarſchaft von Peking beobachtete und als einen dort häufigen Vogel
kennen lernte, glaubt, daß ſie ſchon in China überwintern möge, hat ſie jedoch auch nicht ſpäter, als
Kittlitz in Kamtſchatka, im Oktober nämlich, bemerkt.
Jn ihrer Lebensweiſe erinnert die Calliope, nach Angabe der Forſcher, welche ſie lebend beobach-
teten, ebenſo ſehr an unſere Blaukehlchen, wie an die Schilfſänger; Radde und Kittlitz vergleichen
ſie mit jenen, Swinhoe mit dieſen. Jhre Nahrung ſucht ſie auf dem Boden, wie es ſcheint,
hauptſächlich erſt mit eintretender Dämmerung, während ſie bei Tage ihre Verſtecke ſo wenig als
möglich verläßt. Laufend gleicht ſie ganz dem Blaukehlchen; ſie iſt eben ſo gewandt wie dieſes, im
Seggengraſe vielleicht noch gewandter, den Rohrſängern ähnlicher. Jerdon nennt ſie „ſcheu, unge-
ſellig und ſtill‟; Nadde beſtätigt das Erſte, nicht aber das Uebrige. Auf dem Zuge, welchen die
Männchen früher antreten, als die Weibchen, halten ſie ſich gern in Geſellſchaften und während des
Frühlings „ſchlägt in dem leichen Laub der Birke oder noch lieber in dem Weidengeſtrüpp die Calliope
ebenſowohl bei Tage, wie bei Nacht‟. Der Geſang wird ſehr geprieſen; er hat auch, ſagt Kittlitz,
„einen ſchönen Klang, aber eine zwitſchernde, wenig deutliche Melodie‟. Mit Europas Nachtigall
kann die Calliope alſo nicht wetteifern. „Keinen ſchnarrenden Anſchlag‟, ſchildert Radde, „kein
Brehm, Thierleben. III. 49
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/813>, abgerufen am 22.11.2024.
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