der Zipfel an der Schnabelwurzel dagegen bedeutend kleiner, als bei seinem Gemahl. Die jungen Männchen ähneln der Mutter und sehen sehr sonderbar aus, wenn sie sich im Uebergangskleid befinden.
Der Hämmerling endlich (Chasmarhynchus tricarunculatus) ist zweifarbig, lebhaft kastanien- braun, auf Kopf, Hals, Vorderbrust und Nacken aber reinweiß. Er besitzt drei Fleischzipfel, einen, welcher sich über der Schnabelwurzel erhebt und zwei, welche als Verlängerung der Mundwinkel erscheinen. Diese Fleischzipfel, der Schnabel und die Füße sind schwärzlich gefärbt, das Auge ist lichtbraunroth. Das Weibchen ist olivengrün, auf der Unterseite hellgrünlichgelb in die Länge gestreift. Die fleischigen Anhängsel sind bei ihm nicht vorhanden. Jhm ähnelt das junge Männchen. Die Länge des Hämmerlings wird zu 12 Zoll angegeben, die Fittiglänge beträgt 61/2, die Schwanzlänge 4 Zoll. Der Fleischzipfel auf der Stirn mißt 21/2 bis 3 Zoll, der Zipfel am Mundwinkel 21/4 bis 21/2 Zoll. Beim jungen Vogel ist er nur angedeutet.
Die Glockenvögel sind Südamerikaner. Der Schmidt bewohnt Brasilien und ist hier in den Waldungen sehr häufig; der Araponga findet sich im nördlichen Südamerika, scheint aber seltener zu sein; der Glöckner herbergt in Guyana, der Hämmerling in Costarica. Aus den bisher bekannt gewordenen Mittheilungen der reisenden Forscher scheint hervorzugehen, daß sich die Lebensweise dieser Vögel im Wesentlichen ähnelt. Allerdings haben wir bis jetzt nur über Betragen und Sitten des Schmidts und des Glöckners, Dank den Forschungen Waterton's, des Prinzen von Wied und Richard Schomburgk's ausführlichere Berichte erhalten; sie aber stimmen so voll- kommen überein, daß wir die eben ausgesprochene Ansicht wohl hegen dürfen.
"Dieser merkwürdige Vogel", sagt der Prinz vom Schmidt, "ist sowohl durch sein blendend weißes Gesieder, sowie durch seine laute, hellklingende Stimme eine Eigenheit der prachtvollen brasilianischen Waldungen und fällt dem Fremdling gewöhnlich sogleich und zuerst auf. Er ist überall verbreitet, wo Urwaldungen sind, in deren dunkelsten Verflechtungen er sich am meisten zu gefallen scheint. Doch kommt er nicht überall in gleicher Häufigkeit vor; er scheint gebirgigen Urwald besonders zu lieben. Seine Stimme gleicht dem Tone einer hellklingenden Glocke, wird einzeln aus- gestoßen, eine Zeit lang ausgehalten und auch öfters kurz hinter einander wiederholt. Dann gleicht sie den Lauten, welche der Schmidt hervorbringt, wenn er mit dem Hammer wiederholt auf den Ambos stößt. Man vernimmt diese Stimme zu allen Stunden des Tages sehr häufig und auf weit- hin. Gewöhnlich halten sich mehrere der Vögel in ein und derselben Gegend auf und reizen sich wechselseitig. Der eine schallt laut und hell mit einem einfachen Tone; der andere läßt das oft wiederholte, klingende Getön hören, und so entsteht an Stellen, wo viele dieser Vögel vereinigt sind, ein höchst sonderbares Concert."
"Gewöhnlich wählt der Schmidt seinen Stand auf einem der oberen dürren Aeste eines gewaltigen Waldstammes und läßt von dort oben seine klingende, metallische Stimme erschallen. Man sieht alsdann den blendendweißen Vogel gegen den dunkelblauen Himmel gemalt, kann ihn aber von jener Höhe nicht herabschießen. Auch fliegt er gewöhnlich sogleich ab, sobald er etwas Fremd- artiges bemerkt. An Stellen, wo der Wald niedriger ist, sitzen diese Vögel in einer dichten, dunkeln Laubmasse, wo man ihre Stimme vernimmt, ohne das schneeweiße Ziel erspähen zu können."
"Jnmitten der ausgedehnten Wildnisse", schildert Waterton, "gewöhnlich auf dem dürren Wipfel einer alten Mora und fast immer außer aller Schußhöhe wird man den Glöckner bemerken. Kein Laut oder Gesang von irgend einem geflügelten Bewohner der Wälder, nicht einmal das deutlich ausgesprochene "Whip-poor-Will" des Ziegenmelkers kann so in Erstaunen setzen, als das Geläute des Glöckners. Wie so Viele der gesiederten Klasse, bezahlt er dem Morgen und dem Abend durch Gesang seinen Zoll; aber auch, wenn die Mittagssonne Stillschweigen geboten und den Mund der belebten Natur geschlossen, ruft er noch sein heiteres Getön in den Wald hinaus. Man hört das
Die Fänger. Singvögel. Kropfvögel.
der Zipfel an der Schnabelwurzel dagegen bedeutend kleiner, als bei ſeinem Gemahl. Die jungen Männchen ähneln der Mutter und ſehen ſehr ſonderbar aus, wenn ſie ſich im Uebergangskleid befinden.
Der Hämmerling endlich (Chasmarhynchus tricarunculatus) iſt zweifarbig, lebhaft kaſtanien- braun, auf Kopf, Hals, Vorderbruſt und Nacken aber reinweiß. Er beſitzt drei Fleiſchzipfel, einen, welcher ſich über der Schnabelwurzel erhebt und zwei, welche als Verlängerung der Mundwinkel erſcheinen. Dieſe Fleiſchzipfel, der Schnabel und die Füße ſind ſchwärzlich gefärbt, das Auge iſt lichtbraunroth. Das Weibchen iſt olivengrün, auf der Unterſeite hellgrünlichgelb in die Länge geſtreift. Die fleiſchigen Anhängſel ſind bei ihm nicht vorhanden. Jhm ähnelt das junge Männchen. Die Länge des Hämmerlings wird zu 12 Zoll angegeben, die Fittiglänge beträgt 6½, die Schwanzlänge 4 Zoll. Der Fleiſchzipfel auf der Stirn mißt 2½ bis 3 Zoll, der Zipfel am Mundwinkel 2¼ bis 2½ Zoll. Beim jungen Vogel iſt er nur angedeutet.
Die Glockenvögel ſind Südamerikaner. Der Schmidt bewohnt Braſilien und iſt hier in den Waldungen ſehr häufig; der Araponga findet ſich im nördlichen Südamerika, ſcheint aber ſeltener zu ſein; der Glöckner herbergt in Guyana, der Hämmerling in Coſtarica. Aus den bisher bekannt gewordenen Mittheilungen der reiſenden Forſcher ſcheint hervorzugehen, daß ſich die Lebensweiſe dieſer Vögel im Weſentlichen ähnelt. Allerdings haben wir bis jetzt nur über Betragen und Sitten des Schmidts und des Glöckners, Dank den Forſchungen Waterton’s, des Prinzen von Wied und Richard Schomburgk’s ausführlichere Berichte erhalten; ſie aber ſtimmen ſo voll- kommen überein, daß wir die eben ausgeſprochene Anſicht wohl hegen dürfen.
„Dieſer merkwürdige Vogel‟, ſagt der Prinz vom Schmidt, „iſt ſowohl durch ſein blendend weißes Geſieder, ſowie durch ſeine laute, hellklingende Stimme eine Eigenheit der prachtvollen braſilianiſchen Waldungen und fällt dem Fremdling gewöhnlich ſogleich und zuerſt auf. Er iſt überall verbreitet, wo Urwaldungen ſind, in deren dunkelſten Verflechtungen er ſich am meiſten zu gefallen ſcheint. Doch kommt er nicht überall in gleicher Häufigkeit vor; er ſcheint gebirgigen Urwald beſonders zu lieben. Seine Stimme gleicht dem Tone einer hellklingenden Glocke, wird einzeln aus- geſtoßen, eine Zeit lang ausgehalten und auch öfters kurz hinter einander wiederholt. Dann gleicht ſie den Lauten, welche der Schmidt hervorbringt, wenn er mit dem Hammer wiederholt auf den Ambos ſtößt. Man vernimmt dieſe Stimme zu allen Stunden des Tages ſehr häufig und auf weit- hin. Gewöhnlich halten ſich mehrere der Vögel in ein und derſelben Gegend auf und reizen ſich wechſelſeitig. Der eine ſchallt laut und hell mit einem einfachen Tone; der andere läßt das oft wiederholte, klingende Getön hören, und ſo entſteht an Stellen, wo viele dieſer Vögel vereinigt ſind, ein höchſt ſonderbares Concert.‟
„Gewöhnlich wählt der Schmidt ſeinen Stand auf einem der oberen dürren Aeſte eines gewaltigen Waldſtammes und läßt von dort oben ſeine klingende, metalliſche Stimme erſchallen. Man ſieht alsdann den blendendweißen Vogel gegen den dunkelblauen Himmel gemalt, kann ihn aber von jener Höhe nicht herabſchießen. Auch fliegt er gewöhnlich ſogleich ab, ſobald er etwas Fremd- artiges bemerkt. An Stellen, wo der Wald niedriger iſt, ſitzen dieſe Vögel in einer dichten, dunkeln Laubmaſſe, wo man ihre Stimme vernimmt, ohne das ſchneeweiße Ziel erſpähen zu können.‟
„Jnmitten der ausgedehnten Wildniſſe‟, ſchildert Waterton, „gewöhnlich auf dem dürren Wipfel einer alten Mora und faſt immer außer aller Schußhöhe wird man den Glöckner bemerken. Kein Laut oder Geſang von irgend einem geflügelten Bewohner der Wälder, nicht einmal das deutlich ausgeſprochene „Whip-poor-Will‟ des Ziegenmelkers kann ſo in Erſtaunen ſetzen, als das Geläute des Glöckners. Wie ſo Viele der geſiederten Klaſſe, bezahlt er dem Morgen und dem Abend durch Geſang ſeinen Zoll; aber auch, wenn die Mittagsſonne Stillſchweigen geboten und den Mund der belebten Natur geſchloſſen, ruft er noch ſein heiteres Getön in den Wald hinaus. Man hört das
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[754/0798]
Die Fänger. Singvögel. Kropfvögel.
der Zipfel an der Schnabelwurzel dagegen bedeutend kleiner, als bei ſeinem Gemahl. Die jungen
Männchen ähneln der Mutter und ſehen ſehr ſonderbar aus, wenn ſie ſich im Uebergangskleid
befinden.
Der Hämmerling endlich (Chasmarhynchus tricarunculatus) iſt zweifarbig, lebhaft kaſtanien-
braun, auf Kopf, Hals, Vorderbruſt und Nacken aber reinweiß. Er beſitzt drei Fleiſchzipfel, einen, welcher
ſich über der Schnabelwurzel erhebt und zwei, welche als Verlängerung der Mundwinkel erſcheinen.
Dieſe Fleiſchzipfel, der Schnabel und die Füße ſind ſchwärzlich gefärbt, das Auge iſt lichtbraunroth.
Das Weibchen iſt olivengrün, auf der Unterſeite hellgrünlichgelb in die Länge geſtreift. Die
fleiſchigen Anhängſel ſind bei ihm nicht vorhanden. Jhm ähnelt das junge Männchen. Die Länge
des Hämmerlings wird zu 12 Zoll angegeben, die Fittiglänge beträgt 6½, die Schwanzlänge 4 Zoll.
Der Fleiſchzipfel auf der Stirn mißt 2½ bis 3 Zoll, der Zipfel am Mundwinkel 2¼ bis 2½ Zoll.
Beim jungen Vogel iſt er nur angedeutet.
Die Glockenvögel ſind Südamerikaner. Der Schmidt bewohnt Braſilien und iſt hier in den
Waldungen ſehr häufig; der Araponga findet ſich im nördlichen Südamerika, ſcheint aber ſeltener zu
ſein; der Glöckner herbergt in Guyana, der Hämmerling in Coſtarica. Aus den bisher bekannt
gewordenen Mittheilungen der reiſenden Forſcher ſcheint hervorzugehen, daß ſich die Lebensweiſe
dieſer Vögel im Weſentlichen ähnelt. Allerdings haben wir bis jetzt nur über Betragen und Sitten
des Schmidts und des Glöckners, Dank den Forſchungen Waterton’s, des Prinzen von
Wied und Richard Schomburgk’s ausführlichere Berichte erhalten; ſie aber ſtimmen ſo voll-
kommen überein, daß wir die eben ausgeſprochene Anſicht wohl hegen dürfen.
„Dieſer merkwürdige Vogel‟, ſagt der Prinz vom Schmidt, „iſt ſowohl durch ſein blendend
weißes Geſieder, ſowie durch ſeine laute, hellklingende Stimme eine Eigenheit der prachtvollen
braſilianiſchen Waldungen und fällt dem Fremdling gewöhnlich ſogleich und zuerſt auf. Er iſt
überall verbreitet, wo Urwaldungen ſind, in deren dunkelſten Verflechtungen er ſich am meiſten zu
gefallen ſcheint. Doch kommt er nicht überall in gleicher Häufigkeit vor; er ſcheint gebirgigen Urwald
beſonders zu lieben. Seine Stimme gleicht dem Tone einer hellklingenden Glocke, wird einzeln aus-
geſtoßen, eine Zeit lang ausgehalten und auch öfters kurz hinter einander wiederholt. Dann gleicht
ſie den Lauten, welche der Schmidt hervorbringt, wenn er mit dem Hammer wiederholt auf den
Ambos ſtößt. Man vernimmt dieſe Stimme zu allen Stunden des Tages ſehr häufig und auf weit-
hin. Gewöhnlich halten ſich mehrere der Vögel in ein und derſelben Gegend auf und reizen ſich
wechſelſeitig. Der eine ſchallt laut und hell mit einem einfachen Tone; der andere läßt das oft
wiederholte, klingende Getön hören, und ſo entſteht an Stellen, wo viele dieſer Vögel vereinigt ſind,
ein höchſt ſonderbares Concert.‟
„Gewöhnlich wählt der Schmidt ſeinen Stand auf einem der oberen dürren Aeſte eines
gewaltigen Waldſtammes und läßt von dort oben ſeine klingende, metalliſche Stimme erſchallen.
Man ſieht alsdann den blendendweißen Vogel gegen den dunkelblauen Himmel gemalt, kann ihn aber
von jener Höhe nicht herabſchießen. Auch fliegt er gewöhnlich ſogleich ab, ſobald er etwas Fremd-
artiges bemerkt. An Stellen, wo der Wald niedriger iſt, ſitzen dieſe Vögel in einer dichten, dunkeln
Laubmaſſe, wo man ihre Stimme vernimmt, ohne das ſchneeweiße Ziel erſpähen zu können.‟
„Jnmitten der ausgedehnten Wildniſſe‟, ſchildert Waterton, „gewöhnlich auf dem dürren
Wipfel einer alten Mora und faſt immer außer aller Schußhöhe wird man den Glöckner bemerken.
Kein Laut oder Geſang von irgend einem geflügelten Bewohner der Wälder, nicht einmal das deutlich
ausgeſprochene „Whip-poor-Will‟ des Ziegenmelkers kann ſo in Erſtaunen ſetzen, als das Geläute
des Glöckners. Wie ſo Viele der geſiederten Klaſſe, bezahlt er dem Morgen und dem Abend durch
Geſang ſeinen Zoll; aber auch, wenn die Mittagsſonne Stillſchweigen geboten und den Mund der
belebten Natur geſchloſſen, ruft er noch ſein heiteres Getön in den Wald hinaus. Man hört das
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/798>, abgerufen am 22.11.2024.
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