verschluckt er sie ohne Weiteres, ist sie größer, so stößt er sie gegen den Ast, bis er Flügel und Beine abgebrochen hat, und verschluckt sie nunmehr. Bei schöner Witterung erlangt er seine Nahrung mit spielender Leichtigkeit, bei Regenwetter muß er wie die Schwalben oft große Noth leiden. Man sieht ihn dann ängstlich die Bäume umflattern und nach Fliegen spähen, und man kann beobachten, wie er die glücklich entdeckte Fliege oder Mücke von ihrem Sitzplatze wegnimmt, immer fliegend; denn zu anderer Jagd ist er nun einmal nicht geschickt genug: sogar die Beeren, welche er bei schlechtem Wetter ver- zehrt oder seinen Jungen füttert, werden von ihm fliegend aufgenommen. Vor dem Fenster meines Arbeitszimmers im Thiergarten stehen einige Johannisbeersträucher, welche an Regentagen regelmäßig von einem Paare dieser Fliegenfänger besucht werden. Die Jungen sitzen hungernd und klagend auf den benachbarten Zweigen, die Eltern umflattern die Häuser und namentlich die in ihnen eingestellten Thiere, kommen dann mit leerem Schnabel bei gedachten Büschen an, stürzen sich in einem Bogen von oben nach unten nieder, reißen eine Beere von der Traube ab und tragen diese sofort den Jungen zu. Dies wiederholt sich mehrmals während weniger Minuten; vorher aber sehen sie sich immer erst nach Kerfen um, und man bemerkt leicht, daß ihnen die Beeren nur ein schlechter Nothbehelf sind.
Einzelne Fliegenfänger sieht man höchst selten, Familien nur dann, wenn die Jungen eben aus- geflogen sind und noch von den Alten gefüttert werden; denn das Pärchen und insbesondere das Männchen vertheidigt das einmal erkorene Gebiet eifersüchtig und hartnäckig gegen jeden Eindring- ling derselben Art. Kleinen und harmlosen Vögeln gegenüber zeigt es sich höchst friedfertig, größere, welche ihm und namentlich dem Neste gefährlich werden könnten, verfolgt es mit Muth und Kühnheit.
Wenn das Paar nicht gestört wird, brütet es nur einmal im Jahre. Das Nest steht an sehr verschiedenen Stellen, wie sie dem Aufenthalte des Vogels entsprechen, am liebsten auf abgestutzten niederen Bäumen, namentlich auf alten Weidenköpfen, sonst auf kleinen Zweigen dicht am Schafte eines Baumes zwischen Obstgeländern, auf einem Balkenkopf unter den Dächern, in weiten Baum- höhlen, Mauerlöchern und dergleichen. Es wird aus trockenen, feinen Wurzeln, grünem Mose und ähnlichen Stoffen zusammengetragen, innen mit Wolle, einzelnen Pferdeharen und Federn ausge- füttert und sieht immer unordentlich aus. Anfangs Juni sind die vier bis fünf, auf blaugrünlichem oder lichtblauem Grunde mit hellrostfarbigen Flecken gezeichneten, aber vielfach abändernden Eier voll- zählig und werden nun abwechselnd vom Männchen und Weibchen binnen vierzehn Tagen ausgebrütet. Die Jungen wachsen rasch heran, brauchen aber lange Zeit, bevor sie selbst ordentlich im Fluge fangen können.
Von der Kindesliebe des Fliegenfängers theilt Naumann eine rührende Geschichte mit. "Einst fing ein loser Bube ein altes Weibchen beim Neste, in welchem vier kaum halbflügge Junge saßen, und trug Alle zusammen in die Stube. Kaum hatte der alte Vogel die Fenster untersucht, aber keinen Ausweg zur Flucht gefunden, als er sich schon so in sein Schicksal fügte, daß er Fliegen fing, die Jungen damit fütterte und Dies so eifrig trieb, daß er in äußerst kurzer Zeit die Stube gänzlich davon reinigte. Um ihn nun mit seiner Familie nicht verhungern zu lassen, trug der Knabe Beides zum Nachbar; hier war die Stube ebenfalls bald gereinigt. Jetzt trug er ihn wieder zu einem andern Nachbar, mit dessen Fliegen er ebenfalls bald fertig ward. Er trug ihn abermals weiter, und so ging die Fliegenfängerfamilie im Dörfchen von Stube zu Stube und befreite die Bewohner von ihrer lästigen Gesellschaft, den verhaßten Stubenfliegen. Auch mich traf die Reihe, und aus Dankbarkeit bewirkte ich nachher der ganzen Familie die Freiheit. Die Jungen wuchsen bei dem niemals fehlenden Futter sehr schnell und lernten sich auch bald selbst Fliegen fangen."
Katzen, Marder, Ratten, Mäuse und nichtswürdige Buben zerstören oft das Nest des Fliegen- fängers, rauben die Eier oder tödten die Brut. Die alten Vögel hingegen scheinen wenig von Feinden behelligt zu werden. Der vernünftige Mensch gewährt ihnen nachdrücklichst seinen Schutz. Der Fliegenfänger gehört wie alle verwandten Vögel zu den nützlichsten Geschöpfen und leistet durch Weg- fangen der lästigen Kerfe gute Dienste. Eigentlich schädlich wird er nie, obgleich er zuweilen eine Biene mit wegfängt. Jn der Gefangenschaft ist er unterhaltend und deshalb sehr beliebt. Er
Fliegenfänger.
verſchluckt er ſie ohne Weiteres, iſt ſie größer, ſo ſtößt er ſie gegen den Aſt, bis er Flügel und Beine abgebrochen hat, und verſchluckt ſie nunmehr. Bei ſchöner Witterung erlangt er ſeine Nahrung mit ſpielender Leichtigkeit, bei Regenwetter muß er wie die Schwalben oft große Noth leiden. Man ſieht ihn dann ängſtlich die Bäume umflattern und nach Fliegen ſpähen, und man kann beobachten, wie er die glücklich entdeckte Fliege oder Mücke von ihrem Sitzplatze wegnimmt, immer fliegend; denn zu anderer Jagd iſt er nun einmal nicht geſchickt genug: ſogar die Beeren, welche er bei ſchlechtem Wetter ver- zehrt oder ſeinen Jungen füttert, werden von ihm fliegend aufgenommen. Vor dem Fenſter meines Arbeitszimmers im Thiergarten ſtehen einige Johannisbeerſträucher, welche an Regentagen regelmäßig von einem Paare dieſer Fliegenfänger beſucht werden. Die Jungen ſitzen hungernd und klagend auf den benachbarten Zweigen, die Eltern umflattern die Häuſer und namentlich die in ihnen eingeſtellten Thiere, kommen dann mit leerem Schnabel bei gedachten Büſchen an, ſtürzen ſich in einem Bogen von oben nach unten nieder, reißen eine Beere von der Traube ab und tragen dieſe ſofort den Jungen zu. Dies wiederholt ſich mehrmals während weniger Minuten; vorher aber ſehen ſie ſich immer erſt nach Kerfen um, und man bemerkt leicht, daß ihnen die Beeren nur ein ſchlechter Nothbehelf ſind.
Einzelne Fliegenfänger ſieht man höchſt ſelten, Familien nur dann, wenn die Jungen eben aus- geflogen ſind und noch von den Alten gefüttert werden; denn das Pärchen und insbeſondere das Männchen vertheidigt das einmal erkorene Gebiet eiferſüchtig und hartnäckig gegen jeden Eindring- ling derſelben Art. Kleinen und harmloſen Vögeln gegenüber zeigt es ſich höchſt friedfertig, größere, welche ihm und namentlich dem Neſte gefährlich werden könnten, verfolgt es mit Muth und Kühnheit.
Wenn das Paar nicht geſtört wird, brütet es nur einmal im Jahre. Das Neſt ſteht an ſehr verſchiedenen Stellen, wie ſie dem Aufenthalte des Vogels entſprechen, am liebſten auf abgeſtutzten niederen Bäumen, namentlich auf alten Weidenköpfen, ſonſt auf kleinen Zweigen dicht am Schafte eines Baumes zwiſchen Obſtgeländern, auf einem Balkenkopf unter den Dächern, in weiten Baum- höhlen, Mauerlöchern und dergleichen. Es wird aus trockenen, feinen Wurzeln, grünem Moſe und ähnlichen Stoffen zuſammengetragen, innen mit Wolle, einzelnen Pferdeharen und Federn ausge- füttert und ſieht immer unordentlich aus. Anfangs Juni ſind die vier bis fünf, auf blaugrünlichem oder lichtblauem Grunde mit hellroſtfarbigen Flecken gezeichneten, aber vielfach abändernden Eier voll- zählig und werden nun abwechſelnd vom Männchen und Weibchen binnen vierzehn Tagen ausgebrütet. Die Jungen wachſen raſch heran, brauchen aber lange Zeit, bevor ſie ſelbſt ordentlich im Fluge fangen können.
Von der Kindesliebe des Fliegenfängers theilt Naumann eine rührende Geſchichte mit. „Einſt fing ein loſer Bube ein altes Weibchen beim Neſte, in welchem vier kaum halbflügge Junge ſaßen, und trug Alle zuſammen in die Stube. Kaum hatte der alte Vogel die Fenſter unterſucht, aber keinen Ausweg zur Flucht gefunden, als er ſich ſchon ſo in ſein Schickſal fügte, daß er Fliegen fing, die Jungen damit fütterte und Dies ſo eifrig trieb, daß er in äußerſt kurzer Zeit die Stube gänzlich davon reinigte. Um ihn nun mit ſeiner Familie nicht verhungern zu laſſen, trug der Knabe Beides zum Nachbar; hier war die Stube ebenfalls bald gereinigt. Jetzt trug er ihn wieder zu einem andern Nachbar, mit deſſen Fliegen er ebenfalls bald fertig ward. Er trug ihn abermals weiter, und ſo ging die Fliegenfängerfamilie im Dörfchen von Stube zu Stube und befreite die Bewohner von ihrer läſtigen Geſellſchaft, den verhaßten Stubenfliegen. Auch mich traf die Reihe, und aus Dankbarkeit bewirkte ich nachher der ganzen Familie die Freiheit. Die Jungen wuchſen bei dem niemals fehlenden Futter ſehr ſchnell und lernten ſich auch bald ſelbſt Fliegen fangen.‟
Katzen, Marder, Ratten, Mäuſe und nichtswürdige Buben zerſtören oft das Neſt des Fliegen- fängers, rauben die Eier oder tödten die Brut. Die alten Vögel hingegen ſcheinen wenig von Feinden behelligt zu werden. Der vernünftige Menſch gewährt ihnen nachdrücklichſt ſeinen Schutz. Der Fliegenfänger gehört wie alle verwandten Vögel zu den nützlichſten Geſchöpfen und leiſtet durch Weg- fangen der läſtigen Kerfe gute Dienſte. Eigentlich ſchädlich wird er nie, obgleich er zuweilen eine Biene mit wegfängt. Jn der Gefangenſchaft iſt er unterhaltend und deshalb ſehr beliebt. Er
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[733/0777]
Fliegenfänger.
verſchluckt er ſie ohne Weiteres, iſt ſie größer, ſo ſtößt er ſie gegen den Aſt, bis er Flügel und Beine
abgebrochen hat, und verſchluckt ſie nunmehr. Bei ſchöner Witterung erlangt er ſeine Nahrung mit
ſpielender Leichtigkeit, bei Regenwetter muß er wie die Schwalben oft große Noth leiden. Man ſieht
ihn dann ängſtlich die Bäume umflattern und nach Fliegen ſpähen, und man kann beobachten, wie er die
glücklich entdeckte Fliege oder Mücke von ihrem Sitzplatze wegnimmt, immer fliegend; denn zu anderer
Jagd iſt er nun einmal nicht geſchickt genug: ſogar die Beeren, welche er bei ſchlechtem Wetter ver-
zehrt oder ſeinen Jungen füttert, werden von ihm fliegend aufgenommen. Vor dem Fenſter meines
Arbeitszimmers im Thiergarten ſtehen einige Johannisbeerſträucher, welche an Regentagen regelmäßig
von einem Paare dieſer Fliegenfänger beſucht werden. Die Jungen ſitzen hungernd und klagend auf
den benachbarten Zweigen, die Eltern umflattern die Häuſer und namentlich die in ihnen eingeſtellten
Thiere, kommen dann mit leerem Schnabel bei gedachten Büſchen an, ſtürzen ſich in einem Bogen von
oben nach unten nieder, reißen eine Beere von der Traube ab und tragen dieſe ſofort den Jungen
zu. Dies wiederholt ſich mehrmals während weniger Minuten; vorher aber ſehen ſie ſich immer erſt
nach Kerfen um, und man bemerkt leicht, daß ihnen die Beeren nur ein ſchlechter Nothbehelf ſind.
Einzelne Fliegenfänger ſieht man höchſt ſelten, Familien nur dann, wenn die Jungen eben aus-
geflogen ſind und noch von den Alten gefüttert werden; denn das Pärchen und insbeſondere das
Männchen vertheidigt das einmal erkorene Gebiet eiferſüchtig und hartnäckig gegen jeden Eindring-
ling derſelben Art. Kleinen und harmloſen Vögeln gegenüber zeigt es ſich höchſt friedfertig, größere,
welche ihm und namentlich dem Neſte gefährlich werden könnten, verfolgt es mit Muth und Kühnheit.
Wenn das Paar nicht geſtört wird, brütet es nur einmal im Jahre. Das Neſt ſteht an ſehr
verſchiedenen Stellen, wie ſie dem Aufenthalte des Vogels entſprechen, am liebſten auf abgeſtutzten
niederen Bäumen, namentlich auf alten Weidenköpfen, ſonſt auf kleinen Zweigen dicht am Schafte
eines Baumes zwiſchen Obſtgeländern, auf einem Balkenkopf unter den Dächern, in weiten Baum-
höhlen, Mauerlöchern und dergleichen. Es wird aus trockenen, feinen Wurzeln, grünem Moſe und
ähnlichen Stoffen zuſammengetragen, innen mit Wolle, einzelnen Pferdeharen und Federn ausge-
füttert und ſieht immer unordentlich aus. Anfangs Juni ſind die vier bis fünf, auf blaugrünlichem
oder lichtblauem Grunde mit hellroſtfarbigen Flecken gezeichneten, aber vielfach abändernden Eier voll-
zählig und werden nun abwechſelnd vom Männchen und Weibchen binnen vierzehn Tagen ausgebrütet.
Die Jungen wachſen raſch heran, brauchen aber lange Zeit, bevor ſie ſelbſt ordentlich im
Fluge fangen können.
Von der Kindesliebe des Fliegenfängers theilt Naumann eine rührende Geſchichte mit. „Einſt
fing ein loſer Bube ein altes Weibchen beim Neſte, in welchem vier kaum halbflügge Junge ſaßen, und
trug Alle zuſammen in die Stube. Kaum hatte der alte Vogel die Fenſter unterſucht, aber keinen
Ausweg zur Flucht gefunden, als er ſich ſchon ſo in ſein Schickſal fügte, daß er Fliegen fing, die
Jungen damit fütterte und Dies ſo eifrig trieb, daß er in äußerſt kurzer Zeit die Stube gänzlich davon
reinigte. Um ihn nun mit ſeiner Familie nicht verhungern zu laſſen, trug der Knabe Beides zum
Nachbar; hier war die Stube ebenfalls bald gereinigt. Jetzt trug er ihn wieder zu einem andern
Nachbar, mit deſſen Fliegen er ebenfalls bald fertig ward. Er trug ihn abermals weiter, und ſo
ging die Fliegenfängerfamilie im Dörfchen von Stube zu Stube und befreite die Bewohner von ihrer
läſtigen Geſellſchaft, den verhaßten Stubenfliegen. Auch mich traf die Reihe, und aus Dankbarkeit
bewirkte ich nachher der ganzen Familie die Freiheit. Die Jungen wuchſen bei dem niemals
fehlenden Futter ſehr ſchnell und lernten ſich auch bald ſelbſt Fliegen fangen.‟
Katzen, Marder, Ratten, Mäuſe und nichtswürdige Buben zerſtören oft das Neſt des Fliegen-
fängers, rauben die Eier oder tödten die Brut. Die alten Vögel hingegen ſcheinen wenig von Feinden
behelligt zu werden. Der vernünftige Menſch gewährt ihnen nachdrücklichſt ſeinen Schutz. Der
Fliegenfänger gehört wie alle verwandten Vögel zu den nützlichſten Geſchöpfen und leiſtet durch Weg-
fangen der läſtigen Kerfe gute Dienſte. Eigentlich ſchädlich wird er nie, obgleich er zuweilen eine
Biene mit wegfängt. Jn der Gefangenſchaft iſt er unterhaltend und deshalb ſehr beliebt. Er
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/777>, abgerufen am 25.11.2024.
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