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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Schwalbenwürger.
muthiger, als je und greift selbst den sich nahenden Menschen rücksichtslos an, indem es unter lautem
Geschrei wüthend auf ihn herniederstößt.

Einzelne Arten unserer Familie werden gefangen und zahm gehalten. So gehört der Bienen-
könig zu den regelmäßigen Erscheinungen in den Gebauern der Vogelhändler Calcuttas und anderer
indischen Städte. Er ist nach Jerdon ein höchst unterhaltender Vogel in der Gefangenschaft, weil er
sich sehr bald an dieselbe gewöhnt, gegen seinen Herrn eine große Zuneigung an den Tag legt, frei
gelassen oft freiwillig oder wenigstens durch den Ruf des Gebieters herbeigelockt, zurückkehrt und mit
rohem Fleisch, kleinen Eidechsen und Kerbthierfutter im allgemeinen leicht erhalten werden kann.
Höchst ergötzlich wird die Fertigkeit dieser Vögel, andere Stimmen nachzuahmen. "Jch besaß einst
einen Bienenkönig", so erzählt Blyth, "welcher den Gesang der Schama (Kittacincla macroura) mit
solcher Vollkommenheit vortrug, daß man das Lied des Spötters nicht von dem des Lehrmeisters
unterscheiden konnte. Früher hielt ich einen andern derselben Art, welcher das Gleiche that; denn es
gibt überhaupt keinen Laut, den der Bienenkönig nicht nachahmen könnte. Einer von meinen Gefan-
genen krähte so täuschend, daß alle Hähne, welche ihn hörten, sofort antworteten. Jeder Laut eines
Huhnes, einer Katze, einer Ziege, eines Schafes wird von ihm nachgeäfft; das klägliche Geheul eines
Hundes, welcher Prügel empfängt, das Krächzen des Raben, das Pfeifen einer Reihe von Tönen oder
der Schlag des besten Singvogels: alles Dies wird wiederholt mit bewunderungswürdiger Genauigkeit
von diesem Vogel. Er ist einer der klügsten und liebenswürdigsten Gefangenen, welche man
halten kann."



Neuholland, Jndien und die malaiischen Länder sind die Heimath einer Familie eigenthümlich
gestalteter Vögel, welche man als Mittelglieder zwischen den Würgern und Schwalben betrachten darf
und deshalb treffend Schwalbenwürger (Artami) genannt hat. Sie haben mit den Würgern
ebensoviel Aehnlichkeit, wie mit den Schwalben. Jhr kräftiger Leib trägt lange Flügel, in denen die
zweite Schwinge die längste ist, einen kurzen oder mittellangen, geraden oder leicht ausgeschnittenen
Schwanz, einen kurzen, fast kegelförmigen, an der Spitze breiten, auf der Firste und seitlich abgerun-
deten Schnabel ohne scharfkantige Firste, welcher an der seinen Spitze kurz übergebogen und seitlich
leicht eingeschnitten ist, sowie kurzläufige und kurzzehige, aber kräftige Füße, welche mit wohl ausgebil-
deten, gebogenen und spitzen Krallen bewehrt sind. Das Gefieder ist ziemlich dicht anliegend, seine
Färbung eine düstere.

Die ordnenden Thierkundigen sind über die Stellung der Schwalbenwürger verschiedener Ansicht.
Einige reihen sie den Schwalben an, andere bringen sie bei den Würgern unter. Jenen ähneln sie
hinsichtlich der Bildung ihrer Schwingen und dem dadurch bedingten Fluge, diesen durch die Art und
Weise ihres Nahrungserwerbs. Einzelne von ihnen zeichnen sich aber noch durch besondere Eigen-
thümlichkeiten in ihrem Betragen aus, und sie sind es vor Allem, mit denen wir uns zu beschäf-
tigen haben.

Der Schwalbenwürger (Artamus sordidus) ist rußgrau, auf den Flügeln dunkelblauschwarz,
auf dem Schwanz bläulichschwarz; die Außenränder der dritten und vierten Schwinge sind weiß, die
Steuerfedern mit Ausnahme der beiden mittleren breit weiß an der Spitze. Das Auge ist düster-
braun, der Schnabel am Grunde blau, an der Spitze schwarz, der Fuß weißlichgrau. Das Weibchen
unterscheidet sich durch etwas geringere Größe, durch ein Fleckenkleid, welches dadurch entsteht, daß jede
Feder der Oberseite einen schmuzigweißen Schaftstreifen zeigt und die Unterseite braun und weiß
gemischt ist. Die Länge beträgt gegen 6 Zoll, die Breite 131/2 Zoll.

Ueber das Leben der Schwalbenwürger liegen verschiedene Beobachtungen vor; namentlich
Gould, Bernstein und Jerdon haben ziemlich ausführlich berichtet. Jede Art der Familie hat

Die Fänger. Singvögel. Schwalbenwürger.
muthiger, als je und greift ſelbſt den ſich nahenden Menſchen rückſichtslos an, indem es unter lautem
Geſchrei wüthend auf ihn herniederſtößt.

Einzelne Arten unſerer Familie werden gefangen und zahm gehalten. So gehört der Bienen-
könig zu den regelmäßigen Erſcheinungen in den Gebauern der Vogelhändler Calcuttas und anderer
indiſchen Städte. Er iſt nach Jerdon ein höchſt unterhaltender Vogel in der Gefangenſchaft, weil er
ſich ſehr bald an dieſelbe gewöhnt, gegen ſeinen Herrn eine große Zuneigung an den Tag legt, frei
gelaſſen oft freiwillig oder wenigſtens durch den Ruf des Gebieters herbeigelockt, zurückkehrt und mit
rohem Fleiſch, kleinen Eidechſen und Kerbthierfutter im allgemeinen leicht erhalten werden kann.
Höchſt ergötzlich wird die Fertigkeit dieſer Vögel, andere Stimmen nachzuahmen. „Jch beſaß einſt
einen Bienenkönig‟, ſo erzählt Blyth, „welcher den Geſang der Schama (Kittacincla macroura) mit
ſolcher Vollkommenheit vortrug, daß man das Lied des Spötters nicht von dem des Lehrmeiſters
unterſcheiden konnte. Früher hielt ich einen andern derſelben Art, welcher das Gleiche that; denn es
gibt überhaupt keinen Laut, den der Bienenkönig nicht nachahmen könnte. Einer von meinen Gefan-
genen krähte ſo täuſchend, daß alle Hähne, welche ihn hörten, ſofort antworteten. Jeder Laut eines
Huhnes, einer Katze, einer Ziege, eines Schafes wird von ihm nachgeäfft; das klägliche Geheul eines
Hundes, welcher Prügel empfängt, das Krächzen des Raben, das Pfeifen einer Reihe von Tönen oder
der Schlag des beſten Singvogels: alles Dies wird wiederholt mit bewunderungswürdiger Genauigkeit
von dieſem Vogel. Er iſt einer der klügſten und liebenswürdigſten Gefangenen, welche man
halten kann.‟



Neuholland, Jndien und die malaiiſchen Länder ſind die Heimath einer Familie eigenthümlich
geſtalteter Vögel, welche man als Mittelglieder zwiſchen den Würgern und Schwalben betrachten darf
und deshalb treffend Schwalbenwürger (Artami) genannt hat. Sie haben mit den Würgern
ebenſoviel Aehnlichkeit, wie mit den Schwalben. Jhr kräftiger Leib trägt lange Flügel, in denen die
zweite Schwinge die längſte iſt, einen kurzen oder mittellangen, geraden oder leicht ausgeſchnittenen
Schwanz, einen kurzen, faſt kegelförmigen, an der Spitze breiten, auf der Firſte und ſeitlich abgerun-
deten Schnabel ohne ſcharfkantige Firſte, welcher an der ſeinen Spitze kurz übergebogen und ſeitlich
leicht eingeſchnitten iſt, ſowie kurzläufige und kurzzehige, aber kräftige Füße, welche mit wohl ausgebil-
deten, gebogenen und ſpitzen Krallen bewehrt ſind. Das Gefieder iſt ziemlich dicht anliegend, ſeine
Färbung eine düſtere.

Die ordnenden Thierkundigen ſind über die Stellung der Schwalbenwürger verſchiedener Anſicht.
Einige reihen ſie den Schwalben an, andere bringen ſie bei den Würgern unter. Jenen ähneln ſie
hinſichtlich der Bildung ihrer Schwingen und dem dadurch bedingten Fluge, dieſen durch die Art und
Weiſe ihres Nahrungserwerbs. Einzelne von ihnen zeichnen ſich aber noch durch beſondere Eigen-
thümlichkeiten in ihrem Betragen aus, und ſie ſind es vor Allem, mit denen wir uns zu beſchäf-
tigen haben.

Der Schwalbenwürger (Artamus sordidus) iſt rußgrau, auf den Flügeln dunkelblauſchwarz,
auf dem Schwanz bläulichſchwarz; die Außenränder der dritten und vierten Schwinge ſind weiß, die
Steuerfedern mit Ausnahme der beiden mittleren breit weiß an der Spitze. Das Auge iſt düſter-
braun, der Schnabel am Grunde blau, an der Spitze ſchwarz, der Fuß weißlichgrau. Das Weibchen
unterſcheidet ſich durch etwas geringere Größe, durch ein Fleckenkleid, welches dadurch entſteht, daß jede
Feder der Oberſeite einen ſchmuzigweißen Schaftſtreifen zeigt und die Unterſeite braun und weiß
gemiſcht iſt. Die Länge beträgt gegen 6 Zoll, die Breite 13½ Zoll.

Ueber das Leben der Schwalbenwürger liegen verſchiedene Beobachtungen vor; namentlich
Gould, Bernſtein und Jerdon haben ziemlich ausführlich berichtet. Jede Art der Familie hat

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[716/0758] Die Fänger. Singvögel. Schwalbenwürger. muthiger, als je und greift ſelbſt den ſich nahenden Menſchen rückſichtslos an, indem es unter lautem Geſchrei wüthend auf ihn herniederſtößt. Einzelne Arten unſerer Familie werden gefangen und zahm gehalten. So gehört der Bienen- könig zu den regelmäßigen Erſcheinungen in den Gebauern der Vogelhändler Calcuttas und anderer indiſchen Städte. Er iſt nach Jerdon ein höchſt unterhaltender Vogel in der Gefangenſchaft, weil er ſich ſehr bald an dieſelbe gewöhnt, gegen ſeinen Herrn eine große Zuneigung an den Tag legt, frei gelaſſen oft freiwillig oder wenigſtens durch den Ruf des Gebieters herbeigelockt, zurückkehrt und mit rohem Fleiſch, kleinen Eidechſen und Kerbthierfutter im allgemeinen leicht erhalten werden kann. Höchſt ergötzlich wird die Fertigkeit dieſer Vögel, andere Stimmen nachzuahmen. „Jch beſaß einſt einen Bienenkönig‟, ſo erzählt Blyth, „welcher den Geſang der Schama (Kittacincla macroura) mit ſolcher Vollkommenheit vortrug, daß man das Lied des Spötters nicht von dem des Lehrmeiſters unterſcheiden konnte. Früher hielt ich einen andern derſelben Art, welcher das Gleiche that; denn es gibt überhaupt keinen Laut, den der Bienenkönig nicht nachahmen könnte. Einer von meinen Gefan- genen krähte ſo täuſchend, daß alle Hähne, welche ihn hörten, ſofort antworteten. Jeder Laut eines Huhnes, einer Katze, einer Ziege, eines Schafes wird von ihm nachgeäfft; das klägliche Geheul eines Hundes, welcher Prügel empfängt, das Krächzen des Raben, das Pfeifen einer Reihe von Tönen oder der Schlag des beſten Singvogels: alles Dies wird wiederholt mit bewunderungswürdiger Genauigkeit von dieſem Vogel. Er iſt einer der klügſten und liebenswürdigſten Gefangenen, welche man halten kann.‟ Neuholland, Jndien und die malaiiſchen Länder ſind die Heimath einer Familie eigenthümlich geſtalteter Vögel, welche man als Mittelglieder zwiſchen den Würgern und Schwalben betrachten darf und deshalb treffend Schwalbenwürger (Artami) genannt hat. Sie haben mit den Würgern ebenſoviel Aehnlichkeit, wie mit den Schwalben. Jhr kräftiger Leib trägt lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längſte iſt, einen kurzen oder mittellangen, geraden oder leicht ausgeſchnittenen Schwanz, einen kurzen, faſt kegelförmigen, an der Spitze breiten, auf der Firſte und ſeitlich abgerun- deten Schnabel ohne ſcharfkantige Firſte, welcher an der ſeinen Spitze kurz übergebogen und ſeitlich leicht eingeſchnitten iſt, ſowie kurzläufige und kurzzehige, aber kräftige Füße, welche mit wohl ausgebil- deten, gebogenen und ſpitzen Krallen bewehrt ſind. Das Gefieder iſt ziemlich dicht anliegend, ſeine Färbung eine düſtere. Die ordnenden Thierkundigen ſind über die Stellung der Schwalbenwürger verſchiedener Anſicht. Einige reihen ſie den Schwalben an, andere bringen ſie bei den Würgern unter. Jenen ähneln ſie hinſichtlich der Bildung ihrer Schwingen und dem dadurch bedingten Fluge, dieſen durch die Art und Weiſe ihres Nahrungserwerbs. Einzelne von ihnen zeichnen ſich aber noch durch beſondere Eigen- thümlichkeiten in ihrem Betragen aus, und ſie ſind es vor Allem, mit denen wir uns zu beſchäf- tigen haben. Der Schwalbenwürger (Artamus sordidus) iſt rußgrau, auf den Flügeln dunkelblauſchwarz, auf dem Schwanz bläulichſchwarz; die Außenränder der dritten und vierten Schwinge ſind weiß, die Steuerfedern mit Ausnahme der beiden mittleren breit weiß an der Spitze. Das Auge iſt düſter- braun, der Schnabel am Grunde blau, an der Spitze ſchwarz, der Fuß weißlichgrau. Das Weibchen unterſcheidet ſich durch etwas geringere Größe, durch ein Fleckenkleid, welches dadurch entſteht, daß jede Feder der Oberſeite einen ſchmuzigweißen Schaftſtreifen zeigt und die Unterſeite braun und weiß gemiſcht iſt. Die Länge beträgt gegen 6 Zoll, die Breite 13½ Zoll. Ueber das Leben der Schwalbenwürger liegen verſchiedene Beobachtungen vor; namentlich Gould, Bernſtein und Jerdon haben ziemlich ausführlich berichtet. Jede Art der Familie hat

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/758>, abgerufen am 25.11.2024.