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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Nachtschwalben.

Jn Südamerika leben außer den bereits genannten Nachtschwalben noch viele andere, von denen
ich nur noch einer hier erwähnen will. Der sehr kräftige und hakige Schnabel, sowie die derben Füße,
deren Mittelzehen keinen gezahnten Nagel tragen, sind die hauptsächlichsten Kennzeichen von ihr und
ihren Verwandten; es ist deshalb keineswegs schwierig, sie von anderen Nachtschwalben zu unter-
scheiden. Um Genaueres anzugeben, will ich hervorheben, daß sich die Sippe der Riesenschwalben
(Nyctibius) durch folgende Merkmale kennzeichnet: Der Leib ist kräftig, der Kopf ungewöhnlich groß,
der Flügel, in welchem die dritte Schwinge alle anderen überragt, ist lang und spitzig, der Schwanz
verhältnißmäßig lang und schwach zugerundet, das Gefieder reich, weich und locker, -- dies Alles wie
bei den Nachtschwalben; der Schnabel aber weicht bedeutend ab. Auch er ist von oben gesehen dreieckig,
an der Wurzel ungemein breit, bis zu den Nasenlöchern hin gleichmäßig abfallend, vonhieraus in
einen dünnern, rundlichen Nagel zusammengedrückt, welcher sich sanft bogenförmig über den Unter-
schnabel herabwölbt und dessen Spitze mit herabbiegt, obwohl letztere zu seiner Aufnahme ausgehöhlt
und deshalb bedeutend kürzer ist; der scharfe Mundrand trägt einen linienlangen Zahn, welcher da
hervortritt, wo der Haken beginnt; der Schnabelspalt zieht sich, wie bei den andern Ziegenmelkern
auch bis gegen das Ohr hin, und die Rachenöffnung ist deshalb erstaunlich groß. Vom hornigen
Theile des Schnabels sieht man übrigens wenig, weil der größte Theil befiedert ist, der Oberschnabel
bis zu den Nasenlöchern, der Unterschnabel bis gegen die Spitze hin. Viele Federn am Schnabel-
grunde sind zu feinen Borsten umgestaltet. Die Beine sind kurz, ihre Zehen schlank, die Nägel mäßig
groß, etwas bogig; der mittlere zeigt einen scharf vortretenden Rand.

Die größte Art der Sippe (Nyctibius grandis) ist von den Guaranern "Jbijau", zu deutsch
Erdfresser, genannt worden, und jener Name in unsere Lehrbücher übergegangen. Der Vogel ist
der Riese seiner Familie. Seine Länge beträgt nach den Messungen des Prinzen von Wied über
21 Zoll, die Breite gegen 47 Zoll; der Fittig mißt 151/2, der Schwanz 101/2 Zoll. Die Grundfarbe des
Gefieders ist ein weißlichhelles Gelbgrau, welches auf der Oberseite wie gewöhnlich dunkler als auf der
Unterseite ist. Die Zeichnung besteht aus sehr vielen feinen, braunen und schwarzen Querlinien, zu
denen auf dem Kopfe dunklere Schaftstreifen und hie und da dreieckige dunklere Spitzenflecken treten.
Die Federn des Flügelrandes, des Buges und der Achselgegend sind dunkelrothbraun, mit schwarzer
Querzeichnung, zwischen denen am Handgelenk weiße Flecken hervortreten; der Unterrücken ist weiß,
dunkelbraun in die Quere gewellt, jede Feder am Ende gilblich gesäumt; die Schwingen sind
dunkelgraubraun, hell gebändert, an der Vorderfahne weißlich gefleckt; die Schwanzfedern sind sechs-
bis siebenmal abwechselnd mit hellen und dunkeln Querbinden geziert; die Kehle ist weißlich, der
Vorderhals gelblich, fein braun gewellt, der Unterhals und die Brust sind außerdem schwarz in die
Länge gestreift; die Steißgegend ist reinweiß. Der Schnabel ist gelblich horngrau, das Auge dunkel-
schwarzbraun, der Fuß gelblichgrau.

Es scheint, daß der Jbijau in allen Wäldern Südamerikas gefunden wird: man hat ihn eben-
sowohl in Cayenne, wie in Paraguay erlegt. Wahrscheinlich ist er nicht so selten, als man gewöhnlich
annimmt; es hält aber sehr schwer, den Vogel bei Tage zu entdecken, und kaum weniger schwer, ihn
des Nachts zu beobachten. Prinz von Wied und Burmeister geben übereinstimmend an, daß er
über Tags immer in dicht belaubten Kronen der höchsten Bäume sitzt, nach anderer Nachtschatten Art
der Länge nach auf einen starken Ast gedrückt. Sein Baumrindengefieder ist sein bester Schutz gegen
das suchende Auge des Jägers oder eines andern Feindes, und seine Regungslosigkeit erschwert noch
außerdem das Auffinden bedeutend. Azara beschreibt unter dem Namen "Urutau" eine Nacht-
schwalbe, in welcher wir wahrscheinlich unseren Jbijau zu erkennen haben, und sagt, daß sie ihren Sitz
gewöhnlich am Ende eines abgestorbenen Astes wähle, sodaß sie mit dem Kopfe über demselben hervor-
sehe, und den Ast dadurch gleichsam verlängere, demungeachtet aber außerordentlich schwer zu entdecken
sei. Jst Solches einmal geschehen, so hält es durchaus nicht schwer, den schlafenden Vogel zu erbeuten,
vorausgesetzt, daß er sich nicht einen sehr hohen Ruhesitz erwählt hat. Von einer nahe verwandten
Art erzählt der Prinz, daß seine Leute sie mit einem Stocke todtgeschlagen haben und bestätigt dadurch

Die Fänger. Sperrvögel. Nachtſchwalben.

Jn Südamerika leben außer den bereits genannten Nachtſchwalben noch viele andere, von denen
ich nur noch einer hier erwähnen will. Der ſehr kräftige und hakige Schnabel, ſowie die derben Füße,
deren Mittelzehen keinen gezahnten Nagel tragen, ſind die hauptſächlichſten Kennzeichen von ihr und
ihren Verwandten; es iſt deshalb keineswegs ſchwierig, ſie von anderen Nachtſchwalben zu unter-
ſcheiden. Um Genaueres anzugeben, will ich hervorheben, daß ſich die Sippe der Rieſenſchwalben
(Nyctibius) durch folgende Merkmale kennzeichnet: Der Leib iſt kräftig, der Kopf ungewöhnlich groß,
der Flügel, in welchem die dritte Schwinge alle anderen überragt, iſt lang und ſpitzig, der Schwanz
verhältnißmäßig lang und ſchwach zugerundet, das Gefieder reich, weich und locker, — dies Alles wie
bei den Nachtſchwalben; der Schnabel aber weicht bedeutend ab. Auch er iſt von oben geſehen dreieckig,
an der Wurzel ungemein breit, bis zu den Naſenlöchern hin gleichmäßig abfallend, vonhieraus in
einen dünnern, rundlichen Nagel zuſammengedrückt, welcher ſich ſanft bogenförmig über den Unter-
ſchnabel herabwölbt und deſſen Spitze mit herabbiegt, obwohl letztere zu ſeiner Aufnahme ausgehöhlt
und deshalb bedeutend kürzer iſt; der ſcharfe Mundrand trägt einen linienlangen Zahn, welcher da
hervortritt, wo der Haken beginnt; der Schnabelſpalt zieht ſich, wie bei den andern Ziegenmelkern
auch bis gegen das Ohr hin, und die Rachenöffnung iſt deshalb erſtaunlich groß. Vom hornigen
Theile des Schnabels ſieht man übrigens wenig, weil der größte Theil befiedert iſt, der Oberſchnabel
bis zu den Naſenlöchern, der Unterſchnabel bis gegen die Spitze hin. Viele Federn am Schnabel-
grunde ſind zu feinen Borſten umgeſtaltet. Die Beine ſind kurz, ihre Zehen ſchlank, die Nägel mäßig
groß, etwas bogig; der mittlere zeigt einen ſcharf vortretenden Rand.

Die größte Art der Sippe (Nyctibius grandis) iſt von den Guaranern „Jbijau‟, zu deutſch
Erdfreſſer, genannt worden, und jener Name in unſere Lehrbücher übergegangen. Der Vogel iſt
der Rieſe ſeiner Familie. Seine Länge beträgt nach den Meſſungen des Prinzen von Wied über
21 Zoll, die Breite gegen 47 Zoll; der Fittig mißt 15½, der Schwanz 10½ Zoll. Die Grundfarbe des
Gefieders iſt ein weißlichhelles Gelbgrau, welches auf der Oberſeite wie gewöhnlich dunkler als auf der
Unterſeite iſt. Die Zeichnung beſteht aus ſehr vielen feinen, braunen und ſchwarzen Querlinien, zu
denen auf dem Kopfe dunklere Schaftſtreifen und hie und da dreieckige dunklere Spitzenflecken treten.
Die Federn des Flügelrandes, des Buges und der Achſelgegend ſind dunkelrothbraun, mit ſchwarzer
Querzeichnung, zwiſchen denen am Handgelenk weiße Flecken hervortreten; der Unterrücken iſt weiß,
dunkelbraun in die Quere gewellt, jede Feder am Ende gilblich geſäumt; die Schwingen ſind
dunkelgraubraun, hell gebändert, an der Vorderfahne weißlich gefleckt; die Schwanzfedern ſind ſechs-
bis ſiebenmal abwechſelnd mit hellen und dunkeln Querbinden geziert; die Kehle iſt weißlich, der
Vorderhals gelblich, fein braun gewellt, der Unterhals und die Bruſt ſind außerdem ſchwarz in die
Länge geſtreift; die Steißgegend iſt reinweiß. Der Schnabel iſt gelblich horngrau, das Auge dunkel-
ſchwarzbraun, der Fuß gelblichgrau.

Es ſcheint, daß der Jbijau in allen Wäldern Südamerikas gefunden wird: man hat ihn eben-
ſowohl in Cayenne, wie in Paraguay erlegt. Wahrſcheinlich iſt er nicht ſo ſelten, als man gewöhnlich
annimmt; es hält aber ſehr ſchwer, den Vogel bei Tage zu entdecken, und kaum weniger ſchwer, ihn
des Nachts zu beobachten. Prinz von Wied und Burmeiſter geben übereinſtimmend an, daß er
über Tags immer in dicht belaubten Kronen der höchſten Bäume ſitzt, nach anderer Nachtſchatten Art
der Länge nach auf einen ſtarken Aſt gedrückt. Sein Baumrindengefieder iſt ſein beſter Schutz gegen
das ſuchende Auge des Jägers oder eines andern Feindes, und ſeine Regungsloſigkeit erſchwert noch
außerdem das Auffinden bedeutend. Azara beſchreibt unter dem Namen „Urutau‟ eine Nacht-
ſchwalbe, in welcher wir wahrſcheinlich unſeren Jbijau zu erkennen haben, und ſagt, daß ſie ihren Sitz
gewöhnlich am Ende eines abgeſtorbenen Aſtes wähle, ſodaß ſie mit dem Kopfe über demſelben hervor-
ſehe, und den Aſt dadurch gleichſam verlängere, demungeachtet aber außerordentlich ſchwer zu entdecken
ſei. Jſt Solches einmal geſchehen, ſo hält es durchaus nicht ſchwer, den ſchlafenden Vogel zu erbeuten,
vorausgeſetzt, daß er ſich nicht einen ſehr hohen Ruheſitz erwählt hat. Von einer nahe verwandten
Art erzählt der Prinz, daß ſeine Leute ſie mit einem Stocke todtgeſchlagen haben und beſtätigt dadurch

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[676/0714] Die Fänger. Sperrvögel. Nachtſchwalben. Jn Südamerika leben außer den bereits genannten Nachtſchwalben noch viele andere, von denen ich nur noch einer hier erwähnen will. Der ſehr kräftige und hakige Schnabel, ſowie die derben Füße, deren Mittelzehen keinen gezahnten Nagel tragen, ſind die hauptſächlichſten Kennzeichen von ihr und ihren Verwandten; es iſt deshalb keineswegs ſchwierig, ſie von anderen Nachtſchwalben zu unter- ſcheiden. Um Genaueres anzugeben, will ich hervorheben, daß ſich die Sippe der Rieſenſchwalben (Nyctibius) durch folgende Merkmale kennzeichnet: Der Leib iſt kräftig, der Kopf ungewöhnlich groß, der Flügel, in welchem die dritte Schwinge alle anderen überragt, iſt lang und ſpitzig, der Schwanz verhältnißmäßig lang und ſchwach zugerundet, das Gefieder reich, weich und locker, — dies Alles wie bei den Nachtſchwalben; der Schnabel aber weicht bedeutend ab. Auch er iſt von oben geſehen dreieckig, an der Wurzel ungemein breit, bis zu den Naſenlöchern hin gleichmäßig abfallend, vonhieraus in einen dünnern, rundlichen Nagel zuſammengedrückt, welcher ſich ſanft bogenförmig über den Unter- ſchnabel herabwölbt und deſſen Spitze mit herabbiegt, obwohl letztere zu ſeiner Aufnahme ausgehöhlt und deshalb bedeutend kürzer iſt; der ſcharfe Mundrand trägt einen linienlangen Zahn, welcher da hervortritt, wo der Haken beginnt; der Schnabelſpalt zieht ſich, wie bei den andern Ziegenmelkern auch bis gegen das Ohr hin, und die Rachenöffnung iſt deshalb erſtaunlich groß. Vom hornigen Theile des Schnabels ſieht man übrigens wenig, weil der größte Theil befiedert iſt, der Oberſchnabel bis zu den Naſenlöchern, der Unterſchnabel bis gegen die Spitze hin. Viele Federn am Schnabel- grunde ſind zu feinen Borſten umgeſtaltet. Die Beine ſind kurz, ihre Zehen ſchlank, die Nägel mäßig groß, etwas bogig; der mittlere zeigt einen ſcharf vortretenden Rand. Die größte Art der Sippe (Nyctibius grandis) iſt von den Guaranern „Jbijau‟, zu deutſch Erdfreſſer, genannt worden, und jener Name in unſere Lehrbücher übergegangen. Der Vogel iſt der Rieſe ſeiner Familie. Seine Länge beträgt nach den Meſſungen des Prinzen von Wied über 21 Zoll, die Breite gegen 47 Zoll; der Fittig mißt 15½, der Schwanz 10½ Zoll. Die Grundfarbe des Gefieders iſt ein weißlichhelles Gelbgrau, welches auf der Oberſeite wie gewöhnlich dunkler als auf der Unterſeite iſt. Die Zeichnung beſteht aus ſehr vielen feinen, braunen und ſchwarzen Querlinien, zu denen auf dem Kopfe dunklere Schaftſtreifen und hie und da dreieckige dunklere Spitzenflecken treten. Die Federn des Flügelrandes, des Buges und der Achſelgegend ſind dunkelrothbraun, mit ſchwarzer Querzeichnung, zwiſchen denen am Handgelenk weiße Flecken hervortreten; der Unterrücken iſt weiß, dunkelbraun in die Quere gewellt, jede Feder am Ende gilblich geſäumt; die Schwingen ſind dunkelgraubraun, hell gebändert, an der Vorderfahne weißlich gefleckt; die Schwanzfedern ſind ſechs- bis ſiebenmal abwechſelnd mit hellen und dunkeln Querbinden geziert; die Kehle iſt weißlich, der Vorderhals gelblich, fein braun gewellt, der Unterhals und die Bruſt ſind außerdem ſchwarz in die Länge geſtreift; die Steißgegend iſt reinweiß. Der Schnabel iſt gelblich horngrau, das Auge dunkel- ſchwarzbraun, der Fuß gelblichgrau. Es ſcheint, daß der Jbijau in allen Wäldern Südamerikas gefunden wird: man hat ihn eben- ſowohl in Cayenne, wie in Paraguay erlegt. Wahrſcheinlich iſt er nicht ſo ſelten, als man gewöhnlich annimmt; es hält aber ſehr ſchwer, den Vogel bei Tage zu entdecken, und kaum weniger ſchwer, ihn des Nachts zu beobachten. Prinz von Wied und Burmeiſter geben übereinſtimmend an, daß er über Tags immer in dicht belaubten Kronen der höchſten Bäume ſitzt, nach anderer Nachtſchatten Art der Länge nach auf einen ſtarken Aſt gedrückt. Sein Baumrindengefieder iſt ſein beſter Schutz gegen das ſuchende Auge des Jägers oder eines andern Feindes, und ſeine Regungsloſigkeit erſchwert noch außerdem das Auffinden bedeutend. Azara beſchreibt unter dem Namen „Urutau‟ eine Nacht- ſchwalbe, in welcher wir wahrſcheinlich unſeren Jbijau zu erkennen haben, und ſagt, daß ſie ihren Sitz gewöhnlich am Ende eines abgeſtorbenen Aſtes wähle, ſodaß ſie mit dem Kopfe über demſelben hervor- ſehe, und den Aſt dadurch gleichſam verlängere, demungeachtet aber außerordentlich ſchwer zu entdecken ſei. Jſt Solches einmal geſchehen, ſo hält es durchaus nicht ſchwer, den ſchlafenden Vogel zu erbeuten, vorausgeſetzt, daß er ſich nicht einen ſehr hohen Ruheſitz erwählt hat. Von einer nahe verwandten Art erzählt der Prinz, daß ſeine Leute ſie mit einem Stocke todtgeſchlagen haben und beſtätigt dadurch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/714>, abgerufen am 22.11.2024.