Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben. seit altersgrauer Zeit freiwillig dem Menschen sich anschlossen und sein Haus zu dem ihrigen machten;sie sind es, welche, falls der Mensch ihnen es gestattet, sich im Palast, wie in der Hütte ansiedeln und nur da, wo alle geeigneten Wohnungen fehlen, mit passenden Gesimsen steiler Felsenwände sich behelfen. Jhre Anhänglichkeit an den Menschen hat ihnen dessen Liebe erworben, ihr Kommen und Gehen im Norden der Erde sie von Alters her als Boten und Verkündiger guter und böser Tage erscheinen lassen und einer besonderen Theilnahme werth gemacht. Mehr als anderer Vögel Leben hat man das ihrige erforscht, nicht blos bei uns zu Lande allein, sondern auch in fremden Ländern, und so ist uns die große Uebereinstimmung des Wesens und Treibens aller Edelschwalben wohl bekannt geworden. Die Rauchschwalbe trifft durchschnittlich zwischen dem ersten und funfzehnten April, ausnahms- [Abbildung]
Die Rauchschwalbe (Cecropis rustica). ben beherbergen und diesen also alle Erfordernisse zum Leben bieten müssen, ohne hier auch nur zurasten. So sah ich sie bereits am 13. September im südlichen Nubien erscheinen, so beobachtete ich sie auf ihrem Rückzuge nur wenige Tage früher, als sie bei uns einzutreffen pflegt, in Charthum, am Zusammenflusse des weißen und blauen Stromes zwischen dem 15. und 16. Grade der nördlichen Breite. Höchst selten kommt es vor, daß im Jnnern Afrikas noch im Hochsommer eine Rauchschwalbe gesehen wird, und eben so selten begegnet man einer im Winter in Egypten oder sonstwo im Norden des Erdtheils. Wie weit sie ihre Winterreisen ausdehnt, ist zur Zeit noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen; unmöglich ist es nicht, daß die Wanderung sie bis in den gemäßigten Gürtel Südafrikas führt, daß sie die Gebiete von etwa einem Dutzend Schwalbenarten durchwandert, ehe sie die Stätte erreicht, welche ihr zur Herberge geeignet dünkt. Sehr bald nach ihrer Ankunft in der Heimat findet sich die Schwalbe bei ihrem alten Neste ein, Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben. ſeit altersgrauer Zeit freiwillig dem Menſchen ſich anſchloſſen und ſein Haus zu dem ihrigen machten;ſie ſind es, welche, falls der Menſch ihnen es geſtattet, ſich im Palaſt, wie in der Hütte anſiedeln und nur da, wo alle geeigneten Wohnungen fehlen, mit paſſenden Geſimſen ſteiler Felſenwände ſich behelfen. Jhre Anhänglichkeit an den Menſchen hat ihnen deſſen Liebe erworben, ihr Kommen und Gehen im Norden der Erde ſie von Alters her als Boten und Verkündiger guter und böſer Tage erſcheinen laſſen und einer beſonderen Theilnahme werth gemacht. Mehr als anderer Vögel Leben hat man das ihrige erforſcht, nicht blos bei uns zu Lande allein, ſondern auch in fremden Ländern, und ſo iſt uns die große Uebereinſtimmung des Weſens und Treibens aller Edelſchwalben wohl bekannt geworden. Die Rauchſchwalbe trifft durchſchnittlich zwiſchen dem erſten und funfzehnten April, ausnahms- [Abbildung]
Die Rauchſchwalbe (Cecropis rustica). ben beherbergen und dieſen alſo alle Erforderniſſe zum Leben bieten müſſen, ohne hier auch nur zuraſten. So ſah ich ſie bereits am 13. September im ſüdlichen Nubien erſcheinen, ſo beobachtete ich ſie auf ihrem Rückzuge nur wenige Tage früher, als ſie bei uns einzutreffen pflegt, in Charthum, am Zuſammenfluſſe des weißen und blauen Stromes zwiſchen dem 15. und 16. Grade der nördlichen Breite. Höchſt ſelten kommt es vor, daß im Jnnern Afrikas noch im Hochſommer eine Rauchſchwalbe geſehen wird, und eben ſo ſelten begegnet man einer im Winter in Egypten oder ſonſtwo im Norden des Erdtheils. Wie weit ſie ihre Winterreiſen ausdehnt, iſt zur Zeit noch nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen; unmöglich iſt es nicht, daß die Wanderung ſie bis in den gemäßigten Gürtel Südafrikas führt, daß ſie die Gebiete von etwa einem Dutzend Schwalbenarten durchwandert, ehe ſie die Stätte erreicht, welche ihr zur Herberge geeignet dünkt. Sehr bald nach ihrer Ankunft in der Heimat findet ſich die Schwalbe bei ihrem alten Neſte ein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0666" n="630"/><fw place="top" type="header">Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.</fw><lb/> ſeit altersgrauer Zeit freiwillig dem Menſchen ſich anſchloſſen und ſein Haus zu dem ihrigen machten;<lb/> ſie ſind es, welche, falls der Menſch ihnen es geſtattet, ſich im Palaſt, wie in der Hütte anſiedeln und<lb/> nur da, wo alle geeigneten Wohnungen fehlen, mit paſſenden Geſimſen ſteiler Felſenwände ſich<lb/> behelfen. Jhre Anhänglichkeit an den Menſchen hat ihnen deſſen Liebe erworben, ihr Kommen und<lb/> Gehen im Norden der Erde ſie von Alters her als Boten und Verkündiger guter und böſer Tage<lb/> erſcheinen laſſen und einer beſonderen Theilnahme werth gemacht. Mehr als anderer Vögel Leben<lb/> hat man das ihrige erforſcht, nicht blos bei uns zu Lande allein, ſondern auch in fremden Ländern,<lb/> und ſo iſt uns die große Uebereinſtimmung des Weſens und Treibens aller Edelſchwalben wohl<lb/> bekannt geworden.</p><lb/> <p>Die Rauchſchwalbe trifft durchſchnittlich zwiſchen dem erſten und funfzehnten April, ausnahms-<lb/> weiſe früher, ſelten ſpäter bei uns ein und verweilt in ihrer Heimat bis Ende Septembers oder<lb/> Anfang Oktobers, Nachzügler ſelbſtverſtändlich abgerechnet. Während der Zugzeit ſieht man ſie<lb/> nördlich vom funfzehnten Grade der Breite allerorten; ihre Wanderung endet aber erſt ſüdlich der<lb/> angegebenen Grenze. Nach meinen Beobachtungen wandert ſie in Afrika über den elften Grad der<lb/> nördlichen Breite hinab; nach <hi rendition="#g">Jerdon</hi> iſt ſie in allen Tiefländern Jndiens und auf Ceylon Wintergaſt.<lb/> Sie überfliegt gelegentlich ihrer Wanderung Länderſtrecken, welche jahraus, jahrein verwandte Schwal-<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Rauchſchwalbe</hi> (<hi rendition="#aq">Cecropis rustica</hi>).</hi></head></figure><lb/> ben beherbergen und dieſen alſo alle Erforderniſſe zum Leben bieten müſſen, ohne hier auch nur zu<lb/> raſten. So ſah ich ſie bereits am 13. September im ſüdlichen Nubien erſcheinen, ſo beobachtete ich ſie<lb/> auf ihrem Rückzuge nur wenige Tage früher, als ſie bei uns einzutreffen pflegt, in Charthum, am<lb/> Zuſammenfluſſe des weißen und blauen Stromes zwiſchen dem 15. und 16. Grade der nördlichen Breite.<lb/> Höchſt ſelten kommt es vor, daß im Jnnern Afrikas noch im Hochſommer eine Rauchſchwalbe<lb/> geſehen wird, und eben ſo ſelten begegnet man einer im Winter in Egypten oder ſonſtwo im Norden<lb/> des Erdtheils. Wie weit ſie ihre Winterreiſen ausdehnt, iſt zur Zeit noch nicht mit Beſtimmtheit zu<lb/> ſagen; unmöglich iſt es nicht, daß die Wanderung ſie bis in den gemäßigten Gürtel Südafrikas führt,<lb/> daß ſie die Gebiete von etwa einem Dutzend Schwalbenarten durchwandert, ehe ſie die Stätte erreicht,<lb/> welche ihr zur Herberge geeignet dünkt.</p><lb/> <p>Sehr bald nach ihrer Ankunft in der Heimat findet ſich die Schwalbe bei ihrem alten Neſte ein,<lb/> oder ein neuverbundenes Paar ſchreitet zur Erbauung eines ſolchen. Damit beginnt das Sommer-<lb/> leben der Schwalbe mit all ſeinen Freuden und Sorgen. Es iſt nicht eben ein Beweis von dich-<lb/> teriſcher Auffaſſung dieſes Lebens, daß der thränenreiche <hi rendition="#g">Herlosſohn</hi> in dem bekannten, d. h.<lb/> genugſam abgeleierten Liede den Schwalben in der Ferne die Heimat anweiſt; denn keine Schwalbe<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [630/0666]
Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.
ſeit altersgrauer Zeit freiwillig dem Menſchen ſich anſchloſſen und ſein Haus zu dem ihrigen machten;
ſie ſind es, welche, falls der Menſch ihnen es geſtattet, ſich im Palaſt, wie in der Hütte anſiedeln und
nur da, wo alle geeigneten Wohnungen fehlen, mit paſſenden Geſimſen ſteiler Felſenwände ſich
behelfen. Jhre Anhänglichkeit an den Menſchen hat ihnen deſſen Liebe erworben, ihr Kommen und
Gehen im Norden der Erde ſie von Alters her als Boten und Verkündiger guter und böſer Tage
erſcheinen laſſen und einer beſonderen Theilnahme werth gemacht. Mehr als anderer Vögel Leben
hat man das ihrige erforſcht, nicht blos bei uns zu Lande allein, ſondern auch in fremden Ländern,
und ſo iſt uns die große Uebereinſtimmung des Weſens und Treibens aller Edelſchwalben wohl
bekannt geworden.
Die Rauchſchwalbe trifft durchſchnittlich zwiſchen dem erſten und funfzehnten April, ausnahms-
weiſe früher, ſelten ſpäter bei uns ein und verweilt in ihrer Heimat bis Ende Septembers oder
Anfang Oktobers, Nachzügler ſelbſtverſtändlich abgerechnet. Während der Zugzeit ſieht man ſie
nördlich vom funfzehnten Grade der Breite allerorten; ihre Wanderung endet aber erſt ſüdlich der
angegebenen Grenze. Nach meinen Beobachtungen wandert ſie in Afrika über den elften Grad der
nördlichen Breite hinab; nach Jerdon iſt ſie in allen Tiefländern Jndiens und auf Ceylon Wintergaſt.
Sie überfliegt gelegentlich ihrer Wanderung Länderſtrecken, welche jahraus, jahrein verwandte Schwal-
[Abbildung Die Rauchſchwalbe (Cecropis rustica).]
ben beherbergen und dieſen alſo alle Erforderniſſe zum Leben bieten müſſen, ohne hier auch nur zu
raſten. So ſah ich ſie bereits am 13. September im ſüdlichen Nubien erſcheinen, ſo beobachtete ich ſie
auf ihrem Rückzuge nur wenige Tage früher, als ſie bei uns einzutreffen pflegt, in Charthum, am
Zuſammenfluſſe des weißen und blauen Stromes zwiſchen dem 15. und 16. Grade der nördlichen Breite.
Höchſt ſelten kommt es vor, daß im Jnnern Afrikas noch im Hochſommer eine Rauchſchwalbe
geſehen wird, und eben ſo ſelten begegnet man einer im Winter in Egypten oder ſonſtwo im Norden
des Erdtheils. Wie weit ſie ihre Winterreiſen ausdehnt, iſt zur Zeit noch nicht mit Beſtimmtheit zu
ſagen; unmöglich iſt es nicht, daß die Wanderung ſie bis in den gemäßigten Gürtel Südafrikas führt,
daß ſie die Gebiete von etwa einem Dutzend Schwalbenarten durchwandert, ehe ſie die Stätte erreicht,
welche ihr zur Herberge geeignet dünkt.
Sehr bald nach ihrer Ankunft in der Heimat findet ſich die Schwalbe bei ihrem alten Neſte ein,
oder ein neuverbundenes Paar ſchreitet zur Erbauung eines ſolchen. Damit beginnt das Sommer-
leben der Schwalbe mit all ſeinen Freuden und Sorgen. Es iſt nicht eben ein Beweis von dich-
teriſcher Auffaſſung dieſes Lebens, daß der thränenreiche Herlosſohn in dem bekannten, d. h.
genugſam abgeleierten Liede den Schwalben in der Ferne die Heimat anweiſt; denn keine Schwalbe
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