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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Nachtkäuze.
wieder angeschlichen, und ein zweiter Schuß tödtete ein anderes Junges. Nun hatten wir ein Paar;
aber ein drittes zu erlegen, war unmöglich: denn auf den zweiten Schuß waren sie weit weggeflogen
und schwiegen so lange, daß die Finsterniß der Nacht völlig einbrach und alles weitere Verfolgen und
Jagen unnütz machte. Sehr merkwürdig war das Betragen des alten Weibchens. Dieses drückte
sich, sobald es Gefahr bemerkte, mit dem ganzen Unterkörper auf einen Ast auf, so daß es selten zu
sehen und nie zu schießen war, weil der Ast es hinlänglich gegen den Schuß deckte. Dabei gab es
klägliche Töne von sich, die wie "Wi, wi, wi, wi" klangen und dem fernen Wimmern eines Menschen
sehr ähnlich waren."

"Wir besuchten mehrere Abende nach einander jene Stelle, um die übrigen Jungen oder das
alte Weibchen zu schießen; aber alles Nachsuchens ungeachtet konnten wir die Jungen nicht wieder
auffinden und haben auch seitdem keinen Alten in jener Gegend mehr angetroffen."

Später war mein Vater so glücklich, einen lebenden Rauchfußkauz mehrere Jahre am Leben zu
erhalten. Dieser Vogel gewöhnte sich bald an die Menschen, brachte aber, als er noch in der Stube
war, fast den ganzen Tag in dem dunkelsten Winkel des Zimmers zu und kam nur Abends hervor.
Dann hüpfte und flatterte er in seinem Raume umher und war äußerst munter. Er fraß anfangs
nur des Nachts; als er aber später blos bei Tage gefüttert wurde, gewöhnte er sich an die ihm früher
so verhaßte Helligkeit und suchte zuletzt seinen dunkeln Käfig gar nicht mehr auf. Er nahm meinem
Vater die ihm vorgehaltene Nahrung aus der Hand und zwar regelmäßig mit den Fängen, selten mit
dem Schnabel, trug die Beute in einen Winkel und bedeckte sie mit sich selbst, indem er alle Federn
sträubte. Auch er trank nur wenig, badete sich aber oft bei warmer Witterung fast täglich. Bei
strenger Kälte fror er und setzte sich dann gern auf den Boden mit angezogenen Füßen, in der Absicht,
diese zu erwärmen. Seine Stimme, welche wie ein schwaches Hundegebell "Wa, wa, wa" klang,
wurde hauptsächlich in der Morgen- und Abenddämmerung vernommen.

Der Rauchfußkauz brütet ebenfalls in Baumhöhlungen und legt im April oder Mai drei bis
vier Eier, welche zartschaliger und kleiner als die des ungefähr gleich großen Steinkauzes sind.

Mäuse sind auch des Rauchfußkauzes liebstes Wild; nebenbei fängt er Spitzmäuse und Kerb-
thiere, gelegentlich auch kleine Vögel oder Fledermäuse. Daß er die letzteren nicht aus ihren Löchern
hervorzieht, wie Naumann glaubt, sondern im Fluge fängt, dürfte durch meine an der Zwergohreule
gemachten Beobachtungen erwiesen sein.

Richardson sagt, daß der Rauchfußkauz so durch das Licht geblendet werde, daß man ihn mit
der Hand wegnehmen könne, und Gadamer versichert, daß man Einen, welchen man bei Tage auf-
gefunden, vermittelst eines Stockes leicht eine Schleife über den Kopf ziehen könne. Jch will unent-
schieden lassen, inwiefern diese Angaben buchstäblich zu nehmen sind; so viel steht fest, daß es gar nicht
so leicht hält, Rauchfußkäuze zu erlangen. Nicht einmal Tellereisen oder Leimruthen vor der Nist-
öffnung führen regelmäßig zum Ziele. Mit dem Gewehr freilich erlegt man den Vogel leichter, wenn
man so glücklich war, ihn zu sehen. Außer dem Menschen mögen ihm wohl nur wenig Thiere
gefährlich werden, Wiesel und andere Nestplünderer vielleicht den Jungen und größere Eulen mög-
licher Weise den Alten. Das kleine Geflügel haßt und neckt auch den Rauchfußkauz, wenn es seiner
ansichtig wird.



Eine der ausgezeichnetsten Sippe aller Eulen umfaßt die Schleierkäuze. Sie sind gestreckt
gebaute Thiere mit ziemlich langem Halse, großem, breiten Kopf, sehr großen Flügeln, mittellangem
Schwanz, hohen Beinen und seidenweichem, mehr oder minder farbenprächtigen Gefieder. Der
Schnabel ist etwas gestreckt, an der Wurzel gerade, nur nach der Spitze zu hakenförmig gekrümmt,
an der Spitze des Unterkiefers leicht ausgekerbt. Das Auge ist verhältnißmäßig klein und gewölbter
als bei andern Eulen, die Ohrmuschel aber, dem sehr ausgebildeten Schleier entsprechend, ungemein

Die Fänger. Raubvögel. Nachtkäuze.
wieder angeſchlichen, und ein zweiter Schuß tödtete ein anderes Junges. Nun hatten wir ein Paar;
aber ein drittes zu erlegen, war unmöglich: denn auf den zweiten Schuß waren ſie weit weggeflogen
und ſchwiegen ſo lange, daß die Finſterniß der Nacht völlig einbrach und alles weitere Verfolgen und
Jagen unnütz machte. Sehr merkwürdig war das Betragen des alten Weibchens. Dieſes drückte
ſich, ſobald es Gefahr bemerkte, mit dem ganzen Unterkörper auf einen Aſt auf, ſo daß es ſelten zu
ſehen und nie zu ſchießen war, weil der Aſt es hinlänglich gegen den Schuß deckte. Dabei gab es
klägliche Töne von ſich, die wie „Wi, wi, wi, wi‟ klangen und dem fernen Wimmern eines Menſchen
ſehr ähnlich waren.‟

„Wir beſuchten mehrere Abende nach einander jene Stelle, um die übrigen Jungen oder das
alte Weibchen zu ſchießen; aber alles Nachſuchens ungeachtet konnten wir die Jungen nicht wieder
auffinden und haben auch ſeitdem keinen Alten in jener Gegend mehr angetroffen.‟

Später war mein Vater ſo glücklich, einen lebenden Rauchfußkauz mehrere Jahre am Leben zu
erhalten. Dieſer Vogel gewöhnte ſich bald an die Menſchen, brachte aber, als er noch in der Stube
war, faſt den ganzen Tag in dem dunkelſten Winkel des Zimmers zu und kam nur Abends hervor.
Dann hüpfte und flatterte er in ſeinem Raume umher und war äußerſt munter. Er fraß anfangs
nur des Nachts; als er aber ſpäter blos bei Tage gefüttert wurde, gewöhnte er ſich an die ihm früher
ſo verhaßte Helligkeit und ſuchte zuletzt ſeinen dunkeln Käfig gar nicht mehr auf. Er nahm meinem
Vater die ihm vorgehaltene Nahrung aus der Hand und zwar regelmäßig mit den Fängen, ſelten mit
dem Schnabel, trug die Beute in einen Winkel und bedeckte ſie mit ſich ſelbſt, indem er alle Federn
ſträubte. Auch er trank nur wenig, badete ſich aber oft bei warmer Witterung faſt täglich. Bei
ſtrenger Kälte fror er und ſetzte ſich dann gern auf den Boden mit angezogenen Füßen, in der Abſicht,
dieſe zu erwärmen. Seine Stimme, welche wie ein ſchwaches Hundegebell „Wa, wa, wa‟ klang,
wurde hauptſächlich in der Morgen- und Abenddämmerung vernommen.

Der Rauchfußkauz brütet ebenfalls in Baumhöhlungen und legt im April oder Mai drei bis
vier Eier, welche zartſchaliger und kleiner als die des ungefähr gleich großen Steinkauzes ſind.

Mäuſe ſind auch des Rauchfußkauzes liebſtes Wild; nebenbei fängt er Spitzmäuſe und Kerb-
thiere, gelegentlich auch kleine Vögel oder Fledermäuſe. Daß er die letzteren nicht aus ihren Löchern
hervorzieht, wie Naumann glaubt, ſondern im Fluge fängt, dürfte durch meine an der Zwergohreule
gemachten Beobachtungen erwieſen ſein.

Richardſon ſagt, daß der Rauchfußkauz ſo durch das Licht geblendet werde, daß man ihn mit
der Hand wegnehmen könne, und Gadamer verſichert, daß man Einen, welchen man bei Tage auf-
gefunden, vermittelſt eines Stockes leicht eine Schleife über den Kopf ziehen könne. Jch will unent-
ſchieden laſſen, inwiefern dieſe Angaben buchſtäblich zu nehmen ſind; ſo viel ſteht feſt, daß es gar nicht
ſo leicht hält, Rauchfußkäuze zu erlangen. Nicht einmal Tellereiſen oder Leimruthen vor der Niſt-
öffnung führen regelmäßig zum Ziele. Mit dem Gewehr freilich erlegt man den Vogel leichter, wenn
man ſo glücklich war, ihn zu ſehen. Außer dem Menſchen mögen ihm wohl nur wenig Thiere
gefährlich werden, Wieſel und andere Neſtplünderer vielleicht den Jungen und größere Eulen mög-
licher Weiſe den Alten. Das kleine Geflügel haßt und neckt auch den Rauchfußkauz, wenn es ſeiner
anſichtig wird.



Eine der ausgezeichnetſten Sippe aller Eulen umfaßt die Schleierkäuze. Sie ſind geſtreckt
gebaute Thiere mit ziemlich langem Halſe, großem, breiten Kopf, ſehr großen Flügeln, mittellangem
Schwanz, hohen Beinen und ſeidenweichem, mehr oder minder farbenprächtigen Gefieder. Der
Schnabel iſt etwas geſtreckt, an der Wurzel gerade, nur nach der Spitze zu hakenförmig gekrümmt,
an der Spitze des Unterkiefers leicht ausgekerbt. Das Auge iſt verhältnißmäßig klein und gewölbter
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[620/0656] Die Fänger. Raubvögel. Nachtkäuze. wieder angeſchlichen, und ein zweiter Schuß tödtete ein anderes Junges. Nun hatten wir ein Paar; aber ein drittes zu erlegen, war unmöglich: denn auf den zweiten Schuß waren ſie weit weggeflogen und ſchwiegen ſo lange, daß die Finſterniß der Nacht völlig einbrach und alles weitere Verfolgen und Jagen unnütz machte. Sehr merkwürdig war das Betragen des alten Weibchens. Dieſes drückte ſich, ſobald es Gefahr bemerkte, mit dem ganzen Unterkörper auf einen Aſt auf, ſo daß es ſelten zu ſehen und nie zu ſchießen war, weil der Aſt es hinlänglich gegen den Schuß deckte. Dabei gab es klägliche Töne von ſich, die wie „Wi, wi, wi, wi‟ klangen und dem fernen Wimmern eines Menſchen ſehr ähnlich waren.‟ „Wir beſuchten mehrere Abende nach einander jene Stelle, um die übrigen Jungen oder das alte Weibchen zu ſchießen; aber alles Nachſuchens ungeachtet konnten wir die Jungen nicht wieder auffinden und haben auch ſeitdem keinen Alten in jener Gegend mehr angetroffen.‟ Später war mein Vater ſo glücklich, einen lebenden Rauchfußkauz mehrere Jahre am Leben zu erhalten. Dieſer Vogel gewöhnte ſich bald an die Menſchen, brachte aber, als er noch in der Stube war, faſt den ganzen Tag in dem dunkelſten Winkel des Zimmers zu und kam nur Abends hervor. Dann hüpfte und flatterte er in ſeinem Raume umher und war äußerſt munter. Er fraß anfangs nur des Nachts; als er aber ſpäter blos bei Tage gefüttert wurde, gewöhnte er ſich an die ihm früher ſo verhaßte Helligkeit und ſuchte zuletzt ſeinen dunkeln Käfig gar nicht mehr auf. Er nahm meinem Vater die ihm vorgehaltene Nahrung aus der Hand und zwar regelmäßig mit den Fängen, ſelten mit dem Schnabel, trug die Beute in einen Winkel und bedeckte ſie mit ſich ſelbſt, indem er alle Federn ſträubte. Auch er trank nur wenig, badete ſich aber oft bei warmer Witterung faſt täglich. Bei ſtrenger Kälte fror er und ſetzte ſich dann gern auf den Boden mit angezogenen Füßen, in der Abſicht, dieſe zu erwärmen. Seine Stimme, welche wie ein ſchwaches Hundegebell „Wa, wa, wa‟ klang, wurde hauptſächlich in der Morgen- und Abenddämmerung vernommen. Der Rauchfußkauz brütet ebenfalls in Baumhöhlungen und legt im April oder Mai drei bis vier Eier, welche zartſchaliger und kleiner als die des ungefähr gleich großen Steinkauzes ſind. Mäuſe ſind auch des Rauchfußkauzes liebſtes Wild; nebenbei fängt er Spitzmäuſe und Kerb- thiere, gelegentlich auch kleine Vögel oder Fledermäuſe. Daß er die letzteren nicht aus ihren Löchern hervorzieht, wie Naumann glaubt, ſondern im Fluge fängt, dürfte durch meine an der Zwergohreule gemachten Beobachtungen erwieſen ſein. Richardſon ſagt, daß der Rauchfußkauz ſo durch das Licht geblendet werde, daß man ihn mit der Hand wegnehmen könne, und Gadamer verſichert, daß man Einen, welchen man bei Tage auf- gefunden, vermittelſt eines Stockes leicht eine Schleife über den Kopf ziehen könne. Jch will unent- ſchieden laſſen, inwiefern dieſe Angaben buchſtäblich zu nehmen ſind; ſo viel ſteht feſt, daß es gar nicht ſo leicht hält, Rauchfußkäuze zu erlangen. Nicht einmal Tellereiſen oder Leimruthen vor der Niſt- öffnung führen regelmäßig zum Ziele. Mit dem Gewehr freilich erlegt man den Vogel leichter, wenn man ſo glücklich war, ihn zu ſehen. Außer dem Menſchen mögen ihm wohl nur wenig Thiere gefährlich werden, Wieſel und andere Neſtplünderer vielleicht den Jungen und größere Eulen mög- licher Weiſe den Alten. Das kleine Geflügel haßt und neckt auch den Rauchfußkauz, wenn es ſeiner anſichtig wird. Eine der ausgezeichnetſten Sippe aller Eulen umfaßt die Schleierkäuze. Sie ſind geſtreckt gebaute Thiere mit ziemlich langem Halſe, großem, breiten Kopf, ſehr großen Flügeln, mittellangem Schwanz, hohen Beinen und ſeidenweichem, mehr oder minder farbenprächtigen Gefieder. Der Schnabel iſt etwas geſtreckt, an der Wurzel gerade, nur nach der Spitze zu hakenförmig gekrümmt, an der Spitze des Unterkiefers leicht ausgekerbt. Das Auge iſt verhältnißmäßig klein und gewölbter als bei andern Eulen, die Ohrmuſchel aber, dem ſehr ausgebildeten Schleier entſprechend, ungemein

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/656>, abgerufen am 22.11.2024.