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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Ohreulen.
Genießbare zusammen gesucht und sich sehr gut dabei gestanden habe. Bei Gefahr vertheidigen
die Uhueltern ihre Jungen auf das Muthvollste; sie greifen dann alle Raubthiere und auch die
Menschen, welche sich nahen, heftig an. Außerdem hat man beobachtet, daß die alten Uhus ihre
Jungen andern Horsten zutrugen, nachdem sie gemerkt hatten, daß der erste nicht hinlängliche Sicher-
heit bot. Eine sehr hübsche Geschichte wird von Wiese mitgetheilt: "Ein Oberförster in Pommern
hat schon seit längerer Zeit einen gezähmten Uhu auf dem Hofe in einem dunkeln Verschlage. Jn
diesem Frühjahr läßt sich nun zur Paarungszeit auf dem Hofe der Oberförsterei, welche inmitten des
Kiefernwaldes ganz allein liegt, ein wilder Uhu hören. Der Oberförster setzt in den ersten Tagen des
Aprils den zahmen Uhu, an beiden Fängen gefesselt, aus. Der wilde Uhu, ein Männchen, gesellt sich
sehr bald zum zahmen, und was geschieht! er füttert den gefesselten regelmäßig in jeder Nacht, was
einmal aus den Ueberbleibseln, aus dem Gewölle ersichtlich und dann dadurch bewiesen ist, daß der
Uhu in beinahe vier Wochen vom Eigenthümer nicht gefüttert wurde. Näherte man sich bei Tage
dem zahmen Uhu, so ließ der wilde in dem gegenüber liegenden Kiefernbestande sofort sein "Uhu oder
Puhu" erschallen und verstummte erst dann, wenn man sich längere Zeit entfernt hatte." Jnnerhalb
vier Wochen lieferte der wilde Uhu drei Hasen, eine Wasserratte, unzählige andere Ratten und
Mäuse, eine Elster, zwei Drosseln, einen Wiedehopf, zwei Rebhühner, einen Kibitz, zwei Wasserhühner
und eine Wildente. Wiederholt ist beobachtet worden, daß alte Uhus, deren Junge man wegnahm
und in einen Bauer sperrte, diese vollends auffütterten. Graf Wodzicki erfuhr, daß ein junger
Uhu, welcher von einem Förster angefesselt worden war, zwei Monate lang von den Eltern ernährt
wurde. Als einige Wochen nach dem Anfesseln das frei gebliebene Junge flügge geworden war, half
auch dieses den Eltern in der Ernährung seines der Freiheit beraubten Bruders.

Lenz sagt, daß es niemals gelungen sei, den Uhu in der Gefangenschaft zur Fortpflanzung zu
bringen, mir sind jedoch mehrere Fälle bekannt, welche das Gegentheil beweisen. Einer der Jäger des
Grafen Schimmelmann in Ahrensburg hat viele Jahre lang ein Uhupaar gefangen gehalten und zu Anfang
der funfziger Jahre wiederholt Junge gezüchtet. Die Vögel wurden schon im Spätherbst aus ihrem
gewöhnlichen Bauer herausgenommen und in einen geräumigen Verschlag der Scheuer gebracht, dessen
eine Ecke zum Brutplatz vorgerichtet worden war. Jn der Regel wurden die Eier bereits um die
Weihnachtszeit gelegt. Mein Gewährsmann, für dessen Glaubwürdigkeit ich selbst jede Bürgschaft
übernehmen würde, beobachtete sowohl die brütenden Alten, wie später die erbrüteten Jungen, welche
von ihren Eltern mit größter Liebe bewacht und gegen jeden Eindringling auf das Muthigste verthei-
digt wurden. Dasselbe ist in der Schweiz und in Belgien geschehen.

Keine einzige unserer deutschen Eulen wird so allgemein gehaßt, wie der Uhu. Fast sämmtliche
Tagesvögel und sogar einige Eulen necken und foppen ihn, sobald sie seiner ansichtig werden. Die
Raubvögel lassen sich, wie schon berichtet, zur größten Unvorsichtigkeit hinreißen, wenn sie einen Uhu
erblicken, und die Raben schließen sich ihnen treulich an. Doch dürften der wehrhaften Eule, mit
Ausnahme des Menschen, der größeren Raubsäugethiere und der Adler, andere Gegner kaum gefähr-
lich werden. Sie versteht es, sich zu vertheidigen.

Jn der Gefangenschaft hält der Uhu bei geeigneter Pflege viele Jahre aus. Höchst selten wird
er wirklich zahm, gewöhnlich zeigt er sich auch gegen Den, welcher ihm tagtäglich sein Futter reicht, ebenso
ärgerlich und wüthend als gegen jeden Andern, welcher seinem Käfig sich nähert. Doch ist es immerhin
möglich, sehr jung aus dem Neste genommene Uhus, mit denen man sich viel beschäftigt, zu zähmen.
Der afrikanische Uhu, dessen Namen ich oben erwähnte, scheint sich leichter als der unsrige an den
Menschen anzuschließen. Jch habe ihn durch liebevolle Behandlung so weit gebracht, daß ich ihn auf
der Hand herumtragen, streicheln, am Schnabel fassen und sonst mit ihm verkehren durfte, ohne mich
irgend welcher Mißhandlung auszusetzen. Aber auch der unsrige ist der Freundschaft nicht völlig
unzugänglich. Bei meinem Freunde Meves in Stockholm sah ich erst vor wenig Tagen einen Uhu,
welcher sich nicht blos angreifen und streicheln läßt, sondern auch auf seinen Namen hört, antwortet
und herbeikommt, wenn er gerufen wird, ja, sogar freigelassen werden kann, weil er zwar kleine

Die Fänger. Raubvögel. Ohreulen.
Genießbare zuſammen geſucht und ſich ſehr gut dabei geſtanden habe. Bei Gefahr vertheidigen
die Uhueltern ihre Jungen auf das Muthvollſte; ſie greifen dann alle Raubthiere und auch die
Menſchen, welche ſich nahen, heftig an. Außerdem hat man beobachtet, daß die alten Uhus ihre
Jungen andern Horſten zutrugen, nachdem ſie gemerkt hatten, daß der erſte nicht hinlängliche Sicher-
heit bot. Eine ſehr hübſche Geſchichte wird von Wieſe mitgetheilt: „Ein Oberförſter in Pommern
hat ſchon ſeit längerer Zeit einen gezähmten Uhu auf dem Hofe in einem dunkeln Verſchlage. Jn
dieſem Frühjahr läßt ſich nun zur Paarungszeit auf dem Hofe der Oberförſterei, welche inmitten des
Kiefernwaldes ganz allein liegt, ein wilder Uhu hören. Der Oberförſter ſetzt in den erſten Tagen des
Aprils den zahmen Uhu, an beiden Fängen gefeſſelt, aus. Der wilde Uhu, ein Männchen, geſellt ſich
ſehr bald zum zahmen, und was geſchieht! er füttert den gefeſſelten regelmäßig in jeder Nacht, was
einmal aus den Ueberbleibſeln, aus dem Gewölle erſichtlich und dann dadurch bewieſen iſt, daß der
Uhu in beinahe vier Wochen vom Eigenthümer nicht gefüttert wurde. Näherte man ſich bei Tage
dem zahmen Uhu, ſo ließ der wilde in dem gegenüber liegenden Kiefernbeſtande ſofort ſein „Uhu oder
Puhu‟ erſchallen und verſtummte erſt dann, wenn man ſich längere Zeit entfernt hatte.‟ Jnnerhalb
vier Wochen lieferte der wilde Uhu drei Haſen, eine Waſſerratte, unzählige andere Ratten und
Mäuſe, eine Elſter, zwei Droſſeln, einen Wiedehopf, zwei Rebhühner, einen Kibitz, zwei Waſſerhühner
und eine Wildente. Wiederholt iſt beobachtet worden, daß alte Uhus, deren Junge man wegnahm
und in einen Bauer ſperrte, dieſe vollends auffütterten. Graf Wodzicki erfuhr, daß ein junger
Uhu, welcher von einem Förſter angefeſſelt worden war, zwei Monate lang von den Eltern ernährt
wurde. Als einige Wochen nach dem Anfeſſeln das frei gebliebene Junge flügge geworden war, half
auch dieſes den Eltern in der Ernährung ſeines der Freiheit beraubten Bruders.

Lenz ſagt, daß es niemals gelungen ſei, den Uhu in der Gefangenſchaft zur Fortpflanzung zu
bringen, mir ſind jedoch mehrere Fälle bekannt, welche das Gegentheil beweiſen. Einer der Jäger des
Grafen Schimmelmann in Ahrensburg hat viele Jahre lang ein Uhupaar gefangen gehalten und zu Anfang
der funfziger Jahre wiederholt Junge gezüchtet. Die Vögel wurden ſchon im Spätherbſt aus ihrem
gewöhnlichen Bauer herausgenommen und in einen geräumigen Verſchlag der Scheuer gebracht, deſſen
eine Ecke zum Brutplatz vorgerichtet worden war. Jn der Regel wurden die Eier bereits um die
Weihnachtszeit gelegt. Mein Gewährsmann, für deſſen Glaubwürdigkeit ich ſelbſt jede Bürgſchaft
übernehmen würde, beobachtete ſowohl die brütenden Alten, wie ſpäter die erbrüteten Jungen, welche
von ihren Eltern mit größter Liebe bewacht und gegen jeden Eindringling auf das Muthigſte verthei-
digt wurden. Daſſelbe iſt in der Schweiz und in Belgien geſchehen.

Keine einzige unſerer deutſchen Eulen wird ſo allgemein gehaßt, wie der Uhu. Faſt ſämmtliche
Tagesvögel und ſogar einige Eulen necken und foppen ihn, ſobald ſie ſeiner anſichtig werden. Die
Raubvögel laſſen ſich, wie ſchon berichtet, zur größten Unvorſichtigkeit hinreißen, wenn ſie einen Uhu
erblicken, und die Raben ſchließen ſich ihnen treulich an. Doch dürften der wehrhaften Eule, mit
Ausnahme des Menſchen, der größeren Raubſäugethiere und der Adler, andere Gegner kaum gefähr-
lich werden. Sie verſteht es, ſich zu vertheidigen.

Jn der Gefangenſchaft hält der Uhu bei geeigneter Pflege viele Jahre aus. Höchſt ſelten wird
er wirklich zahm, gewöhnlich zeigt er ſich auch gegen Den, welcher ihm tagtäglich ſein Futter reicht, ebenſo
ärgerlich und wüthend als gegen jeden Andern, welcher ſeinem Käfig ſich nähert. Doch iſt es immerhin
möglich, ſehr jung aus dem Neſte genommene Uhus, mit denen man ſich viel beſchäftigt, zu zähmen.
Der afrikaniſche Uhu, deſſen Namen ich oben erwähnte, ſcheint ſich leichter als der unſrige an den
Menſchen anzuſchließen. Jch habe ihn durch liebevolle Behandlung ſo weit gebracht, daß ich ihn auf
der Hand herumtragen, ſtreicheln, am Schnabel faſſen und ſonſt mit ihm verkehren durfte, ohne mich
irgend welcher Mißhandlung auszuſetzen. Aber auch der unſrige iſt der Freundſchaft nicht völlig
unzugänglich. Bei meinem Freunde Meves in Stockholm ſah ich erſt vor wenig Tagen einen Uhu,
welcher ſich nicht blos angreifen und ſtreicheln läßt, ſondern auch auf ſeinen Namen hört, antwortet
und herbeikommt, wenn er gerufen wird, ja, ſogar freigelaſſen werden kann, weil er zwar kleine

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[610/0646] Die Fänger. Raubvögel. Ohreulen. Genießbare zuſammen geſucht und ſich ſehr gut dabei geſtanden habe. Bei Gefahr vertheidigen die Uhueltern ihre Jungen auf das Muthvollſte; ſie greifen dann alle Raubthiere und auch die Menſchen, welche ſich nahen, heftig an. Außerdem hat man beobachtet, daß die alten Uhus ihre Jungen andern Horſten zutrugen, nachdem ſie gemerkt hatten, daß der erſte nicht hinlängliche Sicher- heit bot. Eine ſehr hübſche Geſchichte wird von Wieſe mitgetheilt: „Ein Oberförſter in Pommern hat ſchon ſeit längerer Zeit einen gezähmten Uhu auf dem Hofe in einem dunkeln Verſchlage. Jn dieſem Frühjahr läßt ſich nun zur Paarungszeit auf dem Hofe der Oberförſterei, welche inmitten des Kiefernwaldes ganz allein liegt, ein wilder Uhu hören. Der Oberförſter ſetzt in den erſten Tagen des Aprils den zahmen Uhu, an beiden Fängen gefeſſelt, aus. Der wilde Uhu, ein Männchen, geſellt ſich ſehr bald zum zahmen, und was geſchieht! er füttert den gefeſſelten regelmäßig in jeder Nacht, was einmal aus den Ueberbleibſeln, aus dem Gewölle erſichtlich und dann dadurch bewieſen iſt, daß der Uhu in beinahe vier Wochen vom Eigenthümer nicht gefüttert wurde. Näherte man ſich bei Tage dem zahmen Uhu, ſo ließ der wilde in dem gegenüber liegenden Kiefernbeſtande ſofort ſein „Uhu oder Puhu‟ erſchallen und verſtummte erſt dann, wenn man ſich längere Zeit entfernt hatte.‟ Jnnerhalb vier Wochen lieferte der wilde Uhu drei Haſen, eine Waſſerratte, unzählige andere Ratten und Mäuſe, eine Elſter, zwei Droſſeln, einen Wiedehopf, zwei Rebhühner, einen Kibitz, zwei Waſſerhühner und eine Wildente. Wiederholt iſt beobachtet worden, daß alte Uhus, deren Junge man wegnahm und in einen Bauer ſperrte, dieſe vollends auffütterten. Graf Wodzicki erfuhr, daß ein junger Uhu, welcher von einem Förſter angefeſſelt worden war, zwei Monate lang von den Eltern ernährt wurde. Als einige Wochen nach dem Anfeſſeln das frei gebliebene Junge flügge geworden war, half auch dieſes den Eltern in der Ernährung ſeines der Freiheit beraubten Bruders. Lenz ſagt, daß es niemals gelungen ſei, den Uhu in der Gefangenſchaft zur Fortpflanzung zu bringen, mir ſind jedoch mehrere Fälle bekannt, welche das Gegentheil beweiſen. Einer der Jäger des Grafen Schimmelmann in Ahrensburg hat viele Jahre lang ein Uhupaar gefangen gehalten und zu Anfang der funfziger Jahre wiederholt Junge gezüchtet. Die Vögel wurden ſchon im Spätherbſt aus ihrem gewöhnlichen Bauer herausgenommen und in einen geräumigen Verſchlag der Scheuer gebracht, deſſen eine Ecke zum Brutplatz vorgerichtet worden war. Jn der Regel wurden die Eier bereits um die Weihnachtszeit gelegt. Mein Gewährsmann, für deſſen Glaubwürdigkeit ich ſelbſt jede Bürgſchaft übernehmen würde, beobachtete ſowohl die brütenden Alten, wie ſpäter die erbrüteten Jungen, welche von ihren Eltern mit größter Liebe bewacht und gegen jeden Eindringling auf das Muthigſte verthei- digt wurden. Daſſelbe iſt in der Schweiz und in Belgien geſchehen. Keine einzige unſerer deutſchen Eulen wird ſo allgemein gehaßt, wie der Uhu. Faſt ſämmtliche Tagesvögel und ſogar einige Eulen necken und foppen ihn, ſobald ſie ſeiner anſichtig werden. Die Raubvögel laſſen ſich, wie ſchon berichtet, zur größten Unvorſichtigkeit hinreißen, wenn ſie einen Uhu erblicken, und die Raben ſchließen ſich ihnen treulich an. Doch dürften der wehrhaften Eule, mit Ausnahme des Menſchen, der größeren Raubſäugethiere und der Adler, andere Gegner kaum gefähr- lich werden. Sie verſteht es, ſich zu vertheidigen. Jn der Gefangenſchaft hält der Uhu bei geeigneter Pflege viele Jahre aus. Höchſt ſelten wird er wirklich zahm, gewöhnlich zeigt er ſich auch gegen Den, welcher ihm tagtäglich ſein Futter reicht, ebenſo ärgerlich und wüthend als gegen jeden Andern, welcher ſeinem Käfig ſich nähert. Doch iſt es immerhin möglich, ſehr jung aus dem Neſte genommene Uhus, mit denen man ſich viel beſchäftigt, zu zähmen. Der afrikaniſche Uhu, deſſen Namen ich oben erwähnte, ſcheint ſich leichter als der unſrige an den Menſchen anzuſchließen. Jch habe ihn durch liebevolle Behandlung ſo weit gebracht, daß ich ihn auf der Hand herumtragen, ſtreicheln, am Schnabel faſſen und ſonſt mit ihm verkehren durfte, ohne mich irgend welcher Mißhandlung auszuſetzen. Aber auch der unſrige iſt der Freundſchaft nicht völlig unzugänglich. Bei meinem Freunde Meves in Stockholm ſah ich erſt vor wenig Tagen einen Uhu, welcher ſich nicht blos angreifen und ſtreicheln läßt, ſondern auch auf ſeinen Namen hört, antwortet und herbeikommt, wenn er gerufen wird, ja, ſogar freigelaſſen werden kann, weil er zwar kleine

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/646>, abgerufen am 25.11.2024.