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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Uhu.
gern mit dem Menschen zu schaffen: er weiß, daß er in ihm seinen schlimmsten Feind und Gegner hat.
Nachts zeigt er sich immer vorsichtig, und auch bei Tage läßt er sich durchaus nicht mit der dummen
Gleichgiltigkeit unterlaufen, welche andere Eulen Angesichts des Jägers zu zeigen pflegen. Man
sieht bei Tage selten einen Uhu; die Färbung seines Federkleides stimmt vortrefflich mit der Farbe
einer Felsenwand und ebenso mit der Rinde eines Baumes überein, so daß es recht schwer hält, den
ruhig verharrenden Vogel wahrzunehmen. Doch geschieht es, daß irgend ein kleiner Singvogel seinen
bitter gehaßten Feind entdeckt, dieses Ereigniß durch lautes Schreien der ganzen Waldbevölkerung
[Abbildung] Der Uhu (Bubo maximus).
mittheilt, andere Schreier herbeizieht und so den armen Schächer verräth. Nachts sieht man da, wo
Uhus leben, den großen Vogel öfters, und im Frühjahr während der Zeit seiner Liebe macht er sich
durch sein auffallendes und weittönendes Schreien sehr bemerklich.

Sein Jagdleben beginnt erst, wenn die Nacht vollkommen hereingebrochen ist. Bei Tage sitzt er
regungslos in einer Felsenhöhle oder in einem Baumwipfel, gewöhnlich mit glatt angelegtem Gefieder
und etwas zurückgelegten Federohren, die Augen mehr oder minder, selten aber vollständig geschlossen,
einem Halbschlummer hingegeben. Das geringste Geräusch ist hinreichend, ihn zu ermuntern. Er
richtet dann seine Federbüsche auf, dreht den Kopf nach dieser oder jener Seite, bückt sich wohl

Uhu.
gern mit dem Menſchen zu ſchaffen: er weiß, daß er in ihm ſeinen ſchlimmſten Feind und Gegner hat.
Nachts zeigt er ſich immer vorſichtig, und auch bei Tage läßt er ſich durchaus nicht mit der dummen
Gleichgiltigkeit unterlaufen, welche andere Eulen Angeſichts des Jägers zu zeigen pflegen. Man
ſieht bei Tage ſelten einen Uhu; die Färbung ſeines Federkleides ſtimmt vortrefflich mit der Farbe
einer Felſenwand und ebenſo mit der Rinde eines Baumes überein, ſo daß es recht ſchwer hält, den
ruhig verharrenden Vogel wahrzunehmen. Doch geſchieht es, daß irgend ein kleiner Singvogel ſeinen
bitter gehaßten Feind entdeckt, dieſes Ereigniß durch lautes Schreien der ganzen Waldbevölkerung
[Abbildung] Der Uhu (Bubo maximus).
mittheilt, andere Schreier herbeizieht und ſo den armen Schächer verräth. Nachts ſieht man da, wo
Uhus leben, den großen Vogel öfters, und im Frühjahr während der Zeit ſeiner Liebe macht er ſich
durch ſein auffallendes und weittönendes Schreien ſehr bemerklich.

Sein Jagdleben beginnt erſt, wenn die Nacht vollkommen hereingebrochen iſt. Bei Tage ſitzt er
regungslos in einer Felſenhöhle oder in einem Baumwipfel, gewöhnlich mit glatt angelegtem Gefieder
und etwas zurückgelegten Federohren, die Augen mehr oder minder, ſelten aber vollſtändig geſchloſſen,
einem Halbſchlummer hingegeben. Das geringſte Geräuſch iſt hinreichend, ihn zu ermuntern. Er
richtet dann ſeine Federbüſche auf, dreht den Kopf nach dieſer oder jener Seite, bückt ſich wohl

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[607/0643] Uhu. gern mit dem Menſchen zu ſchaffen: er weiß, daß er in ihm ſeinen ſchlimmſten Feind und Gegner hat. Nachts zeigt er ſich immer vorſichtig, und auch bei Tage läßt er ſich durchaus nicht mit der dummen Gleichgiltigkeit unterlaufen, welche andere Eulen Angeſichts des Jägers zu zeigen pflegen. Man ſieht bei Tage ſelten einen Uhu; die Färbung ſeines Federkleides ſtimmt vortrefflich mit der Farbe einer Felſenwand und ebenſo mit der Rinde eines Baumes überein, ſo daß es recht ſchwer hält, den ruhig verharrenden Vogel wahrzunehmen. Doch geſchieht es, daß irgend ein kleiner Singvogel ſeinen bitter gehaßten Feind entdeckt, dieſes Ereigniß durch lautes Schreien der ganzen Waldbevölkerung [Abbildung Der Uhu (Bubo maximus).] mittheilt, andere Schreier herbeizieht und ſo den armen Schächer verräth. Nachts ſieht man da, wo Uhus leben, den großen Vogel öfters, und im Frühjahr während der Zeit ſeiner Liebe macht er ſich durch ſein auffallendes und weittönendes Schreien ſehr bemerklich. Sein Jagdleben beginnt erſt, wenn die Nacht vollkommen hereingebrochen iſt. Bei Tage ſitzt er regungslos in einer Felſenhöhle oder in einem Baumwipfel, gewöhnlich mit glatt angelegtem Gefieder und etwas zurückgelegten Federohren, die Augen mehr oder minder, ſelten aber vollſtändig geſchloſſen, einem Halbſchlummer hingegeben. Das geringſte Geräuſch iſt hinreichend, ihn zu ermuntern. Er richtet dann ſeine Federbüſche auf, dreht den Kopf nach dieſer oder jener Seite, bückt ſich wohl

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/643>, abgerufen am 22.11.2024.