Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwergeule.
und fraß die ihr vorgelegte Nahrung, Mäuse und Sperlinge; den letzteren rupfte sie alle großen
Federn aus, zerstückelte sie, wie die Mäuse, vom Kopfe anfangend und verschlang ein Stück nach
dem andern. Die Nacht über war sie wieder ruhig, wenigstens wenn sie zu fressen bekommen hatte;
gegen Morgen aber, ehe noch die Dämmerung anbrach, begann ihr Geschrei von neuem und so
stark, daß mein Freund durchaus nicht länger schlafen konnte. So war dieser Vogel sein
Wecker, der nie fehlging und Herrn Purgold nie einen Pirschgang oder eine Auerhahnsjagd ver-
säumen ließ."

"Diese Zwergeule sowohl, wie die meinige, gab die Haare, Federn und Knochen in Gewöllen
wieder von sich."

Gadamer hielt ebenfalls eine Zwergeule im Käfig. "Sie ist", sagt er, "ein unruhiger
Vogel und verleugnet darin gar sehr die Eulennatur; denn einen ganzen Tag hindurch ist sie in
Bewegung, nach Art der Papageien mit Hilfe des Schnabels und der Füße im Gebauer herum-
kletternd. Sie wird sehr zahm und nimmt kleine geschossene Vögel aus der Hand und verschmaust
sie, auch wenn man bei ihr steht. Sieht sie Hunde oder Katzen, so sträubt sie die Federn, und dann
zeigen sich auch kleine Federröhren oder Erhöhungen über den Augen."



Eine zweite wohl abgegrenzte Gruppe der Eulen zeichnet sich hauptsächlich aus durch einen
Büschel aufrecht stehender Federn über jedem Ohre, welche Hörnern ähneln. Die hierher
gehörigen Arten, welche man Ohreulen oder Uhus (Bubones) nennt, sind hinsichtlich der
Größe sehr verschieden. Es gibt ebensowohl Riesen als Zwerge unter ihnen. Der Kopf ist
gewöhnlich groß; die Flügel sind mittellang, aber stumpf; der Schwanz ist kurz, am Ende fast
gerade abgeschnitten; die Füße sind mittelhoch und ziemlich dicht befiedert. Das Federkleid ist
sehr reich und locker; die einzelnen Federn sind groß, lang und breit. Der Schnabel ist stark
bauchig und mittelmäßig gekrümmt; die Nägel sind sehr groß und bogig. Unter den Sinneswerk-
zeugen steht das Auge obenan; es fällt wegen seiner Größe und Plattheit, in der Regel auch wegen
seiner lebhaft goldgelben Farbe auf. Die Ohrbüschel dagegen sind nur mittelgroß und der Gesichts-
schleier dementsprechend wenig ausgebildet.

Namentlich die Nordhälfte der Erde beherbergt Ohreulen; doch fehlen sie auch der südlichen nicht
gänzlich: zumal in Südafrika kommen mehrere Arten vor. Viele von ihnen verbreiten sich über
große Länderstrecken oder werden innerhalb gewisser Kreise durch andere vertreten, welche man vielleicht
nur als Spielarten aufzufassen hat. Die meisten sind Standvögel, welche jahraus, jahrein in der
Heimat verweilen, andere hingegen wandern und einzelne von ihnen in so großartiger Weise, daß sie
fast in der ganzen Welt vorkommen. Alle Arten sind Nachtthiere. Sie ruhen bei Tage wohlver-
borgen in dichtem Geäst der Bäume, möglichst nahe an den Stamm gedrückt und in einer Stellung,
welche noch besonders geeignet ist, sie zu verbergen, oder sie verstecken sich in Felshöhlungen, im hohen
Grase, Getreide u. s. w. Das Tageslicht scheint ihren scharfen Augen sehr beschwerlich zu werden;
doch sind sie, so lange die Sonne am Himmel steht, keineswegs unfähig zu sehen, wie so oft behauptet
worden ist, wissen sich vielmehr bei Gefahr auch am hellen Tage sehr gut zu benehmen. Jhr eigent-
liches Leben aber beginnt erst nach Sonnenuntergang und endet mit dem Wiederaufgang des Tages-
gestirns. Die großen Arten leben ungesellig, die kleinen außer der Paarzeit gern in Trupps, welche
zuweilen eine ziemlich große Stärke annehmen können. Solche Gesellschaften lösen sich auch während
der Winterreise nicht auf: ich habe gewisse Ohreulen truppweise in den Urwaldungen des innern
Afrikas beobachtet. Ueberhaupt sind diese Vögel gegen andere derselben Art, mindestens gegen ihren
Gatten sehr zärtlich: man kennt selbst von der raubgierigsten aller Ohreulen wahrhaft rührende
Beispiele einer großen Anhänglichkeit. Doch stehen in geistiger Hinsicht sämmtliche Arten hinter den

Zwergeule.
und fraß die ihr vorgelegte Nahrung, Mäuſe und Sperlinge; den letzteren rupfte ſie alle großen
Federn aus, zerſtückelte ſie, wie die Mäuſe, vom Kopfe anfangend und verſchlang ein Stück nach
dem andern. Die Nacht über war ſie wieder ruhig, wenigſtens wenn ſie zu freſſen bekommen hatte;
gegen Morgen aber, ehe noch die Dämmerung anbrach, begann ihr Geſchrei von neuem und ſo
ſtark, daß mein Freund durchaus nicht länger ſchlafen konnte. So war dieſer Vogel ſein
Wecker, der nie fehlging und Herrn Purgold nie einen Pirſchgang oder eine Auerhahnsjagd ver-
ſäumen ließ.‟

„Dieſe Zwergeule ſowohl, wie die meinige, gab die Haare, Federn und Knochen in Gewöllen
wieder von ſich.‟

Gadamer hielt ebenfalls eine Zwergeule im Käfig. „Sie iſt‟, ſagt er, „ein unruhiger
Vogel und verleugnet darin gar ſehr die Eulennatur; denn einen ganzen Tag hindurch iſt ſie in
Bewegung, nach Art der Papageien mit Hilfe des Schnabels und der Füße im Gebauer herum-
kletternd. Sie wird ſehr zahm und nimmt kleine geſchoſſene Vögel aus der Hand und verſchmauſt
ſie, auch wenn man bei ihr ſteht. Sieht ſie Hunde oder Katzen, ſo ſträubt ſie die Federn, und dann
zeigen ſich auch kleine Federröhren oder Erhöhungen über den Augen.‟



Eine zweite wohl abgegrenzte Gruppe der Eulen zeichnet ſich hauptſächlich aus durch einen
Büſchel aufrecht ſtehender Federn über jedem Ohre, welche Hörnern ähneln. Die hierher
gehörigen Arten, welche man Ohreulen oder Uhus (Bubones) nennt, ſind hinſichtlich der
Größe ſehr verſchieden. Es gibt ebenſowohl Rieſen als Zwerge unter ihnen. Der Kopf iſt
gewöhnlich groß; die Flügel ſind mittellang, aber ſtumpf; der Schwanz iſt kurz, am Ende faſt
gerade abgeſchnitten; die Füße ſind mittelhoch und ziemlich dicht befiedert. Das Federkleid iſt
ſehr reich und locker; die einzelnen Federn ſind groß, lang und breit. Der Schnabel iſt ſtark
bauchig und mittelmäßig gekrümmt; die Nägel ſind ſehr groß und bogig. Unter den Sinneswerk-
zeugen ſteht das Auge obenan; es fällt wegen ſeiner Größe und Plattheit, in der Regel auch wegen
ſeiner lebhaft goldgelben Farbe auf. Die Ohrbüſchel dagegen ſind nur mittelgroß und der Geſichts-
ſchleier dementſprechend wenig ausgebildet.

Namentlich die Nordhälfte der Erde beherbergt Ohreulen; doch fehlen ſie auch der ſüdlichen nicht
gänzlich: zumal in Südafrika kommen mehrere Arten vor. Viele von ihnen verbreiten ſich über
große Länderſtrecken oder werden innerhalb gewiſſer Kreiſe durch andere vertreten, welche man vielleicht
nur als Spielarten aufzufaſſen hat. Die meiſten ſind Standvögel, welche jahraus, jahrein in der
Heimat verweilen, andere hingegen wandern und einzelne von ihnen in ſo großartiger Weiſe, daß ſie
faſt in der ganzen Welt vorkommen. Alle Arten ſind Nachtthiere. Sie ruhen bei Tage wohlver-
borgen in dichtem Geäſt der Bäume, möglichſt nahe an den Stamm gedrückt und in einer Stellung,
welche noch beſonders geeignet iſt, ſie zu verbergen, oder ſie verſtecken ſich in Felshöhlungen, im hohen
Graſe, Getreide u. ſ. w. Das Tageslicht ſcheint ihren ſcharfen Augen ſehr beſchwerlich zu werden;
doch ſind ſie, ſo lange die Sonne am Himmel ſteht, keineswegs unfähig zu ſehen, wie ſo oft behauptet
worden iſt, wiſſen ſich vielmehr bei Gefahr auch am hellen Tage ſehr gut zu benehmen. Jhr eigent-
liches Leben aber beginnt erſt nach Sonnenuntergang und endet mit dem Wiederaufgang des Tages-
geſtirns. Die großen Arten leben ungeſellig, die kleinen außer der Paarzeit gern in Trupps, welche
zuweilen eine ziemlich große Stärke annehmen können. Solche Geſellſchaften löſen ſich auch während
der Winterreiſe nicht auf: ich habe gewiſſe Ohreulen truppweiſe in den Urwaldungen des innern
Afrikas beobachtet. Ueberhaupt ſind dieſe Vögel gegen andere derſelben Art, mindeſtens gegen ihren
Gatten ſehr zärtlich: man kennt ſelbſt von der raubgierigſten aller Ohreulen wahrhaft rührende
Beiſpiele einer großen Anhänglichkeit. Doch ſtehen in geiſtiger Hinſicht ſämmtliche Arten hinter den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0639" n="605"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zwergeule.</hi></fw><lb/>
und fraß die ihr vorgelegte Nahrung, Mäu&#x017F;e und Sperlinge; den letzteren rupfte &#x017F;ie alle großen<lb/>
Federn aus, zer&#x017F;tückelte &#x017F;ie, wie die Mäu&#x017F;e, vom Kopfe anfangend und ver&#x017F;chlang ein Stück nach<lb/>
dem andern. Die Nacht über war &#x017F;ie wieder ruhig, wenig&#x017F;tens wenn &#x017F;ie zu fre&#x017F;&#x017F;en bekommen hatte;<lb/>
gegen Morgen aber, ehe noch die Dämmerung anbrach, begann ihr Ge&#x017F;chrei von neuem und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tark, daß mein Freund durchaus nicht länger &#x017F;chlafen konnte. So war die&#x017F;er Vogel &#x017F;ein<lb/>
Wecker, der nie fehlging und Herrn <hi rendition="#g">Purgold</hi> nie einen Pir&#x017F;chgang oder eine Auerhahnsjagd ver-<lb/>
&#x017F;äumen ließ.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die&#x017F;e Zwergeule &#x017F;owohl, wie die meinige, gab die Haare, Federn und Knochen in Gewöllen<lb/>
wieder von &#x017F;ich.&#x201F;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Gadamer</hi> hielt ebenfalls eine Zwergeule im Käfig. &#x201E;Sie i&#x017F;t&#x201F;, &#x017F;agt er, &#x201E;ein unruhiger<lb/>
Vogel und verleugnet darin gar &#x017F;ehr die Eulennatur; denn einen ganzen Tag hindurch i&#x017F;t &#x017F;ie in<lb/>
Bewegung, nach Art der <hi rendition="#g">Papageien</hi> mit Hilfe des Schnabels und der Füße im Gebauer herum-<lb/>
kletternd. Sie wird &#x017F;ehr zahm und nimmt kleine ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;ene Vögel aus der Hand und ver&#x017F;chmau&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie, auch wenn man bei ihr &#x017F;teht. Sieht &#x017F;ie Hunde oder Katzen, &#x017F;o &#x017F;träubt &#x017F;ie die Federn, und dann<lb/>
zeigen &#x017F;ich auch kleine Federröhren oder Erhöhungen über den Augen.&#x201F;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Eine zweite wohl abgegrenzte Gruppe der Eulen zeichnet &#x017F;ich haupt&#x017F;ächlich aus durch einen<lb/>&#x017F;chel aufrecht &#x017F;tehender Federn über jedem Ohre, welche Hörnern ähneln. Die hierher<lb/>
gehörigen Arten, welche man <hi rendition="#g">Ohreulen</hi> oder <hi rendition="#g">Uhus</hi> (<hi rendition="#aq">Bubones</hi>) nennt, &#x017F;ind hin&#x017F;ichtlich der<lb/>
Größe &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden. Es gibt eben&#x017F;owohl Rie&#x017F;en als Zwerge unter ihnen. Der Kopf i&#x017F;t<lb/>
gewöhnlich groß; die Flügel &#x017F;ind mittellang, aber &#x017F;tumpf; der Schwanz i&#x017F;t kurz, am Ende fa&#x017F;t<lb/>
gerade abge&#x017F;chnitten; die Füße &#x017F;ind mittelhoch und ziemlich dicht befiedert. Das Federkleid i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr reich und locker; die einzelnen Federn &#x017F;ind groß, lang und breit. Der Schnabel i&#x017F;t &#x017F;tark<lb/>
bauchig und mittelmäßig gekrümmt; die Nägel &#x017F;ind &#x017F;ehr groß und bogig. Unter den Sinneswerk-<lb/>
zeugen &#x017F;teht das Auge obenan; es fällt wegen &#x017F;einer Größe und Plattheit, in der Regel auch wegen<lb/>
&#x017F;einer lebhaft goldgelben Farbe auf. Die Ohrbü&#x017F;chel dagegen &#x017F;ind nur mittelgroß und der Ge&#x017F;ichts-<lb/>
&#x017F;chleier dement&#x017F;prechend wenig ausgebildet.</p><lb/>
          <p>Namentlich die Nordhälfte der Erde beherbergt Ohreulen; doch fehlen &#x017F;ie auch der &#x017F;üdlichen nicht<lb/>
gänzlich: zumal in Südafrika kommen mehrere Arten vor. Viele von ihnen verbreiten &#x017F;ich über<lb/>
große Länder&#x017F;trecken oder werden innerhalb gewi&#x017F;&#x017F;er Krei&#x017F;e durch andere vertreten, welche man vielleicht<lb/>
nur als Spielarten aufzufa&#x017F;&#x017F;en hat. Die mei&#x017F;ten &#x017F;ind Standvögel, welche jahraus, jahrein in der<lb/>
Heimat verweilen, andere hingegen wandern und einzelne von ihnen in &#x017F;o großartiger Wei&#x017F;e, daß &#x017F;ie<lb/>
fa&#x017F;t in der ganzen Welt vorkommen. Alle Arten &#x017F;ind Nachtthiere. Sie ruhen bei Tage wohlver-<lb/>
borgen in dichtem Geä&#x017F;t der Bäume, möglich&#x017F;t nahe an den Stamm gedrückt und in einer Stellung,<lb/>
welche noch be&#x017F;onders geeignet i&#x017F;t, &#x017F;ie zu verbergen, oder &#x017F;ie ver&#x017F;tecken &#x017F;ich in Felshöhlungen, im hohen<lb/>
Gra&#x017F;e, Getreide u. &#x017F;. w. Das Tageslicht &#x017F;cheint ihren &#x017F;charfen Augen &#x017F;ehr be&#x017F;chwerlich zu werden;<lb/>
doch &#x017F;ind &#x017F;ie, &#x017F;o lange die Sonne am Himmel &#x017F;teht, keineswegs unfähig zu &#x017F;ehen, wie &#x017F;o oft behauptet<lb/>
worden i&#x017F;t, wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich vielmehr bei Gefahr auch am hellen Tage &#x017F;ehr gut zu benehmen. Jhr eigent-<lb/>
liches Leben aber beginnt er&#x017F;t nach Sonnenuntergang und endet mit dem Wiederaufgang des Tages-<lb/>
ge&#x017F;tirns. Die großen Arten leben unge&#x017F;ellig, die kleinen außer der Paarzeit gern in Trupps, welche<lb/>
zuweilen eine ziemlich große Stärke annehmen können. Solche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften lö&#x017F;en &#x017F;ich auch während<lb/>
der Winterrei&#x017F;e nicht auf: ich habe gewi&#x017F;&#x017F;e Ohreulen truppwei&#x017F;e in den Urwaldungen des innern<lb/>
Afrikas beobachtet. Ueberhaupt &#x017F;ind die&#x017F;e Vögel gegen andere der&#x017F;elben Art, minde&#x017F;tens gegen ihren<lb/>
Gatten &#x017F;ehr zärtlich: man kennt &#x017F;elb&#x017F;t von der raubgierig&#x017F;ten aller Ohreulen wahrhaft rührende<lb/>
Bei&#x017F;piele einer großen Anhänglichkeit. Doch &#x017F;tehen in gei&#x017F;tiger Hin&#x017F;icht &#x017F;ämmtliche Arten hinter den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[605/0639] Zwergeule. und fraß die ihr vorgelegte Nahrung, Mäuſe und Sperlinge; den letzteren rupfte ſie alle großen Federn aus, zerſtückelte ſie, wie die Mäuſe, vom Kopfe anfangend und verſchlang ein Stück nach dem andern. Die Nacht über war ſie wieder ruhig, wenigſtens wenn ſie zu freſſen bekommen hatte; gegen Morgen aber, ehe noch die Dämmerung anbrach, begann ihr Geſchrei von neuem und ſo ſtark, daß mein Freund durchaus nicht länger ſchlafen konnte. So war dieſer Vogel ſein Wecker, der nie fehlging und Herrn Purgold nie einen Pirſchgang oder eine Auerhahnsjagd ver- ſäumen ließ.‟ „Dieſe Zwergeule ſowohl, wie die meinige, gab die Haare, Federn und Knochen in Gewöllen wieder von ſich.‟ Gadamer hielt ebenfalls eine Zwergeule im Käfig. „Sie iſt‟, ſagt er, „ein unruhiger Vogel und verleugnet darin gar ſehr die Eulennatur; denn einen ganzen Tag hindurch iſt ſie in Bewegung, nach Art der Papageien mit Hilfe des Schnabels und der Füße im Gebauer herum- kletternd. Sie wird ſehr zahm und nimmt kleine geſchoſſene Vögel aus der Hand und verſchmauſt ſie, auch wenn man bei ihr ſteht. Sieht ſie Hunde oder Katzen, ſo ſträubt ſie die Federn, und dann zeigen ſich auch kleine Federröhren oder Erhöhungen über den Augen.‟ Eine zweite wohl abgegrenzte Gruppe der Eulen zeichnet ſich hauptſächlich aus durch einen Büſchel aufrecht ſtehender Federn über jedem Ohre, welche Hörnern ähneln. Die hierher gehörigen Arten, welche man Ohreulen oder Uhus (Bubones) nennt, ſind hinſichtlich der Größe ſehr verſchieden. Es gibt ebenſowohl Rieſen als Zwerge unter ihnen. Der Kopf iſt gewöhnlich groß; die Flügel ſind mittellang, aber ſtumpf; der Schwanz iſt kurz, am Ende faſt gerade abgeſchnitten; die Füße ſind mittelhoch und ziemlich dicht befiedert. Das Federkleid iſt ſehr reich und locker; die einzelnen Federn ſind groß, lang und breit. Der Schnabel iſt ſtark bauchig und mittelmäßig gekrümmt; die Nägel ſind ſehr groß und bogig. Unter den Sinneswerk- zeugen ſteht das Auge obenan; es fällt wegen ſeiner Größe und Plattheit, in der Regel auch wegen ſeiner lebhaft goldgelben Farbe auf. Die Ohrbüſchel dagegen ſind nur mittelgroß und der Geſichts- ſchleier dementſprechend wenig ausgebildet. Namentlich die Nordhälfte der Erde beherbergt Ohreulen; doch fehlen ſie auch der ſüdlichen nicht gänzlich: zumal in Südafrika kommen mehrere Arten vor. Viele von ihnen verbreiten ſich über große Länderſtrecken oder werden innerhalb gewiſſer Kreiſe durch andere vertreten, welche man vielleicht nur als Spielarten aufzufaſſen hat. Die meiſten ſind Standvögel, welche jahraus, jahrein in der Heimat verweilen, andere hingegen wandern und einzelne von ihnen in ſo großartiger Weiſe, daß ſie faſt in der ganzen Welt vorkommen. Alle Arten ſind Nachtthiere. Sie ruhen bei Tage wohlver- borgen in dichtem Geäſt der Bäume, möglichſt nahe an den Stamm gedrückt und in einer Stellung, welche noch beſonders geeignet iſt, ſie zu verbergen, oder ſie verſtecken ſich in Felshöhlungen, im hohen Graſe, Getreide u. ſ. w. Das Tageslicht ſcheint ihren ſcharfen Augen ſehr beſchwerlich zu werden; doch ſind ſie, ſo lange die Sonne am Himmel ſteht, keineswegs unfähig zu ſehen, wie ſo oft behauptet worden iſt, wiſſen ſich vielmehr bei Gefahr auch am hellen Tage ſehr gut zu benehmen. Jhr eigent- liches Leben aber beginnt erſt nach Sonnenuntergang und endet mit dem Wiederaufgang des Tages- geſtirns. Die großen Arten leben ungeſellig, die kleinen außer der Paarzeit gern in Trupps, welche zuweilen eine ziemlich große Stärke annehmen können. Solche Geſellſchaften löſen ſich auch während der Winterreiſe nicht auf: ich habe gewiſſe Ohreulen truppweiſe in den Urwaldungen des innern Afrikas beobachtet. Ueberhaupt ſind dieſe Vögel gegen andere derſelben Art, mindeſtens gegen ihren Gatten ſehr zärtlich: man kennt ſelbſt von der raubgierigſten aller Ohreulen wahrhaft rührende Beiſpiele einer großen Anhänglichkeit. Doch ſtehen in geiſtiger Hinſicht ſämmtliche Arten hinter den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/639
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/639>, abgerufen am 22.07.2024.