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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Tageulen.
die Schneeeule sieben, acht bis zehn Stück lege. Die Eier sind länglich, schmuzigweiß von Farbe und
ungefleckt. Der Horst ist höchst einfach, -- eine seichte Vertiefung auf der Erde, welche mit etwas
trockenem Gras und einigen vom Brutvogel selbst herrührenden Federn ausgefüttert ist. Beide
Eltern lieben ihre Brut sehr. Das Weibchen sitzt fest auf den Eiern und läßt den Menschen, welchem
es sonst immer vorsichtig ausweicht, sehr nahe herankommen, nimmt auch wohl zu Verstellungskünsten
seine Zuflucht, indem es sich auf den Boden wirft, als wäre es flügellahm geschossen und hier eine Zeit
lang wie todt mit ausgebreiteten Flügeln liegen bleibt, unzweifelhaft in der Absicht, den Feind vom
Neste wegzulocken und seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Jm August findet man flügge Junge,
gewöhnlich noch in Gesellschaft der Eltern.

Schneeeulen im Käfig gehören zu den größten Seltenheiten. Sie werden zuweilen erlangt,
halten sich aber selten längere Zeit. Jch habe mir die größte Mühe gegeben, einer von ihnen
alle denkbaren Bedürfnisse zu verschaffen, bin aber auch nicht von Erfolg begünstigt worden. Eines
Morgens fand ich meine Gefangene todt im Käfig. Sie war wohl beleibt und innerlich vollkom-
men gesund. Eine einzige von den Gefangenen, welche ich sah, die prächtige Schneeeule des dresdener
Thiergartens, hat länger ausgehalten: sie lebt bereits vier Jahre im Käfig. Jm Vergleich zu andern
Verwandten ist die Schneeeule ein munterer und auch bei Tage lebendiger Vogel, welcher gern im Käfig
auf- und niederfliegt und den Blick des Beschauers erträgt, ohne sich darüber sonderlich zu erbosen.
Reizt man sie freilich, dann wird auch sie sehr ärgerlich und knackt und faucht ebenso wüthend, wie
andere ihrer Zunft. Jch habe nicht versucht, unsere Gefangene mit andern Vögeln zusammenzu-
bringen; ein Liebhaber aber soll sie mit Adlern zusammengesperrt und bemerkt haben, daß sich
diese natürlichen Feinde wohl vertrugen.



"Minerven's Vogel war ein Kanz" und zwar der Steinkauz, wenn auch nicht gerade der
bei uns lebende, sondern nur einer der vielen Verwandten dieses Vogels, einer der ihm am nächsten
stehenden, welcher in Griechenland ungemein häufig gefunden wird. Die Steinkäuze (Athene) sind
kleine Eulen mit mittelgroßem Kopfe, kurzen, gerundeten Flügeln, welche höchstens das zweite Drittel
des ebenfalls kurzen, am Ende gerade abgeschnittenen Schwanzes erreichen und in denen die dritte
Schwinge die längste ist, ziemlich hohen Beinen, mit starken und kräftig bewehrten Zehen und kurzem,
seitlich zusammengedrückten, von der Wurzel an stark gekrümmten Schnabel mit mäßig langem Haken
und zahnlosen Kieferrändern. Die Ohröffnung ist klein, der Schleier deshalb undeutlicher, wenn auch
bemerklicher, als bei andern Tageulen. Das Gefieder liegt ziemlich knapp an und bekleidet namentlich
die Beine sparsam, die Zehen sogar nur mit haarartigen Gebilden.

Unser Steinkauz, der liebenswürdige und doch so verschrieene Vogel (Athene noctua) heißt
auch Sperlings- oder Lerchenkauz, Stock-, Stein-, Haus-, Scheunenkauz, Leichen-
und Todteneule oder Vogel, Leichenhühnchen, Wehklage und Klagemutter, gibt sich
also als ein im lieben deutschen Vaterlande sehr bekannter Vogel zu erkennen. Seine Länge
beträgt 81/4 Zoll, die Breite 20 Zoll; der Fittig mißt 51/2, der Schwanz 31/4 Zoll. Das Weibchen
ist um 1/4 Zoll länger und um 1 Zoll breiter. Der Oberkörper ist tief mäusegraubraun, unregel-
mäßig weiß gefleckt; das Gesicht ist grauweiß, der Unterkörper weißlich, bis gegen den After hin braun
in die Länge gefleckt; die Schwung- und Schwanzfedern sind rostgelblich, weiß gefleckt, wodurch im
Schwanze fünf undeutliche Binden entstehen. Der Schnabel ist grünlichgelb, der Fuß gelblichgrau,
das Auge schwefelgelb. Junge Vögel sind dunkler, als die alten.

Von Südschweden an verbreitet sich der Kauz über ganz Mitteleuropa und einen großen Theil
Asiens bis nach Ostsibirien hin. Jm Süden aber wird er durch verwandte Arten ersetzt, so in
Griechenland durch den eigentlichen Kauz der Minerva (Athene indigena), in Spanien wieder durch
einen andern und in Egypten oder Nordafrika überhaupt durch einen dritten. Bei uns zu Lande
gehört er nicht zu den Seltenheiten. Da, wo Obstgärten mit alten Bäumen Dörfer umgeben, findet

Die Fänger. Raubvögel. Tageulen.
die Schneeeule ſieben, acht bis zehn Stück lege. Die Eier ſind länglich, ſchmuzigweiß von Farbe und
ungefleckt. Der Horſt iſt höchſt einfach, — eine ſeichte Vertiefung auf der Erde, welche mit etwas
trockenem Gras und einigen vom Brutvogel ſelbſt herrührenden Federn ausgefüttert iſt. Beide
Eltern lieben ihre Brut ſehr. Das Weibchen ſitzt feſt auf den Eiern und läßt den Menſchen, welchem
es ſonſt immer vorſichtig ausweicht, ſehr nahe herankommen, nimmt auch wohl zu Verſtellungskünſten
ſeine Zuflucht, indem es ſich auf den Boden wirft, als wäre es flügellahm geſchoſſen und hier eine Zeit
lang wie todt mit ausgebreiteten Flügeln liegen bleibt, unzweifelhaft in der Abſicht, den Feind vom
Neſte wegzulocken und ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich zu lenken. Jm Auguſt findet man flügge Junge,
gewöhnlich noch in Geſellſchaft der Eltern.

Schneeeulen im Käfig gehören zu den größten Seltenheiten. Sie werden zuweilen erlangt,
halten ſich aber ſelten längere Zeit. Jch habe mir die größte Mühe gegeben, einer von ihnen
alle denkbaren Bedürfniſſe zu verſchaffen, bin aber auch nicht von Erfolg begünſtigt worden. Eines
Morgens fand ich meine Gefangene todt im Käfig. Sie war wohl beleibt und innerlich vollkom-
men geſund. Eine einzige von den Gefangenen, welche ich ſah, die prächtige Schneeeule des dresdener
Thiergartens, hat länger ausgehalten: ſie lebt bereits vier Jahre im Käfig. Jm Vergleich zu andern
Verwandten iſt die Schneeeule ein munterer und auch bei Tage lebendiger Vogel, welcher gern im Käfig
auf- und niederfliegt und den Blick des Beſchauers erträgt, ohne ſich darüber ſonderlich zu erboſen.
Reizt man ſie freilich, dann wird auch ſie ſehr ärgerlich und knackt und faucht ebenſo wüthend, wie
andere ihrer Zunft. Jch habe nicht verſucht, unſere Gefangene mit andern Vögeln zuſammenzu-
bringen; ein Liebhaber aber ſoll ſie mit Adlern zuſammengeſperrt und bemerkt haben, daß ſich
dieſe natürlichen Feinde wohl vertrugen.



„Minerven’s Vogel war ein Kanz‟ und zwar der Steinkauz, wenn auch nicht gerade der
bei uns lebende, ſondern nur einer der vielen Verwandten dieſes Vogels, einer der ihm am nächſten
ſtehenden, welcher in Griechenland ungemein häufig gefunden wird. Die Steinkäuze (Athene) ſind
kleine Eulen mit mittelgroßem Kopfe, kurzen, gerundeten Flügeln, welche höchſtens das zweite Drittel
des ebenfalls kurzen, am Ende gerade abgeſchnittenen Schwanzes erreichen und in denen die dritte
Schwinge die längſte iſt, ziemlich hohen Beinen, mit ſtarken und kräftig bewehrten Zehen und kurzem,
ſeitlich zuſammengedrückten, von der Wurzel an ſtark gekrümmten Schnabel mit mäßig langem Haken
und zahnloſen Kieferrändern. Die Ohröffnung iſt klein, der Schleier deshalb undeutlicher, wenn auch
bemerklicher, als bei andern Tageulen. Das Gefieder liegt ziemlich knapp an und bekleidet namentlich
die Beine ſparſam, die Zehen ſogar nur mit haarartigen Gebilden.

Unſer Steinkauz, der liebenswürdige und doch ſo verſchrieene Vogel (Athene noctua) heißt
auch Sperlings- oder Lerchenkauz, Stock-, Stein-, Haus-, Scheunenkauz, Leichen-
und Todteneule oder Vogel, Leichenhühnchen, Wehklage und Klagemutter, gibt ſich
alſo als ein im lieben deutſchen Vaterlande ſehr bekannter Vogel zu erkennen. Seine Länge
beträgt 8¼ Zoll, die Breite 20 Zoll; der Fittig mißt 5½, der Schwanz 3¼ Zoll. Das Weibchen
iſt um ¼ Zoll länger und um 1 Zoll breiter. Der Oberkörper iſt tief mäuſegraubraun, unregel-
mäßig weiß gefleckt; das Geſicht iſt grauweiß, der Unterkörper weißlich, bis gegen den After hin braun
in die Länge gefleckt; die Schwung- und Schwanzfedern ſind roſtgelblich, weiß gefleckt, wodurch im
Schwanze fünf undeutliche Binden entſtehen. Der Schnabel iſt grünlichgelb, der Fuß gelblichgrau,
das Auge ſchwefelgelb. Junge Vögel ſind dunkler, als die alten.

Von Südſchweden an verbreitet ſich der Kauz über ganz Mitteleuropa und einen großen Theil
Aſiens bis nach Oſtſibirien hin. Jm Süden aber wird er durch verwandte Arten erſetzt, ſo in
Griechenland durch den eigentlichen Kauz der Minerva (Athene indigena), in Spanien wieder durch
einen andern und in Egypten oder Nordafrika überhaupt durch einen dritten. Bei uns zu Lande
gehört er nicht zu den Seltenheiten. Da, wo Obſtgärten mit alten Bäumen Dörfer umgeben, findet

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[598/0632] Die Fänger. Raubvögel. Tageulen. die Schneeeule ſieben, acht bis zehn Stück lege. Die Eier ſind länglich, ſchmuzigweiß von Farbe und ungefleckt. Der Horſt iſt höchſt einfach, — eine ſeichte Vertiefung auf der Erde, welche mit etwas trockenem Gras und einigen vom Brutvogel ſelbſt herrührenden Federn ausgefüttert iſt. Beide Eltern lieben ihre Brut ſehr. Das Weibchen ſitzt feſt auf den Eiern und läßt den Menſchen, welchem es ſonſt immer vorſichtig ausweicht, ſehr nahe herankommen, nimmt auch wohl zu Verſtellungskünſten ſeine Zuflucht, indem es ſich auf den Boden wirft, als wäre es flügellahm geſchoſſen und hier eine Zeit lang wie todt mit ausgebreiteten Flügeln liegen bleibt, unzweifelhaft in der Abſicht, den Feind vom Neſte wegzulocken und ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich zu lenken. Jm Auguſt findet man flügge Junge, gewöhnlich noch in Geſellſchaft der Eltern. Schneeeulen im Käfig gehören zu den größten Seltenheiten. Sie werden zuweilen erlangt, halten ſich aber ſelten längere Zeit. Jch habe mir die größte Mühe gegeben, einer von ihnen alle denkbaren Bedürfniſſe zu verſchaffen, bin aber auch nicht von Erfolg begünſtigt worden. Eines Morgens fand ich meine Gefangene todt im Käfig. Sie war wohl beleibt und innerlich vollkom- men geſund. Eine einzige von den Gefangenen, welche ich ſah, die prächtige Schneeeule des dresdener Thiergartens, hat länger ausgehalten: ſie lebt bereits vier Jahre im Käfig. Jm Vergleich zu andern Verwandten iſt die Schneeeule ein munterer und auch bei Tage lebendiger Vogel, welcher gern im Käfig auf- und niederfliegt und den Blick des Beſchauers erträgt, ohne ſich darüber ſonderlich zu erboſen. Reizt man ſie freilich, dann wird auch ſie ſehr ärgerlich und knackt und faucht ebenſo wüthend, wie andere ihrer Zunft. Jch habe nicht verſucht, unſere Gefangene mit andern Vögeln zuſammenzu- bringen; ein Liebhaber aber ſoll ſie mit Adlern zuſammengeſperrt und bemerkt haben, daß ſich dieſe natürlichen Feinde wohl vertrugen. „Minerven’s Vogel war ein Kanz‟ und zwar der Steinkauz, wenn auch nicht gerade der bei uns lebende, ſondern nur einer der vielen Verwandten dieſes Vogels, einer der ihm am nächſten ſtehenden, welcher in Griechenland ungemein häufig gefunden wird. Die Steinkäuze (Athene) ſind kleine Eulen mit mittelgroßem Kopfe, kurzen, gerundeten Flügeln, welche höchſtens das zweite Drittel des ebenfalls kurzen, am Ende gerade abgeſchnittenen Schwanzes erreichen und in denen die dritte Schwinge die längſte iſt, ziemlich hohen Beinen, mit ſtarken und kräftig bewehrten Zehen und kurzem, ſeitlich zuſammengedrückten, von der Wurzel an ſtark gekrümmten Schnabel mit mäßig langem Haken und zahnloſen Kieferrändern. Die Ohröffnung iſt klein, der Schleier deshalb undeutlicher, wenn auch bemerklicher, als bei andern Tageulen. Das Gefieder liegt ziemlich knapp an und bekleidet namentlich die Beine ſparſam, die Zehen ſogar nur mit haarartigen Gebilden. Unſer Steinkauz, der liebenswürdige und doch ſo verſchrieene Vogel (Athene noctua) heißt auch Sperlings- oder Lerchenkauz, Stock-, Stein-, Haus-, Scheunenkauz, Leichen- und Todteneule oder Vogel, Leichenhühnchen, Wehklage und Klagemutter, gibt ſich alſo als ein im lieben deutſchen Vaterlande ſehr bekannter Vogel zu erkennen. Seine Länge beträgt 8¼ Zoll, die Breite 20 Zoll; der Fittig mißt 5½, der Schwanz 3¼ Zoll. Das Weibchen iſt um ¼ Zoll länger und um 1 Zoll breiter. Der Oberkörper iſt tief mäuſegraubraun, unregel- mäßig weiß gefleckt; das Geſicht iſt grauweiß, der Unterkörper weißlich, bis gegen den After hin braun in die Länge gefleckt; die Schwung- und Schwanzfedern ſind roſtgelblich, weiß gefleckt, wodurch im Schwanze fünf undeutliche Binden entſtehen. Der Schnabel iſt grünlichgelb, der Fuß gelblichgrau, das Auge ſchwefelgelb. Junge Vögel ſind dunkler, als die alten. Von Südſchweden an verbreitet ſich der Kauz über ganz Mitteleuropa und einen großen Theil Aſiens bis nach Oſtſibirien hin. Jm Süden aber wird er durch verwandte Arten erſetzt, ſo in Griechenland durch den eigentlichen Kauz der Minerva (Athene indigena), in Spanien wieder durch einen andern und in Egypten oder Nordafrika überhaupt durch einen dritten. Bei uns zu Lande gehört er nicht zu den Seltenheiten. Da, wo Obſtgärten mit alten Bäumen Dörfer umgeben, findet

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/632>, abgerufen am 22.11.2024.