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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Sperbereule.
häufig in unsern Gegenden erscheint, dergleichen mein Vater einmal erlebte. Nachher vergingen mehr
als zwanzig Jahre, in denen wir keine zu sehen bekamen, geschweige für unsere Sammlung hätten auf-
treiben können, und nur erst vor drei bis vier Jahren erhielten wir wieder die erste, sahen auch seit
dieser Zeit jedes Jahr einzelne, wovon wir auch einige erhielten."

"Für unsere Gegenden scheint die Sperbereule lediglich Zugvogel zu sein; denn man sieht sie hier
nie anders als im März oder zu Anfang des Aprils, wenn die Waldschnepfen ziehen, und im Sep-
tember, Oktober und November. Daß sie bei uns überwintere, ist sehr wahrscheinlich; wir sahen
indeß im Winter noch keine hier. Sie ist zwar Waldvogel; doch zieht sie die kleineren Feldhölzer und
sumpfigen Holzungen den eigentlichen großen Waldungen vor. Selbst in ganz freien, mit Wiesen
und Sümpfen abwechselnden Bruchgegenden trafen wir sie mehrmals an, und es scheint, als liebe sie
solche, besonders wenn Wälder nicht gar zu weit davon entfernt sind, ganz vorzüglich."

Jhr Betragen mag uns mein Vater kennen lernen; seine vor nunmehr 44 Jahren erschienene
Schilderung ist noch unübertroffen. "Es gereicht mir zur besonderen Freude", sagt er, "über
das Betragen dieses seltenen Vogels Einiges sagen zu können. Jch erhielt ein Weibchen lebendig.
Ein Knabe hatte es auf einem Hegewisch eines Schlages gegen Abend sitzen sehen, und so lange nach
ihm geworfen, bis es, an den Kopf getroffen, herab taumelte und ergriffen werden konnte. Jch ließ
es im Zimmer frei und fand gleich im Betragen desselben viel Eigenes. Andere Eulen verschließen
die Augen großentheils, und suchen eilig den dunkelsten Winkel, um sich in ihm zu verbergen; diese
Habichtseule aber flog mit ganz geöffneten Augen augenblicklich dem Fenster zu und stieß so heftig
daran, daß sie wie todt zur Erde niederfiel und gewiß bei erneuerten Stößen eine Fensterscheibe zerbrochen
haben würde. Sie wurde nun in ein anderes Behältniß gebracht, und war, obgleich sie immer sich an
der hellsten Stelle aufhielt, doch gleich anfangs so wenig schüchtern, daß sie sich ruhig angreifen ließ
und eine ihr vorgehaltene Maus mit dem Schnabel, aus dem sie augenblicklich in die Fänge über-
ging, abnahm. Jhre Stellung war sehr verschieden. Auf der Erde trug sie den Leib fast wagerecht,
die Füße weit hervorgestreckt, den Schwanz aber zusammen gelegt und aufgerichtet; auf erhöhten Gegen-
ständen saß sie mit beinah senkrechtem Körper, so eingezogenen Füßen, daß nur die Zehen vorstanden,
oft ausgebreitetem und stets gerade herabhängenden Schwanze und über die Flügel gelegten Trag- und
Schulterfedern. Jn dieser Gestalt entfaltete sie ihre ganze Schönheit und nahm sich herrlich aus.
Bei allen Stellungen dieser Eule waren die Seitenfedern des Kopfes gesträubt, und die Stirnfedern
glatt angelegt, sodaß sie ein Falkengesicht hatte, und der Kopf an Breite dem Leibe wenig oder nichts nach-
gab. Jn allen ihren Bewegungen war sie sehr rasch und gewandt, auf der Erde hüpfte sie aber ungern
herum. Jhr Geschrei, welches sie besonders, wenn man sie angriff, hören ließ, klang dem Angstgeschrei
eines Thurmfalken nicht unähnlich; doch wurde man dabei auch an das Kreischen einer Haushenne,
welche in den Händen getragen wird, erinnert. Bei großer Wuth knackte sie mit dem Schnabel, wie
die andern Eulen und eben so laut; war sie aber nur einigermaßen böse, dann rieb sie die Spitze der
unteren Kinnlade von der Spitze der oberen an, bis sie in die rechte Lage kam. Sie streckte dabei den
Unterschnabel weit vor und schrapelte mit ihm auf dem obern hin wie die Papageien, wenn sie Etwas
zerstückeln wollen. Dies gab ein langgezogenes, wenig hörbares Knacken, sodaß ich Anfangs glaubte,
es sei ihr ein Knochen zerbrochen und gäbe dieses Geräusch bei den starken Bewegungen, die sie machte.
Jn den Nachmittagsstunden war sie besonders munter bis zu einbrechender Nacht."

"Nach einiger Zeit entkam sie durch einen unglücklichen Zufall. Jch ließ sie in unsern Wäldern
überall suchen und suchte selbst, aber ohne Erfolg. Einige Tage darauf wurde mir gemeldet, sie sei
wieder auf derselben Stelle des Waldes, auf demselben Schlage, ja auf demselben Hegewische, wo
sie früher gewesen war. Sie hatte also diesen Platz, ob er gleich eine Stunde von meiner Wohnung
liegt, wahrscheinlich denselben Tag, als sie mir entflohen, wiedergefunden und allen andern Orten
vorgezogen. Diese Nachricht war mir um so angenehmer, weil ich nicht nur Hoffnung hatte, mein
seltenes Thier wieder zu bekommen, sondern es auch im Freien zu beobachten, eine Hoffnung, welche
auf das Schönste erfüllt wurde."

Brehm, Thierleben. III. 38

Sperbereule.
häufig in unſern Gegenden erſcheint, dergleichen mein Vater einmal erlebte. Nachher vergingen mehr
als zwanzig Jahre, in denen wir keine zu ſehen bekamen, geſchweige für unſere Sammlung hätten auf-
treiben können, und nur erſt vor drei bis vier Jahren erhielten wir wieder die erſte, ſahen auch ſeit
dieſer Zeit jedes Jahr einzelne, wovon wir auch einige erhielten.‟

„Für unſere Gegenden ſcheint die Sperbereule lediglich Zugvogel zu ſein; denn man ſieht ſie hier
nie anders als im März oder zu Anfang des Aprils, wenn die Waldſchnepfen ziehen, und im Sep-
tember, Oktober und November. Daß ſie bei uns überwintere, iſt ſehr wahrſcheinlich; wir ſahen
indeß im Winter noch keine hier. Sie iſt zwar Waldvogel; doch zieht ſie die kleineren Feldhölzer und
ſumpfigen Holzungen den eigentlichen großen Waldungen vor. Selbſt in ganz freien, mit Wieſen
und Sümpfen abwechſelnden Bruchgegenden trafen wir ſie mehrmals an, und es ſcheint, als liebe ſie
ſolche, beſonders wenn Wälder nicht gar zu weit davon entfernt ſind, ganz vorzüglich.‟

Jhr Betragen mag uns mein Vater kennen lernen; ſeine vor nunmehr 44 Jahren erſchienene
Schilderung iſt noch unübertroffen. „Es gereicht mir zur beſonderen Freude‟, ſagt er, „über
das Betragen dieſes ſeltenen Vogels Einiges ſagen zu können. Jch erhielt ein Weibchen lebendig.
Ein Knabe hatte es auf einem Hegewiſch eines Schlages gegen Abend ſitzen ſehen, und ſo lange nach
ihm geworfen, bis es, an den Kopf getroffen, herab taumelte und ergriffen werden konnte. Jch ließ
es im Zimmer frei und fand gleich im Betragen deſſelben viel Eigenes. Andere Eulen verſchließen
die Augen großentheils, und ſuchen eilig den dunkelſten Winkel, um ſich in ihm zu verbergen; dieſe
Habichtseule aber flog mit ganz geöffneten Augen augenblicklich dem Fenſter zu und ſtieß ſo heftig
daran, daß ſie wie todt zur Erde niederfiel und gewiß bei erneuerten Stößen eine Fenſterſcheibe zerbrochen
haben würde. Sie wurde nun in ein anderes Behältniß gebracht, und war, obgleich ſie immer ſich an
der hellſten Stelle aufhielt, doch gleich anfangs ſo wenig ſchüchtern, daß ſie ſich ruhig angreifen ließ
und eine ihr vorgehaltene Maus mit dem Schnabel, aus dem ſie augenblicklich in die Fänge über-
ging, abnahm. Jhre Stellung war ſehr verſchieden. Auf der Erde trug ſie den Leib faſt wagerecht,
die Füße weit hervorgeſtreckt, den Schwanz aber zuſammen gelegt und aufgerichtet; auf erhöhten Gegen-
ſtänden ſaß ſie mit beinah ſenkrechtem Körper, ſo eingezogenen Füßen, daß nur die Zehen vorſtanden,
oft ausgebreitetem und ſtets gerade herabhängenden Schwanze und über die Flügel gelegten Trag- und
Schulterfedern. Jn dieſer Geſtalt entfaltete ſie ihre ganze Schönheit und nahm ſich herrlich aus.
Bei allen Stellungen dieſer Eule waren die Seitenfedern des Kopfes geſträubt, und die Stirnfedern
glatt angelegt, ſodaß ſie ein Falkengeſicht hatte, und der Kopf an Breite dem Leibe wenig oder nichts nach-
gab. Jn allen ihren Bewegungen war ſie ſehr raſch und gewandt, auf der Erde hüpfte ſie aber ungern
herum. Jhr Geſchrei, welches ſie beſonders, wenn man ſie angriff, hören ließ, klang dem Angſtgeſchrei
eines Thurmfalken nicht unähnlich; doch wurde man dabei auch an das Kreiſchen einer Haushenne,
welche in den Händen getragen wird, erinnert. Bei großer Wuth knackte ſie mit dem Schnabel, wie
die andern Eulen und eben ſo laut; war ſie aber nur einigermaßen böſe, dann rieb ſie die Spitze der
unteren Kinnlade von der Spitze der oberen an, bis ſie in die rechte Lage kam. Sie ſtreckte dabei den
Unterſchnabel weit vor und ſchrapelte mit ihm auf dem obern hin wie die Papageien, wenn ſie Etwas
zerſtückeln wollen. Dies gab ein langgezogenes, wenig hörbares Knacken, ſodaß ich Anfangs glaubte,
es ſei ihr ein Knochen zerbrochen und gäbe dieſes Geräuſch bei den ſtarken Bewegungen, die ſie machte.
Jn den Nachmittagsſtunden war ſie beſonders munter bis zu einbrechender Nacht.‟

„Nach einiger Zeit entkam ſie durch einen unglücklichen Zufall. Jch ließ ſie in unſern Wäldern
überall ſuchen und ſuchte ſelbſt, aber ohne Erfolg. Einige Tage darauf wurde mir gemeldet, ſie ſei
wieder auf derſelben Stelle des Waldes, auf demſelben Schlage, ja auf demſelben Hegewiſche, wo
ſie früher geweſen war. Sie hatte alſo dieſen Platz, ob er gleich eine Stunde von meiner Wohnung
liegt, wahrſcheinlich denſelben Tag, als ſie mir entflohen, wiedergefunden und allen andern Orten
vorgezogen. Dieſe Nachricht war mir um ſo angenehmer, weil ich nicht nur Hoffnung hatte, mein
ſeltenes Thier wieder zu bekommen, ſondern es auch im Freien zu beobachten, eine Hoffnung, welche
auf das Schönſte erfüllt wurde.‟

Brehm, Thierleben. III. 38
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[593/0627] Sperbereule. häufig in unſern Gegenden erſcheint, dergleichen mein Vater einmal erlebte. Nachher vergingen mehr als zwanzig Jahre, in denen wir keine zu ſehen bekamen, geſchweige für unſere Sammlung hätten auf- treiben können, und nur erſt vor drei bis vier Jahren erhielten wir wieder die erſte, ſahen auch ſeit dieſer Zeit jedes Jahr einzelne, wovon wir auch einige erhielten.‟ „Für unſere Gegenden ſcheint die Sperbereule lediglich Zugvogel zu ſein; denn man ſieht ſie hier nie anders als im März oder zu Anfang des Aprils, wenn die Waldſchnepfen ziehen, und im Sep- tember, Oktober und November. Daß ſie bei uns überwintere, iſt ſehr wahrſcheinlich; wir ſahen indeß im Winter noch keine hier. Sie iſt zwar Waldvogel; doch zieht ſie die kleineren Feldhölzer und ſumpfigen Holzungen den eigentlichen großen Waldungen vor. Selbſt in ganz freien, mit Wieſen und Sümpfen abwechſelnden Bruchgegenden trafen wir ſie mehrmals an, und es ſcheint, als liebe ſie ſolche, beſonders wenn Wälder nicht gar zu weit davon entfernt ſind, ganz vorzüglich.‟ Jhr Betragen mag uns mein Vater kennen lernen; ſeine vor nunmehr 44 Jahren erſchienene Schilderung iſt noch unübertroffen. „Es gereicht mir zur beſonderen Freude‟, ſagt er, „über das Betragen dieſes ſeltenen Vogels Einiges ſagen zu können. Jch erhielt ein Weibchen lebendig. Ein Knabe hatte es auf einem Hegewiſch eines Schlages gegen Abend ſitzen ſehen, und ſo lange nach ihm geworfen, bis es, an den Kopf getroffen, herab taumelte und ergriffen werden konnte. Jch ließ es im Zimmer frei und fand gleich im Betragen deſſelben viel Eigenes. Andere Eulen verſchließen die Augen großentheils, und ſuchen eilig den dunkelſten Winkel, um ſich in ihm zu verbergen; dieſe Habichtseule aber flog mit ganz geöffneten Augen augenblicklich dem Fenſter zu und ſtieß ſo heftig daran, daß ſie wie todt zur Erde niederfiel und gewiß bei erneuerten Stößen eine Fenſterſcheibe zerbrochen haben würde. Sie wurde nun in ein anderes Behältniß gebracht, und war, obgleich ſie immer ſich an der hellſten Stelle aufhielt, doch gleich anfangs ſo wenig ſchüchtern, daß ſie ſich ruhig angreifen ließ und eine ihr vorgehaltene Maus mit dem Schnabel, aus dem ſie augenblicklich in die Fänge über- ging, abnahm. Jhre Stellung war ſehr verſchieden. Auf der Erde trug ſie den Leib faſt wagerecht, die Füße weit hervorgeſtreckt, den Schwanz aber zuſammen gelegt und aufgerichtet; auf erhöhten Gegen- ſtänden ſaß ſie mit beinah ſenkrechtem Körper, ſo eingezogenen Füßen, daß nur die Zehen vorſtanden, oft ausgebreitetem und ſtets gerade herabhängenden Schwanze und über die Flügel gelegten Trag- und Schulterfedern. Jn dieſer Geſtalt entfaltete ſie ihre ganze Schönheit und nahm ſich herrlich aus. Bei allen Stellungen dieſer Eule waren die Seitenfedern des Kopfes geſträubt, und die Stirnfedern glatt angelegt, ſodaß ſie ein Falkengeſicht hatte, und der Kopf an Breite dem Leibe wenig oder nichts nach- gab. Jn allen ihren Bewegungen war ſie ſehr raſch und gewandt, auf der Erde hüpfte ſie aber ungern herum. Jhr Geſchrei, welches ſie beſonders, wenn man ſie angriff, hören ließ, klang dem Angſtgeſchrei eines Thurmfalken nicht unähnlich; doch wurde man dabei auch an das Kreiſchen einer Haushenne, welche in den Händen getragen wird, erinnert. Bei großer Wuth knackte ſie mit dem Schnabel, wie die andern Eulen und eben ſo laut; war ſie aber nur einigermaßen böſe, dann rieb ſie die Spitze der unteren Kinnlade von der Spitze der oberen an, bis ſie in die rechte Lage kam. Sie ſtreckte dabei den Unterſchnabel weit vor und ſchrapelte mit ihm auf dem obern hin wie die Papageien, wenn ſie Etwas zerſtückeln wollen. Dies gab ein langgezogenes, wenig hörbares Knacken, ſodaß ich Anfangs glaubte, es ſei ihr ein Knochen zerbrochen und gäbe dieſes Geräuſch bei den ſtarken Bewegungen, die ſie machte. Jn den Nachmittagsſtunden war ſie beſonders munter bis zu einbrechender Nacht.‟ „Nach einiger Zeit entkam ſie durch einen unglücklichen Zufall. Jch ließ ſie in unſern Wäldern überall ſuchen und ſuchte ſelbſt, aber ohne Erfolg. Einige Tage darauf wurde mir gemeldet, ſie ſei wieder auf derſelben Stelle des Waldes, auf demſelben Schlage, ja auf demſelben Hegewiſche, wo ſie früher geweſen war. Sie hatte alſo dieſen Platz, ob er gleich eine Stunde von meiner Wohnung liegt, wahrſcheinlich denſelben Tag, als ſie mir entflohen, wiedergefunden und allen andern Orten vorgezogen. Dieſe Nachricht war mir um ſo angenehmer, weil ich nicht nur Hoffnung hatte, mein ſeltenes Thier wieder zu bekommen, ſondern es auch im Freien zu beobachten, eine Hoffnung, welche auf das Schönſte erfüllt wurde.‟ Brehm, Thierleben. III. 38

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/627>, abgerufen am 22.11.2024.