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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Kondor.
und leicht ergriffen werden kann; man legt in den Ebenen Fleisch inmitten eines Geheges nieder,
wartet, bis die Aasvögel sich vollgefressen haben, sprengt dann, so schnell die Pferde laufen wollen,
auf das Gehege los und schleudert die Wurfkugeln unter die Vögel; man wendet endlich eine Fang-
weise an, welche schon von Molina geschildert und, so unglaublich sie klingt, von Tschudi bestätigt
wird. Ein frisches Kuhfell, an welchem noch Fleischstücke hängen, wird auf den Boden gebreitet und
verdeckt einen unter ihm liegenden, hinlänglich mit Schnüren versehenen Jndianer. "Dieser schiebt
das Stück des Fells, auf welchem ein Kondor sitzt, an dessen Füßen wie einen Beutel in die Höhe und
legt um diesen eine Schnur. Sind einige so gefesselt, so kriecht er hervor, andre Jndianer springen
herbei, werfen Mäntel über die Vögel und tragen sie ins Dorf, woselbst sie für Stierhetzen auf-
gespart werden. Eine Woche vor Beginn dieses grausamen Vergnügens erhalten die Kondoren nichts
zu fressen. Am bestimmten Tage wird je ein Kondor einem Stier auf den Rücken gebunden, nachdem
dieser mit Lanzen blutig gestochen worden. Der hungrige Vogel zerfleischt nun mit seinem Schnabel
das gequälte Thier, das zur großen Freude der Jndianer wüthend auf dem Kampfpatze herumtobt. --
Jn der Provinz Huarochirin ist auf der Hochebene eine Stelle, wo diese Vögel mit Leichtigkeit in
großer Menge erlegt werden. Dort ist ein großer, natürlicher, ungefähr 60 Fuß tiefer Trichter, der
an seiner obern Mündung etwa 60 Fuß Durchmesser hat. An seinem äußersten Rande wird ein
todtes Maulthier oder Lama hingelegt. Bald versammeln sich die Kondoren, stoßen beim Herumzerren
das Thier in die Tiefe, und folgen ihm, um es dort zu verzehren. Sobald sie voll gefressen sind,
können sie sich nicht mehr aus dem kaum 15 Fuß weiten Boden des Trichters erheben. Dann steigen
die Jndianer, mit langen Stöcken bewaffnet, hinunter, und schlagen die ängstlich kreischenden
Vögel todt."

Tschudi, welcher Vorstehendes erzählt, fügt hinzu, daß er selbst an einem solchen Fange theil-
genommen habe, bei dem 28 Stück erlegt wurden. Die Gefangenen werden in eigenthümlicher Weise
gefesselt: man zieht ihnen einen Ring durch die Nasenlöcher und bindet sie an diesen an.

Die Jagd mit dem Feuergewehr verursacht im Hochgebirge kaum Schwierigkeiten. Bei der
Häufigkeit der Vögel hält es nicht schwer, sie zu erlegen. Ulloa behauptet, daß nicht einmal eine
Kugel das Gefieder eines Kondors durchdringe: für einen Jäger, welcher die Wirkung der Büchse
kennt, bedarf diese Behauptung keiner Widerlegung. Mit dem Schrotgewehr gelingt es allerdings
nicht immer, einen Kondor todtzuschießen; das dichte Gesieder schützt hinlänglich gegen den Hagel, und
der Kondor ist außerdem ebenso lebenszähig, wie alle übrigen großen Geier.

Bei den alten Peruanern spielte der Kondor in Glaubenssachen eine große Rolle; gegenwärtig
nimmt er eine wichtige Stelle im Arzneischatze der Jndianer ein. Sie sehen in seinem Herzen, welches
sie roh oder getrocknet und zu Pulver gestoßen eingeben, ein Mittel gegen die Fallsucht; die Schleim-
haut des Magens wird äußerlich gegen Verhärtung der Brüste angewendet, und Tschudi versichert,
daß er mehrmals den günstigsten Erfolg dieser Handlungsweise beobachtet habe.

An gefangenen Kondoren sind sehr verschiedene Wahrnehmungen gemacht worden. Einzelne
werden überaus zahm, andere bleiben wild und bissig. So besaß Tschudi einen, welcher, als
er ergriffen werden sollte, sich heftig wehrte und den ungeschickten Neger, welcher auf ihn fahndete, ein
Ohr platt vom Kopfe abbiß. Derselbe Vogel verfolgte kurz darauf "einen dreijährigen Negerjungen,
warf ihn auf die Erde und verwundete ihn mit seinem Schnabel so bedeutend am Kopfe, daß der
Kleine bald darauf starb. Am Bord des Schiffes verletzte er ebenfalls mehrere Matrosen, welche ihn
neckten oder sich ihm unvorsichtig näherten". Auch die Kondoren des hamburger Thiergartens sind
keineswegs freundschaftlich gegen die Menschen gesinnt und haben schon wiederholt versucht, ihrem
Wärter einen Biß zu versetzen. Dagegen besaß Häckel längere Zeit zwei dieser Vögel, welche höchst
liebenswürdig waren. "Jhre Zahmheit", so erzählt der bereits wiederholt genannte Graf Gourcy,
"übertrifft mehr, als man sagen kann. Nicht geringer ist ihre Gelehrigkeit und Fassungskraft. Jhren
Besitzer haben sie bald sehr lieb gewonnen, besonders das Männchen, welches bei dessen Erscheinen
vor Freude im Behälter herumspringt. Es schwingt sich auf seinen Befehl von der Erde auf die

Kondor.
und leicht ergriffen werden kann; man legt in den Ebenen Fleiſch inmitten eines Geheges nieder,
wartet, bis die Aasvögel ſich vollgefreſſen haben, ſprengt dann, ſo ſchnell die Pferde laufen wollen,
auf das Gehege los und ſchleudert die Wurfkugeln unter die Vögel; man wendet endlich eine Fang-
weiſe an, welche ſchon von Molina geſchildert und, ſo unglaublich ſie klingt, von Tſchudi beſtätigt
wird. Ein friſches Kuhfell, an welchem noch Fleiſchſtücke hängen, wird auf den Boden gebreitet und
verdeckt einen unter ihm liegenden, hinlänglich mit Schnüren verſehenen Jndianer. „Dieſer ſchiebt
das Stück des Fells, auf welchem ein Kondor ſitzt, an deſſen Füßen wie einen Beutel in die Höhe und
legt um dieſen eine Schnur. Sind einige ſo gefeſſelt, ſo kriecht er hervor, andre Jndianer ſpringen
herbei, werfen Mäntel über die Vögel und tragen ſie ins Dorf, woſelbſt ſie für Stierhetzen auf-
geſpart werden. Eine Woche vor Beginn dieſes grauſamen Vergnügens erhalten die Kondoren nichts
zu freſſen. Am beſtimmten Tage wird je ein Kondor einem Stier auf den Rücken gebunden, nachdem
dieſer mit Lanzen blutig geſtochen worden. Der hungrige Vogel zerfleiſcht nun mit ſeinem Schnabel
das gequälte Thier, das zur großen Freude der Jndianer wüthend auf dem Kampfpatze herumtobt. —
Jn der Provinz Huarochirin iſt auf der Hochebene eine Stelle, wo dieſe Vögel mit Leichtigkeit in
großer Menge erlegt werden. Dort iſt ein großer, natürlicher, ungefähr 60 Fuß tiefer Trichter, der
an ſeiner obern Mündung etwa 60 Fuß Durchmeſſer hat. An ſeinem äußerſten Rande wird ein
todtes Maulthier oder Lama hingelegt. Bald verſammeln ſich die Kondoren, ſtoßen beim Herumzerren
das Thier in die Tiefe, und folgen ihm, um es dort zu verzehren. Sobald ſie voll gefreſſen ſind,
können ſie ſich nicht mehr aus dem kaum 15 Fuß weiten Boden des Trichters erheben. Dann ſteigen
die Jndianer, mit langen Stöcken bewaffnet, hinunter, und ſchlagen die ängſtlich kreiſchenden
Vögel todt.‟

Tſchudi, welcher Vorſtehendes erzählt, fügt hinzu, daß er ſelbſt an einem ſolchen Fange theil-
genommen habe, bei dem 28 Stück erlegt wurden. Die Gefangenen werden in eigenthümlicher Weiſe
gefeſſelt: man zieht ihnen einen Ring durch die Naſenlöcher und bindet ſie an dieſen an.

Die Jagd mit dem Feuergewehr verurſacht im Hochgebirge kaum Schwierigkeiten. Bei der
Häufigkeit der Vögel hält es nicht ſchwer, ſie zu erlegen. Ulloa behauptet, daß nicht einmal eine
Kugel das Gefieder eines Kondors durchdringe: für einen Jäger, welcher die Wirkung der Büchſe
kennt, bedarf dieſe Behauptung keiner Widerlegung. Mit dem Schrotgewehr gelingt es allerdings
nicht immer, einen Kondor todtzuſchießen; das dichte Geſieder ſchützt hinlänglich gegen den Hagel, und
der Kondor iſt außerdem ebenſo lebenszähig, wie alle übrigen großen Geier.

Bei den alten Peruanern ſpielte der Kondor in Glaubensſachen eine große Rolle; gegenwärtig
nimmt er eine wichtige Stelle im Arzneiſchatze der Jndianer ein. Sie ſehen in ſeinem Herzen, welches
ſie roh oder getrocknet und zu Pulver geſtoßen eingeben, ein Mittel gegen die Fallſucht; die Schleim-
haut des Magens wird äußerlich gegen Verhärtung der Brüſte angewendet, und Tſchudi verſichert,
daß er mehrmals den günſtigſten Erfolg dieſer Handlungsweiſe beobachtet habe.

An gefangenen Kondoren ſind ſehr verſchiedene Wahrnehmungen gemacht worden. Einzelne
werden überaus zahm, andere bleiben wild und biſſig. So beſaß Tſchudi einen, welcher, als
er ergriffen werden ſollte, ſich heftig wehrte und den ungeſchickten Neger, welcher auf ihn fahndete, ein
Ohr platt vom Kopfe abbiß. Derſelbe Vogel verfolgte kurz darauf „einen dreijährigen Negerjungen,
warf ihn auf die Erde und verwundete ihn mit ſeinem Schnabel ſo bedeutend am Kopfe, daß der
Kleine bald darauf ſtarb. Am Bord des Schiffes verletzte er ebenfalls mehrere Matroſen, welche ihn
neckten oder ſich ihm unvorſichtig näherten‟. Auch die Kondoren des hamburger Thiergartens ſind
keineswegs freundſchaftlich gegen die Menſchen geſinnt und haben ſchon wiederholt verſucht, ihrem
Wärter einen Biß zu verſetzen. Dagegen beſaß Häckel längere Zeit zwei dieſer Vögel, welche höchſt
liebenswürdig waren. „Jhre Zahmheit‟, ſo erzählt der bereits wiederholt genannte Graf Gourcy,
„übertrifft mehr, als man ſagen kann. Nicht geringer iſt ihre Gelehrigkeit und Faſſungskraft. Jhren
Beſitzer haben ſie bald ſehr lieb gewonnen, beſonders das Männchen, welches bei deſſen Erſcheinen
vor Freude im Behälter herumſpringt. Es ſchwingt ſich auf ſeinen Befehl von der Erde auf die

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[559/0591] Kondor. und leicht ergriffen werden kann; man legt in den Ebenen Fleiſch inmitten eines Geheges nieder, wartet, bis die Aasvögel ſich vollgefreſſen haben, ſprengt dann, ſo ſchnell die Pferde laufen wollen, auf das Gehege los und ſchleudert die Wurfkugeln unter die Vögel; man wendet endlich eine Fang- weiſe an, welche ſchon von Molina geſchildert und, ſo unglaublich ſie klingt, von Tſchudi beſtätigt wird. Ein friſches Kuhfell, an welchem noch Fleiſchſtücke hängen, wird auf den Boden gebreitet und verdeckt einen unter ihm liegenden, hinlänglich mit Schnüren verſehenen Jndianer. „Dieſer ſchiebt das Stück des Fells, auf welchem ein Kondor ſitzt, an deſſen Füßen wie einen Beutel in die Höhe und legt um dieſen eine Schnur. Sind einige ſo gefeſſelt, ſo kriecht er hervor, andre Jndianer ſpringen herbei, werfen Mäntel über die Vögel und tragen ſie ins Dorf, woſelbſt ſie für Stierhetzen auf- geſpart werden. Eine Woche vor Beginn dieſes grauſamen Vergnügens erhalten die Kondoren nichts zu freſſen. Am beſtimmten Tage wird je ein Kondor einem Stier auf den Rücken gebunden, nachdem dieſer mit Lanzen blutig geſtochen worden. Der hungrige Vogel zerfleiſcht nun mit ſeinem Schnabel das gequälte Thier, das zur großen Freude der Jndianer wüthend auf dem Kampfpatze herumtobt. — Jn der Provinz Huarochirin iſt auf der Hochebene eine Stelle, wo dieſe Vögel mit Leichtigkeit in großer Menge erlegt werden. Dort iſt ein großer, natürlicher, ungefähr 60 Fuß tiefer Trichter, der an ſeiner obern Mündung etwa 60 Fuß Durchmeſſer hat. An ſeinem äußerſten Rande wird ein todtes Maulthier oder Lama hingelegt. Bald verſammeln ſich die Kondoren, ſtoßen beim Herumzerren das Thier in die Tiefe, und folgen ihm, um es dort zu verzehren. Sobald ſie voll gefreſſen ſind, können ſie ſich nicht mehr aus dem kaum 15 Fuß weiten Boden des Trichters erheben. Dann ſteigen die Jndianer, mit langen Stöcken bewaffnet, hinunter, und ſchlagen die ängſtlich kreiſchenden Vögel todt.‟ Tſchudi, welcher Vorſtehendes erzählt, fügt hinzu, daß er ſelbſt an einem ſolchen Fange theil- genommen habe, bei dem 28 Stück erlegt wurden. Die Gefangenen werden in eigenthümlicher Weiſe gefeſſelt: man zieht ihnen einen Ring durch die Naſenlöcher und bindet ſie an dieſen an. Die Jagd mit dem Feuergewehr verurſacht im Hochgebirge kaum Schwierigkeiten. Bei der Häufigkeit der Vögel hält es nicht ſchwer, ſie zu erlegen. Ulloa behauptet, daß nicht einmal eine Kugel das Gefieder eines Kondors durchdringe: für einen Jäger, welcher die Wirkung der Büchſe kennt, bedarf dieſe Behauptung keiner Widerlegung. Mit dem Schrotgewehr gelingt es allerdings nicht immer, einen Kondor todtzuſchießen; das dichte Geſieder ſchützt hinlänglich gegen den Hagel, und der Kondor iſt außerdem ebenſo lebenszähig, wie alle übrigen großen Geier. Bei den alten Peruanern ſpielte der Kondor in Glaubensſachen eine große Rolle; gegenwärtig nimmt er eine wichtige Stelle im Arzneiſchatze der Jndianer ein. Sie ſehen in ſeinem Herzen, welches ſie roh oder getrocknet und zu Pulver geſtoßen eingeben, ein Mittel gegen die Fallſucht; die Schleim- haut des Magens wird äußerlich gegen Verhärtung der Brüſte angewendet, und Tſchudi verſichert, daß er mehrmals den günſtigſten Erfolg dieſer Handlungsweiſe beobachtet habe. An gefangenen Kondoren ſind ſehr verſchiedene Wahrnehmungen gemacht worden. Einzelne werden überaus zahm, andere bleiben wild und biſſig. So beſaß Tſchudi einen, welcher, als er ergriffen werden ſollte, ſich heftig wehrte und den ungeſchickten Neger, welcher auf ihn fahndete, ein Ohr platt vom Kopfe abbiß. Derſelbe Vogel verfolgte kurz darauf „einen dreijährigen Negerjungen, warf ihn auf die Erde und verwundete ihn mit ſeinem Schnabel ſo bedeutend am Kopfe, daß der Kleine bald darauf ſtarb. Am Bord des Schiffes verletzte er ebenfalls mehrere Matroſen, welche ihn neckten oder ſich ihm unvorſichtig näherten‟. Auch die Kondoren des hamburger Thiergartens ſind keineswegs freundſchaftlich gegen die Menſchen geſinnt und haben ſchon wiederholt verſucht, ihrem Wärter einen Biß zu verſetzen. Dagegen beſaß Häckel längere Zeit zwei dieſer Vögel, welche höchſt liebenswürdig waren. „Jhre Zahmheit‟, ſo erzählt der bereits wiederholt genannte Graf Gourcy, „übertrifft mehr, als man ſagen kann. Nicht geringer iſt ihre Gelehrigkeit und Faſſungskraft. Jhren Beſitzer haben ſie bald ſehr lieb gewonnen, beſonders das Männchen, welches bei deſſen Erſcheinen vor Freude im Behälter herumſpringt. Es ſchwingt ſich auf ſeinen Befehl von der Erde auf die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/591>, abgerufen am 22.11.2024.