ordentliche Erscheinungen liefern, und mit gieriger Hast wurden die Nachrichten der Reisenden verschlungen, die gewöhnlich flüchtig beobachteten und dann mit einer lebhaften Einbildungskraft das Fehlende ersetzten oder Neues beifügten, sodaß bald die abenteuerlichsten Geschöpfe geschaffen wurden." Erst den Forschern unseres Jahrhunderts blieb es vorbehalten, die Naturgeschichte des Kondors von den vielfachen Sagen zu reinigen. Aber noch in der neuesten Zeit haben selbst Naturforscher es gewagt, entschieden falsche Angaben zu bestätigen. Wir verdanken aber Humboldt, Darwin- d'Orbigny und J. J. von Tschudi so genaue Nachrichten über den bis zur Veröffentlichung ihrer
[Abbildung]
Der Kondor (Sarcorrhamphus Gryphus oder Sarcorrhamphus Condor).
Forschungen fabelhaften Vogel, daß wir uns gegenwärtig eines vollkommen klaren Bildes seiner Lebensweise versichert halten können.
Das Gefieder des ausgewachsenen Kondors ist schwarz, schwach dunkelstahlblau glänzend; die Fittigfedern sind mattschwarz, die äußersten Deckfedern aller drei Ordnungen, sowie die Schwung- federn am äußeren Fahnenbarte weiß gesäumt. Dieser Saum wird bei den Arm- und Schulterfedern immer breiter und erstreckt sich zuletzt auch auf den innern Fabnenbau, sodaß die eigentlichen Schulter- federn ganz weiß und nur an der Wurzel schwarz sind. Der Hinterkopf, das Gesicht und die Kehle
Die Fänger. Raubvögel. Geier.
ordentliche Erſcheinungen liefern, und mit gieriger Haſt wurden die Nachrichten der Reiſenden verſchlungen, die gewöhnlich flüchtig beobachteten und dann mit einer lebhaften Einbildungskraft das Fehlende erſetzten oder Neues beifügten, ſodaß bald die abenteuerlichſten Geſchöpfe geſchaffen wurden.‟ Erſt den Forſchern unſeres Jahrhunderts blieb es vorbehalten, die Naturgeſchichte des Kondors von den vielfachen Sagen zu reinigen. Aber noch in der neueſten Zeit haben ſelbſt Naturforſcher es gewagt, entſchieden falſche Angaben zu beſtätigen. Wir verdanken aber Humboldt, Darwin- d’Orbigny und J. J. von Tſchudi ſo genaue Nachrichten über den bis zur Veröffentlichung ihrer
[Abbildung]
Der Kondor (Sarcorrhamphus Gryphus oder Sarcorrhamphus Condor).
Forſchungen fabelhaften Vogel, daß wir uns gegenwärtig eines vollkommen klaren Bildes ſeiner Lebensweiſe verſichert halten können.
Das Gefieder des ausgewachſenen Kondors iſt ſchwarz, ſchwach dunkelſtahlblau glänzend; die Fittigfedern ſind mattſchwarz, die äußerſten Deckfedern aller drei Ordnungen, ſowie die Schwung- federn am äußeren Fahnenbarte weiß geſäumt. Dieſer Saum wird bei den Arm- und Schulterfedern immer breiter und erſtreckt ſich zuletzt auch auf den innern Fabnenbau, ſodaß die eigentlichen Schulter- federn ganz weiß und nur an der Wurzel ſchwarz ſind. Der Hinterkopf, das Geſicht und die Kehle
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Die Fänger. Raubvögel. Geier.
ordentliche Erſcheinungen liefern, und mit gieriger Haſt wurden die Nachrichten der Reiſenden
verſchlungen, die gewöhnlich flüchtig beobachteten und dann mit einer lebhaften Einbildungskraft das
Fehlende erſetzten oder Neues beifügten, ſodaß bald die abenteuerlichſten Geſchöpfe geſchaffen wurden.‟
Erſt den Forſchern unſeres Jahrhunderts blieb es vorbehalten, die Naturgeſchichte des Kondors von
den vielfachen Sagen zu reinigen. Aber noch in der neueſten Zeit haben ſelbſt Naturforſcher es
gewagt, entſchieden falſche Angaben zu beſtätigen. Wir verdanken aber Humboldt, Darwin-
d’Orbigny und J. J. von Tſchudi ſo genaue Nachrichten über den bis zur Veröffentlichung ihrer
[Abbildung Der Kondor (Sarcorrhamphus Gryphus oder Sarcorrhamphus Condor).]
Forſchungen fabelhaften Vogel, daß wir uns gegenwärtig eines vollkommen klaren Bildes ſeiner
Lebensweiſe verſichert halten können.
Das Gefieder des ausgewachſenen Kondors iſt ſchwarz, ſchwach dunkelſtahlblau glänzend; die
Fittigfedern ſind mattſchwarz, die äußerſten Deckfedern aller drei Ordnungen, ſowie die Schwung-
federn am äußeren Fahnenbarte weiß geſäumt. Dieſer Saum wird bei den Arm- und Schulterfedern
immer breiter und erſtreckt ſich zuletzt auch auf den innern Fabnenbau, ſodaß die eigentlichen Schulter-
federn ganz weiß und nur an der Wurzel ſchwarz ſind. Der Hinterkopf, das Geſicht und die Kehle
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/588>, abgerufen am 22.11.2024.
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