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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Bussarde.
zermalmte ihn. Jetzt wartete er in gespannter Aufmerksamkeit ab, bis das Unthier ganz kraftlos zu
sein schien, dann riß er zuerst den Kopf in Stücke, die er verschlang, darauf fraß er den Hals und das
Uebrige. Es war ein fetter Leckerbissen, denn die Otter war über zwei Fuß lang und enthielt viele
Eier; doch ließ er Nichts übrig und fraß sogar gleich hinterdrein noch einen Frosch."

"Währenddem er so recht angenehm beschäftigt war, legte ich auch seinem Bruder eine erwachsene
Kreuzotter vor. Ohne sich viel zu besinnen, sprang er zu, faßte sie schreiend und mit den Flügeln
schlagend mitten am Leibe und erwartete den Augenblick, wo er ihr den Kopf zerspalten könnte. Sie
aber wand sich, nach allen Seiten um sich beißend, wieder los; er ließ sie ein Stückchen fortkriechen,
sprang dann nach und faßte sie weit hinten am Leibe; Kopf und Vorderleib waren frei, und sie hätte
ihn jetzt leicht, wohin sie wollte, beißen können; dazu aber war sie viel zu dumm; sie biß, gerade vom
Busaar abwärts, immer in die Luft. Jetzt sprang er weiter vor und ergriff sie so, daß er den Kopf
zwischen den Krallen des einen Fußes hielt; mühsam wand sie den Kopf los, aber in dem Augenblicke
traf und zerschmetterte ihn ein Schnabelhieb. Auch diesmal ward, wie immer, der Kopf zuerst
und dann das Uebrige verzehrt; dann setzte er sich ruhig nieder, um von seinen Sieges-
thaten zu ruhen."

"Nicht ganz so gut bekam dem ersten Busaar sein Sieg. Schon während er noch fraß,
hatte ich bemerkt, daß sein linker Fuß etwas lahm war; bald schwoll er da, wo die Zehen
vom Mittelfuße ausgehen, so bedeutend auf, als es nur das wenige dort befindliche Fleisch und
die zähe Hautbedeckung gestatten konnten. An dieser Stelle ist der Fuß nur mit kleinen Schuppen
bedeckt, daher hatten die Giftzähne hier durchdringen können. Die Zähne einer Ratte, so scharf sie
auch sind, durchschneiden die zähe Fußbedeckung des Busaars nicht, aber die Giftzähne der Otter,
welche den feinsten Nadeln gleichen, dringen, wenn sie nicht abgleiten, durch. Ohne weiter ein
Zeichen des Schmerzes zu äußern, als daß er den schwellenden Fuß unter die Federn zog, setzte
er sich ganz gelassen, die Verdauung des reichlichen Schmauses abwartend, nieder; aber auch das
gesunde Bein blutete, denn es war, entweder durch den Biß der Schlange oder, wie ich glaube, im
Kampf mit seinem Bruder, eine Schuppe abgerissen. Mit Einbruch der Nacht sank die Geschwulst
schon wieder; am folgenden Morgen war sie kaum noch bemerkbar, auch trat er häufig wieder mit
dem Beine auf, und am dritten Tage war er wieder ganz gesund."

Um die Gefährlichkeit derartiger Kämpfe ganz würdigen zu können, muß man wissen, daß
die Bussarde nicht gefeit sind gegen das Gift der Kreuzottern, sondern den Bissen des tückischen
Lurches erliegen, wenn diese einen blutreichen Theil des Leibes getroffen haben. Es mag allerdings
selten vorkommen, daß der Raubvogel nicht als Sieger aus dem Kampfe hervorgeht; einzelne aber
finden gewiß ihren Tod in dem Kampfe mit Kreuzottern. So erfuhr Holland eine wirklich
rührende Geschichte von einem ihm befreundeten glaubwürdigen Forstmann. Derselbe hatte einen
Bussardhorst erstiegen, weil der Vogel, den er von unten schon gesehen, nicht abgeflogen war. Als er
nun zum Horste kam, bemerkte er, daß der Bussard nicht mehr lebte. Er nahm ihn in die Höhe und
sah zu seinem nicht geringen Schrecken eine lebende Kreuzotter unter dem Bussard liegen. Dieser
mußte also die Schlange in den Horst getragen, einen Biß von ihr empfangen haben und an demselben
verendet sein.



Es würde die engen Grenzen unseres Buches weit überschreiten, wollte ich auf andere Vertreter
der Bussardsippe Rücksicht nehmen. An ihnen ist nirgends Mangel, sie finden sich auf der ganzen
Erde in zahlreicher Artenmenge. Es gibt aber noch Familienverwandte, welche wenigstens kurz
erwähnt werden müssen.

Ein solcher ist der Heuschreckenbussard (Poliornis rufipennis), ein kleiner und anmuthiger
Vogel, welcher das Jnnere Afrikas bewohnt. Die Kennzeichen seiner Sippe sind ein ziemlich langer

Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde.
zermalmte ihn. Jetzt wartete er in geſpannter Aufmerkſamkeit ab, bis das Unthier ganz kraftlos zu
ſein ſchien, dann riß er zuerſt den Kopf in Stücke, die er verſchlang, darauf fraß er den Hals und das
Uebrige. Es war ein fetter Leckerbiſſen, denn die Otter war über zwei Fuß lang und enthielt viele
Eier; doch ließ er Nichts übrig und fraß ſogar gleich hinterdrein noch einen Froſch.‟

„Währenddem er ſo recht angenehm beſchäftigt war, legte ich auch ſeinem Bruder eine erwachſene
Kreuzotter vor. Ohne ſich viel zu beſinnen, ſprang er zu, faßte ſie ſchreiend und mit den Flügeln
ſchlagend mitten am Leibe und erwartete den Augenblick, wo er ihr den Kopf zerſpalten könnte. Sie
aber wand ſich, nach allen Seiten um ſich beißend, wieder los; er ließ ſie ein Stückchen fortkriechen,
ſprang dann nach und faßte ſie weit hinten am Leibe; Kopf und Vorderleib waren frei, und ſie hätte
ihn jetzt leicht, wohin ſie wollte, beißen können; dazu aber war ſie viel zu dumm; ſie biß, gerade vom
Busaar abwärts, immer in die Luft. Jetzt ſprang er weiter vor und ergriff ſie ſo, daß er den Kopf
zwiſchen den Krallen des einen Fußes hielt; mühſam wand ſie den Kopf los, aber in dem Augenblicke
traf und zerſchmetterte ihn ein Schnabelhieb. Auch diesmal ward, wie immer, der Kopf zuerſt
und dann das Uebrige verzehrt; dann ſetzte er ſich ruhig nieder, um von ſeinen Sieges-
thaten zu ruhen.‟

„Nicht ganz ſo gut bekam dem erſten Busaar ſein Sieg. Schon während er noch fraß,
hatte ich bemerkt, daß ſein linker Fuß etwas lahm war; bald ſchwoll er da, wo die Zehen
vom Mittelfuße ausgehen, ſo bedeutend auf, als es nur das wenige dort befindliche Fleiſch und
die zähe Hautbedeckung geſtatten konnten. An dieſer Stelle iſt der Fuß nur mit kleinen Schuppen
bedeckt, daher hatten die Giftzähne hier durchdringen können. Die Zähne einer Ratte, ſo ſcharf ſie
auch ſind, durchſchneiden die zähe Fußbedeckung des Busaars nicht, aber die Giftzähne der Otter,
welche den feinſten Nadeln gleichen, dringen, wenn ſie nicht abgleiten, durch. Ohne weiter ein
Zeichen des Schmerzes zu äußern, als daß er den ſchwellenden Fuß unter die Federn zog, ſetzte
er ſich ganz gelaſſen, die Verdauung des reichlichen Schmauſes abwartend, nieder; aber auch das
geſunde Bein blutete, denn es war, entweder durch den Biß der Schlange oder, wie ich glaube, im
Kampf mit ſeinem Bruder, eine Schuppe abgeriſſen. Mit Einbruch der Nacht ſank die Geſchwulſt
ſchon wieder; am folgenden Morgen war ſie kaum noch bemerkbar, auch trat er häufig wieder mit
dem Beine auf, und am dritten Tage war er wieder ganz geſund.‟

Um die Gefährlichkeit derartiger Kämpfe ganz würdigen zu können, muß man wiſſen, daß
die Buſſarde nicht gefeit ſind gegen das Gift der Kreuzottern, ſondern den Biſſen des tückiſchen
Lurches erliegen, wenn dieſe einen blutreichen Theil des Leibes getroffen haben. Es mag allerdings
ſelten vorkommen, daß der Raubvogel nicht als Sieger aus dem Kampfe hervorgeht; einzelne aber
finden gewiß ihren Tod in dem Kampfe mit Kreuzottern. So erfuhr Holland eine wirklich
rührende Geſchichte von einem ihm befreundeten glaubwürdigen Forſtmann. Derſelbe hatte einen
Buſſardhorſt erſtiegen, weil der Vogel, den er von unten ſchon geſehen, nicht abgeflogen war. Als er
nun zum Horſte kam, bemerkte er, daß der Buſſard nicht mehr lebte. Er nahm ihn in die Höhe und
ſah zu ſeinem nicht geringen Schrecken eine lebende Kreuzotter unter dem Buſſard liegen. Dieſer
mußte alſo die Schlange in den Horſt getragen, einen Biß von ihr empfangen haben und an demſelben
verendet ſein.



Es würde die engen Grenzen unſeres Buches weit überſchreiten, wollte ich auf andere Vertreter
der Buſſardſippe Rückſicht nehmen. An ihnen iſt nirgends Mangel, ſie finden ſich auf der ganzen
Erde in zahlreicher Artenmenge. Es gibt aber noch Familienverwandte, welche wenigſtens kurz
erwähnt werden müſſen.

Ein ſolcher iſt der Heuſchreckenbuſſard (Poliornis rufipennis), ein kleiner und anmuthiger
Vogel, welcher das Jnnere Afrikas bewohnt. Die Kennzeichen ſeiner Sippe ſind ein ziemlich langer

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[518/0550] Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde. zermalmte ihn. Jetzt wartete er in geſpannter Aufmerkſamkeit ab, bis das Unthier ganz kraftlos zu ſein ſchien, dann riß er zuerſt den Kopf in Stücke, die er verſchlang, darauf fraß er den Hals und das Uebrige. Es war ein fetter Leckerbiſſen, denn die Otter war über zwei Fuß lang und enthielt viele Eier; doch ließ er Nichts übrig und fraß ſogar gleich hinterdrein noch einen Froſch.‟ „Währenddem er ſo recht angenehm beſchäftigt war, legte ich auch ſeinem Bruder eine erwachſene Kreuzotter vor. Ohne ſich viel zu beſinnen, ſprang er zu, faßte ſie ſchreiend und mit den Flügeln ſchlagend mitten am Leibe und erwartete den Augenblick, wo er ihr den Kopf zerſpalten könnte. Sie aber wand ſich, nach allen Seiten um ſich beißend, wieder los; er ließ ſie ein Stückchen fortkriechen, ſprang dann nach und faßte ſie weit hinten am Leibe; Kopf und Vorderleib waren frei, und ſie hätte ihn jetzt leicht, wohin ſie wollte, beißen können; dazu aber war ſie viel zu dumm; ſie biß, gerade vom Busaar abwärts, immer in die Luft. Jetzt ſprang er weiter vor und ergriff ſie ſo, daß er den Kopf zwiſchen den Krallen des einen Fußes hielt; mühſam wand ſie den Kopf los, aber in dem Augenblicke traf und zerſchmetterte ihn ein Schnabelhieb. Auch diesmal ward, wie immer, der Kopf zuerſt und dann das Uebrige verzehrt; dann ſetzte er ſich ruhig nieder, um von ſeinen Sieges- thaten zu ruhen.‟ „Nicht ganz ſo gut bekam dem erſten Busaar ſein Sieg. Schon während er noch fraß, hatte ich bemerkt, daß ſein linker Fuß etwas lahm war; bald ſchwoll er da, wo die Zehen vom Mittelfuße ausgehen, ſo bedeutend auf, als es nur das wenige dort befindliche Fleiſch und die zähe Hautbedeckung geſtatten konnten. An dieſer Stelle iſt der Fuß nur mit kleinen Schuppen bedeckt, daher hatten die Giftzähne hier durchdringen können. Die Zähne einer Ratte, ſo ſcharf ſie auch ſind, durchſchneiden die zähe Fußbedeckung des Busaars nicht, aber die Giftzähne der Otter, welche den feinſten Nadeln gleichen, dringen, wenn ſie nicht abgleiten, durch. Ohne weiter ein Zeichen des Schmerzes zu äußern, als daß er den ſchwellenden Fuß unter die Federn zog, ſetzte er ſich ganz gelaſſen, die Verdauung des reichlichen Schmauſes abwartend, nieder; aber auch das geſunde Bein blutete, denn es war, entweder durch den Biß der Schlange oder, wie ich glaube, im Kampf mit ſeinem Bruder, eine Schuppe abgeriſſen. Mit Einbruch der Nacht ſank die Geſchwulſt ſchon wieder; am folgenden Morgen war ſie kaum noch bemerkbar, auch trat er häufig wieder mit dem Beine auf, und am dritten Tage war er wieder ganz geſund.‟ Um die Gefährlichkeit derartiger Kämpfe ganz würdigen zu können, muß man wiſſen, daß die Buſſarde nicht gefeit ſind gegen das Gift der Kreuzottern, ſondern den Biſſen des tückiſchen Lurches erliegen, wenn dieſe einen blutreichen Theil des Leibes getroffen haben. Es mag allerdings ſelten vorkommen, daß der Raubvogel nicht als Sieger aus dem Kampfe hervorgeht; einzelne aber finden gewiß ihren Tod in dem Kampfe mit Kreuzottern. So erfuhr Holland eine wirklich rührende Geſchichte von einem ihm befreundeten glaubwürdigen Forſtmann. Derſelbe hatte einen Buſſardhorſt erſtiegen, weil der Vogel, den er von unten ſchon geſehen, nicht abgeflogen war. Als er nun zum Horſte kam, bemerkte er, daß der Buſſard nicht mehr lebte. Er nahm ihn in die Höhe und ſah zu ſeinem nicht geringen Schrecken eine lebende Kreuzotter unter dem Buſſard liegen. Dieſer mußte alſo die Schlange in den Horſt getragen, einen Biß von ihr empfangen haben und an demſelben verendet ſein. Es würde die engen Grenzen unſeres Buches weit überſchreiten, wollte ich auf andere Vertreter der Buſſardſippe Rückſicht nehmen. An ihnen iſt nirgends Mangel, ſie finden ſich auf der ganzen Erde in zahlreicher Artenmenge. Es gibt aber noch Familienverwandte, welche wenigſtens kurz erwähnt werden müſſen. Ein ſolcher iſt der Heuſchreckenbuſſard (Poliornis rufipennis), ein kleiner und anmuthiger Vogel, welcher das Jnnere Afrikas bewohnt. Die Kennzeichen ſeiner Sippe ſind ein ziemlich langer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/550>, abgerufen am 25.11.2024.