jung aufgezogenen Vögel ihre Natur verleugnen, was bei diesem ganz besonders der Fall war, da er nicht einmal die Lieblingsspeise der Wespenfalken, Wespenbrut, fraß."
"Gegen Kälte war der Vogel sehr empfindlich; er versteckte sich im Winter häufig unter den Ofen, wo er, da er nicht gern im Zimmer geduldet wurde, sich ganz ruhig verhielt, um seine Anwesenheit nicht zu verrathen. Jm allgemeinen hatte der Vogel mehr das Betragen einer Krähe als eines Raubvogels; nur waren seine Bewegungen gemessener und bedächtiger, sein Gang schreitend, nie hüpfend, nur wenn er gejagt wurde, machte er einige Sätze. Er starb nach drei Jahren."
"Das bereits oben erwähnte, alt eingefangene Weibchen zeigte im ganzen ein übereinstimmendes Betragen, liebte aber Wespenbrut leidenschaftlich gern. Hielt man ihm ein Wespennest vor, so wurde es sichtlich aufgeregt, stieß mit großer Begierde danach und verschluckte ganze Stücke davon. Leere Wespennester zerriß es, nach Brut suchend, in kleine Fetzen. Sonst war, wie bei dem vorigen, Semmel und Milch seine Lieblingsspeise. Todte Vögel ließ es oft unberührt, lieber waren ihm Frösche; auch Maikäfer fraß es, doch nicht besonders gern. Gegen meine übrigen Hausthiere war der Bussard im hohen Grade verträglich. Ergötzlich war es anzusehen, wenn er mit denselben, nämlich mit zwei Meer- schweinchen, einem Staar, einem Goldregenpfeifer und zwei Wachteln aus einer Schüssel fraß. Keines der genannten Thiere zeigte die geringste Furcht vor ihm, ja, der naseweise Staar biß oft aus Futterneid nach ihm oder spritzte ihm Milch ins Gesicht, was er ganz ruhig hinnahm. Zuweilen erhob er sich dabei sehr gravitätisch und überschaute mit stolzem Blick den bunten Kreis seiner Tischgenossen. Ein- mal erhielt ich eine Taube, einen großen sogenannten Türkentauber, die nicht fliegen konnte; ich setzte dieselbe sogleich neben den Falken und erstaunte nicht wenig, als dieselbe, statt Furcht zu zeigen, sich innig an den Falken schmiegte. Sie zeigte überhaupt bald eine solche Anhänglichkeit an ihn, daß sie nicht mehr von dessen Seite wich. War sie von der Stange, auf welcher sie neben dem Falken saß, zum Futter herabgehüpft, so lief sie, da sie nicht fliegen konnte, so lange unter dem Falken hin und her, bis man sie wieder hinauf setzte; verhielt sich der Falk nicht ruhig, so hackte sie oft nach ihm, was ihn aber gar nicht zu beleidigen schien. So gutmüthig nun aber der Falk gegen Menschen und die genannten Thiere war, so bösartig war er, wenn ein Hund in seine Nähe kam; hier zeigte er einen Muth und eine Wildheit, die in Erstaunen setzte: pfeilschnell und mit größter Wuth schoß er von seiner Stange nach dem Kopf des Hundes, schlug seine Fänge ein, biß, und schlug ihn mit den Flügeln; dabei sträubte er die Federn und sauchte wie eine Katze. Die Hunde, auch die stärksten und bösartigsten, geriethen in die größte Angst und suchten das Weite. Auch wenn der Hund entronnen war, beruhigte er sich nicht gleich, sondern biß eine Zeit lang in blinder Wuth nach Allem, was sich ihm näherte."
"Er liebte sehr den Sonnenschein, setzte sich daher oft mit ausgebreiteten Flügeln und geöffnetem Schnabel an ein offenes Feuster und flog auch auf die benachbarten Dächer; Regen scheute er sehr; wurde er von einem solchen überrascht, so verkroch er sich schnell in die nächste Ecke. Gegen Kälte war er sehr empfindlich und mußte deshalb im Winter in der Arbeitsstube gehalten werden, wo er, auf einer Stuhllehne sitzend, sich ganz ruhig verhielt."
"Nachdem ich den Vogel vier Jahre lang gehalten, erfror er in einer kalten Nacht."
Jn Jndien wird unser Wespenbussard durch den gehäubten Honigfalken (Pernis cristatus) vertreten, den einzigen Verwandten von jenem, welchen man kennt. Er findet sich durch ganz Jndien in bewaldeten Gegenden, vom Meere an bis zu 8000 Fuß Höhe und ernährt sich, wie sein europäischer Verwandter, von jungen Bienen, Wespen, Ameisen, Raupen u. dergl., hauptsächlich also von Kerbthieren, gelegentlich aber auch von Ratten und Lurchen und, wie von den Eingebornen erzählt wird, von Vogeleiern und jungen Vögeln. Burgeß erwähnt, von den Jndiern berichtet worden zu sein, daß dieser Vogel, wenn er ein Jmmennest zerstöre, die stechlustigen Kerbthiere mit seinem Schwanze vertreibe.
Sein Horst steht auf Bäumen; die Eier sind auf lichtem Grunde stark gefleckt.
Weſpenbuſſard.
jung aufgezogenen Vögel ihre Natur verleugnen, was bei dieſem ganz beſonders der Fall war, da er nicht einmal die Lieblingsſpeiſe der Weſpenfalken, Weſpenbrut, fraß.‟
„Gegen Kälte war der Vogel ſehr empfindlich; er verſteckte ſich im Winter häufig unter den Ofen, wo er, da er nicht gern im Zimmer geduldet wurde, ſich ganz ruhig verhielt, um ſeine Anweſenheit nicht zu verrathen. Jm allgemeinen hatte der Vogel mehr das Betragen einer Krähe als eines Raubvogels; nur waren ſeine Bewegungen gemeſſener und bedächtiger, ſein Gang ſchreitend, nie hüpfend, nur wenn er gejagt wurde, machte er einige Sätze. Er ſtarb nach drei Jahren.‟
„Das bereits oben erwähnte, alt eingefangene Weibchen zeigte im ganzen ein übereinſtimmendes Betragen, liebte aber Weſpenbrut leidenſchaftlich gern. Hielt man ihm ein Weſpenneſt vor, ſo wurde es ſichtlich aufgeregt, ſtieß mit großer Begierde danach und verſchluckte ganze Stücke davon. Leere Weſpenneſter zerriß es, nach Brut ſuchend, in kleine Fetzen. Sonſt war, wie bei dem vorigen, Semmel und Milch ſeine Lieblingsſpeiſe. Todte Vögel ließ es oft unberührt, lieber waren ihm Fröſche; auch Maikäfer fraß es, doch nicht beſonders gern. Gegen meine übrigen Hausthiere war der Buſſard im hohen Grade verträglich. Ergötzlich war es anzuſehen, wenn er mit denſelben, nämlich mit zwei Meer- ſchweinchen, einem Staar, einem Goldregenpfeifer und zwei Wachteln aus einer Schüſſel fraß. Keines der genannten Thiere zeigte die geringſte Furcht vor ihm, ja, der naſeweiſe Staar biß oft aus Futterneid nach ihm oder ſpritzte ihm Milch ins Geſicht, was er ganz ruhig hinnahm. Zuweilen erhob er ſich dabei ſehr gravitätiſch und überſchaute mit ſtolzem Blick den bunten Kreis ſeiner Tiſchgenoſſen. Ein- mal erhielt ich eine Taube, einen großen ſogenannten Türkentauber, die nicht fliegen konnte; ich ſetzte dieſelbe ſogleich neben den Falken und erſtaunte nicht wenig, als dieſelbe, ſtatt Furcht zu zeigen, ſich innig an den Falken ſchmiegte. Sie zeigte überhaupt bald eine ſolche Anhänglichkeit an ihn, daß ſie nicht mehr von deſſen Seite wich. War ſie von der Stange, auf welcher ſie neben dem Falken ſaß, zum Futter herabgehüpft, ſo lief ſie, da ſie nicht fliegen konnte, ſo lange unter dem Falken hin und her, bis man ſie wieder hinauf ſetzte; verhielt ſich der Falk nicht ruhig, ſo hackte ſie oft nach ihm, was ihn aber gar nicht zu beleidigen ſchien. So gutmüthig nun aber der Falk gegen Menſchen und die genannten Thiere war, ſo bösartig war er, wenn ein Hund in ſeine Nähe kam; hier zeigte er einen Muth und eine Wildheit, die in Erſtaunen ſetzte: pfeilſchnell und mit größter Wuth ſchoß er von ſeiner Stange nach dem Kopf des Hundes, ſchlug ſeine Fänge ein, biß, und ſchlug ihn mit den Flügeln; dabei ſträubte er die Federn und ſauchte wie eine Katze. Die Hunde, auch die ſtärkſten und bösartigſten, geriethen in die größte Angſt und ſuchten das Weite. Auch wenn der Hund entronnen war, beruhigte er ſich nicht gleich, ſondern biß eine Zeit lang in blinder Wuth nach Allem, was ſich ihm näherte.‟
„Er liebte ſehr den Sonnenſchein, ſetzte ſich daher oft mit ausgebreiteten Flügeln und geöffnetem Schnabel an ein offenes Feuſter und flog auch auf die benachbarten Dächer; Regen ſcheute er ſehr; wurde er von einem ſolchen überraſcht, ſo verkroch er ſich ſchnell in die nächſte Ecke. Gegen Kälte war er ſehr empfindlich und mußte deshalb im Winter in der Arbeitsſtube gehalten werden, wo er, auf einer Stuhllehne ſitzend, ſich ganz ruhig verhielt.‟
„Nachdem ich den Vogel vier Jahre lang gehalten, erfror er in einer kalten Nacht.‟
Jn Jndien wird unſer Weſpenbuſſard durch den gehäubten Honigfalken (Pernis cristatus) vertreten, den einzigen Verwandten von jenem, welchen man kennt. Er findet ſich durch ganz Jndien in bewaldeten Gegenden, vom Meere an bis zu 8000 Fuß Höhe und ernährt ſich, wie ſein europäiſcher Verwandter, von jungen Bienen, Weſpen, Ameiſen, Raupen u. dergl., hauptſächlich alſo von Kerbthieren, gelegentlich aber auch von Ratten und Lurchen und, wie von den Eingebornen erzählt wird, von Vogeleiern und jungen Vögeln. Burgeß erwähnt, von den Jndiern berichtet worden zu ſein, daß dieſer Vogel, wenn er ein Jmmenneſt zerſtöre, die ſtechluſtigen Kerbthiere mit ſeinem Schwanze vertreibe.
Sein Horſt ſteht auf Bäumen; die Eier ſind auf lichtem Grunde ſtark gefleckt.
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[511/0543]
Weſpenbuſſard.
jung aufgezogenen Vögel ihre Natur verleugnen, was bei dieſem ganz beſonders der Fall war, da er
nicht einmal die Lieblingsſpeiſe der Weſpenfalken, Weſpenbrut, fraß.‟
„Gegen Kälte war der Vogel ſehr empfindlich; er verſteckte ſich im Winter häufig unter den
Ofen, wo er, da er nicht gern im Zimmer geduldet wurde, ſich ganz ruhig verhielt, um ſeine
Anweſenheit nicht zu verrathen. Jm allgemeinen hatte der Vogel mehr das Betragen einer Krähe
als eines Raubvogels; nur waren ſeine Bewegungen gemeſſener und bedächtiger, ſein Gang ſchreitend,
nie hüpfend, nur wenn er gejagt wurde, machte er einige Sätze. Er ſtarb nach drei Jahren.‟
„Das bereits oben erwähnte, alt eingefangene Weibchen zeigte im ganzen ein übereinſtimmendes
Betragen, liebte aber Weſpenbrut leidenſchaftlich gern. Hielt man ihm ein Weſpenneſt vor, ſo wurde
es ſichtlich aufgeregt, ſtieß mit großer Begierde danach und verſchluckte ganze Stücke davon. Leere
Weſpenneſter zerriß es, nach Brut ſuchend, in kleine Fetzen. Sonſt war, wie bei dem vorigen, Semmel
und Milch ſeine Lieblingsſpeiſe. Todte Vögel ließ es oft unberührt, lieber waren ihm Fröſche; auch
Maikäfer fraß es, doch nicht beſonders gern. Gegen meine übrigen Hausthiere war der Buſſard im
hohen Grade verträglich. Ergötzlich war es anzuſehen, wenn er mit denſelben, nämlich mit zwei Meer-
ſchweinchen, einem Staar, einem Goldregenpfeifer und zwei Wachteln aus einer Schüſſel fraß. Keines
der genannten Thiere zeigte die geringſte Furcht vor ihm, ja, der naſeweiſe Staar biß oft aus Futterneid
nach ihm oder ſpritzte ihm Milch ins Geſicht, was er ganz ruhig hinnahm. Zuweilen erhob er ſich
dabei ſehr gravitätiſch und überſchaute mit ſtolzem Blick den bunten Kreis ſeiner Tiſchgenoſſen. Ein-
mal erhielt ich eine Taube, einen großen ſogenannten Türkentauber, die nicht fliegen konnte; ich ſetzte
dieſelbe ſogleich neben den Falken und erſtaunte nicht wenig, als dieſelbe, ſtatt Furcht zu zeigen, ſich
innig an den Falken ſchmiegte. Sie zeigte überhaupt bald eine ſolche Anhänglichkeit an ihn, daß ſie
nicht mehr von deſſen Seite wich. War ſie von der Stange, auf welcher ſie neben dem Falken ſaß,
zum Futter herabgehüpft, ſo lief ſie, da ſie nicht fliegen konnte, ſo lange unter dem Falken hin und
her, bis man ſie wieder hinauf ſetzte; verhielt ſich der Falk nicht ruhig, ſo hackte ſie oft nach ihm, was
ihn aber gar nicht zu beleidigen ſchien. So gutmüthig nun aber der Falk gegen Menſchen und die
genannten Thiere war, ſo bösartig war er, wenn ein Hund in ſeine Nähe kam; hier zeigte er einen
Muth und eine Wildheit, die in Erſtaunen ſetzte: pfeilſchnell und mit größter Wuth ſchoß er von
ſeiner Stange nach dem Kopf des Hundes, ſchlug ſeine Fänge ein, biß, und ſchlug ihn mit den
Flügeln; dabei ſträubte er die Federn und ſauchte wie eine Katze. Die Hunde, auch die ſtärkſten und
bösartigſten, geriethen in die größte Angſt und ſuchten das Weite. Auch wenn der Hund entronnen
war, beruhigte er ſich nicht gleich, ſondern biß eine Zeit lang in blinder Wuth nach Allem, was ſich
ihm näherte.‟
„Er liebte ſehr den Sonnenſchein, ſetzte ſich daher oft mit ausgebreiteten Flügeln und geöffnetem
Schnabel an ein offenes Feuſter und flog auch auf die benachbarten Dächer; Regen ſcheute er ſehr;
wurde er von einem ſolchen überraſcht, ſo verkroch er ſich ſchnell in die nächſte Ecke. Gegen Kälte
war er ſehr empfindlich und mußte deshalb im Winter in der Arbeitsſtube gehalten werden, wo er,
auf einer Stuhllehne ſitzend, ſich ganz ruhig verhielt.‟
„Nachdem ich den Vogel vier Jahre lang gehalten, erfror er in einer kalten Nacht.‟
Jn Jndien wird unſer Weſpenbuſſard durch den gehäubten Honigfalken (Pernis cristatus)
vertreten, den einzigen Verwandten von jenem, welchen man kennt. Er findet ſich durch ganz Jndien
in bewaldeten Gegenden, vom Meere an bis zu 8000 Fuß Höhe und ernährt ſich, wie ſein
europäiſcher Verwandter, von jungen Bienen, Weſpen, Ameiſen, Raupen u. dergl., hauptſächlich alſo
von Kerbthieren, gelegentlich aber auch von Ratten und Lurchen und, wie von den Eingebornen
erzählt wird, von Vogeleiern und jungen Vögeln. Burgeß erwähnt, von den Jndiern berichtet
worden zu ſein, daß dieſer Vogel, wenn er ein Jmmenneſt zerſtöre, die ſtechluſtigen Kerbthiere mit
ſeinem Schwanze vertreibe.
Sein Horſt ſteht auf Bäumen; die Eier ſind auf lichtem Grunde ſtark gefleckt.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/543>, abgerufen am 22.11.2024.
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