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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Bussarde.
zählt gewöhnlich aber deren drei bis vier. Die Jungen werden von beiden Eltern ernährt, reichlich
versorgt, sehr geliebt, gegen Angriffe vertheidigt und nach dem Ausfliegen noch längere Zeit geführt.

Jung aus dem Neste genommene Bussarde werden bald so zahm, daß sie sogar zum Aus- und
Einfliegen gewöhnt werden können. Auch alt eingefangene überwinden bald den Verlust ihrer Freiheit
und schließen sich nach kurzer Zeit ihrem Pfleger innig an. Sie sind zwar nicht gerade liebenswürdig
im Käfig, immerhin aber angenehme Raubvögel, welche man mit der Zeit lieb gewinnt.



Die Schlangenbussarde (Circaeti), welche von vielen Naturforschern zu den Adlern gestellt
und dann Schlangenadler genannt werden, mögen als Uebergangsglieder von den Adlern zu den
Bussarden die erste Stelle finden. Sie sind große Vögel von durchaus eigenthümlichem Gepräge.
Jhr Leib ist gestreckt, aber kräftig, der Hals kurz, der Kopf ziemlich groß, der Schnabel stark, von
der Wurzel an gekrümmt, seitlich etwas zusammengedrückt mit langem Haken und geraden Schneiden.
Die Flügel sind breit und lang, die dritte oder vierte Schwinge ist über die übrigen verlängert; der
Schwanz ist mittellang, breit und gerade abgeschnitten, der Fuß hoch, mit einem wahren Panzer von
Schildern umgeben, sehr kurzzehig und mit kurzen, gekrümmten und spitzen Nägeln bewehrt. Die
großen und langen Federn liegen locker an und spitzen sich an Kopf und Nacken wie bei den Adlern zu.

Jn Europa lebt eine Art der Sippe, der Schlangen- oder Natternbussard und bezüglich
Adler (Circaetus brachydactylus oder gallicus), ein Vogel von 26 bis 28 Zoll Länge und 66 bis
69 Zoll Flugbreite, dessen Fittig 18 Zoll und dessen Schwanz 9 Zoll mißt. Die Oberseite ist braun,
die Spitzenfedern des Kopfes und Hinterhalses sind mattbraun, heller gesäumt, die Rücken-, Schulter-
und kleinen Flügeldeckfedern tiefbraun, heller gekantet, die Schwingen schwarzbraun, fein hellbraun
gesäumt, weiß gekantet und mit schwarzen Querbinden gezeichnet, die Schwanzfedern dunkelbraun, breit
weiß zugespitzt und dreimal breit schwarz gebändert. Stirn, Kehle und Wangen sind weißlich, schmal
braun gestrichelt, Kropf und Oberbrust sind lebhaft hellbraun. Die übrige Unterseite ist weiß, spärlich
hellbraun in die Quere gefleckt. Ein Kreis von wolligem Flaum umgibt das große Auge, nach vorn
gerichtete Borsten bedecken den Zügel. Das Auge ist gelb, der Schnabel bläulichschwarz, die Wachs-
haut und die Füße sind lichtblau. Junge Vögel unterscheiden sich wenig von den Alten.

Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts wurde der Schlangenadler als ein sehr unbekannter Vogel
angesehen, und seine Naturgeschichte ist auch wirklich erst in den letztvergangenen Jahren festgestellt
worden. Der auffallende und leicht kenntliche Raubvogel mag früher mit lichten Bussarden ver-
wechselt worden sein, bis man anfing, auf ihn zu achten. Seit dieser Zeit hat man ihn überall in
Deutschland gefunden und außerdem in allen südlichen Ländern dieses Erdtheils beobachtet. Sein
Verbreitungskreis dehnt sich jedoch weit über die Grenzen Europas hinaus. Der Schlangenadler ist
wenigstens zeitweilig häufig in Nordafrika und nach Jerdon keineswegs selten in Jndien. Bei uns
zu Lande ist er ein Sommervogel, welcher Aufangs Mai ankommt und uns im September wieder ver-
läßt. Seinen Stand wählt er sich in großen einsamen Waldungen und hier führt er, soweit bis jetzt
bekannt, ein wahres Stillleben, d. h. er macht sich wenig bemerklich, weil er ein ruhiger und träger
Gesell ist. Jn Jndien, wo er ebenfalls brütet, bewohnt er weniger die Waldungen und Dschungeln,
als die offenen Ebenen und das bebaute Land, gleichviel ob dasselbe trocken oder feucht ist. Jn Nord-
afrika sieht man ihn hauptsächlich im Winter, oft in Gesellschaften von sechs bis zwölf Stück, gern auf
den Felsen nahe am Strome, noch lieber aber in der Steppe und hier zuweilen viele Meilen weit von
einem ihm zugänglichen Gewässer entfernt. Jn Nordwestafrika hat man ihn horstend gefunden.

Lebensweise und Betragen, Sitten und Gewohnheiten des Schlangenbussards erinnern ungleich
mehr an unsern Mäusebussard, als an irgend welchen Adler. Er ist nach meinen Beobachtungen
ein ruhiger, fauler, grilliger und zänkischer Vogel, welcher sich um Nichts anderes zu bekümmern

Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde.
zählt gewöhnlich aber deren drei bis vier. Die Jungen werden von beiden Eltern ernährt, reichlich
verſorgt, ſehr geliebt, gegen Angriffe vertheidigt und nach dem Ausfliegen noch längere Zeit geführt.

Jung aus dem Neſte genommene Buſſarde werden bald ſo zahm, daß ſie ſogar zum Aus- und
Einfliegen gewöhnt werden können. Auch alt eingefangene überwinden bald den Verluſt ihrer Freiheit
und ſchließen ſich nach kurzer Zeit ihrem Pfleger innig an. Sie ſind zwar nicht gerade liebenswürdig
im Käfig, immerhin aber angenehme Raubvögel, welche man mit der Zeit lieb gewinnt.



Die Schlangenbuſſarde (Circaëti), welche von vielen Naturforſchern zu den Adlern geſtellt
und dann Schlangenadler genannt werden, mögen als Uebergangsglieder von den Adlern zu den
Buſſarden die erſte Stelle finden. Sie ſind große Vögel von durchaus eigenthümlichem Gepräge.
Jhr Leib iſt geſtreckt, aber kräftig, der Hals kurz, der Kopf ziemlich groß, der Schnabel ſtark, von
der Wurzel an gekrümmt, ſeitlich etwas zuſammengedrückt mit langem Haken und geraden Schneiden.
Die Flügel ſind breit und lang, die dritte oder vierte Schwinge iſt über die übrigen verlängert; der
Schwanz iſt mittellang, breit und gerade abgeſchnitten, der Fuß hoch, mit einem wahren Panzer von
Schildern umgeben, ſehr kurzzehig und mit kurzen, gekrümmten und ſpitzen Nägeln bewehrt. Die
großen und langen Federn liegen locker an und ſpitzen ſich an Kopf und Nacken wie bei den Adlern zu.

Jn Europa lebt eine Art der Sippe, der Schlangen- oder Natternbuſſard und bezüglich
Adler (Circaëtus brachydactylus oder gallicus), ein Vogel von 26 bis 28 Zoll Länge und 66 bis
69 Zoll Flugbreite, deſſen Fittig 18 Zoll und deſſen Schwanz 9 Zoll mißt. Die Oberſeite iſt braun,
die Spitzenfedern des Kopfes und Hinterhalſes ſind mattbraun, heller geſäumt, die Rücken-, Schulter-
und kleinen Flügeldeckfedern tiefbraun, heller gekantet, die Schwingen ſchwarzbraun, fein hellbraun
geſäumt, weiß gekantet und mit ſchwarzen Querbinden gezeichnet, die Schwanzfedern dunkelbraun, breit
weiß zugeſpitzt und dreimal breit ſchwarz gebändert. Stirn, Kehle und Wangen ſind weißlich, ſchmal
braun geſtrichelt, Kropf und Oberbruſt ſind lebhaft hellbraun. Die übrige Unterſeite iſt weiß, ſpärlich
hellbraun in die Quere gefleckt. Ein Kreis von wolligem Flaum umgibt das große Auge, nach vorn
gerichtete Borſten bedecken den Zügel. Das Auge iſt gelb, der Schnabel bläulichſchwarz, die Wachs-
haut und die Füße ſind lichtblau. Junge Vögel unterſcheiden ſich wenig von den Alten.

Noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts wurde der Schlangenadler als ein ſehr unbekannter Vogel
angeſehen, und ſeine Naturgeſchichte iſt auch wirklich erſt in den letztvergangenen Jahren feſtgeſtellt
worden. Der auffallende und leicht kenntliche Raubvogel mag früher mit lichten Buſſarden ver-
wechſelt worden ſein, bis man anfing, auf ihn zu achten. Seit dieſer Zeit hat man ihn überall in
Deutſchland gefunden und außerdem in allen ſüdlichen Ländern dieſes Erdtheils beobachtet. Sein
Verbreitungskreis dehnt ſich jedoch weit über die Grenzen Europas hinaus. Der Schlangenadler iſt
wenigſtens zeitweilig häufig in Nordafrika und nach Jerdon keineswegs ſelten in Jndien. Bei uns
zu Lande iſt er ein Sommervogel, welcher Aufangs Mai ankommt und uns im September wieder ver-
läßt. Seinen Stand wählt er ſich in großen einſamen Waldungen und hier führt er, ſoweit bis jetzt
bekannt, ein wahres Stillleben, d. h. er macht ſich wenig bemerklich, weil er ein ruhiger und träger
Geſell iſt. Jn Jndien, wo er ebenfalls brütet, bewohnt er weniger die Waldungen und Dſchungeln,
als die offenen Ebenen und das bebaute Land, gleichviel ob daſſelbe trocken oder feucht iſt. Jn Nord-
afrika ſieht man ihn hauptſächlich im Winter, oft in Geſellſchaften von ſechs bis zwölf Stück, gern auf
den Felſen nahe am Strome, noch lieber aber in der Steppe und hier zuweilen viele Meilen weit von
einem ihm zugänglichen Gewäſſer entfernt. Jn Nordweſtafrika hat man ihn horſtend gefunden.

Lebensweiſe und Betragen, Sitten und Gewohnheiten des Schlangenbuſſards erinnern ungleich
mehr an unſern Mäuſebuſſard, als an irgend welchen Adler. Er iſt nach meinen Beobachtungen
ein ruhiger, fauler, grilliger und zänkiſcher Vogel, welcher ſich um Nichts anderes zu bekümmern

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[504/0536] Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde. zählt gewöhnlich aber deren drei bis vier. Die Jungen werden von beiden Eltern ernährt, reichlich verſorgt, ſehr geliebt, gegen Angriffe vertheidigt und nach dem Ausfliegen noch längere Zeit geführt. Jung aus dem Neſte genommene Buſſarde werden bald ſo zahm, daß ſie ſogar zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden können. Auch alt eingefangene überwinden bald den Verluſt ihrer Freiheit und ſchließen ſich nach kurzer Zeit ihrem Pfleger innig an. Sie ſind zwar nicht gerade liebenswürdig im Käfig, immerhin aber angenehme Raubvögel, welche man mit der Zeit lieb gewinnt. Die Schlangenbuſſarde (Circaëti), welche von vielen Naturforſchern zu den Adlern geſtellt und dann Schlangenadler genannt werden, mögen als Uebergangsglieder von den Adlern zu den Buſſarden die erſte Stelle finden. Sie ſind große Vögel von durchaus eigenthümlichem Gepräge. Jhr Leib iſt geſtreckt, aber kräftig, der Hals kurz, der Kopf ziemlich groß, der Schnabel ſtark, von der Wurzel an gekrümmt, ſeitlich etwas zuſammengedrückt mit langem Haken und geraden Schneiden. Die Flügel ſind breit und lang, die dritte oder vierte Schwinge iſt über die übrigen verlängert; der Schwanz iſt mittellang, breit und gerade abgeſchnitten, der Fuß hoch, mit einem wahren Panzer von Schildern umgeben, ſehr kurzzehig und mit kurzen, gekrümmten und ſpitzen Nägeln bewehrt. Die großen und langen Federn liegen locker an und ſpitzen ſich an Kopf und Nacken wie bei den Adlern zu. Jn Europa lebt eine Art der Sippe, der Schlangen- oder Natternbuſſard und bezüglich Adler (Circaëtus brachydactylus oder gallicus), ein Vogel von 26 bis 28 Zoll Länge und 66 bis 69 Zoll Flugbreite, deſſen Fittig 18 Zoll und deſſen Schwanz 9 Zoll mißt. Die Oberſeite iſt braun, die Spitzenfedern des Kopfes und Hinterhalſes ſind mattbraun, heller geſäumt, die Rücken-, Schulter- und kleinen Flügeldeckfedern tiefbraun, heller gekantet, die Schwingen ſchwarzbraun, fein hellbraun geſäumt, weiß gekantet und mit ſchwarzen Querbinden gezeichnet, die Schwanzfedern dunkelbraun, breit weiß zugeſpitzt und dreimal breit ſchwarz gebändert. Stirn, Kehle und Wangen ſind weißlich, ſchmal braun geſtrichelt, Kropf und Oberbruſt ſind lebhaft hellbraun. Die übrige Unterſeite iſt weiß, ſpärlich hellbraun in die Quere gefleckt. Ein Kreis von wolligem Flaum umgibt das große Auge, nach vorn gerichtete Borſten bedecken den Zügel. Das Auge iſt gelb, der Schnabel bläulichſchwarz, die Wachs- haut und die Füße ſind lichtblau. Junge Vögel unterſcheiden ſich wenig von den Alten. Noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts wurde der Schlangenadler als ein ſehr unbekannter Vogel angeſehen, und ſeine Naturgeſchichte iſt auch wirklich erſt in den letztvergangenen Jahren feſtgeſtellt worden. Der auffallende und leicht kenntliche Raubvogel mag früher mit lichten Buſſarden ver- wechſelt worden ſein, bis man anfing, auf ihn zu achten. Seit dieſer Zeit hat man ihn überall in Deutſchland gefunden und außerdem in allen ſüdlichen Ländern dieſes Erdtheils beobachtet. Sein Verbreitungskreis dehnt ſich jedoch weit über die Grenzen Europas hinaus. Der Schlangenadler iſt wenigſtens zeitweilig häufig in Nordafrika und nach Jerdon keineswegs ſelten in Jndien. Bei uns zu Lande iſt er ein Sommervogel, welcher Aufangs Mai ankommt und uns im September wieder ver- läßt. Seinen Stand wählt er ſich in großen einſamen Waldungen und hier führt er, ſoweit bis jetzt bekannt, ein wahres Stillleben, d. h. er macht ſich wenig bemerklich, weil er ein ruhiger und träger Geſell iſt. Jn Jndien, wo er ebenfalls brütet, bewohnt er weniger die Waldungen und Dſchungeln, als die offenen Ebenen und das bebaute Land, gleichviel ob daſſelbe trocken oder feucht iſt. Jn Nord- afrika ſieht man ihn hauptſächlich im Winter, oft in Geſellſchaften von ſechs bis zwölf Stück, gern auf den Felſen nahe am Strome, noch lieber aber in der Steppe und hier zuweilen viele Meilen weit von einem ihm zugänglichen Gewäſſer entfernt. Jn Nordweſtafrika hat man ihn horſtend gefunden. Lebensweiſe und Betragen, Sitten und Gewohnheiten des Schlangenbuſſards erinnern ungleich mehr an unſern Mäuſebuſſard, als an irgend welchen Adler. Er iſt nach meinen Beobachtungen ein ruhiger, fauler, grilliger und zänkiſcher Vogel, welcher ſich um Nichts anderes zu bekümmern

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/536>, abgerufen am 23.11.2024.