Bauern auf und nieder und legt seinen Horst ohne Sorge auf Orangebäumen an, welche der Gärtner allwöchentlich besucht, um die Früchte abzunehmen. Doch wird auch er vorsichtig, wenn er den mord- lustigen Europäer kennen gelernt hat und nimmt sich dann wohl in Acht, in Schußnähe zu kommen. Gegen sein Weibchen benimmt er sich sehr zärtlich; um harmlose Vögel bekümmert er sich nicht; starke Raubvögel hingegen verfolgt er eifrig unter viel Geschrei. Seine Stimme hat Aehnlichkeit mit der unseres Baumfalken; die einzelnen Töne sind aber länger gezogen, fast pfeifend und auf weithin vernehmbar.
Die Brutzeit fällt in Egypten in unsere Frühlingsmonate, im Sudahn in den Anfang der Regenzeit. Jch habe mehrere Gleitaarhorste gefunden, den ersten am 4. März auf einem Citronen- baum mit drei flaumigen Jungen, einen zweiten am 13. März auf einem Christusdorn mit drei Eiern, einen dritten am 18. März mit fünf Jungen. Die Eier sind auf grauweißem Grunde höchst unregelmäßig kirschbraun gefleckt und gestrichelt, so daß das Weiß kaum durchschimmert. Jhre Länge beträgt 11/2 Zoll, ihr Durchmesser an der dicksten Stelle 14 Linien. Jerdon behauptet, daß die Eier reinweiß wären; sie mögen also manchfachen Veränderungen unterworfen sein. Alle Horste, welche ich bestieg, standen auf niedrigen, dichtwipfligen Bäumen, höchstens zwanzig Fuß über dem Boden. Sie waren flach, aus feinem Reisig erbaut und innen mit Würzelchen und Grashalmen ausgefüttert, wenn sie Junge enthielten, mit Mäusegewölle und Mäusehaaren ganz bedeckt, ja förmlich ausgepolstert.
Jung aus dem Neste genommen werden die Gleitaare ebenso zahm, als unser Thurm- oder Baumfalk; aber auch alt eingefangene und selbst solche, welche verwundet in die Gewalt des Menschen kamen, zeigen sich bald überaus zutraulich. Sie bedienen sich ihrem Gebieter gegenüber ihrer scharfen Waffen nicht, und öffnen nur zuweilen drohend den Schnabel, ohne jedoch zu beißen. Das Futter nehmen sie schon nach wenigen Tagen ihrem Wärter aus der Hand. Jm Zimmer gewöhnen sie sich bald ein, scheinen sich überhaupt wenig nach ihrer Freiheit zu sehnen. Mit andern Vögeln vertragen sie sich aber nicht. Wir erfuhren, daß einer von unsern Gefangenen einen Sporenkiebitz, welchen wir zu ihm brachten, schon am zweiten Tage des Zusammenseins abwürgte und auffraß. Die Haltung der gefangenen Gleitaare fordert übrigens einige Vorsicht. Wenn man sie ausschließlich mit rohem Fleisch füttert, gehen sie bald zu Grunde; sie bedürfen, wie die Eulen, einer Nahrung, welche ihnen gestattet, Gewölle zu bilden.
Jn Amerika leben zwei dem Gleitaare nahe verwandte Raubvögel (Ictinia), welche wir Schwebeweihen nennen wollen. Bei ihnen sind die Flügel, in denen die dritte Schwinge die längste ist, lang und spitzig; der Schnabel ist ziemlich lang, ein wenig ausgeschweift; die Füße sind mittellang, aber kräftig, die Zehen verhältnißmäßig kurz, mit runden scharf gebogenen Krallen bewehrt; der Schnabel ist kurz, ebenso breit als hoch, an der Wurzel mit schwachem einfachen Rand- zahn. Das Gefieder ist voll und weich; die einzelnen Federn sind mittelgroß.
Der Schwebeweih (Ictinia mississippensis) wird 14 Zoll lang und 36 Zoll breit. Kopf, Nacken und die ganze Hinterseite sind bläulichweiß, der Rücken, die Flügel und der Schwanz schwarz mit grünlichem Glanze, die Spitzen der zweiten Schwingen graulichweiß, die Außenfahnen der hintersten Handschwingen glänzend roth gesäumt. Das Auge ist blutroth; der Schnabel und eine Stelle ums Auge sind schwarz; der Fuß ist karminroth.
"Wenn der Frühling kommt", so erzählt uns Audubon, "stellt sich auch der Schwebeweih in dem Gebiete des edeln Stromes ein, dessen Namen er trägt, und wandert seinen Ufern entlang bis gegen Memphis hin. Jn Louisiana erscheint er um die Mitte des Aprils in kleinen Flügen zu fünf oder sechs und macht sich an den Ufern der Ströme in den Wäldern seßhaft. Jn das Jnnere des Landes geht er nicht. Pflanzungen, welche erst kürzlich angelegt wurden und in der Nähe von einem Gewässer liegen, scheinen ihm vor Allem zu behagen. Sein Flug ist anmuthig, kräftig und anhaltend
Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
Bauern auf und nieder und legt ſeinen Horſt ohne Sorge auf Orangebäumen an, welche der Gärtner allwöchentlich beſucht, um die Früchte abzunehmen. Doch wird auch er vorſichtig, wenn er den mord- luſtigen Europäer kennen gelernt hat und nimmt ſich dann wohl in Acht, in Schußnähe zu kommen. Gegen ſein Weibchen benimmt er ſich ſehr zärtlich; um harmloſe Vögel bekümmert er ſich nicht; ſtarke Raubvögel hingegen verfolgt er eifrig unter viel Geſchrei. Seine Stimme hat Aehnlichkeit mit der unſeres Baumfalken; die einzelnen Töne ſind aber länger gezogen, faſt pfeifend und auf weithin vernehmbar.
Die Brutzeit fällt in Egypten in unſere Frühlingsmonate, im Sudahn in den Anfang der Regenzeit. Jch habe mehrere Gleitaarhorſte gefunden, den erſten am 4. März auf einem Citronen- baum mit drei flaumigen Jungen, einen zweiten am 13. März auf einem Chriſtusdorn mit drei Eiern, einen dritten am 18. März mit fünf Jungen. Die Eier ſind auf grauweißem Grunde höchſt unregelmäßig kirſchbraun gefleckt und geſtrichelt, ſo daß das Weiß kaum durchſchimmert. Jhre Länge beträgt 1½ Zoll, ihr Durchmeſſer an der dickſten Stelle 14 Linien. Jerdon behauptet, daß die Eier reinweiß wären; ſie mögen alſo manchfachen Veränderungen unterworfen ſein. Alle Horſte, welche ich beſtieg, ſtanden auf niedrigen, dichtwipfligen Bäumen, höchſtens zwanzig Fuß über dem Boden. Sie waren flach, aus feinem Reiſig erbaut und innen mit Würzelchen und Grashalmen ausgefüttert, wenn ſie Junge enthielten, mit Mäuſegewölle und Mäuſehaaren ganz bedeckt, ja förmlich ausgepolſtert.
Jung aus dem Neſte genommen werden die Gleitaare ebenſo zahm, als unſer Thurm- oder Baumfalk; aber auch alt eingefangene und ſelbſt ſolche, welche verwundet in die Gewalt des Menſchen kamen, zeigen ſich bald überaus zutraulich. Sie bedienen ſich ihrem Gebieter gegenüber ihrer ſcharfen Waffen nicht, und öffnen nur zuweilen drohend den Schnabel, ohne jedoch zu beißen. Das Futter nehmen ſie ſchon nach wenigen Tagen ihrem Wärter aus der Hand. Jm Zimmer gewöhnen ſie ſich bald ein, ſcheinen ſich überhaupt wenig nach ihrer Freiheit zu ſehnen. Mit andern Vögeln vertragen ſie ſich aber nicht. Wir erfuhren, daß einer von unſern Gefangenen einen Sporenkiebitz, welchen wir zu ihm brachten, ſchon am zweiten Tage des Zuſammenſeins abwürgte und auffraß. Die Haltung der gefangenen Gleitaare fordert übrigens einige Vorſicht. Wenn man ſie ausſchließlich mit rohem Fleiſch füttert, gehen ſie bald zu Grunde; ſie bedürfen, wie die Eulen, einer Nahrung, welche ihnen geſtattet, Gewölle zu bilden.
Jn Amerika leben zwei dem Gleitaare nahe verwandte Raubvögel (Ictinia), welche wir Schwebeweihen nennen wollen. Bei ihnen ſind die Flügel, in denen die dritte Schwinge die längſte iſt, lang und ſpitzig; der Schnabel iſt ziemlich lang, ein wenig ausgeſchweift; die Füße ſind mittellang, aber kräftig, die Zehen verhältnißmäßig kurz, mit runden ſcharf gebogenen Krallen bewehrt; der Schnabel iſt kurz, ebenſo breit als hoch, an der Wurzel mit ſchwachem einfachen Rand- zahn. Das Gefieder iſt voll und weich; die einzelnen Federn ſind mittelgroß.
Der Schwebeweih (Ictinia mississippensis) wird 14 Zoll lang und 36 Zoll breit. Kopf, Nacken und die ganze Hinterſeite ſind bläulichweiß, der Rücken, die Flügel und der Schwanz ſchwarz mit grünlichem Glanze, die Spitzen der zweiten Schwingen graulichweiß, die Außenfahnen der hinterſten Handſchwingen glänzend roth geſäumt. Das Auge iſt blutroth; der Schnabel und eine Stelle ums Auge ſind ſchwarz; der Fuß iſt karminroth.
„Wenn der Frühling kommt‟, ſo erzählt uns Audubon, „ſtellt ſich auch der Schwebeweih in dem Gebiete des edeln Stromes ein, deſſen Namen er trägt, und wandert ſeinen Ufern entlang bis gegen Memphis hin. Jn Louiſiana erſcheint er um die Mitte des Aprils in kleinen Flügen zu fünf oder ſechs und macht ſich an den Ufern der Ströme in den Wäldern ſeßhaft. Jn das Jnnere des Landes geht er nicht. Pflanzungen, welche erſt kürzlich angelegt wurden und in der Nähe von einem Gewäſſer liegen, ſcheinen ihm vor Allem zu behagen. Sein Flug iſt anmuthig, kräftig und anhaltend
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[488/0520]
Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
Bauern auf und nieder und legt ſeinen Horſt ohne Sorge auf Orangebäumen an, welche der Gärtner
allwöchentlich beſucht, um die Früchte abzunehmen. Doch wird auch er vorſichtig, wenn er den mord-
luſtigen Europäer kennen gelernt hat und nimmt ſich dann wohl in Acht, in Schußnähe zu kommen.
Gegen ſein Weibchen benimmt er ſich ſehr zärtlich; um harmloſe Vögel bekümmert er ſich nicht;
ſtarke Raubvögel hingegen verfolgt er eifrig unter viel Geſchrei. Seine Stimme hat Aehnlichkeit mit
der unſeres Baumfalken; die einzelnen Töne ſind aber länger gezogen, faſt pfeifend und auf weithin
vernehmbar.
Die Brutzeit fällt in Egypten in unſere Frühlingsmonate, im Sudahn in den Anfang der
Regenzeit. Jch habe mehrere Gleitaarhorſte gefunden, den erſten am 4. März auf einem Citronen-
baum mit drei flaumigen Jungen, einen zweiten am 13. März auf einem Chriſtusdorn mit drei
Eiern, einen dritten am 18. März mit fünf Jungen. Die Eier ſind auf grauweißem Grunde höchſt
unregelmäßig kirſchbraun gefleckt und geſtrichelt, ſo daß das Weiß kaum durchſchimmert. Jhre Länge
beträgt 1½ Zoll, ihr Durchmeſſer an der dickſten Stelle 14 Linien. Jerdon behauptet, daß die
Eier reinweiß wären; ſie mögen alſo manchfachen Veränderungen unterworfen ſein. Alle Horſte,
welche ich beſtieg, ſtanden auf niedrigen, dichtwipfligen Bäumen, höchſtens zwanzig Fuß über dem
Boden. Sie waren flach, aus feinem Reiſig erbaut und innen mit Würzelchen und Grashalmen
ausgefüttert, wenn ſie Junge enthielten, mit Mäuſegewölle und Mäuſehaaren ganz bedeckt, ja
förmlich ausgepolſtert.
Jung aus dem Neſte genommen werden die Gleitaare ebenſo zahm, als unſer Thurm- oder
Baumfalk; aber auch alt eingefangene und ſelbſt ſolche, welche verwundet in die Gewalt des
Menſchen kamen, zeigen ſich bald überaus zutraulich. Sie bedienen ſich ihrem Gebieter gegenüber
ihrer ſcharfen Waffen nicht, und öffnen nur zuweilen drohend den Schnabel, ohne jedoch zu beißen.
Das Futter nehmen ſie ſchon nach wenigen Tagen ihrem Wärter aus der Hand. Jm Zimmer
gewöhnen ſie ſich bald ein, ſcheinen ſich überhaupt wenig nach ihrer Freiheit zu ſehnen. Mit andern
Vögeln vertragen ſie ſich aber nicht. Wir erfuhren, daß einer von unſern Gefangenen einen
Sporenkiebitz, welchen wir zu ihm brachten, ſchon am zweiten Tage des Zuſammenſeins abwürgte
und auffraß. Die Haltung der gefangenen Gleitaare fordert übrigens einige Vorſicht. Wenn man
ſie ausſchließlich mit rohem Fleiſch füttert, gehen ſie bald zu Grunde; ſie bedürfen, wie die Eulen,
einer Nahrung, welche ihnen geſtattet, Gewölle zu bilden.
Jn Amerika leben zwei dem Gleitaare nahe verwandte Raubvögel (Ictinia), welche wir
Schwebeweihen nennen wollen. Bei ihnen ſind die Flügel, in denen die dritte Schwinge die
längſte iſt, lang und ſpitzig; der Schnabel iſt ziemlich lang, ein wenig ausgeſchweift; die Füße ſind
mittellang, aber kräftig, die Zehen verhältnißmäßig kurz, mit runden ſcharf gebogenen Krallen
bewehrt; der Schnabel iſt kurz, ebenſo breit als hoch, an der Wurzel mit ſchwachem einfachen Rand-
zahn. Das Gefieder iſt voll und weich; die einzelnen Federn ſind mittelgroß.
Der Schwebeweih (Ictinia mississippensis) wird 14 Zoll lang und 36 Zoll breit. Kopf,
Nacken und die ganze Hinterſeite ſind bläulichweiß, der Rücken, die Flügel und der Schwanz ſchwarz
mit grünlichem Glanze, die Spitzen der zweiten Schwingen graulichweiß, die Außenfahnen der
hinterſten Handſchwingen glänzend roth geſäumt. Das Auge iſt blutroth; der Schnabel und eine
Stelle ums Auge ſind ſchwarz; der Fuß iſt karminroth.
„Wenn der Frühling kommt‟, ſo erzählt uns Audubon, „ſtellt ſich auch der Schwebeweih in
dem Gebiete des edeln Stromes ein, deſſen Namen er trägt, und wandert ſeinen Ufern entlang bis
gegen Memphis hin. Jn Louiſiana erſcheint er um die Mitte des Aprils in kleinen Flügen zu fünf
oder ſechs und macht ſich an den Ufern der Ströme in den Wäldern ſeßhaft. Jn das Jnnere des
Landes geht er nicht. Pflanzungen, welche erſt kürzlich angelegt wurden und in der Nähe von einem
Gewäſſer liegen, ſcheinen ihm vor Allem zu behagen. Sein Flug iſt anmuthig, kräftig und anhaltend
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/520>, abgerufen am 22.11.2024.
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