Der Kampfadler wählt sich einen vereinzelt stehenden Baum zu seinem Standorte; denn er ist sehr mißtrauisch und liebt es, zu sehen, was um ihn vorgeht. Vonhieraus durchstreift das Paar ein weites Gebiet, stets in getreuer Gemeinschaft; in ihm aber duldet es kein anderes derselben Art oder keinen andern Raubvogel überhaupt. Jeder andere Räuber, welcher sich ihm aufdrängt, wird erbarmungslos angegriffen, mit voller Macht befehdet und zur Flucht gezwungen. "Es geschieht", wie Vaillant sagt, "nicht selten, daß Scharen von Geiern und Raben sich vereinigen, in der Absicht, dem Kampfadler seine Beute abzunehmen; doch genügt der einfache Blick des Räubers, dieses Bettlergesindel sich vom Leibe zu halten."
Wahrscheinlich jagt der Kampfadler hauptsächlich in den Morgen- und Abendstunden und selten wohl vergeblich. Seine gewöhnliche Beute besteht aus kleinen Antilopen und Hasen; er wird aber jedenfalls die vielen Wildhühnerarten auch nicht verschonen. Sein ganzes Wesen bekundet, daß er den afrikanischen Thieren ein ebenso gefährlicher Feind ist, wie unser Steinadler den europäischen. Es gibt in ganz Südafrika keinen Raubvogel, welcher dem Kampfadler an Kraft und Raubfähigkeit gliche. Er ist der unumschränkte Gebieter in seinem Bereiche: Kraft und Kühnheit vereinigen sich in ihm, um ihn zu einem furchtbaren Feind aller wehrlosen Geschöpfe zu machen. Der Flug ist durch- aus adlerartig, aber leichter und rascher. Die Stimme soll bald scharf und durchdringend, bald rauh und dumpf sein.
Der Horst wird auf der Krone der höchsten Bäume gegründet, und nur in Ermangelung derselben auf Felsvorsprüngen an unersteiglichen Wänden. Er ähnelt im Ganzen dem anderer Adler, soll sich aber dadurch auszeichnen, daß er bestimmt aus drei verschiedenen Lagen aufgebaut wird: aus einer, welche aus Knüppeln, einer zweiten, welche aus feineren Zweigen, Mos, dürren Blättern, Haide- und andern weichen Pflanzentheilen der Umgegend, sowie endlich einer dritten, welche aus feinen Reisern besteht, welche letztere die Nestmulde bilden. Das ganze Gebäude hat einen Durchmesser von vier bis fünf Fuß und ist so fest, daß ein Mann sich mit aller Sicherheit darauf niederlassen kann. Wenn der Horst auf Felsgestein gegründet wird, fehlt selbstverständlich der Unter- ban. Vaillant glaubt, daß ein und derselbe Horst von dem Paare benutzt wird, so lange es lebt. Die zwei Eier sind drei Zoll und einige Linien lang, fast rund und reinweiß von Farbe. Während das Weibchen brütet, versorgt es das Männchen mit allem Nothwendigen, und später jagt es für die ganze Familie, jedoch nur so lange, als die Jungen noch sehr klein sind; denn sobald sie größer werden, brauchen sie soviel zu ihrer Unterhaltung, daß die Alten kaum genug für sie erjagen können. Die Hottentotten versicherten Vaillant, daß sie zwei Monate von Dem gelebt hätten, was sie zwei jungen Kampfadlern weggenommen. Bis die Jungen ausfliegen, sammeln sich auf und um den Horst Haufen von Knochen der verschiedensten Thiere.
Vaillant hielt einen Kampfadler längere Zeit in Gefangenschaft und beobachtete, daß derselbe sich mit Gier auf das ihm vorgeworfene Fleisch herabstürzte, dasselbe pfundweise verschlang und auch, wenn sein Kropf schon gefüllt war, niemals Nahrung zu nehmen verweigerte; unser Forscher erwähnt ferner, daß alles Lebende nach dem Geschmack des Gefangenen gewesen, daß dieser nicht einmal die Ueberreste eines andern Kampfadlers, welche ihm vorgeworfen wurden, verschmäht habe. Jch halte diese Augabe für übertrieben. Der hamburger Thiergarten besitzt seit ungefähr Jahresfrist einen Kampfadler, welcher an der Ostküste Afrikas, in der Gegend von Sansebar, gefangen und dem Garten unmittelbar zugeschickt wurde. Mein Bruder hat ihn in seinen "Skizzen und Bildern aus dem Thiergarten" geschildert, und ich kann das hier Gesagte nur bestätigen. "Der erwähnte Gefangene", so heißt es am angegebenen Orte, "versteht es, Jedermann zu fesseln; denn er ist wirklich ein höchst anziehendes Thier. Seine Wildheit scheint er ganz abgelegt zu haben. Er zeigt sich merkwürdig zahm und zutraulich, förmlich befreundet mit den Menschen. Er antwortet auf jeden Anruf, und zwar ist seine Stimme überraschend klangvoll und wohltönend, jedoch leise und weich, ganz im Gegensatz zu den übrigen Adlern, deren Geschrei bekanntermaßen nicht eben wohl- lautend ist. Soviel man es wiedergeben kann, läßt es sich durch die Silben "Gliuk, gliuk" bezeichnen."
Habichtsadler. Kampfadler.
Der Kampfadler wählt ſich einen vereinzelt ſtehenden Baum zu ſeinem Standorte; denn er iſt ſehr mißtrauiſch und liebt es, zu ſehen, was um ihn vorgeht. Vonhieraus durchſtreift das Paar ein weites Gebiet, ſtets in getreuer Gemeinſchaft; in ihm aber duldet es kein anderes derſelben Art oder keinen andern Raubvogel überhaupt. Jeder andere Räuber, welcher ſich ihm aufdrängt, wird erbarmungslos angegriffen, mit voller Macht befehdet und zur Flucht gezwungen. „Es geſchieht‟, wie Vaillant ſagt, „nicht ſelten, daß Scharen von Geiern und Raben ſich vereinigen, in der Abſicht, dem Kampfadler ſeine Beute abzunehmen; doch genügt der einfache Blick des Räubers, dieſes Bettlergeſindel ſich vom Leibe zu halten.‟
Wahrſcheinlich jagt der Kampfadler hauptſächlich in den Morgen- und Abendſtunden und ſelten wohl vergeblich. Seine gewöhnliche Beute beſteht aus kleinen Antilopen und Haſen; er wird aber jedenfalls die vielen Wildhühnerarten auch nicht verſchonen. Sein ganzes Weſen bekundet, daß er den afrikaniſchen Thieren ein ebenſo gefährlicher Feind iſt, wie unſer Steinadler den europäiſchen. Es gibt in ganz Südafrika keinen Raubvogel, welcher dem Kampfadler an Kraft und Raubfähigkeit gliche. Er iſt der unumſchränkte Gebieter in ſeinem Bereiche: Kraft und Kühnheit vereinigen ſich in ihm, um ihn zu einem furchtbaren Feind aller wehrloſen Geſchöpfe zu machen. Der Flug iſt durch- aus adlerartig, aber leichter und raſcher. Die Stimme ſoll bald ſcharf und durchdringend, bald rauh und dumpf ſein.
Der Horſt wird auf der Krone der höchſten Bäume gegründet, und nur in Ermangelung derſelben auf Felsvorſprüngen an unerſteiglichen Wänden. Er ähnelt im Ganzen dem anderer Adler, ſoll ſich aber dadurch auszeichnen, daß er beſtimmt aus drei verſchiedenen Lagen aufgebaut wird: aus einer, welche aus Knüppeln, einer zweiten, welche aus feineren Zweigen, Mos, dürren Blättern, Haide- und andern weichen Pflanzentheilen der Umgegend, ſowie endlich einer dritten, welche aus feinen Reiſern beſteht, welche letztere die Neſtmulde bilden. Das ganze Gebäude hat einen Durchmeſſer von vier bis fünf Fuß und iſt ſo feſt, daß ein Mann ſich mit aller Sicherheit darauf niederlaſſen kann. Wenn der Horſt auf Felsgeſtein gegründet wird, fehlt ſelbſtverſtändlich der Unter- ban. Vaillant glaubt, daß ein und derſelbe Horſt von dem Paare benutzt wird, ſo lange es lebt. Die zwei Eier ſind drei Zoll und einige Linien lang, faſt rund und reinweiß von Farbe. Während das Weibchen brütet, verſorgt es das Männchen mit allem Nothwendigen, und ſpäter jagt es für die ganze Familie, jedoch nur ſo lange, als die Jungen noch ſehr klein ſind; denn ſobald ſie größer werden, brauchen ſie ſoviel zu ihrer Unterhaltung, daß die Alten kaum genug für ſie erjagen können. Die Hottentotten verſicherten Vaillant, daß ſie zwei Monate von Dem gelebt hätten, was ſie zwei jungen Kampfadlern weggenommen. Bis die Jungen ausfliegen, ſammeln ſich auf und um den Horſt Haufen von Knochen der verſchiedenſten Thiere.
Vaillant hielt einen Kampfadler längere Zeit in Gefangenſchaft und beobachtete, daß derſelbe ſich mit Gier auf das ihm vorgeworfene Fleiſch herabſtürzte, daſſelbe pfundweiſe verſchlang und auch, wenn ſein Kropf ſchon gefüllt war, niemals Nahrung zu nehmen verweigerte; unſer Forſcher erwähnt ferner, daß alles Lebende nach dem Geſchmack des Gefangenen geweſen, daß dieſer nicht einmal die Ueberreſte eines andern Kampfadlers, welche ihm vorgeworfen wurden, verſchmäht habe. Jch halte dieſe Augabe für übertrieben. Der hamburger Thiergarten beſitzt ſeit ungefähr Jahresfriſt einen Kampfadler, welcher an der Oſtküſte Afrikas, in der Gegend von Sanſebar, gefangen und dem Garten unmittelbar zugeſchickt wurde. Mein Bruder hat ihn in ſeinen „Skizzen und Bildern aus dem Thiergarten‟ geſchildert, und ich kann das hier Geſagte nur beſtätigen. „Der erwähnte Gefangene‟, ſo heißt es am angegebenen Orte, „verſteht es, Jedermann zu feſſeln; denn er iſt wirklich ein höchſt anziehendes Thier. Seine Wildheit ſcheint er ganz abgelegt zu haben. Er zeigt ſich merkwürdig zahm und zutraulich, förmlich befreundet mit den Menſchen. Er antwortet auf jeden Anruf, und zwar iſt ſeine Stimme überraſchend klangvoll und wohltönend, jedoch leiſe und weich, ganz im Gegenſatz zu den übrigen Adlern, deren Geſchrei bekanntermaßen nicht eben wohl- lautend iſt. Soviel man es wiedergeben kann, läßt es ſich durch die Silben „Gliuk, gliuk‟ bezeichnen.‟
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[463/0495]
Habichtsadler. Kampfadler.
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keinen andern Raubvogel überhaupt. Jeder andere Räuber, welcher ſich ihm aufdrängt, wird
erbarmungslos angegriffen, mit voller Macht befehdet und zur Flucht gezwungen. „Es geſchieht‟,
wie Vaillant ſagt, „nicht ſelten, daß Scharen von Geiern und Raben ſich vereinigen, in der
Abſicht, dem Kampfadler ſeine Beute abzunehmen; doch genügt der einfache Blick des Räubers, dieſes
Bettlergeſindel ſich vom Leibe zu halten.‟
Wahrſcheinlich jagt der Kampfadler hauptſächlich in den Morgen- und Abendſtunden und ſelten
wohl vergeblich. Seine gewöhnliche Beute beſteht aus kleinen Antilopen und Haſen; er wird
aber jedenfalls die vielen Wildhühnerarten auch nicht verſchonen. Sein ganzes Weſen bekundet, daß
er den afrikaniſchen Thieren ein ebenſo gefährlicher Feind iſt, wie unſer Steinadler den europäiſchen.
Es gibt in ganz Südafrika keinen Raubvogel, welcher dem Kampfadler an Kraft und Raubfähigkeit
gliche. Er iſt der unumſchränkte Gebieter in ſeinem Bereiche: Kraft und Kühnheit vereinigen ſich in
ihm, um ihn zu einem furchtbaren Feind aller wehrloſen Geſchöpfe zu machen. Der Flug iſt durch-
aus adlerartig, aber leichter und raſcher. Die Stimme ſoll bald ſcharf und durchdringend, bald rauh
und dumpf ſein.
Der Horſt wird auf der Krone der höchſten Bäume gegründet, und nur in Ermangelung
derſelben auf Felsvorſprüngen an unerſteiglichen Wänden. Er ähnelt im Ganzen dem anderer
Adler, ſoll ſich aber dadurch auszeichnen, daß er beſtimmt aus drei verſchiedenen Lagen aufgebaut
wird: aus einer, welche aus Knüppeln, einer zweiten, welche aus feineren Zweigen, Mos, dürren
Blättern, Haide- und andern weichen Pflanzentheilen der Umgegend, ſowie endlich einer dritten,
welche aus feinen Reiſern beſteht, welche letztere die Neſtmulde bilden. Das ganze Gebäude hat einen
Durchmeſſer von vier bis fünf Fuß und iſt ſo feſt, daß ein Mann ſich mit aller Sicherheit darauf
niederlaſſen kann. Wenn der Horſt auf Felsgeſtein gegründet wird, fehlt ſelbſtverſtändlich der Unter-
ban. Vaillant glaubt, daß ein und derſelbe Horſt von dem Paare benutzt wird, ſo lange es
lebt. Die zwei Eier ſind drei Zoll und einige Linien lang, faſt rund und reinweiß von Farbe.
Während das Weibchen brütet, verſorgt es das Männchen mit allem Nothwendigen, und ſpäter jagt
es für die ganze Familie, jedoch nur ſo lange, als die Jungen noch ſehr klein ſind; denn ſobald ſie
größer werden, brauchen ſie ſoviel zu ihrer Unterhaltung, daß die Alten kaum genug für ſie erjagen
können. Die Hottentotten verſicherten Vaillant, daß ſie zwei Monate von Dem gelebt hätten,
was ſie zwei jungen Kampfadlern weggenommen. Bis die Jungen ausfliegen, ſammeln ſich auf und
um den Horſt Haufen von Knochen der verſchiedenſten Thiere.
Vaillant hielt einen Kampfadler längere Zeit in Gefangenſchaft und beobachtete, daß
derſelbe ſich mit Gier auf das ihm vorgeworfene Fleiſch herabſtürzte, daſſelbe pfundweiſe verſchlang
und auch, wenn ſein Kropf ſchon gefüllt war, niemals Nahrung zu nehmen verweigerte; unſer
Forſcher erwähnt ferner, daß alles Lebende nach dem Geſchmack des Gefangenen geweſen, daß dieſer
nicht einmal die Ueberreſte eines andern Kampfadlers, welche ihm vorgeworfen wurden, verſchmäht
habe. Jch halte dieſe Augabe für übertrieben. Der hamburger Thiergarten beſitzt ſeit ungefähr
Jahresfriſt einen Kampfadler, welcher an der Oſtküſte Afrikas, in der Gegend von Sanſebar, gefangen
und dem Garten unmittelbar zugeſchickt wurde. Mein Bruder hat ihn in ſeinen „Skizzen und
Bildern aus dem Thiergarten‟ geſchildert, und ich kann das hier Geſagte nur beſtätigen. „Der
erwähnte Gefangene‟, ſo heißt es am angegebenen Orte, „verſteht es, Jedermann zu feſſeln; denn er
iſt wirklich ein höchſt anziehendes Thier. Seine Wildheit ſcheint er ganz abgelegt zu haben. Er
zeigt ſich merkwürdig zahm und zutraulich, förmlich befreundet mit den Menſchen. Er antwortet auf
jeden Anruf, und zwar iſt ſeine Stimme überraſchend klangvoll und wohltönend, jedoch leiſe und
weich, ganz im Gegenſatz zu den übrigen Adlern, deren Geſchrei bekanntermaßen nicht eben wohl-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/495>, abgerufen am 22.11.2024.
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