meist idealisch zusammengesetzten Bildern des Malers Catlin, bei der Bisamjagd der Jndianer jene große Federhaube abgebildet sieht. Dies ist gänzlich unrichtig. Der Jndianer geht ohne allen Putz zur Jagd, wie zum Kriege; nur seinen Talisman wird er nie vergessen. Die große Federhaube wird auch wohl von einem berühmten Anführer in einer großen Schlacht oder einem vorherzusehenden Gefechte getragen, doch nur in seltenen Fällen und nie auf der Jagd. Auch an ihren Waffen befestigen die Jndianer öfters Adlerfedern, oder sie tragen sie in den Haaren, und der Flügel dient ihnen als Fächer."
Häufiger, als irgend einer der großen Adler, lebt in Deutschland ein anderes Mitglied der Sippe, der Schrei-, Rauchfuß-, Schellen-, Gänse-, Enten- oder russische Adler (Aquila naevia). Er ist bedeutend kleiner, als seine großen Verwandten, nur 25 bis 27 Zoll lang und 64 bis 68 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 181/4 bis 193/4 Zoll, die Schwanzlänge 91/2 bis 10 Zoll. Das Gefieder ist im Alter sehr gleichmäßig braun, auf dem Rücken am dunkelsten und glän- zendsten, auf der Unterseite und am Kopfe einfarbig, am Hinterkopfe lichtfahlroth oder fahlgelb. Die mittleren Schwingen sind deutlich gebändert, die oberen und unteren Flügeldeckfedern heller gerandet, die Schwanzfedern vielfach gebändert, gewässert, oder einfarbig mit helleren Endbinden, die oberen Schwanzdeckfedern braungelb. Das Jugendgefieder ist bunt; die meisten Federn sind auf dunkel- braunem Grunde hellgelb gefleckt, namentlich zu beiden Seiten des Schaftes und am Ende. Bei ein- zelnen entstehen hierdurch unter andern auch schöne Binden über dem Flügel. Nur der obere Theil des Leibes ist ungefleckt, und der Hinterkopf gleichmäßig dunkel; die Hosen und Unterschwanzdeckfedern pflegen schmuzigweiß und braun gemischt zu sein.
Noch ist es nicht entschieden, wie viele Arten von Schreiadlern man annehmen darf. Einige Naturforscher unterscheiden nach Größe und Färbung mehrere Arten, andere vereinigen alle Schrei- adler, große und kleine, einfarbige und bunte zu ein und derselben Art, und einzelne ziehen zu ihr sogar noch afrikanische und indische Adler hinzu, deren Artselbständigkeit bisher unangefochten war. Das "Thierleben" ist nicht der Ort, den noch unerledigten Streit weiter zu besprechen.
Der Schreiadler und seine Verwandten sind weit verbreitet, jedoch viel beschränkter als der Steinadler. Jn Deutschland sind es hauptsächlich die nördlichen und alle östlichen Länder, welche den Vogel beherbergen. Außerdem findet er sich von Galizien und Ungarn an durch ganz Rußland und Asien, auch im Süden dieses Erdtheils und zwar nicht blos als Zugvogel, sondern, wie Jer- don für Jndien angibt, auch als Brutvogel. Jn Nordafrika ist er während des Winters sehr häufig; er geht jedoch nicht weit in das Land hinein: ich entsinne mich nur eines einzigen Falles, daß ich ihn in Mittelnubien antraf. Jn Spanien scheint er nicht vorzukommen; er ist dort bisher weder von mir noch von Andern beobachtet worden.
Der Schreiadler liebt feuchte und bezüglich sumpfige Gegenden, siedelt sich deshalb vorzugsweise in Auwäldern und bezüglich in Laubhölzern an. Jn einzelnen Waldungen Braunschweigs, Han- novers und Mecklenburgs ist er nicht selten, in Pommern, Polen, Galizien und Ungarn gemein. Das Gebiet eines Paares ist verhältnißmäßig klein, wird aber um so treuer festgehalten. Ein Schrei- adler, welcher sich einmal bleibend angesiedelt hat, läßt sich so leicht nicht vertreiben; er kehrt sogar dann wieder zu seinem Horste zurück, wenn ihm seine Eier oder Brut geraubt wurden, obwohl er es in der Regel vorzieht, sich einen neuen zu gründen, weist wenige hundert Schritt von dem Baume, auf welchem der erste stand.
Jn Deutschland und im nördlichen Europa überhaupt ist der Schreiadler ein Sommervogel. Er erscheint frühzeitig im Jahre, gewöhnlich schon zu Anfang des März und verweilt bis zum September oder Oktober. Einzelne hat man freilich auch im Winter angetroffen. Hinsichtlich seines Wesens steht er weit hinter seinen Verwandten zurück. Er ist der feigste und harmloseste Adler, welchen ich kenne. Sein Wesen ist sanft, viel mehr bussard- als adlerartig; schon sein Aussehen, sein Blick bekunden Dies. Jm Sitzen sieht er sehr unedel aus, im Flug hingegen zeigt er sich als echter Adler. Auch er erhebt
Die Fänger. Raubvögel. Adler.
meiſt idealiſch zuſammengeſetzten Bildern des Malers Catlin, bei der Biſamjagd der Jndianer jene große Federhaube abgebildet ſieht. Dies iſt gänzlich unrichtig. Der Jndianer geht ohne allen Putz zur Jagd, wie zum Kriege; nur ſeinen Talisman wird er nie vergeſſen. Die große Federhaube wird auch wohl von einem berühmten Anführer in einer großen Schlacht oder einem vorherzuſehenden Gefechte getragen, doch nur in ſeltenen Fällen und nie auf der Jagd. Auch an ihren Waffen befeſtigen die Jndianer öfters Adlerfedern, oder ſie tragen ſie in den Haaren, und der Flügel dient ihnen als Fächer.‟
Häufiger, als irgend einer der großen Adler, lebt in Deutſchland ein anderes Mitglied der Sippe, der Schrei-, Rauchfuß-, Schellen-, Gänſe-, Enten- oder ruſſiſche Adler (Aquila naevia). Er iſt bedeutend kleiner, als ſeine großen Verwandten, nur 25 bis 27 Zoll lang und 64 bis 68 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 18¼ bis 19¾ Zoll, die Schwanzlänge 9½ bis 10 Zoll. Das Gefieder iſt im Alter ſehr gleichmäßig braun, auf dem Rücken am dunkelſten und glän- zendſten, auf der Unterſeite und am Kopfe einfarbig, am Hinterkopfe lichtfahlroth oder fahlgelb. Die mittleren Schwingen ſind deutlich gebändert, die oberen und unteren Flügeldeckfedern heller gerandet, die Schwanzfedern vielfach gebändert, gewäſſert, oder einfarbig mit helleren Endbinden, die oberen Schwanzdeckfedern braungelb. Das Jugendgefieder iſt bunt; die meiſten Federn ſind auf dunkel- braunem Grunde hellgelb gefleckt, namentlich zu beiden Seiten des Schaftes und am Ende. Bei ein- zelnen entſtehen hierdurch unter andern auch ſchöne Binden über dem Flügel. Nur der obere Theil des Leibes iſt ungefleckt, und der Hinterkopf gleichmäßig dunkel; die Hoſen und Unterſchwanzdeckfedern pflegen ſchmuzigweiß und braun gemiſcht zu ſein.
Noch iſt es nicht entſchieden, wie viele Arten von Schreiadlern man annehmen darf. Einige Naturforſcher unterſcheiden nach Größe und Färbung mehrere Arten, andere vereinigen alle Schrei- adler, große und kleine, einfarbige und bunte zu ein und derſelben Art, und einzelne ziehen zu ihr ſogar noch afrikaniſche und indiſche Adler hinzu, deren Artſelbſtändigkeit bisher unangefochten war. Das „Thierleben‟ iſt nicht der Ort, den noch unerledigten Streit weiter zu beſprechen.
Der Schreiadler und ſeine Verwandten ſind weit verbreitet, jedoch viel beſchränkter als der Steinadler. Jn Deutſchland ſind es hauptſächlich die nördlichen und alle öſtlichen Länder, welche den Vogel beherbergen. Außerdem findet er ſich von Galizien und Ungarn an durch ganz Rußland und Aſien, auch im Süden dieſes Erdtheils und zwar nicht blos als Zugvogel, ſondern, wie Jer- don für Jndien angibt, auch als Brutvogel. Jn Nordafrika iſt er während des Winters ſehr häufig; er geht jedoch nicht weit in das Land hinein: ich entſinne mich nur eines einzigen Falles, daß ich ihn in Mittelnubien antraf. Jn Spanien ſcheint er nicht vorzukommen; er iſt dort bisher weder von mir noch von Andern beobachtet worden.
Der Schreiadler liebt feuchte und bezüglich ſumpfige Gegenden, ſiedelt ſich deshalb vorzugsweiſe in Auwäldern und bezüglich in Laubhölzern an. Jn einzelnen Waldungen Braunſchweigs, Han- novers und Mecklenburgs iſt er nicht ſelten, in Pommern, Polen, Galizien und Ungarn gemein. Das Gebiet eines Paares iſt verhältnißmäßig klein, wird aber um ſo treuer feſtgehalten. Ein Schrei- adler, welcher ſich einmal bleibend angeſiedelt hat, läßt ſich ſo leicht nicht vertreiben; er kehrt ſogar dann wieder zu ſeinem Horſte zurück, wenn ihm ſeine Eier oder Brut geraubt wurden, obwohl er es in der Regel vorzieht, ſich einen neuen zu gründen, weiſt wenige hundert Schritt von dem Baume, auf welchem der erſte ſtand.
Jn Deutſchland und im nördlichen Europa überhaupt iſt der Schreiadler ein Sommervogel. Er erſcheint frühzeitig im Jahre, gewöhnlich ſchon zu Anfang des März und verweilt bis zum September oder Oktober. Einzelne hat man freilich auch im Winter angetroffen. Hinſichtlich ſeines Weſens ſteht er weit hinter ſeinen Verwandten zurück. Er iſt der feigſte und harmloſeſte Adler, welchen ich kenne. Sein Weſen iſt ſanft, viel mehr buſſard- als adlerartig; ſchon ſein Ausſehen, ſein Blick bekunden Dies. Jm Sitzen ſieht er ſehr unedel aus, im Flug hingegen zeigt er ſich als echter Adler. Auch er erhebt
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[454/0484]
Die Fänger. Raubvögel. Adler.
meiſt idealiſch zuſammengeſetzten Bildern des Malers Catlin, bei der Biſamjagd der Jndianer
jene große Federhaube abgebildet ſieht. Dies iſt gänzlich unrichtig. Der Jndianer geht ohne allen
Putz zur Jagd, wie zum Kriege; nur ſeinen Talisman wird er nie vergeſſen. Die große Federhaube
wird auch wohl von einem berühmten Anführer in einer großen Schlacht oder einem vorherzuſehenden
Gefechte getragen, doch nur in ſeltenen Fällen und nie auf der Jagd. Auch an ihren Waffen befeſtigen
die Jndianer öfters Adlerfedern, oder ſie tragen ſie in den Haaren, und der Flügel dient ihnen
als Fächer.‟
Häufiger, als irgend einer der großen Adler, lebt in Deutſchland ein anderes Mitglied der
Sippe, der Schrei-, Rauchfuß-, Schellen-, Gänſe-, Enten- oder ruſſiſche Adler
(Aquila naevia). Er iſt bedeutend kleiner, als ſeine großen Verwandten, nur 25 bis 27 Zoll lang
und 64 bis 68 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 18¼ bis 19¾ Zoll, die Schwanzlänge 9½ bis 10
Zoll. Das Gefieder iſt im Alter ſehr gleichmäßig braun, auf dem Rücken am dunkelſten und glän-
zendſten, auf der Unterſeite und am Kopfe einfarbig, am Hinterkopfe lichtfahlroth oder fahlgelb. Die
mittleren Schwingen ſind deutlich gebändert, die oberen und unteren Flügeldeckfedern heller gerandet,
die Schwanzfedern vielfach gebändert, gewäſſert, oder einfarbig mit helleren Endbinden, die oberen
Schwanzdeckfedern braungelb. Das Jugendgefieder iſt bunt; die meiſten Federn ſind auf dunkel-
braunem Grunde hellgelb gefleckt, namentlich zu beiden Seiten des Schaftes und am Ende. Bei ein-
zelnen entſtehen hierdurch unter andern auch ſchöne Binden über dem Flügel. Nur der obere Theil des
Leibes iſt ungefleckt, und der Hinterkopf gleichmäßig dunkel; die Hoſen und Unterſchwanzdeckfedern
pflegen ſchmuzigweiß und braun gemiſcht zu ſein.
Noch iſt es nicht entſchieden, wie viele Arten von Schreiadlern man annehmen darf. Einige
Naturforſcher unterſcheiden nach Größe und Färbung mehrere Arten, andere vereinigen alle Schrei-
adler, große und kleine, einfarbige und bunte zu ein und derſelben Art, und einzelne ziehen zu ihr
ſogar noch afrikaniſche und indiſche Adler hinzu, deren Artſelbſtändigkeit bisher unangefochten war.
Das „Thierleben‟ iſt nicht der Ort, den noch unerledigten Streit weiter zu beſprechen.
Der Schreiadler und ſeine Verwandten ſind weit verbreitet, jedoch viel beſchränkter als der
Steinadler. Jn Deutſchland ſind es hauptſächlich die nördlichen und alle öſtlichen Länder, welche den
Vogel beherbergen. Außerdem findet er ſich von Galizien und Ungarn an durch ganz Rußland und
Aſien, auch im Süden dieſes Erdtheils und zwar nicht blos als Zugvogel, ſondern, wie Jer-
don für Jndien angibt, auch als Brutvogel. Jn Nordafrika iſt er während des Winters ſehr häufig;
er geht jedoch nicht weit in das Land hinein: ich entſinne mich nur eines einzigen Falles, daß ich ihn
in Mittelnubien antraf. Jn Spanien ſcheint er nicht vorzukommen; er iſt dort bisher weder von mir
noch von Andern beobachtet worden.
Der Schreiadler liebt feuchte und bezüglich ſumpfige Gegenden, ſiedelt ſich deshalb vorzugsweiſe
in Auwäldern und bezüglich in Laubhölzern an. Jn einzelnen Waldungen Braunſchweigs, Han-
novers und Mecklenburgs iſt er nicht ſelten, in Pommern, Polen, Galizien und Ungarn gemein.
Das Gebiet eines Paares iſt verhältnißmäßig klein, wird aber um ſo treuer feſtgehalten. Ein Schrei-
adler, welcher ſich einmal bleibend angeſiedelt hat, läßt ſich ſo leicht nicht vertreiben; er kehrt ſogar
dann wieder zu ſeinem Horſte zurück, wenn ihm ſeine Eier oder Brut geraubt wurden, obwohl er es
in der Regel vorzieht, ſich einen neuen zu gründen, weiſt wenige hundert Schritt von dem Baume,
auf welchem der erſte ſtand.
Jn Deutſchland und im nördlichen Europa überhaupt iſt der Schreiadler ein Sommervogel. Er
erſcheint frühzeitig im Jahre, gewöhnlich ſchon zu Anfang des März und verweilt bis zum September
oder Oktober. Einzelne hat man freilich auch im Winter angetroffen. Hinſichtlich ſeines Weſens ſteht
er weit hinter ſeinen Verwandten zurück. Er iſt der feigſte und harmloſeſte Adler, welchen ich kenne.
Sein Weſen iſt ſanft, viel mehr buſſard- als adlerartig; ſchon ſein Ausſehen, ſein Blick bekunden Dies.
Jm Sitzen ſieht er ſehr unedel aus, im Flug hingegen zeigt er ſich als echter Adler. Auch er erhebt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/484>, abgerufen am 22.11.2024.
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