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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Habicht.
den Habicht abermals einige Zeit herum, plötzlich fing dieser in wenig schräger, fast wagerechter Linie
an zu stoßen, legte so eine Strecke von zweihundert Ellen zurück, fing eine Taube und flog mit ihr
fort. Doch die Krähen bemerkten ihn sehr zeitig, und setzten ihm so hart zu, daß er sie fahren lassen,
und jeden Versuch, eine andere zu fangen, aufgeben mußte."

Naumann sagt, daß es ihm zuweilen gelinge, eine der ihnen verfolgenden Krähen zu ergreifen;
solche Fälle dürften jedoch selten vorkommen, weil die Krähen bei ihrer Jagd auf den Habicht stets
mit größter Vorsicht zu Werke gehen. Nächst den Krähen stoßen unsere kleinen Edelfalken auf
den auch von ihnen gehaßten Naubvogel, und die Schwalben machen sich regelmäßig ein Vergnügen
daraus, ihn unter schallendem und warnenden Geschrei zu begleiten.

Der Horst wird auf den ältesten und höchsten Bäumen des Waldes angelegt, meist auf starken
Aesten nahe am Stamme. Er ist sehr groß und flach, besteht unten aus dürren Aesten, weiterhin
aus Reisern und wird oben mit grünen Tannen-, Fichten- und Kieferzweigen belegt, welche fort-
während erneuert zu werden scheinen. Die eigentliche Nestmulde, eine sehr seichte Vertiefung, ist
gewöhnlich mit Flaumfedern des Brutvogels selbst ausgelegt. Der einmal gebaute Horst wird im nächsten
Jahre von demselben Habichtspaare wieder benutzt; bisweilen hat dasselbe jedoch drei oder vier Horste,
welche in geringer Entfernung von einander errichtet wurden, und wechselt unter diesen. Ein alter
Horst wird jedes Jahr ausgebessert, erweitert und mit frischen Zweigen besteckt. Schon im März
sieht man an schönen heiteren Tagen die beiden Gatten eines Paares in gleichmäßigen Drehungen sich
emporschrauben, in der Absicht, ihre Liebesgefühle an den Tag zu legen. Jn der letzten Hälfte des
April pflegt das Gelege vollständig zu sein. Es wird gebildet von zwei bis vier großen, mehr
länglichen als rundlichen, in der Mitte sehr bauchigen Eiern, welche dick- und rauhschälig und auf
grünlichweißem Grunde spärlich mit gelben Flecken bezeichnet, oft aber auch fleckenlos sind. Die
Mutter brütet mit der größten Hingebung und verläßt das Nest auch nach wiederholter Störung
nicht. Sie fliegt zuweilen nicht einmal auf, wenn man den Horst mit Hagel beschießt. Angrisse auf
die Brut versuchen beide Gatten abzuwehren, und dabei beweisen sie einen Muth, welcher zuweilen
förmlich in Tollkühnheit übergeht. Man hat beobachtet, daß sie mit großer Heftigkeit Menschen
angriffen, welche an ihrem Nestbaum emporkletterten; ja, es ist wiederholt vorgekommen, daß ein
Habicht während der Brutzeit, ohne eigentlich gereizt worden zu sein, Menschen und selbst Pferde
anfiel. Die Jungen wachsen rasch heran, fressen aber auch unglaublich viel, und beide Eltern haben
vollauf zu thun, ihren Heißhunger zu befriedigen. Der Horst wird dann zu einer wahren
Schlachtbank. Veide Alten schleppen herbei, was sie sinden, nach der Beobachtung eines durchaus
glaubwürdigen Mannes unserer Bekanntschaft, sogar ganze Nester mit den in ihnen befindlichen
Jungen, namentlich Drosseln- und Amselnester, welche sie ausgestöbert. Daß die stärkeren Nest-
jungen, wenn sie Hunger leiden, über ihre Geschwister herfallen und diese, wie behauptet worden ist,
aufsressen, dürfte kaum zu bezweifeln sein.

Des ungeheuren Schadens wegen, welchen der Habicht anrichtet und welcher sehr häufig den
Menschen ganz unmittelbar betrifft, wird der tückische Räuber selbstverständlich eifrig verfolgt. Jedoch
geschieht Dies leider noch in ungenügender Weise. Man gibt sich viel zu wenig Mühe, die Horste
auszukundschaften und die Räuberbrut, so zu sagen, gleich im Keime zu ersticken; man stellt auch den
alten Vögeln noch zu wenig nach. Jhre Jagd ist zwar nicht eben leicht, weil ihre Klugheit und List
dem Jäger viel zu schaffen macht; um so besser belohnt sich der Fang oder eine kluge Benutzung des
Hasses, welchen der Habicht gegen den Uhu an den Tag legt. Vor der Krähenhütte schießt man jenen
ohne Mühe, vom Horste herab mit Sicherheit das brütende Weibchen, und auch in Netzen und Raub-
vogelfallen erbeutet man den listigen Schelm, wenn die Vorkehrungen gut getroffen sind, gewiß.

Ein gefangener Habicht ist für uns ein ebenso hassenswerther Vogel wie der freilebende. Seine
Wildheit und Bosheit, seine Unverträglichkeit und Mordgier machen ihn uns bald im höchsten Grade
widerwärtig. Dagegen wird der Habicht von allen Asiaten, welche noch die Baize betreiben, sehr
geschätzt. Jn Jndien ist er nach Jerdon der geachtetste aller Jagdfalken. "Die Baz, wie er in

Habicht.
den Habicht abermals einige Zeit herum, plötzlich fing dieſer in wenig ſchräger, faſt wagerechter Linie
an zu ſtoßen, legte ſo eine Strecke von zweihundert Ellen zurück, fing eine Taube und flog mit ihr
fort. Doch die Krähen bemerkten ihn ſehr zeitig, und ſetzten ihm ſo hart zu, daß er ſie fahren laſſen,
und jeden Verſuch, eine andere zu fangen, aufgeben mußte.‟

Naumann ſagt, daß es ihm zuweilen gelinge, eine der ihnen verfolgenden Krähen zu ergreifen;
ſolche Fälle dürften jedoch ſelten vorkommen, weil die Krähen bei ihrer Jagd auf den Habicht ſtets
mit größter Vorſicht zu Werke gehen. Nächſt den Krähen ſtoßen unſere kleinen Edelfalken auf
den auch von ihnen gehaßten Naubvogel, und die Schwalben machen ſich regelmäßig ein Vergnügen
daraus, ihn unter ſchallendem und warnenden Geſchrei zu begleiten.

Der Horſt wird auf den älteſten und höchſten Bäumen des Waldes angelegt, meiſt auf ſtarken
Aeſten nahe am Stamme. Er iſt ſehr groß und flach, beſteht unten aus dürren Aeſten, weiterhin
aus Reiſern und wird oben mit grünen Tannen-, Fichten- und Kieferzweigen belegt, welche fort-
während erneuert zu werden ſcheinen. Die eigentliche Neſtmulde, eine ſehr ſeichte Vertiefung, iſt
gewöhnlich mit Flaumfedern des Brutvogels ſelbſt ausgelegt. Der einmal gebaute Horſt wird im nächſten
Jahre von demſelben Habichtspaare wieder benutzt; bisweilen hat daſſelbe jedoch drei oder vier Horſte,
welche in geringer Entfernung von einander errichtet wurden, und wechſelt unter dieſen. Ein alter
Horſt wird jedes Jahr ausgebeſſert, erweitert und mit friſchen Zweigen beſteckt. Schon im März
ſieht man an ſchönen heiteren Tagen die beiden Gatten eines Paares in gleichmäßigen Drehungen ſich
emporſchrauben, in der Abſicht, ihre Liebesgefühle an den Tag zu legen. Jn der letzten Hälfte des
April pflegt das Gelege vollſtändig zu ſein. Es wird gebildet von zwei bis vier großen, mehr
länglichen als rundlichen, in der Mitte ſehr bauchigen Eiern, welche dick- und rauhſchälig und auf
grünlichweißem Grunde ſpärlich mit gelben Flecken bezeichnet, oft aber auch fleckenlos ſind. Die
Mutter brütet mit der größten Hingebung und verläßt das Neſt auch nach wiederholter Störung
nicht. Sie fliegt zuweilen nicht einmal auf, wenn man den Horſt mit Hagel beſchießt. Angriſſe auf
die Brut verſuchen beide Gatten abzuwehren, und dabei beweiſen ſie einen Muth, welcher zuweilen
förmlich in Tollkühnheit übergeht. Man hat beobachtet, daß ſie mit großer Heftigkeit Menſchen
angriffen, welche an ihrem Neſtbaum emporkletterten; ja, es iſt wiederholt vorgekommen, daß ein
Habicht während der Brutzeit, ohne eigentlich gereizt worden zu ſein, Menſchen und ſelbſt Pferde
anfiel. Die Jungen wachſen raſch heran, freſſen aber auch unglaublich viel, und beide Eltern haben
vollauf zu thun, ihren Heißhunger zu befriedigen. Der Horſt wird dann zu einer wahren
Schlachtbank. Veide Alten ſchleppen herbei, was ſie ſinden, nach der Beobachtung eines durchaus
glaubwürdigen Mannes unſerer Bekanntſchaft, ſogar ganze Neſter mit den in ihnen befindlichen
Jungen, namentlich Droſſeln- und Amſelneſter, welche ſie ausgeſtöbert. Daß die ſtärkeren Neſt-
jungen, wenn ſie Hunger leiden, über ihre Geſchwiſter herfallen und dieſe, wie behauptet worden iſt,
aufſreſſen, dürfte kaum zu bezweifeln ſein.

Des ungeheuren Schadens wegen, welchen der Habicht anrichtet und welcher ſehr häufig den
Menſchen ganz unmittelbar betrifft, wird der tückiſche Räuber ſelbſtverſtändlich eifrig verfolgt. Jedoch
geſchieht Dies leider noch in ungenügender Weiſe. Man gibt ſich viel zu wenig Mühe, die Horſte
auszukundſchaften und die Räuberbrut, ſo zu ſagen, gleich im Keime zu erſticken; man ſtellt auch den
alten Vögeln noch zu wenig nach. Jhre Jagd iſt zwar nicht eben leicht, weil ihre Klugheit und Liſt
dem Jäger viel zu ſchaffen macht; um ſo beſſer belohnt ſich der Fang oder eine kluge Benutzung des
Haſſes, welchen der Habicht gegen den Uhu an den Tag legt. Vor der Krähenhütte ſchießt man jenen
ohne Mühe, vom Horſte herab mit Sicherheit das brütende Weibchen, und auch in Netzen und Raub-
vogelfallen erbeutet man den liſtigen Schelm, wenn die Vorkehrungen gut getroffen ſind, gewiß.

Ein gefangener Habicht iſt für uns ein ebenſo haſſenswerther Vogel wie der freilebende. Seine
Wildheit und Bosheit, ſeine Unverträglichkeit und Mordgier machen ihn uns bald im höchſten Grade
widerwärtig. Dagegen wird der Habicht von allen Aſiaten, welche noch die Baize betreiben, ſehr
geſchätzt. Jn Jndien iſt er nach Jerdon der geachtetſte aller Jagdfalken. „Die Baz, wie er in

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[441/0471] Habicht. den Habicht abermals einige Zeit herum, plötzlich fing dieſer in wenig ſchräger, faſt wagerechter Linie an zu ſtoßen, legte ſo eine Strecke von zweihundert Ellen zurück, fing eine Taube und flog mit ihr fort. Doch die Krähen bemerkten ihn ſehr zeitig, und ſetzten ihm ſo hart zu, daß er ſie fahren laſſen, und jeden Verſuch, eine andere zu fangen, aufgeben mußte.‟ Naumann ſagt, daß es ihm zuweilen gelinge, eine der ihnen verfolgenden Krähen zu ergreifen; ſolche Fälle dürften jedoch ſelten vorkommen, weil die Krähen bei ihrer Jagd auf den Habicht ſtets mit größter Vorſicht zu Werke gehen. Nächſt den Krähen ſtoßen unſere kleinen Edelfalken auf den auch von ihnen gehaßten Naubvogel, und die Schwalben machen ſich regelmäßig ein Vergnügen daraus, ihn unter ſchallendem und warnenden Geſchrei zu begleiten. Der Horſt wird auf den älteſten und höchſten Bäumen des Waldes angelegt, meiſt auf ſtarken Aeſten nahe am Stamme. Er iſt ſehr groß und flach, beſteht unten aus dürren Aeſten, weiterhin aus Reiſern und wird oben mit grünen Tannen-, Fichten- und Kieferzweigen belegt, welche fort- während erneuert zu werden ſcheinen. Die eigentliche Neſtmulde, eine ſehr ſeichte Vertiefung, iſt gewöhnlich mit Flaumfedern des Brutvogels ſelbſt ausgelegt. Der einmal gebaute Horſt wird im nächſten Jahre von demſelben Habichtspaare wieder benutzt; bisweilen hat daſſelbe jedoch drei oder vier Horſte, welche in geringer Entfernung von einander errichtet wurden, und wechſelt unter dieſen. Ein alter Horſt wird jedes Jahr ausgebeſſert, erweitert und mit friſchen Zweigen beſteckt. Schon im März ſieht man an ſchönen heiteren Tagen die beiden Gatten eines Paares in gleichmäßigen Drehungen ſich emporſchrauben, in der Abſicht, ihre Liebesgefühle an den Tag zu legen. Jn der letzten Hälfte des April pflegt das Gelege vollſtändig zu ſein. Es wird gebildet von zwei bis vier großen, mehr länglichen als rundlichen, in der Mitte ſehr bauchigen Eiern, welche dick- und rauhſchälig und auf grünlichweißem Grunde ſpärlich mit gelben Flecken bezeichnet, oft aber auch fleckenlos ſind. Die Mutter brütet mit der größten Hingebung und verläßt das Neſt auch nach wiederholter Störung nicht. Sie fliegt zuweilen nicht einmal auf, wenn man den Horſt mit Hagel beſchießt. Angriſſe auf die Brut verſuchen beide Gatten abzuwehren, und dabei beweiſen ſie einen Muth, welcher zuweilen förmlich in Tollkühnheit übergeht. Man hat beobachtet, daß ſie mit großer Heftigkeit Menſchen angriffen, welche an ihrem Neſtbaum emporkletterten; ja, es iſt wiederholt vorgekommen, daß ein Habicht während der Brutzeit, ohne eigentlich gereizt worden zu ſein, Menſchen und ſelbſt Pferde anfiel. Die Jungen wachſen raſch heran, freſſen aber auch unglaublich viel, und beide Eltern haben vollauf zu thun, ihren Heißhunger zu befriedigen. Der Horſt wird dann zu einer wahren Schlachtbank. Veide Alten ſchleppen herbei, was ſie ſinden, nach der Beobachtung eines durchaus glaubwürdigen Mannes unſerer Bekanntſchaft, ſogar ganze Neſter mit den in ihnen befindlichen Jungen, namentlich Droſſeln- und Amſelneſter, welche ſie ausgeſtöbert. Daß die ſtärkeren Neſt- jungen, wenn ſie Hunger leiden, über ihre Geſchwiſter herfallen und dieſe, wie behauptet worden iſt, aufſreſſen, dürfte kaum zu bezweifeln ſein. Des ungeheuren Schadens wegen, welchen der Habicht anrichtet und welcher ſehr häufig den Menſchen ganz unmittelbar betrifft, wird der tückiſche Räuber ſelbſtverſtändlich eifrig verfolgt. Jedoch geſchieht Dies leider noch in ungenügender Weiſe. Man gibt ſich viel zu wenig Mühe, die Horſte auszukundſchaften und die Räuberbrut, ſo zu ſagen, gleich im Keime zu erſticken; man ſtellt auch den alten Vögeln noch zu wenig nach. Jhre Jagd iſt zwar nicht eben leicht, weil ihre Klugheit und Liſt dem Jäger viel zu ſchaffen macht; um ſo beſſer belohnt ſich der Fang oder eine kluge Benutzung des Haſſes, welchen der Habicht gegen den Uhu an den Tag legt. Vor der Krähenhütte ſchießt man jenen ohne Mühe, vom Horſte herab mit Sicherheit das brütende Weibchen, und auch in Netzen und Raub- vogelfallen erbeutet man den liſtigen Schelm, wenn die Vorkehrungen gut getroffen ſind, gewiß. Ein gefangener Habicht iſt für uns ein ebenſo haſſenswerther Vogel wie der freilebende. Seine Wildheit und Bosheit, ſeine Unverträglichkeit und Mordgier machen ihn uns bald im höchſten Grade widerwärtig. Dagegen wird der Habicht von allen Aſiaten, welche noch die Baize betreiben, ſehr geſchätzt. Jn Jndien iſt er nach Jerdon der geachtetſte aller Jagdfalken. „Die Baz, wie er in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/471>, abgerufen am 25.11.2024.