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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Jagdfalk.
alle diejenigen, welche noch nicht gepaart und fortpflanzungsfähig sind, streifen weit im Jnnern des
Landes umher und kommen nicht selten auch in den nordischen Alpen vor, während alte Vögel auf den
Bergen selten gefunden werden.

Jedes Paar hält an dem einmal gewählten Wohnsitz mit großer Zähigkeit fest und wird, wenn
es von demselben vertrieben wurde, sehr bald durch ein anderes ersetzt. Gewisse günstige Felswände
in Lappland beherbergen Gierfalken seit Menschengedenken. Am Warangerfjord z. B. konnte mir der
vogelkundige Kaufmann Nordvi mit aller Bestimmtheit eine Stelle angeben, wo ich Gierfalken finden
würde, und doch hatte er diese Stelle seit vielen Jahren nicht besucht und von dem Vorhandensein der
Falken neuerdings auch keine Kunde erhalten.

Jn ihrem Betragen und Wesen haben die Jagdfalken mit ihrem deutschen Vertreter, dem Wander-
falken, die größte Aehnlichkeit. Man kann höchstens sagen, daß ihr Flug nicht so schnell und ihre
Stimme tiefer ist, als bei diesen. Jch wenigstens habe an denen, welche ich im Freileben und in der
Gefangenschaft beobachtete, einen anderen Unterschied nicht wahrnehmen können. Es wird wahrschein-
lich Alles, was wir vom Vetragen der Wanderfalken kennen gelernt haben, auch auf sie zu beziehen sein.

Seevögel im Sommer und Schneehühner im Winter bilden die Nahrung der Jagdfalken; außer-
dem sollen sie Hasen anfallen und nach Radde's Versicherung monatelang von Eichhörnchen
leben. Sie sind ein furchtbarer Feind des von ihnen bedrohten Geflügels und der Schrecken aller
Bewohner der Vogelberge. Auf den Nyken, zwei Vogelbergen im nordwestlichen Lappland, sah ich
während meines dreitägigen Aufenthalts regelmäßig um zehn Uhr Vormittags und gegen vier Uhr
Nachmittags die beiden Gatten eines Gierfalkenpaares erscheinen, um Beute zu machen. Jhre Jagd
war stets überraschend kurz. Sie kamen an, umkreisten den Vogelberg ein- oder zweimal und stießen
dann unter einen Schwarm der Lummen, Alken oder Lunde, packten regelmäßig einen dieser
Vögel und trugen ihn davon. Jch habe sie nie fehlstoßen sehen. Holboell erzählt, daß er selbst
gesehen habe, wie ein Polarfalk zwei junge dreihzehige Möven auf einmal in seine Fänge nahm, eine
in jede seiner Klauen und auf gleiche Weise zwei Meerstrandläufer erbeutete, und Faber fand einen
von ihm bestiegenen Horst reichlich mit Lummen, Alken und Lunden und dreihzehigen Möven versehen.
Außer den Seevögeln werden die brütenden Jagdfalken auch den Tauben gefährlich; doch sagt
Holboell, daß er nur zwei junge Tauben verloren habe, welche der Falk im Sitzen nahm, weil die
Alten, welche sehr oft von dem Räuber gejagt wurden, von ihm nicht eingeholt werden konnten.

Nach der Brutzeit kommen die Jagdfalken oft den menschlichen Wohnungen nahe. Sie zeigen
überhaupt wenig Scheu und lassen sich sogar herbeilocken, wenn man ein Schneehuhn oder einen
andern Vogel wiederholt aufwirft. Jm Winter verlassen sie die Seeküsten und folgen dem Gange des
Schneehuhns auf den Bergen. Dieses fürchtet den Jagdfalken, seinen furchtbarsten Feind, in so
hohem Grade, daß es sich, wie Schrader beobachtete, bei seinem Anblick mit reißender Schnelligkeit
und größter Gewalt auf den Schnee stürzt und sich so eilig als möglich in ihm vergräbt. Wahr-
scheinlich versuchen auch die Seevögel, sich vor dem Falken zu retten; bei ihrer ungeheuren Menge aber
kann man die Bewegungen des einzelnen, welcher gejagt wird, nicht unterscheiden. Man bemerkt
blos, daß der Schwarm auseinanderstiebt, wie die Tauben es zu thun pflegen, wenn der Wanderfalk
unter sie stößt.

Eine eigenthümliche Jagdweise unseres Falken beschreibt Radde. "Jn den verwachsenen
Dickichten der Wälder des Burejagebirges", sagt er, "wurde es dem Jagdfalken nicht möglich, auf seine
gewöhnliche Beute, die Eichhörnchen, zu stoßen. Er lauerte ihr daher hinterlistig auf und war dabei
sehr geduldig, jedoch bei alledem so scheu, daß ich nie zum Schusse kommen konnte." Einen andern
Jagdfalken sah derselbe Beobachter nahe am Stamm einer Kiefer sitzen, in unmittelbarer Nähe eines
Volks Birkhühner, welches auf den benachbarten Bäumen sich äßte. Unzweifelhaft saß auch dieser
Vogel auf der Lauer.

Der Horst des Jagdfalken steht, nach Faber, in der Höhle einer unzugänglichen Felswand, nahe
am Meere und ist groß und flach. Nach Nordvi's Versicherung bemächtigt sich der Gierfalk

Jagdfalk.
alle diejenigen, welche noch nicht gepaart und fortpflanzungsfähig ſind, ſtreifen weit im Jnnern des
Landes umher und kommen nicht ſelten auch in den nordiſchen Alpen vor, während alte Vögel auf den
Bergen ſelten gefunden werden.

Jedes Paar hält an dem einmal gewählten Wohnſitz mit großer Zähigkeit feſt und wird, wenn
es von demſelben vertrieben wurde, ſehr bald durch ein anderes erſetzt. Gewiſſe günſtige Felswände
in Lappland beherbergen Gierfalken ſeit Menſchengedenken. Am Warangerfjord z. B. konnte mir der
vogelkundige Kaufmann Nordvi mit aller Beſtimmtheit eine Stelle angeben, wo ich Gierfalken finden
würde, und doch hatte er dieſe Stelle ſeit vielen Jahren nicht beſucht und von dem Vorhandenſein der
Falken neuerdings auch keine Kunde erhalten.

Jn ihrem Betragen und Weſen haben die Jagdfalken mit ihrem deutſchen Vertreter, dem Wander-
falken, die größte Aehnlichkeit. Man kann höchſtens ſagen, daß ihr Flug nicht ſo ſchnell und ihre
Stimme tiefer iſt, als bei dieſen. Jch wenigſtens habe an denen, welche ich im Freileben und in der
Gefangenſchaft beobachtete, einen anderen Unterſchied nicht wahrnehmen können. Es wird wahrſchein-
lich Alles, was wir vom Vetragen der Wanderfalken kennen gelernt haben, auch auf ſie zu beziehen ſein.

Seevögel im Sommer und Schneehühner im Winter bilden die Nahrung der Jagdfalken; außer-
dem ſollen ſie Haſen anfallen und nach Radde’s Verſicherung monatelang von Eichhörnchen
leben. Sie ſind ein furchtbarer Feind des von ihnen bedrohten Geflügels und der Schrecken aller
Bewohner der Vogelberge. Auf den Nyken, zwei Vogelbergen im nordweſtlichen Lappland, ſah ich
während meines dreitägigen Aufenthalts regelmäßig um zehn Uhr Vormittags und gegen vier Uhr
Nachmittags die beiden Gatten eines Gierfalkenpaares erſcheinen, um Beute zu machen. Jhre Jagd
war ſtets überraſchend kurz. Sie kamen an, umkreiſten den Vogelberg ein- oder zweimal und ſtießen
dann unter einen Schwarm der Lummen, Alken oder Lunde, packten regelmäßig einen dieſer
Vögel und trugen ihn davon. Jch habe ſie nie fehlſtoßen ſehen. Holboell erzählt, daß er ſelbſt
geſehen habe, wie ein Polarfalk zwei junge dreihzehige Möven auf einmal in ſeine Fänge nahm, eine
in jede ſeiner Klauen und auf gleiche Weiſe zwei Meerſtrandläufer erbeutete, und Faber fand einen
von ihm beſtiegenen Horſt reichlich mit Lummen, Alken und Lunden und dreihzehigen Möven verſehen.
Außer den Seevögeln werden die brütenden Jagdfalken auch den Tauben gefährlich; doch ſagt
Holboell, daß er nur zwei junge Tauben verloren habe, welche der Falk im Sitzen nahm, weil die
Alten, welche ſehr oft von dem Räuber gejagt wurden, von ihm nicht eingeholt werden konnten.

Nach der Brutzeit kommen die Jagdfalken oft den menſchlichen Wohnungen nahe. Sie zeigen
überhaupt wenig Scheu und laſſen ſich ſogar herbeilocken, wenn man ein Schneehuhn oder einen
andern Vogel wiederholt aufwirft. Jm Winter verlaſſen ſie die Seeküſten und folgen dem Gange des
Schneehuhns auf den Bergen. Dieſes fürchtet den Jagdfalken, ſeinen furchtbarſten Feind, in ſo
hohem Grade, daß es ſich, wie Schrader beobachtete, bei ſeinem Anblick mit reißender Schnelligkeit
und größter Gewalt auf den Schnee ſtürzt und ſich ſo eilig als möglich in ihm vergräbt. Wahr-
ſcheinlich verſuchen auch die Seevögel, ſich vor dem Falken zu retten; bei ihrer ungeheuren Menge aber
kann man die Bewegungen des einzelnen, welcher gejagt wird, nicht unterſcheiden. Man bemerkt
blos, daß der Schwarm auseinanderſtiebt, wie die Tauben es zu thun pflegen, wenn der Wanderfalk
unter ſie ſtößt.

Eine eigenthümliche Jagdweiſe unſeres Falken beſchreibt Radde. „Jn den verwachſenen
Dickichten der Wälder des Burejagebirges‟, ſagt er, „wurde es dem Jagdfalken nicht möglich, auf ſeine
gewöhnliche Beute, die Eichhörnchen, zu ſtoßen. Er lauerte ihr daher hinterliſtig auf und war dabei
ſehr geduldig, jedoch bei alledem ſo ſcheu, daß ich nie zum Schuſſe kommen konnte.‟ Einen andern
Jagdfalken ſah derſelbe Beobachter nahe am Stamm einer Kiefer ſitzen, in unmittelbarer Nähe eines
Volks Birkhühner, welches auf den benachbarten Bäumen ſich äßte. Unzweifelhaft ſaß auch dieſer
Vogel auf der Lauer.

Der Horſt des Jagdfalken ſteht, nach Faber, in der Höhle einer unzugänglichen Felswand, nahe
am Meere und iſt groß und flach. Nach Nordvi’s Verſicherung bemächtigt ſich der Gierfalk

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[415/0445] Jagdfalk. alle diejenigen, welche noch nicht gepaart und fortpflanzungsfähig ſind, ſtreifen weit im Jnnern des Landes umher und kommen nicht ſelten auch in den nordiſchen Alpen vor, während alte Vögel auf den Bergen ſelten gefunden werden. Jedes Paar hält an dem einmal gewählten Wohnſitz mit großer Zähigkeit feſt und wird, wenn es von demſelben vertrieben wurde, ſehr bald durch ein anderes erſetzt. Gewiſſe günſtige Felswände in Lappland beherbergen Gierfalken ſeit Menſchengedenken. Am Warangerfjord z. B. konnte mir der vogelkundige Kaufmann Nordvi mit aller Beſtimmtheit eine Stelle angeben, wo ich Gierfalken finden würde, und doch hatte er dieſe Stelle ſeit vielen Jahren nicht beſucht und von dem Vorhandenſein der Falken neuerdings auch keine Kunde erhalten. Jn ihrem Betragen und Weſen haben die Jagdfalken mit ihrem deutſchen Vertreter, dem Wander- falken, die größte Aehnlichkeit. Man kann höchſtens ſagen, daß ihr Flug nicht ſo ſchnell und ihre Stimme tiefer iſt, als bei dieſen. Jch wenigſtens habe an denen, welche ich im Freileben und in der Gefangenſchaft beobachtete, einen anderen Unterſchied nicht wahrnehmen können. Es wird wahrſchein- lich Alles, was wir vom Vetragen der Wanderfalken kennen gelernt haben, auch auf ſie zu beziehen ſein. Seevögel im Sommer und Schneehühner im Winter bilden die Nahrung der Jagdfalken; außer- dem ſollen ſie Haſen anfallen und nach Radde’s Verſicherung monatelang von Eichhörnchen leben. Sie ſind ein furchtbarer Feind des von ihnen bedrohten Geflügels und der Schrecken aller Bewohner der Vogelberge. Auf den Nyken, zwei Vogelbergen im nordweſtlichen Lappland, ſah ich während meines dreitägigen Aufenthalts regelmäßig um zehn Uhr Vormittags und gegen vier Uhr Nachmittags die beiden Gatten eines Gierfalkenpaares erſcheinen, um Beute zu machen. Jhre Jagd war ſtets überraſchend kurz. Sie kamen an, umkreiſten den Vogelberg ein- oder zweimal und ſtießen dann unter einen Schwarm der Lummen, Alken oder Lunde, packten regelmäßig einen dieſer Vögel und trugen ihn davon. Jch habe ſie nie fehlſtoßen ſehen. Holboell erzählt, daß er ſelbſt geſehen habe, wie ein Polarfalk zwei junge dreihzehige Möven auf einmal in ſeine Fänge nahm, eine in jede ſeiner Klauen und auf gleiche Weiſe zwei Meerſtrandläufer erbeutete, und Faber fand einen von ihm beſtiegenen Horſt reichlich mit Lummen, Alken und Lunden und dreihzehigen Möven verſehen. Außer den Seevögeln werden die brütenden Jagdfalken auch den Tauben gefährlich; doch ſagt Holboell, daß er nur zwei junge Tauben verloren habe, welche der Falk im Sitzen nahm, weil die Alten, welche ſehr oft von dem Räuber gejagt wurden, von ihm nicht eingeholt werden konnten. Nach der Brutzeit kommen die Jagdfalken oft den menſchlichen Wohnungen nahe. Sie zeigen überhaupt wenig Scheu und laſſen ſich ſogar herbeilocken, wenn man ein Schneehuhn oder einen andern Vogel wiederholt aufwirft. Jm Winter verlaſſen ſie die Seeküſten und folgen dem Gange des Schneehuhns auf den Bergen. Dieſes fürchtet den Jagdfalken, ſeinen furchtbarſten Feind, in ſo hohem Grade, daß es ſich, wie Schrader beobachtete, bei ſeinem Anblick mit reißender Schnelligkeit und größter Gewalt auf den Schnee ſtürzt und ſich ſo eilig als möglich in ihm vergräbt. Wahr- ſcheinlich verſuchen auch die Seevögel, ſich vor dem Falken zu retten; bei ihrer ungeheuren Menge aber kann man die Bewegungen des einzelnen, welcher gejagt wird, nicht unterſcheiden. Man bemerkt blos, daß der Schwarm auseinanderſtiebt, wie die Tauben es zu thun pflegen, wenn der Wanderfalk unter ſie ſtößt. Eine eigenthümliche Jagdweiſe unſeres Falken beſchreibt Radde. „Jn den verwachſenen Dickichten der Wälder des Burejagebirges‟, ſagt er, „wurde es dem Jagdfalken nicht möglich, auf ſeine gewöhnliche Beute, die Eichhörnchen, zu ſtoßen. Er lauerte ihr daher hinterliſtig auf und war dabei ſehr geduldig, jedoch bei alledem ſo ſcheu, daß ich nie zum Schuſſe kommen konnte.‟ Einen andern Jagdfalken ſah derſelbe Beobachter nahe am Stamm einer Kiefer ſitzen, in unmittelbarer Nähe eines Volks Birkhühner, welches auf den benachbarten Bäumen ſich äßte. Unzweifelhaft ſaß auch dieſer Vogel auf der Lauer. Der Horſt des Jagdfalken ſteht, nach Faber, in der Höhle einer unzugänglichen Felswand, nahe am Meere und iſt groß und flach. Nach Nordvi’s Verſicherung bemächtigt ſich der Gierfalk

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/445>, abgerufen am 22.11.2024.