"Landgraf Ludwig IV. von Hessen", so berichtet Dr.Landau nach alten Urkunden, "verbot am 5. Mai 1577 das Ausnehmen der Falkennester und das Wegfangen der Falken bei strenger Strafe. Man hat auch noch einen Brief vom 18. November 1629, an Landgraf Wilhelm V. von Hessen gerichtet, worin beschrieben ist, wie man zur Einübung der Falken Reihern auf jeder Schnabelspitze ein Holunderröhrchen befestigt hat, damit sie die Falken nicht durch Schnabelstöße beschädigen könnten; wie man ihnen ferner den Hals mit einem Leinwandfutteral verwahrt, damit sie nicht könnten erwürgt werden, und wie man sie endlich mit Gewichten an den Beinen habe fliegen lassen, damit sie sicher von den Falken erhascht werden könnten. Unter Landgraf Philipp von Hessen ward allen Taubenbesitzern geboten, je die zehnte Taube dem fürstlichen Falkner abzuliefern. Um immer Reiher zur Abrichtung der Falken zu haben, hatte man Neiherhäuser, wo sie jung aufgezogen wurden."
"Seit Jahrhunderten besteht die beste und jetzt noch die einzige Falkonierschule Europas in dem Dorfe Falkenwerth in Flandern. Die an Ort und Stelle gefangenen Falken reichten früherhin für den Bedarf durchaus nicht hin; daher gingen die Leute bis Norwegen und Jsland auf den Fang, und namentlich lieferte die genannte Jnsel die besten Baizvögel. -- Auch in Pommern haben, wie Th. Schmidt aus Kantzow's Pommerania nachweist, die holländischen Falkoniere früherhin im Herbst am Seestrand den vom Norden über das Meer müde und hungrig anlangenden Falken fleißig nach- gestellt, und deren in manchen Jahren über hundert gefangen. Gingen die Leute nach Holland zurück, so setzten sie ihre Vögel auf Stangen, wovon auf jede Schulter eine zu liegen kam. Um wohlfeil mit der Fütterung durchzukommen, erbettelten sie unterwegs in den Dörfern Hunde. Ueber den jetzigen Zustand der Falknerei in Falkenwerth theilt der holländische General von Ardesch Folgendes mit:"
"Jn Falkenwerth sind noch jetzt mehrere Leute, die den Fang und die Abrichtung der Falken eifrig betreiben. Der Ort liegt auf einer ganz freien Heide und begünstigt daher das Geschäft sehr. Jm Herbste werden die Falken gefangen; man behält in der Regel nur die Weibchen, und zwar am liebsten die vom selbigen Jahre, weil diese am besten sind; die zweijährigen sind auch noch brauchbar; ältere läßt man aber wieder fliegen. Der Fang ist so eingerichtet: Der Falkonier sitzt gut verborgen auf freiem Felde, und von ihm aus geht ein etwa 100 Schritt langer Faden, an dessen Ende eine lebende Taube befestigt ist, welche übrigens frei auf der Erde sitzt. Etwa 40 Schritt vom Falkonier geht der genannte Faden durch einen Ring, und neben diesem Ring liegt ein Schlagnetzchen, von welchem ebenfalls ein Faden bis zum Falkonier geht. Jst ein Falk im Anzuge, so wird der Taube mit dem Faden ein Ruck gegeben, wodurch sie emporfliegt, den Falken anlockt und von ihm in der Luft ergriffen wird. Jn dem Augenblicke, wo Dies geschieht, zieht der Falkonier die Taube und mit ihr den sie krampfhaft festhaltenden Falken allmählich bis zu dem Ringe, wo plötzlich das Schlagnetz beide bedeckt. Es kommt viel darauf an, es sogleich zu erfahren, wenn ein Falk die Gegend durchstreift, und deswegen bedient sich der Jäger eines eifrigen und scharf- sichtigen Wächters, nämlich des Raubwürgers (Lanius Excubitor), welcher ohnweit der Taube angefesselt wird und nicht verfehlt, sobald er einen Falken in unermeßlicher Ferne gewahrt, ein weit schallendes Geschrei zu erheben. Neben ihm ist eine Grube, in die er sich verkriecht, wenn es noth thut. Der frisch gefangene Falk muß regelmäßig drei Tage hungern, und wird während der Zeit und späterhin so viel als möglich verkappt auf der Hand getragen. Schlaflosigkeit wird nicht angewendet. Bis zum Frühjahr muß der Falk gut dressirt sein, und alsdann reisen die Falkenwerther Falkoniere nach England zum Herzog von Bedford, dem sie sich und ihre Falken auf eine bestimmte Zeit vermiethen. Bei den Jagden brechen sie nicht selten, weil über Stock und Stein nachgesprengt und dabei nach oben geguckt werden muß, Hals und Bein. Ein gewöhnlicher Falk dient kaum drei Jahre."
"Jm achtzehnten Jahrhundert ist die Falkenbaize allmählich aus der Mode gekommen; übrigens hat sie sich doch noch hier und da erhalten. Als Knabe kannte ich in Weimar einen Falkonier, der sein Geschäft noch mit großem Eifer betrieb, und ein ähnlicher lebte damals noch in Meiningen. Jetzt ist sie in Europa meines Wissens noch an folgenden Orten in Gebrauch: 1) zu Bedford in England beim Herzog von Bedfort; 2) zu Didlington-Hall in der Grafschaft Norfolk beim Lord Barnars. Jeden
Die Fänger. Raubvögel. Falken.
„Landgraf Ludwig IV. von Heſſen‟, ſo berichtet Dr.Landau nach alten Urkunden, „verbot am 5. Mai 1577 das Ausnehmen der Falkenneſter und das Wegfangen der Falken bei ſtrenger Strafe. Man hat auch noch einen Brief vom 18. November 1629, an Landgraf Wilhelm V. von Heſſen gerichtet, worin beſchrieben iſt, wie man zur Einübung der Falken Reihern auf jeder Schnabelſpitze ein Holunderröhrchen befeſtigt hat, damit ſie die Falken nicht durch Schnabelſtöße beſchädigen könnten; wie man ihnen ferner den Hals mit einem Leinwandfutteral verwahrt, damit ſie nicht könnten erwürgt werden, und wie man ſie endlich mit Gewichten an den Beinen habe fliegen laſſen, damit ſie ſicher von den Falken erhaſcht werden könnten. Unter Landgraf Philipp von Heſſen ward allen Taubenbeſitzern geboten, je die zehnte Taube dem fürſtlichen Falkner abzuliefern. Um immer Reiher zur Abrichtung der Falken zu haben, hatte man Neiherhäuſer, wo ſie jung aufgezogen wurden.‟
„Seit Jahrhunderten beſteht die beſte und jetzt noch die einzige Falkonierſchule Europas in dem Dorfe Falkenwerth in Flandern. Die an Ort und Stelle gefangenen Falken reichten früherhin für den Bedarf durchaus nicht hin; daher gingen die Leute bis Norwegen und Jsland auf den Fang, und namentlich lieferte die genannte Jnſel die beſten Baizvögel. — Auch in Pommern haben, wie Th. Schmidt aus Kantzow’s Pommerania nachweiſt, die holländiſchen Falkoniere früherhin im Herbſt am Seeſtrand den vom Norden über das Meer müde und hungrig anlangenden Falken fleißig nach- geſtellt, und deren in manchen Jahren über hundert gefangen. Gingen die Leute nach Holland zurück, ſo ſetzten ſie ihre Vögel auf Stangen, wovon auf jede Schulter eine zu liegen kam. Um wohlfeil mit der Fütterung durchzukommen, erbettelten ſie unterwegs in den Dörfern Hunde. Ueber den jetzigen Zuſtand der Falknerei in Falkenwerth theilt der holländiſche General von Ardeſch Folgendes mit:‟
„Jn Falkenwerth ſind noch jetzt mehrere Leute, die den Fang und die Abrichtung der Falken eifrig betreiben. Der Ort liegt auf einer ganz freien Heide und begünſtigt daher das Geſchäft ſehr. Jm Herbſte werden die Falken gefangen; man behält in der Regel nur die Weibchen, und zwar am liebſten die vom ſelbigen Jahre, weil dieſe am beſten ſind; die zweijährigen ſind auch noch brauchbar; ältere läßt man aber wieder fliegen. Der Fang iſt ſo eingerichtet: Der Falkonier ſitzt gut verborgen auf freiem Felde, und von ihm aus geht ein etwa 100 Schritt langer Faden, an deſſen Ende eine lebende Taube befeſtigt iſt, welche übrigens frei auf der Erde ſitzt. Etwa 40 Schritt vom Falkonier geht der genannte Faden durch einen Ring, und neben dieſem Ring liegt ein Schlagnetzchen, von welchem ebenfalls ein Faden bis zum Falkonier geht. Jſt ein Falk im Anzuge, ſo wird der Taube mit dem Faden ein Ruck gegeben, wodurch ſie emporfliegt, den Falken anlockt und von ihm in der Luft ergriffen wird. Jn dem Augenblicke, wo Dies geſchieht, zieht der Falkonier die Taube und mit ihr den ſie krampfhaft feſthaltenden Falken allmählich bis zu dem Ringe, wo plötzlich das Schlagnetz beide bedeckt. Es kommt viel darauf an, es ſogleich zu erfahren, wenn ein Falk die Gegend durchſtreift, und deswegen bedient ſich der Jäger eines eifrigen und ſcharf- ſichtigen Wächters, nämlich des Raubwürgers (Lanius Excubitor), welcher ohnweit der Taube angefeſſelt wird und nicht verfehlt, ſobald er einen Falken in unermeßlicher Ferne gewahrt, ein weit ſchallendes Geſchrei zu erheben. Neben ihm iſt eine Grube, in die er ſich verkriecht, wenn es noth thut. Der friſch gefangene Falk muß regelmäßig drei Tage hungern, und wird während der Zeit und ſpäterhin ſo viel als möglich verkappt auf der Hand getragen. Schlafloſigkeit wird nicht angewendet. Bis zum Frühjahr muß der Falk gut dreſſirt ſein, und alsdann reiſen die Falkenwerther Falkoniere nach England zum Herzog von Bedford, dem ſie ſich und ihre Falken auf eine beſtimmte Zeit vermiethen. Bei den Jagden brechen ſie nicht ſelten, weil über Stock und Stein nachgeſprengt und dabei nach oben geguckt werden muß, Hals und Bein. Ein gewöhnlicher Falk dient kaum drei Jahre.‟
„Jm achtzehnten Jahrhundert iſt die Falkenbaize allmählich aus der Mode gekommen; übrigens hat ſie ſich doch noch hier und da erhalten. Als Knabe kannte ich in Weimar einen Falkonier, der ſein Geſchäft noch mit großem Eifer betrieb, und ein ähnlicher lebte damals noch in Meiningen. Jetzt iſt ſie in Europa meines Wiſſens noch an folgenden Orten in Gebrauch: 1) zu Bedford in England beim Herzog von Bedfort; 2) zu Didlington-Hall in der Grafſchaft Norfolk beim Lord Barnars. Jeden
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Die Fänger. Raubvögel. Falken.
„Landgraf Ludwig IV. von Heſſen‟, ſo berichtet Dr. Landau nach alten Urkunden, „verbot am
5. Mai 1577 das Ausnehmen der Falkenneſter und das Wegfangen der Falken bei ſtrenger Strafe.
Man hat auch noch einen Brief vom 18. November 1629, an Landgraf Wilhelm V. von Heſſen
gerichtet, worin beſchrieben iſt, wie man zur Einübung der Falken Reihern auf jeder Schnabelſpitze
ein Holunderröhrchen befeſtigt hat, damit ſie die Falken nicht durch Schnabelſtöße beſchädigen könnten;
wie man ihnen ferner den Hals mit einem Leinwandfutteral verwahrt, damit ſie nicht könnten erwürgt
werden, und wie man ſie endlich mit Gewichten an den Beinen habe fliegen laſſen, damit ſie ſicher von
den Falken erhaſcht werden könnten. Unter Landgraf Philipp von Heſſen ward allen Taubenbeſitzern
geboten, je die zehnte Taube dem fürſtlichen Falkner abzuliefern. Um immer Reiher zur Abrichtung
der Falken zu haben, hatte man Neiherhäuſer, wo ſie jung aufgezogen wurden.‟
„Seit Jahrhunderten beſteht die beſte und jetzt noch die einzige Falkonierſchule Europas in dem
Dorfe Falkenwerth in Flandern. Die an Ort und Stelle gefangenen Falken reichten früherhin für
den Bedarf durchaus nicht hin; daher gingen die Leute bis Norwegen und Jsland auf den Fang, und
namentlich lieferte die genannte Jnſel die beſten Baizvögel. — Auch in Pommern haben, wie
Th. Schmidt aus Kantzow’s Pommerania nachweiſt, die holländiſchen Falkoniere früherhin im Herbſt
am Seeſtrand den vom Norden über das Meer müde und hungrig anlangenden Falken fleißig nach-
geſtellt, und deren in manchen Jahren über hundert gefangen. Gingen die Leute nach Holland zurück,
ſo ſetzten ſie ihre Vögel auf Stangen, wovon auf jede Schulter eine zu liegen kam. Um wohlfeil mit
der Fütterung durchzukommen, erbettelten ſie unterwegs in den Dörfern Hunde. Ueber den jetzigen
Zuſtand der Falknerei in Falkenwerth theilt der holländiſche General von Ardeſch Folgendes mit:‟
„Jn Falkenwerth ſind noch jetzt mehrere Leute, die den Fang und die Abrichtung der
Falken eifrig betreiben. Der Ort liegt auf einer ganz freien Heide und begünſtigt daher das
Geſchäft ſehr. Jm Herbſte werden die Falken gefangen; man behält in der Regel nur die
Weibchen, und zwar am liebſten die vom ſelbigen Jahre, weil dieſe am beſten ſind; die zweijährigen
ſind auch noch brauchbar; ältere läßt man aber wieder fliegen. Der Fang iſt ſo eingerichtet:
Der Falkonier ſitzt gut verborgen auf freiem Felde, und von ihm aus geht ein etwa 100 Schritt
langer Faden, an deſſen Ende eine lebende Taube befeſtigt iſt, welche übrigens frei auf der Erde
ſitzt. Etwa 40 Schritt vom Falkonier geht der genannte Faden durch einen Ring, und neben
dieſem Ring liegt ein Schlagnetzchen, von welchem ebenfalls ein Faden bis zum Falkonier geht. Jſt
ein Falk im Anzuge, ſo wird der Taube mit dem Faden ein Ruck gegeben, wodurch ſie emporfliegt, den
Falken anlockt und von ihm in der Luft ergriffen wird. Jn dem Augenblicke, wo Dies geſchieht, zieht
der Falkonier die Taube und mit ihr den ſie krampfhaft feſthaltenden Falken allmählich bis zu dem
Ringe, wo plötzlich das Schlagnetz beide bedeckt. Es kommt viel darauf an, es ſogleich zu erfahren,
wenn ein Falk die Gegend durchſtreift, und deswegen bedient ſich der Jäger eines eifrigen und ſcharf-
ſichtigen Wächters, nämlich des Raubwürgers (Lanius Excubitor), welcher ohnweit der Taube
angefeſſelt wird und nicht verfehlt, ſobald er einen Falken in unermeßlicher Ferne gewahrt, ein weit
ſchallendes Geſchrei zu erheben. Neben ihm iſt eine Grube, in die er ſich verkriecht, wenn es noth
thut. Der friſch gefangene Falk muß regelmäßig drei Tage hungern, und wird während der Zeit
und ſpäterhin ſo viel als möglich verkappt auf der Hand getragen. Schlafloſigkeit wird nicht
angewendet. Bis zum Frühjahr muß der Falk gut dreſſirt ſein, und alsdann reiſen die Falkenwerther
Falkoniere nach England zum Herzog von Bedford, dem ſie ſich und ihre Falken auf eine beſtimmte Zeit
vermiethen. Bei den Jagden brechen ſie nicht ſelten, weil über Stock und Stein nachgeſprengt und
dabei nach oben geguckt werden muß, Hals und Bein. Ein gewöhnlicher Falk dient kaum drei Jahre.‟
„Jm achtzehnten Jahrhundert iſt die Falkenbaize allmählich aus der Mode gekommen; übrigens
hat ſie ſich doch noch hier und da erhalten. Als Knabe kannte ich in Weimar einen Falkonier, der ſein
Geſchäft noch mit großem Eifer betrieb, und ein ähnlicher lebte damals noch in Meiningen. Jetzt iſt
ſie in Europa meines Wiſſens noch an folgenden Orten in Gebrauch: 1) zu Bedford in England beim
Herzog von Bedfort; 2) zu Didlington-Hall in der Grafſchaft Norfolk beim Lord Barnars. Jeden
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/438>, abgerufen am 22.11.2024.
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