Die verschiedenen Arten haben auch einen verschiedenen Flug. Bei den wahren Edelfalken besteht er aus sehr schnell auf einander folgenden Flügelschlägen, welche nur selten durch ein kurzes gleitendes Schweben unterbrochen werden; bei anderen ist er langsam und mehr schwebend; auch erhalten sich diese durch längere zitternde Bewegung oder "Rütteln", wie der Vogelkundige zu sagen pflegt, längere Zeit auf einer und derselben Stelle in der Luft, was jene nicht zu thun pflegen. Auf dem Fluge und während der Zeit der Liebe steigen die Edelfalken zu unermeßlichen Höhen empor und schweben dann lange in prächtigen Kreisen hin und her, führen zu eigener Belustigung und Erheiterung des Weibchens förmliche Flugreigen auf. Sonst halten sie gewöhnlich eine Höhe von zwei- bis vierhundert Fuß über dem Boden ein. Jm Sitzen nehmen sie eine sehr aufrechte Stellung an, wie die Kürze ihrer Füße es bedingt. Jm Gehen tragen sie den Leib wagrecht; sie sind aber höchst ungeschickt auf dem Boden und hüpfen mit abwechselnder Fußbewegung in sonderbarer, unbehilflicher Weise dahin, müssen auch gewöhnlich die Flügel mit zu Hilfe nehmen, um fortzukommen.
Wirbelthiere und zwar vorzugsweise Vögel bilden die Nahrung der echten Edelfalken, Kerbthiere die hauptsächlichste Speise der unechten. Jene fangen ihre Beute fast regelmäßig im Fluge, und viele sind gar nicht im Stande, einen auf dem Boden sitzenden Vogel wegzunehmen; diese folgen den Kerb- thieren zwar ebenfalls fliegend durch die Luft, greifen aber auch laufendes Wild an. Kein einziger Edelfalk nährt sich in der Freiheit von Aas; jeder genießt vielmehr nur selbst erworbene Beute: in der Gefangenschaft freilich zwingt ihn der Hunger, auch todte Thiere anzugehen. Die gefangene Beute wird selten an dem Orte verzehrt, welcher sie lieferte, sondern gewöhnlich einem andern passenden, welcher freie Umschau gewährt, zugetragen, hier erst gerupft, auch theilweise enthäutet und dann verzehrt.
Die Morgen- und die Abendstunden bilden die eigentliche Jagdzeit der Edelfalken. Während des Mittags sitzen sie gewöhnlich mit gefülltem Kropf an einer erhabenen und ruhigen Stelle regungs- los und still, mit gesträubtem Gefieder, einem Halbschlummer hingegeben, um zu verdauen. Sie schlafen ziemlich lange, gehen aber erst spät zur Ruhe; einzelne sieht man noch in der Dämme- rung jagen.
Geselligkeit ist den Edelfalken zwar nicht fremd, aber doch durchaus kein Bedürfniß. Während des Sommers leben sie paarweise in dem einmal erwählten Gebiete und dulden hier kein anderes Paar der gleichen Art, ja nicht einmal einen anderen Raubvogel. Während ihrer Reise aber scharen sie sich mit andern derselben Art und mit Verwandten zusammen, und einzelne Arten bilden dann ziemlich bedeutende Schwärme, welche, wie es scheint, wochen- und monatelang zusammenhalten. Gegen Adler und Eulen zeigen aber auch diese Scharen denselben Haß, welchen die einzelnen in ihrer Heimat an den Tag legten. Keiner dieser stärkeren Raubgesellen bleibt unangefochten.
Der Horst der Edelfalken wird verschieden angelegt, am liebsten in passenden Höhlungen steiler Felswände, auf hohen Gebäuden und auf dem Wipfel der höchsten Waldbäume; doch horsten einzelne Arten da, wo es an Bäumen und Felsen mangelt, auch auf der bloßen Erde oder erwählen sich eine geräumige Baumhöhlung zu demselben Zwecke. Sehr gern nehmen sie auch die Nester anderer großer Vögel, namentlich der verschiedenen Raben, in Besitz. Besondere Mühe geben sie sich mit dem Nestbau nicht. Der selbst zusammengetragene Horst ist regelmäßig flach und an der Stelle der Nestmulde nur ein wenig mit feineren Würzelchen ausgekleidet. Das Gelege besteht aus drei bis sieben Eiern von sehr übereinstimmendem Gepräge. Sie sind rundlich, mehr oder minder rauhschalig und in der Regel auf blaßröthlichbraunem Grunde dicht mit dunkleren feinen Punkten und größeren Flecken derselben Farbe gezeichnet. Das Weibchen brütet allein und wird, so lange es auf den Eiern sitzt, vom Männchen ernährt, welches auch für die Unterhaltung der beschäftigten Gattin Sorge trägt, indem es augesichts derselben seine Flugkünste übt. Die Jungen werden von beiden Eltern aufgefüttert, mit großer Liebe behandelt und gegen Feinde, nicht aber auch gegen den Menschen, muthvoll vertheidigt und nach dem Ausfliegen sorgfältig unterrichtet.
Leider gehören die meisten Edelfalken zu den schädlichsten Thieren unserer Wälder und können deshalb nicht geduldet werden; nicht einmal alle kleineren Arten sind nützliche Thiere, welche Schonung
Die Fänger. Raubvögel. Falken.
Die verſchiedenen Arten haben auch einen verſchiedenen Flug. Bei den wahren Edelfalken beſteht er aus ſehr ſchnell auf einander folgenden Flügelſchlägen, welche nur ſelten durch ein kurzes gleitendes Schweben unterbrochen werden; bei anderen iſt er langſam und mehr ſchwebend; auch erhalten ſich dieſe durch längere zitternde Bewegung oder „Rütteln‟, wie der Vogelkundige zu ſagen pflegt, längere Zeit auf einer und derſelben Stelle in der Luft, was jene nicht zu thun pflegen. Auf dem Fluge und während der Zeit der Liebe ſteigen die Edelfalken zu unermeßlichen Höhen empor und ſchweben dann lange in prächtigen Kreiſen hin und her, führen zu eigener Beluſtigung und Erheiterung des Weibchens förmliche Flugreigen auf. Sonſt halten ſie gewöhnlich eine Höhe von zwei- bis vierhundert Fuß über dem Boden ein. Jm Sitzen nehmen ſie eine ſehr aufrechte Stellung an, wie die Kürze ihrer Füße es bedingt. Jm Gehen tragen ſie den Leib wagrecht; ſie ſind aber höchſt ungeſchickt auf dem Boden und hüpfen mit abwechſelnder Fußbewegung in ſonderbarer, unbehilflicher Weiſe dahin, müſſen auch gewöhnlich die Flügel mit zu Hilfe nehmen, um fortzukommen.
Wirbelthiere und zwar vorzugsweiſe Vögel bilden die Nahrung der echten Edelfalken, Kerbthiere die hauptſächlichſte Speiſe der unechten. Jene fangen ihre Beute faſt regelmäßig im Fluge, und viele ſind gar nicht im Stande, einen auf dem Boden ſitzenden Vogel wegzunehmen; dieſe folgen den Kerb- thieren zwar ebenfalls fliegend durch die Luft, greifen aber auch laufendes Wild an. Kein einziger Edelfalk nährt ſich in der Freiheit von Aas; jeder genießt vielmehr nur ſelbſt erworbene Beute: in der Gefangenſchaft freilich zwingt ihn der Hunger, auch todte Thiere anzugehen. Die gefangene Beute wird ſelten an dem Orte verzehrt, welcher ſie lieferte, ſondern gewöhnlich einem andern paſſenden, welcher freie Umſchau gewährt, zugetragen, hier erſt gerupft, auch theilweiſe enthäutet und dann verzehrt.
Die Morgen- und die Abendſtunden bilden die eigentliche Jagdzeit der Edelfalken. Während des Mittags ſitzen ſie gewöhnlich mit gefülltem Kropf an einer erhabenen und ruhigen Stelle regungs- los und ſtill, mit geſträubtem Gefieder, einem Halbſchlummer hingegeben, um zu verdauen. Sie ſchlafen ziemlich lange, gehen aber erſt ſpät zur Ruhe; einzelne ſieht man noch in der Dämme- rung jagen.
Geſelligkeit iſt den Edelfalken zwar nicht fremd, aber doch durchaus kein Bedürfniß. Während des Sommers leben ſie paarweiſe in dem einmal erwählten Gebiete und dulden hier kein anderes Paar der gleichen Art, ja nicht einmal einen anderen Raubvogel. Während ihrer Reiſe aber ſcharen ſie ſich mit andern derſelben Art und mit Verwandten zuſammen, und einzelne Arten bilden dann ziemlich bedeutende Schwärme, welche, wie es ſcheint, wochen- und monatelang zuſammenhalten. Gegen Adler und Eulen zeigen aber auch dieſe Scharen denſelben Haß, welchen die einzelnen in ihrer Heimat an den Tag legten. Keiner dieſer ſtärkeren Raubgeſellen bleibt unangefochten.
Der Horſt der Edelfalken wird verſchieden angelegt, am liebſten in paſſenden Höhlungen ſteiler Felswände, auf hohen Gebäuden und auf dem Wipfel der höchſten Waldbäume; doch horſten einzelne Arten da, wo es an Bäumen und Felſen mangelt, auch auf der bloßen Erde oder erwählen ſich eine geräumige Baumhöhlung zu demſelben Zwecke. Sehr gern nehmen ſie auch die Neſter anderer großer Vögel, namentlich der verſchiedenen Raben, in Beſitz. Beſondere Mühe geben ſie ſich mit dem Neſtbau nicht. Der ſelbſt zuſammengetragene Horſt iſt regelmäßig flach und an der Stelle der Neſtmulde nur ein wenig mit feineren Würzelchen ausgekleidet. Das Gelege beſteht aus drei bis ſieben Eiern von ſehr übereinſtimmendem Gepräge. Sie ſind rundlich, mehr oder minder rauhſchalig und in der Regel auf blaßröthlichbraunem Grunde dicht mit dunkleren feinen Punkten und größeren Flecken derſelben Farbe gezeichnet. Das Weibchen brütet allein und wird, ſo lange es auf den Eiern ſitzt, vom Männchen ernährt, welches auch für die Unterhaltung der beſchäftigten Gattin Sorge trägt, indem es augeſichts derſelben ſeine Flugkünſte übt. Die Jungen werden von beiden Eltern aufgefüttert, mit großer Liebe behandelt und gegen Feinde, nicht aber auch gegen den Menſchen, muthvoll vertheidigt und nach dem Ausfliegen ſorgfältig unterrichtet.
Leider gehören die meiſten Edelfalken zu den ſchädlichſten Thieren unſerer Wälder und können deshalb nicht geduldet werden; nicht einmal alle kleineren Arten ſind nützliche Thiere, welche Schonung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0436"n="408"/><fwplace="top"type="header">Die Fänger. Raubvögel. Falken.</fw><lb/>
Die verſchiedenen Arten haben auch einen verſchiedenen Flug. Bei den wahren Edelfalken beſteht er<lb/>
aus ſehr ſchnell auf einander folgenden Flügelſchlägen, welche nur ſelten durch ein kurzes gleitendes<lb/>
Schweben unterbrochen werden; bei anderen iſt er langſam und mehr ſchwebend; auch erhalten ſich dieſe<lb/>
durch längere zitternde Bewegung oder „Rütteln‟, wie der Vogelkundige zu ſagen pflegt, längere Zeit<lb/>
auf einer und derſelben Stelle in der Luft, was jene nicht zu thun pflegen. Auf dem Fluge und<lb/>
während der Zeit der Liebe ſteigen die Edelfalken zu unermeßlichen Höhen empor und ſchweben dann<lb/>
lange in prächtigen Kreiſen hin und her, führen zu eigener Beluſtigung und Erheiterung des Weibchens<lb/>
förmliche Flugreigen auf. Sonſt halten ſie gewöhnlich eine Höhe von zwei- bis vierhundert Fuß über<lb/>
dem Boden ein. Jm Sitzen nehmen ſie eine ſehr aufrechte Stellung an, wie die Kürze ihrer Füße es<lb/>
bedingt. Jm Gehen tragen ſie den Leib wagrecht; ſie ſind aber höchſt ungeſchickt auf dem Boden<lb/>
und hüpfen mit abwechſelnder Fußbewegung in ſonderbarer, unbehilflicher Weiſe dahin, müſſen auch<lb/>
gewöhnlich die Flügel mit zu Hilfe nehmen, um fortzukommen.</p><lb/><p>Wirbelthiere und zwar vorzugsweiſe Vögel bilden die Nahrung der echten Edelfalken, Kerbthiere<lb/>
die hauptſächlichſte Speiſe der unechten. Jene fangen ihre Beute faſt regelmäßig im Fluge, und viele<lb/>ſind gar nicht im Stande, einen auf dem Boden ſitzenden Vogel wegzunehmen; dieſe folgen den Kerb-<lb/>
thieren zwar ebenfalls fliegend durch die Luft, greifen aber auch laufendes Wild an. Kein einziger<lb/>
Edelfalk nährt ſich in der Freiheit von Aas; jeder genießt vielmehr nur ſelbſt erworbene Beute: in der<lb/>
Gefangenſchaft freilich zwingt ihn der Hunger, auch todte Thiere anzugehen. Die gefangene Beute wird<lb/>ſelten an dem Orte verzehrt, welcher ſie lieferte, ſondern gewöhnlich einem andern paſſenden, welcher<lb/>
freie Umſchau gewährt, zugetragen, hier erſt gerupft, auch theilweiſe enthäutet und dann verzehrt.</p><lb/><p>Die Morgen- und die Abendſtunden bilden die eigentliche Jagdzeit der Edelfalken. Während<lb/>
des Mittags ſitzen ſie gewöhnlich mit gefülltem Kropf an einer erhabenen und ruhigen Stelle regungs-<lb/>
los und ſtill, mit geſträubtem Gefieder, einem Halbſchlummer hingegeben, um zu verdauen. Sie<lb/>ſchlafen ziemlich lange, gehen aber erſt ſpät zur Ruhe; einzelne ſieht man noch in der Dämme-<lb/>
rung jagen.</p><lb/><p>Geſelligkeit iſt den Edelfalken zwar nicht fremd, aber doch durchaus kein Bedürfniß. Während<lb/>
des Sommers leben ſie paarweiſe in dem einmal erwählten Gebiete und dulden hier kein anderes Paar<lb/>
der gleichen Art, ja nicht einmal einen anderen Raubvogel. Während ihrer Reiſe aber ſcharen ſie ſich<lb/>
mit andern derſelben Art und mit Verwandten zuſammen, und einzelne Arten bilden dann ziemlich<lb/>
bedeutende Schwärme, welche, wie es ſcheint, wochen- und monatelang zuſammenhalten. Gegen<lb/><hirendition="#g">Adler</hi> und <hirendition="#g">Eulen</hi> zeigen aber auch dieſe Scharen denſelben Haß, welchen die einzelnen in ihrer<lb/>
Heimat an den Tag legten. Keiner dieſer ſtärkeren Raubgeſellen bleibt unangefochten.</p><lb/><p>Der Horſt der Edelfalken wird verſchieden angelegt, am liebſten in paſſenden Höhlungen ſteiler<lb/>
Felswände, auf hohen Gebäuden und auf dem Wipfel der höchſten Waldbäume; doch horſten einzelne<lb/>
Arten da, wo es an Bäumen und Felſen mangelt, auch auf der bloßen Erde oder erwählen<lb/>ſich eine geräumige Baumhöhlung zu demſelben Zwecke. Sehr gern nehmen ſie auch die Neſter<lb/>
anderer großer Vögel, namentlich der verſchiedenen <hirendition="#g">Raben,</hi> in Beſitz. Beſondere Mühe geben<lb/>ſie ſich mit dem Neſtbau nicht. Der ſelbſt zuſammengetragene Horſt iſt regelmäßig flach<lb/>
und an der Stelle der Neſtmulde nur ein wenig mit feineren Würzelchen ausgekleidet. Das Gelege<lb/>
beſteht aus drei bis ſieben Eiern von ſehr übereinſtimmendem Gepräge. Sie ſind rundlich, mehr oder<lb/>
minder rauhſchalig und in der Regel auf blaßröthlichbraunem Grunde dicht mit dunkleren feinen Punkten<lb/>
und größeren Flecken derſelben Farbe gezeichnet. Das Weibchen brütet allein und wird, ſo lange es<lb/>
auf den Eiern ſitzt, vom Männchen ernährt, welches auch für die Unterhaltung der beſchäftigten Gattin<lb/>
Sorge trägt, indem es augeſichts derſelben ſeine Flugkünſte übt. Die Jungen werden von beiden<lb/>
Eltern aufgefüttert, mit großer Liebe behandelt und gegen Feinde, nicht aber auch gegen den<lb/>
Menſchen, muthvoll vertheidigt und nach dem Ausfliegen ſorgfältig unterrichtet.</p><lb/><p>Leider gehören die meiſten Edelfalken zu den ſchädlichſten Thieren unſerer Wälder und können<lb/>
deshalb nicht geduldet werden; nicht einmal alle kleineren Arten ſind nützliche Thiere, welche Schonung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[408/0436]
Die Fänger. Raubvögel. Falken.
Die verſchiedenen Arten haben auch einen verſchiedenen Flug. Bei den wahren Edelfalken beſteht er
aus ſehr ſchnell auf einander folgenden Flügelſchlägen, welche nur ſelten durch ein kurzes gleitendes
Schweben unterbrochen werden; bei anderen iſt er langſam und mehr ſchwebend; auch erhalten ſich dieſe
durch längere zitternde Bewegung oder „Rütteln‟, wie der Vogelkundige zu ſagen pflegt, längere Zeit
auf einer und derſelben Stelle in der Luft, was jene nicht zu thun pflegen. Auf dem Fluge und
während der Zeit der Liebe ſteigen die Edelfalken zu unermeßlichen Höhen empor und ſchweben dann
lange in prächtigen Kreiſen hin und her, führen zu eigener Beluſtigung und Erheiterung des Weibchens
förmliche Flugreigen auf. Sonſt halten ſie gewöhnlich eine Höhe von zwei- bis vierhundert Fuß über
dem Boden ein. Jm Sitzen nehmen ſie eine ſehr aufrechte Stellung an, wie die Kürze ihrer Füße es
bedingt. Jm Gehen tragen ſie den Leib wagrecht; ſie ſind aber höchſt ungeſchickt auf dem Boden
und hüpfen mit abwechſelnder Fußbewegung in ſonderbarer, unbehilflicher Weiſe dahin, müſſen auch
gewöhnlich die Flügel mit zu Hilfe nehmen, um fortzukommen.
Wirbelthiere und zwar vorzugsweiſe Vögel bilden die Nahrung der echten Edelfalken, Kerbthiere
die hauptſächlichſte Speiſe der unechten. Jene fangen ihre Beute faſt regelmäßig im Fluge, und viele
ſind gar nicht im Stande, einen auf dem Boden ſitzenden Vogel wegzunehmen; dieſe folgen den Kerb-
thieren zwar ebenfalls fliegend durch die Luft, greifen aber auch laufendes Wild an. Kein einziger
Edelfalk nährt ſich in der Freiheit von Aas; jeder genießt vielmehr nur ſelbſt erworbene Beute: in der
Gefangenſchaft freilich zwingt ihn der Hunger, auch todte Thiere anzugehen. Die gefangene Beute wird
ſelten an dem Orte verzehrt, welcher ſie lieferte, ſondern gewöhnlich einem andern paſſenden, welcher
freie Umſchau gewährt, zugetragen, hier erſt gerupft, auch theilweiſe enthäutet und dann verzehrt.
Die Morgen- und die Abendſtunden bilden die eigentliche Jagdzeit der Edelfalken. Während
des Mittags ſitzen ſie gewöhnlich mit gefülltem Kropf an einer erhabenen und ruhigen Stelle regungs-
los und ſtill, mit geſträubtem Gefieder, einem Halbſchlummer hingegeben, um zu verdauen. Sie
ſchlafen ziemlich lange, gehen aber erſt ſpät zur Ruhe; einzelne ſieht man noch in der Dämme-
rung jagen.
Geſelligkeit iſt den Edelfalken zwar nicht fremd, aber doch durchaus kein Bedürfniß. Während
des Sommers leben ſie paarweiſe in dem einmal erwählten Gebiete und dulden hier kein anderes Paar
der gleichen Art, ja nicht einmal einen anderen Raubvogel. Während ihrer Reiſe aber ſcharen ſie ſich
mit andern derſelben Art und mit Verwandten zuſammen, und einzelne Arten bilden dann ziemlich
bedeutende Schwärme, welche, wie es ſcheint, wochen- und monatelang zuſammenhalten. Gegen
Adler und Eulen zeigen aber auch dieſe Scharen denſelben Haß, welchen die einzelnen in ihrer
Heimat an den Tag legten. Keiner dieſer ſtärkeren Raubgeſellen bleibt unangefochten.
Der Horſt der Edelfalken wird verſchieden angelegt, am liebſten in paſſenden Höhlungen ſteiler
Felswände, auf hohen Gebäuden und auf dem Wipfel der höchſten Waldbäume; doch horſten einzelne
Arten da, wo es an Bäumen und Felſen mangelt, auch auf der bloßen Erde oder erwählen
ſich eine geräumige Baumhöhlung zu demſelben Zwecke. Sehr gern nehmen ſie auch die Neſter
anderer großer Vögel, namentlich der verſchiedenen Raben, in Beſitz. Beſondere Mühe geben
ſie ſich mit dem Neſtbau nicht. Der ſelbſt zuſammengetragene Horſt iſt regelmäßig flach
und an der Stelle der Neſtmulde nur ein wenig mit feineren Würzelchen ausgekleidet. Das Gelege
beſteht aus drei bis ſieben Eiern von ſehr übereinſtimmendem Gepräge. Sie ſind rundlich, mehr oder
minder rauhſchalig und in der Regel auf blaßröthlichbraunem Grunde dicht mit dunkleren feinen Punkten
und größeren Flecken derſelben Farbe gezeichnet. Das Weibchen brütet allein und wird, ſo lange es
auf den Eiern ſitzt, vom Männchen ernährt, welches auch für die Unterhaltung der beſchäftigten Gattin
Sorge trägt, indem es augeſichts derſelben ſeine Flugkünſte übt. Die Jungen werden von beiden
Eltern aufgefüttert, mit großer Liebe behandelt und gegen Feinde, nicht aber auch gegen den
Menſchen, muthvoll vertheidigt und nach dem Ausfliegen ſorgfältig unterrichtet.
Leider gehören die meiſten Edelfalken zu den ſchädlichſten Thieren unſerer Wälder und können
deshalb nicht geduldet werden; nicht einmal alle kleineren Arten ſind nützliche Thiere, welche Schonung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/436>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.