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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Falken.
die Vögel selbst daher uns als schädliche oder nützliche erscheinen. Die Gesammtheit als solche dürfte
als eine äußerst nützliche angesehen werden können; Einzelne dagegen fordern unsere Abwehr, bezüglich
eine mehr oder minder rücksichtslose Verfolgung heraus, weil sie unter gewissen, uns wichtigen
Thieren fürchterlich haufen.

Unmittelbar werden uns wenige Raubvögel nützlich: die Dienste, welche die begabtesten unter
ihnen uns leisteten, nachdem wir sie eingefangen und abgerichtet, sind, uns wenigstens, nicht mehr von
Nöthen, und der Nutzen, welchen die in unseren Käfigen eingesperrten uns bringen, ist Vielen unver-
ständlich und deshalb für die nicht vorhanden. Dagegen sollten auch die beschränktesten Menschen
endlich einsehen lernen, wie unendlich Großes viele der scheel angesehenen Räuber mittelbar für uns
leisten; wie sie zu unserem Vortheile arbeiten und sich mühen, um das verderbliche Heer der schädlichen
Nager und Kerbthiere zu vernichten. Nicht blos der Kranichgeier, welcher der Cobra Capella
den Kopf zertrümmert, nicht blos der Geier, welcher die Straßen der Städte Afrikas und Südasiens
säubert, sind als unverletzliche Vögel anzusehen: auch auf unseren Fluren und Feldern leben segen-
bringende Raubvögel, welche Verehrung in höherem Grade verdienen, als so manche heiligen --
Vögel. Sie zu schützen, zu erhalten, ihnen freie Bahn zu gewähren, ist Pflicht der Vernünftigen.

Diesem Nutzen gegenüber erscheint jeder andere, welchen die Raubvögel uns, d. h. den Menschen
im weitesten Umfange, leisten können, gering. Das Fleisch der gefiederten Räuber ist für uns unge-
nießbar, und Adlerfedern stehen eben nur bei den Jndianern Amerikas oder bei den Mongolen im
Werthe; die Dienstleistungen einzelner Adler, Falken und Eulen sind ebenfalls unerhebliche zu
nennen: -- in anderer Hinsicht aber können wir den gefangenen oder erlegten Raubvogel nicht
benutzen. Auch er wirkt nur so lange für uns ersprießlich, als er seiner vollen Freiheit genießt.

Außer dem Menschen haben die Raubvögel wenig Feinde. Jhre Stärke oder ihre Gewandtheit
schützen sie vor gefährlichen Gegnern -- vor den lästigen freilich nicht. Auch sie haben zu leiden von
schmarotzenden Quälgeistern, welche sich auf und in ihrem Leibe ansiedeln, oder von dem Haß, welchen
wenigstens viele von ihnen verdienten: im allgemeinen aber leben sie unbehelligt ein freies schönes
Leben, so lange der Mensch ihnen nicht entgegen tritt. Er ist auch ihr gefährlichster Feind.



Die Naubvögel sondern sich schärfer als andere ihrer Klassenverwandten in Gruppen ab; diese
sind deshalb auch seit Anbeginn der Vogelkunde umgrenzt worden. Wir erkennen, wenn wir die
ganze Ordnung überblicken, drei solcher Gruppen oder Zünfte, welche wir als in sich abgeschlossene
bezeichnen dürfen, obgleich es mehrere Glieder der Ordnung gibt, welche den Uebergang von einer Zunft
zur andern so zu sagen vermitteln und dadurch die Zusammengehörigkeit aller bestätigen. Diese
Zünfte begreifen in sich die Falken, die Geier und die Eulen. Daß die erstgenannten
auch die erste Stelle verdienen, unterliegt keinem Zweifel; fraglich hingegen bleibt es, ob
wir nach ihnen den Geiern oder den Eulen einen Vorzug einzuräumen haben. Einhelligere Ausbil-
dung der Sinne und höherer Verstand spricht für die Geier, größere Raubfähigkeit für die Eulen. Jch
habe mich zu Gunsten der Geier entschieden, und lasse sie auf die Falken folgen.

Diese (Falconidae), die große Mehrzahl aller Raubvögel, kennzeichnen sich im allgemeinen durch
folgende Merkmale. Jhr Leib ist kräftig, gedrungen gebaut, nur ausnahmsweise schlank, ihr Kopf
mittelgroß, ihr Hals kurz. Die Flügel sind groß, gewöhnlich zugespitzt, seltner abgerundet; der Schwanz
ist bald kurz, bald lang, bald abgerundet, bald gegabelt, der Fuß bald kurz und stark, bald lang und
schwach. Der Schnabel ist verhältnißmäßig kurz, am Grunde mit stets sichtbarer, d. h. durch Federn
nicht verdeckter Wachshaut; der Oberschnabel ist in einem scharfen Haken über den unteren herab-
gebogen, an den Schneiden nicht selten gezahnt. Das Gefieder bekleidet nicht blos den ganzen Leib,
sondern auch stets Kopf und Hals, oft auch die Füße bis zu den Zehen herab; es läßt höchstens einen
Theil der Wangen frei. Jm allgemeinen ist es derbe und straff; ausnahmsweise weich und seidig,

Die Fänger. Raubvögel. Falken.
die Vögel ſelbſt daher uns als ſchädliche oder nützliche erſcheinen. Die Geſammtheit als ſolche dürfte
als eine äußerſt nützliche angeſehen werden können; Einzelne dagegen fordern unſere Abwehr, bezüglich
eine mehr oder minder rückſichtsloſe Verfolgung heraus, weil ſie unter gewiſſen, uns wichtigen
Thieren fürchterlich haufen.

Unmittelbar werden uns wenige Raubvögel nützlich: die Dienſte, welche die begabteſten unter
ihnen uns leiſteten, nachdem wir ſie eingefangen und abgerichtet, ſind, uns wenigſtens, nicht mehr von
Nöthen, und der Nutzen, welchen die in unſeren Käfigen eingeſperrten uns bringen, iſt Vielen unver-
ſtändlich und deshalb für die nicht vorhanden. Dagegen ſollten auch die beſchränkteſten Menſchen
endlich einſehen lernen, wie unendlich Großes viele der ſcheel angeſehenen Räuber mittelbar für uns
leiſten; wie ſie zu unſerem Vortheile arbeiten und ſich mühen, um das verderbliche Heer der ſchädlichen
Nager und Kerbthiere zu vernichten. Nicht blos der Kranichgeier, welcher der Cobra Capella
den Kopf zertrümmert, nicht blos der Geier, welcher die Straßen der Städte Afrikas und Südaſiens
ſäubert, ſind als unverletzliche Vögel anzuſehen: auch auf unſeren Fluren und Feldern leben ſegen-
bringende Raubvögel, welche Verehrung in höherem Grade verdienen, als ſo manche heiligen —
Vögel. Sie zu ſchützen, zu erhalten, ihnen freie Bahn zu gewähren, iſt Pflicht der Vernünftigen.

Dieſem Nutzen gegenüber erſcheint jeder andere, welchen die Raubvögel uns, d. h. den Menſchen
im weiteſten Umfange, leiſten können, gering. Das Fleiſch der gefiederten Räuber iſt für uns unge-
nießbar, und Adlerfedern ſtehen eben nur bei den Jndianern Amerikas oder bei den Mongolen im
Werthe; die Dienſtleiſtungen einzelner Adler, Falken und Eulen ſind ebenfalls unerhebliche zu
nennen: — in anderer Hinſicht aber können wir den gefangenen oder erlegten Raubvogel nicht
benutzen. Auch er wirkt nur ſo lange für uns erſprießlich, als er ſeiner vollen Freiheit genießt.

Außer dem Menſchen haben die Raubvögel wenig Feinde. Jhre Stärke oder ihre Gewandtheit
ſchützen ſie vor gefährlichen Gegnern — vor den läſtigen freilich nicht. Auch ſie haben zu leiden von
ſchmarotzenden Quälgeiſtern, welche ſich auf und in ihrem Leibe anſiedeln, oder von dem Haß, welchen
wenigſtens viele von ihnen verdienten: im allgemeinen aber leben ſie unbehelligt ein freies ſchönes
Leben, ſo lange der Menſch ihnen nicht entgegen tritt. Er iſt auch ihr gefährlichſter Feind.



Die Naubvögel ſondern ſich ſchärfer als andere ihrer Klaſſenverwandten in Gruppen ab; dieſe
ſind deshalb auch ſeit Anbeginn der Vogelkunde umgrenzt worden. Wir erkennen, wenn wir die
ganze Ordnung überblicken, drei ſolcher Gruppen oder Zünfte, welche wir als in ſich abgeſchloſſene
bezeichnen dürfen, obgleich es mehrere Glieder der Ordnung gibt, welche den Uebergang von einer Zunft
zur andern ſo zu ſagen vermitteln und dadurch die Zuſammengehörigkeit aller beſtätigen. Dieſe
Zünfte begreifen in ſich die Falken, die Geier und die Eulen. Daß die erſtgenannten
auch die erſte Stelle verdienen, unterliegt keinem Zweifel; fraglich hingegen bleibt es, ob
wir nach ihnen den Geiern oder den Eulen einen Vorzug einzuräumen haben. Einhelligere Ausbil-
dung der Sinne und höherer Verſtand ſpricht für die Geier, größere Raubfähigkeit für die Eulen. Jch
habe mich zu Gunſten der Geier entſchieden, und laſſe ſie auf die Falken folgen.

Dieſe (Falconidae), die große Mehrzahl aller Raubvögel, kennzeichnen ſich im allgemeinen durch
folgende Merkmale. Jhr Leib iſt kräftig, gedrungen gebaut, nur ausnahmsweiſe ſchlank, ihr Kopf
mittelgroß, ihr Hals kurz. Die Flügel ſind groß, gewöhnlich zugeſpitzt, ſeltner abgerundet; der Schwanz
iſt bald kurz, bald lang, bald abgerundet, bald gegabelt, der Fuß bald kurz und ſtark, bald lang und
ſchwach. Der Schnabel iſt verhältnißmäßig kurz, am Grunde mit ſtets ſichtbarer, d. h. durch Federn
nicht verdeckter Wachshaut; der Oberſchnabel iſt in einem ſcharfen Haken über den unteren herab-
gebogen, an den Schneiden nicht ſelten gezahnt. Das Gefieder bekleidet nicht blos den ganzen Leib,
ſondern auch ſtets Kopf und Hals, oft auch die Füße bis zu den Zehen herab; es läßt höchſtens einen
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[406/0434] Die Fänger. Raubvögel. Falken. die Vögel ſelbſt daher uns als ſchädliche oder nützliche erſcheinen. Die Geſammtheit als ſolche dürfte als eine äußerſt nützliche angeſehen werden können; Einzelne dagegen fordern unſere Abwehr, bezüglich eine mehr oder minder rückſichtsloſe Verfolgung heraus, weil ſie unter gewiſſen, uns wichtigen Thieren fürchterlich haufen. Unmittelbar werden uns wenige Raubvögel nützlich: die Dienſte, welche die begabteſten unter ihnen uns leiſteten, nachdem wir ſie eingefangen und abgerichtet, ſind, uns wenigſtens, nicht mehr von Nöthen, und der Nutzen, welchen die in unſeren Käfigen eingeſperrten uns bringen, iſt Vielen unver- ſtändlich und deshalb für die nicht vorhanden. Dagegen ſollten auch die beſchränkteſten Menſchen endlich einſehen lernen, wie unendlich Großes viele der ſcheel angeſehenen Räuber mittelbar für uns leiſten; wie ſie zu unſerem Vortheile arbeiten und ſich mühen, um das verderbliche Heer der ſchädlichen Nager und Kerbthiere zu vernichten. Nicht blos der Kranichgeier, welcher der Cobra Capella den Kopf zertrümmert, nicht blos der Geier, welcher die Straßen der Städte Afrikas und Südaſiens ſäubert, ſind als unverletzliche Vögel anzuſehen: auch auf unſeren Fluren und Feldern leben ſegen- bringende Raubvögel, welche Verehrung in höherem Grade verdienen, als ſo manche heiligen — Vögel. Sie zu ſchützen, zu erhalten, ihnen freie Bahn zu gewähren, iſt Pflicht der Vernünftigen. Dieſem Nutzen gegenüber erſcheint jeder andere, welchen die Raubvögel uns, d. h. den Menſchen im weiteſten Umfange, leiſten können, gering. Das Fleiſch der gefiederten Räuber iſt für uns unge- nießbar, und Adlerfedern ſtehen eben nur bei den Jndianern Amerikas oder bei den Mongolen im Werthe; die Dienſtleiſtungen einzelner Adler, Falken und Eulen ſind ebenfalls unerhebliche zu nennen: — in anderer Hinſicht aber können wir den gefangenen oder erlegten Raubvogel nicht benutzen. Auch er wirkt nur ſo lange für uns erſprießlich, als er ſeiner vollen Freiheit genießt. Außer dem Menſchen haben die Raubvögel wenig Feinde. Jhre Stärke oder ihre Gewandtheit ſchützen ſie vor gefährlichen Gegnern — vor den läſtigen freilich nicht. Auch ſie haben zu leiden von ſchmarotzenden Quälgeiſtern, welche ſich auf und in ihrem Leibe anſiedeln, oder von dem Haß, welchen wenigſtens viele von ihnen verdienten: im allgemeinen aber leben ſie unbehelligt ein freies ſchönes Leben, ſo lange der Menſch ihnen nicht entgegen tritt. Er iſt auch ihr gefährlichſter Feind. Die Naubvögel ſondern ſich ſchärfer als andere ihrer Klaſſenverwandten in Gruppen ab; dieſe ſind deshalb auch ſeit Anbeginn der Vogelkunde umgrenzt worden. Wir erkennen, wenn wir die ganze Ordnung überblicken, drei ſolcher Gruppen oder Zünfte, welche wir als in ſich abgeſchloſſene bezeichnen dürfen, obgleich es mehrere Glieder der Ordnung gibt, welche den Uebergang von einer Zunft zur andern ſo zu ſagen vermitteln und dadurch die Zuſammengehörigkeit aller beſtätigen. Dieſe Zünfte begreifen in ſich die Falken, die Geier und die Eulen. Daß die erſtgenannten auch die erſte Stelle verdienen, unterliegt keinem Zweifel; fraglich hingegen bleibt es, ob wir nach ihnen den Geiern oder den Eulen einen Vorzug einzuräumen haben. Einhelligere Ausbil- dung der Sinne und höherer Verſtand ſpricht für die Geier, größere Raubfähigkeit für die Eulen. Jch habe mich zu Gunſten der Geier entſchieden, und laſſe ſie auf die Falken folgen. Dieſe (Falconidae), die große Mehrzahl aller Raubvögel, kennzeichnen ſich im allgemeinen durch folgende Merkmale. Jhr Leib iſt kräftig, gedrungen gebaut, nur ausnahmsweiſe ſchlank, ihr Kopf mittelgroß, ihr Hals kurz. Die Flügel ſind groß, gewöhnlich zugeſpitzt, ſeltner abgerundet; der Schwanz iſt bald kurz, bald lang, bald abgerundet, bald gegabelt, der Fuß bald kurz und ſtark, bald lang und ſchwach. Der Schnabel iſt verhältnißmäßig kurz, am Grunde mit ſtets ſichtbarer, d. h. durch Federn nicht verdeckter Wachshaut; der Oberſchnabel iſt in einem ſcharfen Haken über den unteren herab- gebogen, an den Schneiden nicht ſelten gezahnt. Das Gefieder bekleidet nicht blos den ganzen Leib, ſondern auch ſtets Kopf und Hals, oft auch die Füße bis zu den Zehen herab; es läßt höchſtens einen Theil der Wangen frei. Jm allgemeinen iſt es derbe und ſtraff; ausnahmsweiſe weich und ſeidig,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/434>, abgerufen am 25.11.2024.