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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Allgemeines. Verbreitung. Paarung. Nahrung.
Wenn sich die ritterlichen Kämpen packen, geschieht es immer gegenseitig; sie verkrallen sich in einander
und stürzen nun, unfähig, die Schwingen fernerhin geschickt zu gebrauchen, wirbelnd aus der Höhe
herab. Unten wird der Kampf augenblicklich abgebrochen; aber sowie sich beide wieder in die Luft
erheben, beginnt er von neuem mit gleicher Heftigkeit. Nach langem Zweikampfe zieht sich der
schwächere Theil zurück und flieht, verfolgt von dem Sieger, über die Grenzen des Gebietes. Trotz
der erlittenen Niederlage gibt er aber den Streit nicht auf; oft währt dieser tage-, ja wochenlang,
und nur wiederholtes Siegen verschafft dem Ueberwinder die Ruhe des Besitzes. Ein tödtlicher Aus-
gang kommt wohl auch, wenngleich unter solchen kriegsgewohnten Helden selten vor." -- Das Weibchen
hängt mit großer Liebe an seinem Gatten und verfolgt derartige Kämpfe mit entschiedener Theil-
nahme, scheint aber doch keinen Anstand zu nehmen, sich bei einem für ihren Gatten ungünstigen
Ausgange des Streites dem Sieger zu eigen zu geben.

Die Eier sind rundlich, in den meisten Fällen ziemlich rauhschalig und entweder rein weiß,
graulich, gilblich oder auf gleichem Grunde mit dunkleren Flecken und Punkten gezeichnet. Jhre
Anzahl schwankt erheblich: das Gelege kann ein Ei und kann sieben Eier zählen. Bei den meisten
Raubvögelarten brütet das Weibchen allein, bei einzelnen löst das Männchen es zeitweilig ab. Die
Brutdauer währt zwischen drei bis sechs Wochen; dann schlüpfen die unbehilflichen Jungen aus:
kleine, runde Thiere, mit großen Köpfen und meist offenen Augen, über und über in weißgrauen Woll-
flaum gekleidet. Sie wachsen aber rasch heran und bekommen wenigstens auf der Oberseite bald eine
dichte Befiederung. Jhre Eltern lieben sie, wie auch schon die Eier, ganz ungemein, verlassen sie nie
und geben sich ihrethalben selbst dem Tode preis, falls sie sich zu schwach fühlen, Angriffe abzuwehren.
Aeußerst wenige Raubvögel zeigen sich muthlos bei solchen Gelegenheiten; die größere Menge beweist
im Gegentheil eine achtungswürdige Kühnheit. Manche tragen die gefährdeten Jungen auch wohl
einem andern Orte zu, um sie zu sichern. Ebenso aufopfernd, wie sie einem Feinde gegenüber sich
zeigen, mühen sie sich, ihrer Brut die nöthige Atzung herbeizuschaffen. Sie schleppen im Ueberfluß
Beute herbei, werfen solche, bei Gefahr, sogar aus hoher, sicherer Luft aufs Nest hernieder. Anfänglich
erhalten die Jungen halbverdaute Nahrung, welche die Alten aus ihrem Kropfe aufwürgen, später
werden ihnen zerstückelte Thiere gereicht. Doch ist bei einigen nur die Mutter fähig, die Speise mund-
gerecht zu machen; das Männchen versteht das Zerlegen der Beute nicht und muß seine geliebten Kinder
bei vollgespickter Tafel verhungern lassen. Auch nach dem Ausfliegen noch werden die jungen Räuber
längere Zeit von ihren Eltern geführt, ernährt, unterrichtet und beschützt.

Wirbelthiere aller Klassen und Kerfe der verschiedensten Art, Vogeleier, Würmer, Schnecken,
Menschenkoth, ausnahmsweise auch Früchte bilden die Nahrung der Raubvögel. Sie erwerben sich ihre
Speise durch Fang der lebenden Thiere, durch Abjagen der von Anderen gemachten Beute und durch
einfaches Wegnehmen des Gefundenen. Die Art und Weise des Erwerbs ist so verschieden, daß ihre
Schilderung bei Beschreibung der einzelnen Familien, Sippen und Arten eine Stelle finden muß: etwas
allgemein Giltiges läßt sich kaum sagen. Zum Fangen dienen die Füße, welche deshalb "Fänge", oder
bei den Jagdfalken "Hände" genannt werden; zum Zerstückeln oder richtiger zum Zerreißen der Nahrung
wird der Schnabel verwendet. Kerbthiere werden auch wohl unmittelbar mit dem Schnabel aufgenommen.

Die Verdauung ist äußerst lebhaft. Bei denen, welche einen Kropf besitzen, wird in ihm die
Nahrung zuvörderst eingespeichelt und theilweise bereits zersetzt; der scharfe Magensaft thut das Uebrige.
Knochen, Sehnen und Bänder werden zu Brei aufgelöst, Haare und Federn zu Klumpen geballt und
diese, die sogenannten Gewölle, von Zeit zu Zeit ausgespien. Der Koth ist ein flüssiger, kalkartiger Brei,
welcher als Strahl ausgeworfen wird. Alle Raubvögel können auf einmal sehr viel fressen, aber
auch sehr lange hungern.

Je raubfähiger unsere Vögel sind, um so höher stellen, für um so edler halten wir sie; doch
erleidet die Anwendung auch dieses Grundsatzes manche Ausnahme.

Die Thätigkeit der Raubvögel ist aber noch von einem anderen Gesichtspunkte, dem wichtigsten,
zu betrachten: ihre Räubereien können uns nützliche und können uns schadenbringende Thiere betreffen,

Allgemeines. Verbreitung. Paarung. Nahrung.
Wenn ſich die ritterlichen Kämpen packen, geſchieht es immer gegenſeitig; ſie verkrallen ſich in einander
und ſtürzen nun, unfähig, die Schwingen fernerhin geſchickt zu gebrauchen, wirbelnd aus der Höhe
herab. Unten wird der Kampf augenblicklich abgebrochen; aber ſowie ſich beide wieder in die Luft
erheben, beginnt er von neuem mit gleicher Heftigkeit. Nach langem Zweikampfe zieht ſich der
ſchwächere Theil zurück und flieht, verfolgt von dem Sieger, über die Grenzen des Gebietes. Trotz
der erlittenen Niederlage gibt er aber den Streit nicht auf; oft währt dieſer tage-, ja wochenlang,
und nur wiederholtes Siegen verſchafft dem Ueberwinder die Ruhe des Beſitzes. Ein tödtlicher Aus-
gang kommt wohl auch, wenngleich unter ſolchen kriegsgewohnten Helden ſelten vor.‟ — Das Weibchen
hängt mit großer Liebe an ſeinem Gatten und verfolgt derartige Kämpfe mit entſchiedener Theil-
nahme, ſcheint aber doch keinen Anſtand zu nehmen, ſich bei einem für ihren Gatten ungünſtigen
Ausgange des Streites dem Sieger zu eigen zu geben.

Die Eier ſind rundlich, in den meiſten Fällen ziemlich rauhſchalig und entweder rein weiß,
graulich, gilblich oder auf gleichem Grunde mit dunkleren Flecken und Punkten gezeichnet. Jhre
Anzahl ſchwankt erheblich: das Gelege kann ein Ei und kann ſieben Eier zählen. Bei den meiſten
Raubvögelarten brütet das Weibchen allein, bei einzelnen löſt das Männchen es zeitweilig ab. Die
Brutdauer währt zwiſchen drei bis ſechs Wochen; dann ſchlüpfen die unbehilflichen Jungen aus:
kleine, runde Thiere, mit großen Köpfen und meiſt offenen Augen, über und über in weißgrauen Woll-
flaum gekleidet. Sie wachſen aber raſch heran und bekommen wenigſtens auf der Oberſeite bald eine
dichte Befiederung. Jhre Eltern lieben ſie, wie auch ſchon die Eier, ganz ungemein, verlaſſen ſie nie
und geben ſich ihrethalben ſelbſt dem Tode preis, falls ſie ſich zu ſchwach fühlen, Angriffe abzuwehren.
Aeußerſt wenige Raubvögel zeigen ſich muthlos bei ſolchen Gelegenheiten; die größere Menge beweiſt
im Gegentheil eine achtungswürdige Kühnheit. Manche tragen die gefährdeten Jungen auch wohl
einem andern Orte zu, um ſie zu ſichern. Ebenſo aufopfernd, wie ſie einem Feinde gegenüber ſich
zeigen, mühen ſie ſich, ihrer Brut die nöthige Atzung herbeizuſchaffen. Sie ſchleppen im Ueberfluß
Beute herbei, werfen ſolche, bei Gefahr, ſogar aus hoher, ſicherer Luft aufs Neſt hernieder. Anfänglich
erhalten die Jungen halbverdaute Nahrung, welche die Alten aus ihrem Kropfe aufwürgen, ſpäter
werden ihnen zerſtückelte Thiere gereicht. Doch iſt bei einigen nur die Mutter fähig, die Speiſe mund-
gerecht zu machen; das Männchen verſteht das Zerlegen der Beute nicht und muß ſeine geliebten Kinder
bei vollgeſpickter Tafel verhungern laſſen. Auch nach dem Ausfliegen noch werden die jungen Räuber
längere Zeit von ihren Eltern geführt, ernährt, unterrichtet und beſchützt.

Wirbelthiere aller Klaſſen und Kerfe der verſchiedenſten Art, Vogeleier, Würmer, Schnecken,
Menſchenkoth, ausnahmsweiſe auch Früchte bilden die Nahrung der Raubvögel. Sie erwerben ſich ihre
Speiſe durch Fang der lebenden Thiere, durch Abjagen der von Anderen gemachten Beute und durch
einfaches Wegnehmen des Gefundenen. Die Art und Weiſe des Erwerbs iſt ſo verſchieden, daß ihre
Schilderung bei Beſchreibung der einzelnen Familien, Sippen und Arten eine Stelle finden muß: etwas
allgemein Giltiges läßt ſich kaum ſagen. Zum Fangen dienen die Füße, welche deshalb „Fänge‟, oder
bei den Jagdfalken „Hände‟ genannt werden; zum Zerſtückeln oder richtiger zum Zerreißen der Nahrung
wird der Schnabel verwendet. Kerbthiere werden auch wohl unmittelbar mit dem Schnabel aufgenommen.

Die Verdauung iſt äußerſt lebhaft. Bei denen, welche einen Kropf beſitzen, wird in ihm die
Nahrung zuvörderſt eingeſpeichelt und theilweiſe bereits zerſetzt; der ſcharfe Magenſaft thut das Uebrige.
Knochen, Sehnen und Bänder werden zu Brei aufgelöſt, Haare und Federn zu Klumpen geballt und
dieſe, die ſogenannten Gewölle, von Zeit zu Zeit ausgeſpien. Der Koth iſt ein flüſſiger, kalkartiger Brei,
welcher als Strahl ausgeworfen wird. Alle Raubvögel können auf einmal ſehr viel freſſen, aber
auch ſehr lange hungern.

Je raubfähiger unſere Vögel ſind, um ſo höher ſtellen, für um ſo edler halten wir ſie; doch
erleidet die Anwendung auch dieſes Grundſatzes manche Ausnahme.

Die Thätigkeit der Raubvögel iſt aber noch von einem anderen Geſichtspunkte, dem wichtigſten,
zu betrachten: ihre Räubereien können uns nützliche und können uns ſchadenbringende Thiere betreffen,

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[405/0433] Allgemeines. Verbreitung. Paarung. Nahrung. Wenn ſich die ritterlichen Kämpen packen, geſchieht es immer gegenſeitig; ſie verkrallen ſich in einander und ſtürzen nun, unfähig, die Schwingen fernerhin geſchickt zu gebrauchen, wirbelnd aus der Höhe herab. Unten wird der Kampf augenblicklich abgebrochen; aber ſowie ſich beide wieder in die Luft erheben, beginnt er von neuem mit gleicher Heftigkeit. Nach langem Zweikampfe zieht ſich der ſchwächere Theil zurück und flieht, verfolgt von dem Sieger, über die Grenzen des Gebietes. Trotz der erlittenen Niederlage gibt er aber den Streit nicht auf; oft währt dieſer tage-, ja wochenlang, und nur wiederholtes Siegen verſchafft dem Ueberwinder die Ruhe des Beſitzes. Ein tödtlicher Aus- gang kommt wohl auch, wenngleich unter ſolchen kriegsgewohnten Helden ſelten vor.‟ — Das Weibchen hängt mit großer Liebe an ſeinem Gatten und verfolgt derartige Kämpfe mit entſchiedener Theil- nahme, ſcheint aber doch keinen Anſtand zu nehmen, ſich bei einem für ihren Gatten ungünſtigen Ausgange des Streites dem Sieger zu eigen zu geben. Die Eier ſind rundlich, in den meiſten Fällen ziemlich rauhſchalig und entweder rein weiß, graulich, gilblich oder auf gleichem Grunde mit dunkleren Flecken und Punkten gezeichnet. Jhre Anzahl ſchwankt erheblich: das Gelege kann ein Ei und kann ſieben Eier zählen. Bei den meiſten Raubvögelarten brütet das Weibchen allein, bei einzelnen löſt das Männchen es zeitweilig ab. Die Brutdauer währt zwiſchen drei bis ſechs Wochen; dann ſchlüpfen die unbehilflichen Jungen aus: kleine, runde Thiere, mit großen Köpfen und meiſt offenen Augen, über und über in weißgrauen Woll- flaum gekleidet. Sie wachſen aber raſch heran und bekommen wenigſtens auf der Oberſeite bald eine dichte Befiederung. Jhre Eltern lieben ſie, wie auch ſchon die Eier, ganz ungemein, verlaſſen ſie nie und geben ſich ihrethalben ſelbſt dem Tode preis, falls ſie ſich zu ſchwach fühlen, Angriffe abzuwehren. Aeußerſt wenige Raubvögel zeigen ſich muthlos bei ſolchen Gelegenheiten; die größere Menge beweiſt im Gegentheil eine achtungswürdige Kühnheit. Manche tragen die gefährdeten Jungen auch wohl einem andern Orte zu, um ſie zu ſichern. Ebenſo aufopfernd, wie ſie einem Feinde gegenüber ſich zeigen, mühen ſie ſich, ihrer Brut die nöthige Atzung herbeizuſchaffen. Sie ſchleppen im Ueberfluß Beute herbei, werfen ſolche, bei Gefahr, ſogar aus hoher, ſicherer Luft aufs Neſt hernieder. Anfänglich erhalten die Jungen halbverdaute Nahrung, welche die Alten aus ihrem Kropfe aufwürgen, ſpäter werden ihnen zerſtückelte Thiere gereicht. Doch iſt bei einigen nur die Mutter fähig, die Speiſe mund- gerecht zu machen; das Männchen verſteht das Zerlegen der Beute nicht und muß ſeine geliebten Kinder bei vollgeſpickter Tafel verhungern laſſen. Auch nach dem Ausfliegen noch werden die jungen Räuber längere Zeit von ihren Eltern geführt, ernährt, unterrichtet und beſchützt. Wirbelthiere aller Klaſſen und Kerfe der verſchiedenſten Art, Vogeleier, Würmer, Schnecken, Menſchenkoth, ausnahmsweiſe auch Früchte bilden die Nahrung der Raubvögel. Sie erwerben ſich ihre Speiſe durch Fang der lebenden Thiere, durch Abjagen der von Anderen gemachten Beute und durch einfaches Wegnehmen des Gefundenen. Die Art und Weiſe des Erwerbs iſt ſo verſchieden, daß ihre Schilderung bei Beſchreibung der einzelnen Familien, Sippen und Arten eine Stelle finden muß: etwas allgemein Giltiges läßt ſich kaum ſagen. Zum Fangen dienen die Füße, welche deshalb „Fänge‟, oder bei den Jagdfalken „Hände‟ genannt werden; zum Zerſtückeln oder richtiger zum Zerreißen der Nahrung wird der Schnabel verwendet. Kerbthiere werden auch wohl unmittelbar mit dem Schnabel aufgenommen. Die Verdauung iſt äußerſt lebhaft. Bei denen, welche einen Kropf beſitzen, wird in ihm die Nahrung zuvörderſt eingeſpeichelt und theilweiſe bereits zerſetzt; der ſcharfe Magenſaft thut das Uebrige. Knochen, Sehnen und Bänder werden zu Brei aufgelöſt, Haare und Federn zu Klumpen geballt und dieſe, die ſogenannten Gewölle, von Zeit zu Zeit ausgeſpien. Der Koth iſt ein flüſſiger, kalkartiger Brei, welcher als Strahl ausgeworfen wird. Alle Raubvögel können auf einmal ſehr viel freſſen, aber auch ſehr lange hungern. Je raubfähiger unſere Vögel ſind, um ſo höher ſtellen, für um ſo edler halten wir ſie; doch erleidet die Anwendung auch dieſes Grundſatzes manche Ausnahme. Die Thätigkeit der Raubvögel iſt aber noch von einem anderen Geſichtspunkte, dem wichtigſten, zu betrachten: ihre Räubereien können uns nützliche und können uns ſchadenbringende Thiere betreffen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/433>, abgerufen am 22.11.2024.