stehenden Eichbäumen fällt er dem Wanderfalken zur Beute. Nachts bedroht ihn der Uhu und vielleicht auch der Waldkauz; das Nest endlich wird durch den Baummarder geplündert. Andere gefährliche Gegner scheint der Heher übrigens nicht zu haben. Er entdeckt die vierfüßigen Raubthiere gewöhnlich eher, als sie ihn und verleidet ihnen durch fortwährendes Verfolgen und fürchterliches Schreien oft genug die Jagd. Dem Menschen gegenüber zeigt er sich stets vorsichtig, und wenn er einmal verscheucht wurde, ungemein scheu. Er foppt auch den Jäger nach Herzenslust und ärgert ihn, weil er andere Thiere auch vor ihm warnt. Der Fang ist Sache des Zufalls. Einer von den Hehern nascht von den Beeren auf Vogelherden oder in Dohnenstegen und kommt dabei lebend in die Gewalt des Menschen. Die Mehrzahl der Gefangenen aber, welche man sieht, wurden jung aus dem Neste genommen. An alt eingefangenen hat man wenig Freude; sie werden niemals zahm und gewöhnen sich auch nicht an das Futter. Jung aufgezogene hingegen können ihrem Besitzer viel Vergnügen gewähren, hauptsächlich durch ihre Nachahmungsgabe. Auch sie lernen unter Umständen einige Worte nachplaudern, öfterer kurze Weisen nachpfeifen. Daß sie im Gesellschaftsbauer nicht geduldet werden dürfen, braucht kaum erwähnt zu werden; es versteht sich von selbst, daß sie ihren amerikanischen Ver- wandten auch hinsichtlich ihrer Unverträglichkeit noch überbieten.
An der nördlichen Grenze des Verbreitungskreises unseres Hehers beginnt das Gebiet eines Ver- wandten, welcher seines sehr schwachen Schnabels, des stärker abgerundeten Schwanzes und des düsteren Gefieders halber zum Vertreter einer besonderen Sippe erhoben worden ist.
Der Unglücksheher (Perisoreus infaustus), von dem Norman "Lavskrike" -- Flechten- kriecher -- genannt, ist 12 Zoll lang und 18 Zoll breit; Fittig und Schwanz messen 51/2 Zoll. Beim alten Vogel ist das weiche Gefieder lichtrostgrau, die Schwingen und die mittelsten Schwanzfedern grau, ein Spiegel auf den Schwingen und die seitlichen Steuerfedern rostroth, der Oberkopf schwarzbraun. Junge Vögel kennzeichnen sich durch blässere Farben und schwache Längszeichnung der Unterseite. Das Auge ist graubraun, der Schnabel und der Fuß sind schwarz.
Als eigentliche Heimat unseres Vogels sind die nordischen Wälder zu betrachten. Jn Rußland und Sibirien ist er stellenweise häufig, und vonhieraus hat er sich auch wiederholt bis nach Deutsch- land verflogen. Jm Norden Skandinaviens ist er nicht gerade selten, wird aber auch keineswegs oft gesehen. So habe ich ihn während meines fünfmonatlichen Aufenthalts in Norwegen und Lappland nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Die unermeßlichen Nadelwälder bieten ihm der günsti- gen Versteckplätze so viele, daß man an ihm vorübergehen kann, ohne ihn zu bemerken, falls er eben nicht sein lautes durchdringendes Geschrei hören läßt.
Jn seinem Wesen und Betragen hat der Unglücksheher große Aehnlichkeit mit seinen Verwandten; er ist aber weniger klug, minder beweglich und nicht so possenhaft, als der Eichelheher. Wie es scheint, vertraut er auf die ihn schützende Färbung seines Gefieders ganz außerordentlich; denn er läßt sich im Nadelwalde oft bequem unterlaufen, ohne sich zu rühren, während er sich im lichteren Birken- walde vorsichtiger zeigt. Nilson behauptet, daß er so wenig scheu und so neugierig sei, daß er sich den Holzmachern zuweilen auf den Hut setze; andere Beobachter wissen hiervon Nichts zu erzählen; doch wird etwas Aehnliches von seinem amerikanischen Verwandten (Perisoreus canadensis) berichtet. Gegen die Renthierlappen ist er nach Schrader sehr zutraulich. Er begleitet ihre Herden zu den Ruheplätzen und lernt die harmlosen Hirten bald von den gefährlicheren Menschen unterscheiden. Sein Flug ist ruckweise, unstet und zappelnd, sein Gang auf dem Boden dem des Hehers ähnlich, seine Gewandtheit im Gezweig jedoch noch größer. Der norwegische Name soll sehr bezeichnend sein. Das Geschrei wird durch die Silben "Srui, srui" wiedergegeben. Früher ist behauptet worden, daß es den Klagelauten eines hilferufenden Menschen aufs täuschendste ähnle. Schrader vernahm
Die Knacker. Rabenvögel. Baumkrähen.
ſtehenden Eichbäumen fällt er dem Wanderfalken zur Beute. Nachts bedroht ihn der Uhu und vielleicht auch der Waldkauz; das Neſt endlich wird durch den Baummarder geplündert. Andere gefährliche Gegner ſcheint der Heher übrigens nicht zu haben. Er entdeckt die vierfüßigen Raubthiere gewöhnlich eher, als ſie ihn und verleidet ihnen durch fortwährendes Verfolgen und fürchterliches Schreien oft genug die Jagd. Dem Menſchen gegenüber zeigt er ſich ſtets vorſichtig, und wenn er einmal verſcheucht wurde, ungemein ſcheu. Er foppt auch den Jäger nach Herzensluſt und ärgert ihn, weil er andere Thiere auch vor ihm warnt. Der Fang iſt Sache des Zufalls. Einer von den Hehern naſcht von den Beeren auf Vogelherden oder in Dohnenſtegen und kommt dabei lebend in die Gewalt des Menſchen. Die Mehrzahl der Gefangenen aber, welche man ſieht, wurden jung aus dem Neſte genommen. An alt eingefangenen hat man wenig Freude; ſie werden niemals zahm und gewöhnen ſich auch nicht an das Futter. Jung aufgezogene hingegen können ihrem Beſitzer viel Vergnügen gewähren, hauptſächlich durch ihre Nachahmungsgabe. Auch ſie lernen unter Umſtänden einige Worte nachplaudern, öfterer kurze Weiſen nachpfeifen. Daß ſie im Geſellſchaftsbauer nicht geduldet werden dürfen, braucht kaum erwähnt zu werden; es verſteht ſich von ſelbſt, daß ſie ihren amerikaniſchen Ver- wandten auch hinſichtlich ihrer Unverträglichkeit noch überbieten.
An der nördlichen Grenze des Verbreitungskreiſes unſeres Hehers beginnt das Gebiet eines Ver- wandten, welcher ſeines ſehr ſchwachen Schnabels, des ſtärker abgerundeten Schwanzes und des düſteren Gefieders halber zum Vertreter einer beſonderen Sippe erhoben worden iſt.
Der Unglücksheher (Perisoreus infaustus), von dem Norman „Lavskrike‟ — Flechten- kriecher — genannt, iſt 12 Zoll lang und 18 Zoll breit; Fittig und Schwanz meſſen 5½ Zoll. Beim alten Vogel iſt das weiche Gefieder lichtroſtgrau, die Schwingen und die mittelſten Schwanzfedern grau, ein Spiegel auf den Schwingen und die ſeitlichen Steuerfedern roſtroth, der Oberkopf ſchwarzbraun. Junge Vögel kennzeichnen ſich durch bläſſere Farben und ſchwache Längszeichnung der Unterſeite. Das Auge iſt graubraun, der Schnabel und der Fuß ſind ſchwarz.
Als eigentliche Heimat unſeres Vogels ſind die nordiſchen Wälder zu betrachten. Jn Rußland und Sibirien iſt er ſtellenweiſe häufig, und vonhieraus hat er ſich auch wiederholt bis nach Deutſch- land verflogen. Jm Norden Skandinaviens iſt er nicht gerade ſelten, wird aber auch keineswegs oft geſehen. So habe ich ihn während meines fünfmonatlichen Aufenthalts in Norwegen und Lappland nur ein einziges Mal zu Geſicht bekommen. Die unermeßlichen Nadelwälder bieten ihm der günſti- gen Verſteckplätze ſo viele, daß man an ihm vorübergehen kann, ohne ihn zu bemerken, falls er eben nicht ſein lautes durchdringendes Geſchrei hören läßt.
Jn ſeinem Weſen und Betragen hat der Unglücksheher große Aehnlichkeit mit ſeinen Verwandten; er iſt aber weniger klug, minder beweglich und nicht ſo poſſenhaft, als der Eichelheher. Wie es ſcheint, vertraut er auf die ihn ſchützende Färbung ſeines Gefieders ganz außerordentlich; denn er läßt ſich im Nadelwalde oft bequem unterlaufen, ohne ſich zu rühren, während er ſich im lichteren Birken- walde vorſichtiger zeigt. Nilſon behauptet, daß er ſo wenig ſcheu und ſo neugierig ſei, daß er ſich den Holzmachern zuweilen auf den Hut ſetze; andere Beobachter wiſſen hiervon Nichts zu erzählen; doch wird etwas Aehnliches von ſeinem amerikaniſchen Verwandten (Perisoreus canadensis) berichtet. Gegen die Renthierlappen iſt er nach Schrader ſehr zutraulich. Er begleitet ihre Herden zu den Ruheplätzen und lernt die harmloſen Hirten bald von den gefährlicheren Menſchen unterſcheiden. Sein Flug iſt ruckweiſe, unſtet und zappelnd, ſein Gang auf dem Boden dem des Hehers ähnlich, ſeine Gewandtheit im Gezweig jedoch noch größer. Der norwegiſche Name ſoll ſehr bezeichnend ſein. Das Geſchrei wird durch die Silben „Srui, ſrui‟ wiedergegeben. Früher iſt behauptet worden, daß es den Klagelauten eines hilferufenden Menſchen aufs täuſchendſte ähnle. Schrader vernahm
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[382/0410]
Die Knacker. Rabenvögel. Baumkrähen.
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vielleicht auch der Waldkauz; das Neſt endlich wird durch den Baummarder geplündert. Andere
gefährliche Gegner ſcheint der Heher übrigens nicht zu haben. Er entdeckt die vierfüßigen Raubthiere
gewöhnlich eher, als ſie ihn und verleidet ihnen durch fortwährendes Verfolgen und fürchterliches
Schreien oft genug die Jagd. Dem Menſchen gegenüber zeigt er ſich ſtets vorſichtig, und wenn er
einmal verſcheucht wurde, ungemein ſcheu. Er foppt auch den Jäger nach Herzensluſt und ärgert ihn,
weil er andere Thiere auch vor ihm warnt. Der Fang iſt Sache des Zufalls. Einer von den Hehern
naſcht von den Beeren auf Vogelherden oder in Dohnenſtegen und kommt dabei lebend in die Gewalt
des Menſchen. Die Mehrzahl der Gefangenen aber, welche man ſieht, wurden jung aus dem Neſte
genommen. An alt eingefangenen hat man wenig Freude; ſie werden niemals zahm und gewöhnen
ſich auch nicht an das Futter. Jung aufgezogene hingegen können ihrem Beſitzer viel Vergnügen
gewähren, hauptſächlich durch ihre Nachahmungsgabe. Auch ſie lernen unter Umſtänden einige Worte
nachplaudern, öfterer kurze Weiſen nachpfeifen. Daß ſie im Geſellſchaftsbauer nicht geduldet werden
dürfen, braucht kaum erwähnt zu werden; es verſteht ſich von ſelbſt, daß ſie ihren amerikaniſchen Ver-
wandten auch hinſichtlich ihrer Unverträglichkeit noch überbieten.
An der nördlichen Grenze des Verbreitungskreiſes unſeres Hehers beginnt das Gebiet eines Ver-
wandten, welcher ſeines ſehr ſchwachen Schnabels, des ſtärker abgerundeten Schwanzes und des
düſteren Gefieders halber zum Vertreter einer beſonderen Sippe erhoben worden iſt.
Der Unglücksheher (Perisoreus infaustus), von dem Norman „Lavskrike‟ — Flechten-
kriecher — genannt, iſt 12 Zoll lang und 18 Zoll breit; Fittig und Schwanz meſſen 5½ Zoll. Beim
alten Vogel iſt das weiche Gefieder lichtroſtgrau, die Schwingen und die mittelſten Schwanzfedern grau,
ein Spiegel auf den Schwingen und die ſeitlichen Steuerfedern roſtroth, der Oberkopf ſchwarzbraun.
Junge Vögel kennzeichnen ſich durch bläſſere Farben und ſchwache Längszeichnung der Unterſeite. Das
Auge iſt graubraun, der Schnabel und der Fuß ſind ſchwarz.
Als eigentliche Heimat unſeres Vogels ſind die nordiſchen Wälder zu betrachten. Jn Rußland
und Sibirien iſt er ſtellenweiſe häufig, und vonhieraus hat er ſich auch wiederholt bis nach Deutſch-
land verflogen. Jm Norden Skandinaviens iſt er nicht gerade ſelten, wird aber auch keineswegs oft
geſehen. So habe ich ihn während meines fünfmonatlichen Aufenthalts in Norwegen und Lappland
nur ein einziges Mal zu Geſicht bekommen. Die unermeßlichen Nadelwälder bieten ihm der günſti-
gen Verſteckplätze ſo viele, daß man an ihm vorübergehen kann, ohne ihn zu bemerken, falls er eben
nicht ſein lautes durchdringendes Geſchrei hören läßt.
Jn ſeinem Weſen und Betragen hat der Unglücksheher große Aehnlichkeit mit ſeinen Verwandten;
er iſt aber weniger klug, minder beweglich und nicht ſo poſſenhaft, als der Eichelheher. Wie es
ſcheint, vertraut er auf die ihn ſchützende Färbung ſeines Gefieders ganz außerordentlich; denn er läßt
ſich im Nadelwalde oft bequem unterlaufen, ohne ſich zu rühren, während er ſich im lichteren Birken-
walde vorſichtiger zeigt. Nilſon behauptet, daß er ſo wenig ſcheu und ſo neugierig ſei, daß er ſich
den Holzmachern zuweilen auf den Hut ſetze; andere Beobachter wiſſen hiervon Nichts zu erzählen;
doch wird etwas Aehnliches von ſeinem amerikaniſchen Verwandten (Perisoreus canadensis) berichtet.
Gegen die Renthierlappen iſt er nach Schrader ſehr zutraulich. Er begleitet ihre Herden zu den
Ruheplätzen und lernt die harmloſen Hirten bald von den gefährlicheren Menſchen unterſcheiden. Sein
Flug iſt ruckweiſe, unſtet und zappelnd, ſein Gang auf dem Boden dem des Hehers ähnlich,
ſeine Gewandtheit im Gezweig jedoch noch größer. Der norwegiſche Name ſoll ſehr bezeichnend ſein.
Das Geſchrei wird durch die Silben „Srui, ſrui‟ wiedergegeben. Früher iſt behauptet worden,
daß es den Klagelauten eines hilferufenden Menſchen aufs täuſchendſte ähnle. Schrader vernahm
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/410>, abgerufen am 16.02.2025.
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