unter Raben und Krähen oder schweift auch wohl mit Nußhehern herum; am liebsten vereinigt sie sich aber doch mit andern ihrer Art zu kleineren oder größeren Flügen, welche indeß niemals zu der Stärke anwachsen, wie bei den meisten Raben. Gewöhnlich sieht man sie familienweise. Jhre gewöhnliche Stimme ist ein rauhes "Schak" oder "Krak", welches auch oft verbunden wird und dann wie "Schakerak" klingt. Diese Laute sind Lockton und Warnungsruf und werden je nach der Bedeutung verschieden betont. Jm Frühling vor und während der Paarungszeit schwatzt sie mit einem erstaunenswerthen Aufwand von ähnlichen und doch verschiedenen Lauten stundenlang, und das Sprichwort beruht deshalb auf thatsächlichem Grunde.
Kerbthiere und Gewürm, Schnecken, kleine Wirbelthiere aller Art, Obst, Beeren, Feldfrüchte und Körner bilden die Nahrung der Elster. Jm Frühjahr wird sie sehr schädlich, weil sie die Nester aller ihr gegenüber wehrlosen Vögel unbarmherzig ausplündert und einen reichbelaubten Garten buchstäblich veröden machen kann. Auch den Hühner- und Entenzüchtern, den Fasanerien und dem Federwild wird sie sehr lästig; sie fängt sogar alte Vögel und diese, wie Naumann sagt, oft ganz unver- muthet, weil sie beständig mit ihnen in Gesellschaft ist, jene sich vor ihr nicht fürchten und sich so in ihrer Sicherheit von ihr übertölpeln lassen. Ueberhaupt ist die Elster durchaus kein unschuldiger oder harmloser Vogel: sie wetteifert an Raublust mit manchen Falken.
Die Norweger behaupten, daß die Elster am Weihnachtstage das erste Nest zu ihrem Horste trage; in Deutschland geschieht Dies entschieden später, gewöhnlich Ende Februars. Das Nest wird bei uns auf den Wipfeln hoher Bäume angelegt, und nur da, wo sich der Vogel ganz sicher weiß, niedrigeren Bäumen oder, wie schon bemerkt, den Häusern selbst anvertraut. Dürre Reiser und Dornen bilden den Unterbau, hierauf folgt eine dicke Lage von Lehm und nun erst die eigentliche Nest- mulde, welche aus feinen Wurzeln und Thierhaaren besteht und sehr sorgsam hergerichtet ist. Das ganze Nest wird oben, bis auf einen seitlich angelegten Zugang, mit einer Haube von Dornen und trockenen Reisern versehen, welche zwar durchsichtig ist, den brütenden Vogel aber doch vollständig gegen etwaige Angriffe der Raubvögel sichert. Das Gelege besteht aus sieben bis acht auf grünem Grunde braun gesprenkelten Eiern. Nach etwa dreiwöchentlicher Brutzeit entschlüpfen die Jungen und werden nun von beiden Eltern mit Kerbthieren, Regenwürmern, Schnecken und kleinen Wirbel- thieren groß gefüttert. Vater und Mutter lieben die Kinderschar ganz ungemein und verlassen sie nie. Wir haben erfahren, daß eine Elster, auf welche wir schon geschossen hatten, mit dem Schrot- korn im Leibe noch fortbrütete. Wenige Vögel nähern sich mit größerer Vorsicht ihren Nestern, als die Elstern; sie gebrauchen alle mögliche Listen, um es nicht zu verrathen. Jn Spanien muß die Elster oft in derselben Weise Pflegemutterdienste verrichten, wie die Nebelkrähe in Egypten: Der Heherkuckuck nämlich vertraut dort ihr seine Eier an, und die Elster unterzieht sich der Pflege des Findlings mit derselben Liebe, welche sie ihren eigenen Kindern beweist.
Jung aus dem Neste genommene Elstern werden außerordentlich zahm. Sie lassen sich mit Fleisch, Brod, Quark, frischem Käse leicht auffüttern, zum Aus- und Einfliegen gewöhnen, zu Kunst- stückchen abrichten, lernen Lieder pfeifen und einzelne Worte sprechen und machen dann viel Freude. Manche lernen übrigens schlecht und nur mit Mühe, andere sozusagen ganz von selbst. An der Zunge braucht man aber keinem einzigen herumzuschneiden, unter dem Vorwand, sie lösen zu wollen: sie lernt auch ohne diese Gewaltthat reden. Unangenehm wird die zahme Elster durch ihre Sucht, glänzende Dinge zusammenzutragen und zu verstecken. Es wird behauptet, daß hierdurch schon manches Unheil entstanden und mancher arme Mensch nicht blos in bösen Verdacht, sondern sogar in Folge eines ungerechten Richterspruches um Freiheit und Leben gekommen sei. Wie solchen Diebesgelüsten des Vogels zu steuern ist, braucht ordnungsliebenden Leuten nicht erst auseinander gesetzt zu werden.
Der Mensch, welcher dem Kleingeflügel seinen Schutz angedeihen läßt, wird früher oder später zum entschiedenen Feind der Elster und vertreibt sie erbarmungslos aus dem von ihm überwachten Gehege. So leicht ist Das übrigens nicht; denn die List und Verschlagenheit der Elster macht selbst
Elſter.
unter Raben und Krähen oder ſchweift auch wohl mit Nußhehern herum; am liebſten vereinigt ſie ſich aber doch mit andern ihrer Art zu kleineren oder größeren Flügen, welche indeß niemals zu der Stärke anwachſen, wie bei den meiſten Raben. Gewöhnlich ſieht man ſie familienweiſe. Jhre gewöhnliche Stimme iſt ein rauhes „Schak‟ oder „Krak‟, welches auch oft verbunden wird und dann wie „Schakerak‟ klingt. Dieſe Laute ſind Lockton und Warnungsruf und werden je nach der Bedeutung verſchieden betont. Jm Frühling vor und während der Paarungszeit ſchwatzt ſie mit einem erſtaunenswerthen Aufwand von ähnlichen und doch verſchiedenen Lauten ſtundenlang, und das Sprichwort beruht deshalb auf thatſächlichem Grunde.
Kerbthiere und Gewürm, Schnecken, kleine Wirbelthiere aller Art, Obſt, Beeren, Feldfrüchte und Körner bilden die Nahrung der Elſter. Jm Frühjahr wird ſie ſehr ſchädlich, weil ſie die Neſter aller ihr gegenüber wehrloſen Vögel unbarmherzig ausplündert und einen reichbelaubten Garten buchſtäblich veröden machen kann. Auch den Hühner- und Entenzüchtern, den Faſanerien und dem Federwild wird ſie ſehr läſtig; ſie fängt ſogar alte Vögel und dieſe, wie Naumann ſagt, oft ganz unver- muthet, weil ſie beſtändig mit ihnen in Geſellſchaft iſt, jene ſich vor ihr nicht fürchten und ſich ſo in ihrer Sicherheit von ihr übertölpeln laſſen. Ueberhaupt iſt die Elſter durchaus kein unſchuldiger oder harmloſer Vogel: ſie wetteifert an Raubluſt mit manchen Falken.
Die Norweger behaupten, daß die Elſter am Weihnachtstage das erſte Neſt zu ihrem Horſte trage; in Deutſchland geſchieht Dies entſchieden ſpäter, gewöhnlich Ende Februars. Das Neſt wird bei uns auf den Wipfeln hoher Bäume angelegt, und nur da, wo ſich der Vogel ganz ſicher weiß, niedrigeren Bäumen oder, wie ſchon bemerkt, den Häuſern ſelbſt anvertraut. Dürre Reiſer und Dornen bilden den Unterbau, hierauf folgt eine dicke Lage von Lehm und nun erſt die eigentliche Neſt- mulde, welche aus feinen Wurzeln und Thierhaaren beſteht und ſehr ſorgſam hergerichtet iſt. Das ganze Neſt wird oben, bis auf einen ſeitlich angelegten Zugang, mit einer Haube von Dornen und trockenen Reiſern verſehen, welche zwar durchſichtig iſt, den brütenden Vogel aber doch vollſtändig gegen etwaige Angriffe der Raubvögel ſichert. Das Gelege beſteht aus ſieben bis acht auf grünem Grunde braun geſprenkelten Eiern. Nach etwa dreiwöchentlicher Brutzeit entſchlüpfen die Jungen und werden nun von beiden Eltern mit Kerbthieren, Regenwürmern, Schnecken und kleinen Wirbel- thieren groß gefüttert. Vater und Mutter lieben die Kinderſchar ganz ungemein und verlaſſen ſie nie. Wir haben erfahren, daß eine Elſter, auf welche wir ſchon geſchoſſen hatten, mit dem Schrot- korn im Leibe noch fortbrütete. Wenige Vögel nähern ſich mit größerer Vorſicht ihren Neſtern, als die Elſtern; ſie gebrauchen alle mögliche Liſten, um es nicht zu verrathen. Jn Spanien muß die Elſter oft in derſelben Weiſe Pflegemutterdienſte verrichten, wie die Nebelkrähe in Egypten: Der Heherkuckuck nämlich vertraut dort ihr ſeine Eier an, und die Elſter unterzieht ſich der Pflege des Findlings mit derſelben Liebe, welche ſie ihren eigenen Kindern beweiſt.
Jung aus dem Neſte genommene Elſtern werden außerordentlich zahm. Sie laſſen ſich mit Fleiſch, Brod, Quark, friſchem Käſe leicht auffüttern, zum Aus- und Einfliegen gewöhnen, zu Kunſt- ſtückchen abrichten, lernen Lieder pfeifen und einzelne Worte ſprechen und machen dann viel Freude. Manche lernen übrigens ſchlecht und nur mit Mühe, andere ſozuſagen ganz von ſelbſt. An der Zunge braucht man aber keinem einzigen herumzuſchneiden, unter dem Vorwand, ſie löſen zu wollen: ſie lernt auch ohne dieſe Gewaltthat reden. Unangenehm wird die zahme Elſter durch ihre Sucht, glänzende Dinge zuſammenzutragen und zu verſtecken. Es wird behauptet, daß hierdurch ſchon manches Unheil entſtanden und mancher arme Menſch nicht blos in böſen Verdacht, ſondern ſogar in Folge eines ungerechten Richterſpruches um Freiheit und Leben gekommen ſei. Wie ſolchen Diebesgelüſten des Vogels zu ſteuern iſt, braucht ordnungsliebenden Leuten nicht erſt auseinander geſetzt zu werden.
Der Menſch, welcher dem Kleingeflügel ſeinen Schutz angedeihen läßt, wird früher oder ſpäter zum entſchiedenen Feind der Elſter und vertreibt ſie erbarmungslos aus dem von ihm überwachten Gehege. So leicht iſt Das übrigens nicht; denn die Liſt und Verſchlagenheit der Elſter macht ſelbſt
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[373/0401]
Elſter.
unter Raben und Krähen oder ſchweift auch wohl mit Nußhehern herum; am liebſten vereinigt ſie ſich
aber doch mit andern ihrer Art zu kleineren oder größeren Flügen, welche indeß niemals zu der
Stärke anwachſen, wie bei den meiſten Raben. Gewöhnlich ſieht man ſie familienweiſe. Jhre
gewöhnliche Stimme iſt ein rauhes „Schak‟ oder „Krak‟, welches auch oft verbunden wird und
dann wie „Schakerak‟ klingt. Dieſe Laute ſind Lockton und Warnungsruf und werden je nach der
Bedeutung verſchieden betont. Jm Frühling vor und während der Paarungszeit ſchwatzt ſie mit
einem erſtaunenswerthen Aufwand von ähnlichen und doch verſchiedenen Lauten ſtundenlang, und das
Sprichwort beruht deshalb auf thatſächlichem Grunde.
Kerbthiere und Gewürm, Schnecken, kleine Wirbelthiere aller Art, Obſt, Beeren, Feldfrüchte und
Körner bilden die Nahrung der Elſter. Jm Frühjahr wird ſie ſehr ſchädlich, weil ſie die Neſter aller
ihr gegenüber wehrloſen Vögel unbarmherzig ausplündert und einen reichbelaubten Garten buchſtäblich
veröden machen kann. Auch den Hühner- und Entenzüchtern, den Faſanerien und dem Federwild
wird ſie ſehr läſtig; ſie fängt ſogar alte Vögel und dieſe, wie Naumann ſagt, oft ganz unver-
muthet, weil ſie beſtändig mit ihnen in Geſellſchaft iſt, jene ſich vor ihr nicht fürchten und ſich ſo in
ihrer Sicherheit von ihr übertölpeln laſſen. Ueberhaupt iſt die Elſter durchaus kein unſchuldiger oder
harmloſer Vogel: ſie wetteifert an Raubluſt mit manchen Falken.
Die Norweger behaupten, daß die Elſter am Weihnachtstage das erſte Neſt zu ihrem Horſte
trage; in Deutſchland geſchieht Dies entſchieden ſpäter, gewöhnlich Ende Februars. Das Neſt wird
bei uns auf den Wipfeln hoher Bäume angelegt, und nur da, wo ſich der Vogel ganz ſicher weiß,
niedrigeren Bäumen oder, wie ſchon bemerkt, den Häuſern ſelbſt anvertraut. Dürre Reiſer und
Dornen bilden den Unterbau, hierauf folgt eine dicke Lage von Lehm und nun erſt die eigentliche Neſt-
mulde, welche aus feinen Wurzeln und Thierhaaren beſteht und ſehr ſorgſam hergerichtet iſt. Das
ganze Neſt wird oben, bis auf einen ſeitlich angelegten Zugang, mit einer Haube von Dornen und
trockenen Reiſern verſehen, welche zwar durchſichtig iſt, den brütenden Vogel aber doch vollſtändig
gegen etwaige Angriffe der Raubvögel ſichert. Das Gelege beſteht aus ſieben bis acht auf grünem
Grunde braun geſprenkelten Eiern. Nach etwa dreiwöchentlicher Brutzeit entſchlüpfen die Jungen
und werden nun von beiden Eltern mit Kerbthieren, Regenwürmern, Schnecken und kleinen Wirbel-
thieren groß gefüttert. Vater und Mutter lieben die Kinderſchar ganz ungemein und verlaſſen
ſie nie. Wir haben erfahren, daß eine Elſter, auf welche wir ſchon geſchoſſen hatten, mit dem Schrot-
korn im Leibe noch fortbrütete. Wenige Vögel nähern ſich mit größerer Vorſicht ihren Neſtern, als
die Elſtern; ſie gebrauchen alle mögliche Liſten, um es nicht zu verrathen. Jn Spanien muß die
Elſter oft in derſelben Weiſe Pflegemutterdienſte verrichten, wie die Nebelkrähe in Egypten: Der
Heherkuckuck nämlich vertraut dort ihr ſeine Eier an, und die Elſter unterzieht ſich der Pflege des
Findlings mit derſelben Liebe, welche ſie ihren eigenen Kindern beweiſt.
Jung aus dem Neſte genommene Elſtern werden außerordentlich zahm. Sie laſſen ſich mit
Fleiſch, Brod, Quark, friſchem Käſe leicht auffüttern, zum Aus- und Einfliegen gewöhnen, zu Kunſt-
ſtückchen abrichten, lernen Lieder pfeifen und einzelne Worte ſprechen und machen dann viel
Freude. Manche lernen übrigens ſchlecht und nur mit Mühe, andere ſozuſagen ganz von ſelbſt. An
der Zunge braucht man aber keinem einzigen herumzuſchneiden, unter dem Vorwand, ſie löſen zu
wollen: ſie lernt auch ohne dieſe Gewaltthat reden. Unangenehm wird die zahme Elſter durch ihre
Sucht, glänzende Dinge zuſammenzutragen und zu verſtecken. Es wird behauptet, daß hierdurch
ſchon manches Unheil entſtanden und mancher arme Menſch nicht blos in böſen Verdacht, ſondern
ſogar in Folge eines ungerechten Richterſpruches um Freiheit und Leben gekommen ſei. Wie ſolchen
Diebesgelüſten des Vogels zu ſteuern iſt, braucht ordnungsliebenden Leuten nicht erſt auseinander
geſetzt zu werden.
Der Menſch, welcher dem Kleingeflügel ſeinen Schutz angedeihen läßt, wird früher oder ſpäter
zum entſchiedenen Feind der Elſter und vertreibt ſie erbarmungslos aus dem von ihm überwachten
Gehege. So leicht iſt Das übrigens nicht; denn die Liſt und Verſchlagenheit der Elſter macht ſelbſt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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