erwiedert vielmehr in gewissem Sinne die Freundschaftlichkeit, welche sie ihm gegenüber bekundet. Kein Rabe wird häufiger gefangen gehalten, als die Dohle, keiner aber verdient es auch mehr, falls man von der Alpenkrähe absehen will. Jhr heiteres Wesen, ihre Gewandtheit und Klugheit, ihre Anhänglichkeit an ihren Gebieter, ihre Harmlosigkeit und ihre Nachahmungsgabe endlich sind wohl geeignet, ihr Freunde zu erwerben. Ohne Mühe kann man jung aufgezogene an das Ein- und Ausfliegen gewöhnen. Sie gewinnen bald das Haus ihres Herrn lieb und verlassen es regelmäßig auch im Herbste nicht oder kehren, wenn sie wirklich die Winterreise mit andern ihrer Art antreten, im nächsten Frühjahre zu ihm zurück.
Unsere Raben haben in Ostindien viele Verwandte, kein einziger von allen aber vertritt die gesammte Familie so vollständig, wie die Glanzkrähe der Jndier (Anomalocorax splendens). Sie ist zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben worden, weil ihre Flügel so kurz sind, daß sie das Ende des langen Schwanzes nicht erreichen. Jn der Größe kommt sie ungefähr unserer Dohle gleich; die Länge beträgt nach Jerdon 15 bis 18 Zoll, wovon der Schwanz 7 Zoll mißt; die Fittiglänge wird zu 11 Zoll angegeben. Jn der Färbung hat die Glanzkrähe entfernte Aehnlichkeit mit unserer Dohle. Der Vorderkopf und die Wangen sind glänzend schwarz, der Hinterkopf, Nacken und Hinterhals lebhaft aschfarben, der Rücken, die Schwingen und der Schwanz schwarz mit reichem Purpur- oder Stahl- glanze; das Kinn, die Brust und zum Theil auch die Halsseiten sind stahlglänzendschwarz; die Brust ist dunkel aschfarben, die Mitte des Bauches düsterschwarz, nur leicht stahlblau überflogen.
Jerdon bedauert, daß diesem Vogel ein so unpassender Artname gegeben worden sei, wahrschein- lich weil er meint, daß man einen viel entsprechenderen habe finden können; denn eigentlich ist der Name Glanzkrähe nicht zu verwerfen. Der Vogel ist einer der gewöhnlichsten und bestbekanntesten Jndiens, welcher vom Himalaya an bis Ceylon und nach Osten bis Assam in jedem Dorfe, in jeder Stadt sich findet, den Menschen dreist sich aufdrängt und dabei Eigenschaften zu dessen Kunde bringt, welche für seine Benennung vielleicht bezeichnender wären.
"Diese Krähe", sagt Jerdon, "so ungemein gesellig, ist doch eigentlich kein Herdenvogel. Sie nächtigt gemeinschaftlich mit andern in großer Zahl, und es gibt gewisse Stellen in der Nähe aller volkreichen Städte und Ortschaften, wo sich Massen nächtlich vereinigen, um zu schlafen, und zu denen sie aus Entfernungen von drei bis zehn Meilen im Umkreise herbeiströmen. Groß ist der Lärm, ehe jede ihren Platz gefunden, und zahlreich sind die Händel, welche dabei ausgefochten werden, und dieser Lärm wird außerdem noch vermehrt durch Schwärme von Papageien, Meinas und anderen Vögeln, welche sämmtlich die gemeinschaftliche Nachtherberge allabendlich beziehen."
"Sehr früh am Morgen, oft vor Tagesanbruch, gewöhnlich aber ein wenig später, erwachen die Glanzkrähen und zertheilen sich dann in kleinere Flüge von zwanzig, dreißig oder vierzig Stück, jedoch nicht ohne ein vorheriges Hin- und Wiederfliegen und ein großartiges Geplapper, welches vielleicht bezweckt, die Ereignisse des gestrigen Tages der Gesellschaft mitzutheilen oder für den heutigen irgend welche Bestimmungen zu treffen. Diejenigen Flüge, deren Berufswege weit sind, eilen rasch dahin, die andern, deren Jagdgründe näher liegen, nehmen sich Zeit, schwatzen noch mit ihren Nachbarn oder putzen sich durch ein außergewöhnliches Nisteln in ihrem Gefieder."
"So verschieden die Nahrung der Glanzkrähe auch ist, so kann man doch sagen, daß sie von den Brosamen lebt, welche von des Menschen Tische fallen. Viele Eingeborne essen regelmäßig außer- halb der Thür ihrer Hütte, und die Ueberbleibsel des gekochten Reises und andere Nahrungsstoffe werden weggeworfen; Diejenigen, welche im Jnnern der Häuser speisen, entledigen sich solcher Ueber- bleibsel zu gewissen, den Krähen der Nachbarschaft wohlbekannten Zeiten. Sobald nun Etwas abfällt, zeigt ein wachsames Mitglied der gefiederten Bettler der ganzen Nachbarschaft an, daß der Schmaus beginnt. Die Vögel wissen so genau, was das Kochen zu bedeuten hat, daß ein kleines Feuer, ja
Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
erwiedert vielmehr in gewiſſem Sinne die Freundſchaftlichkeit, welche ſie ihm gegenüber bekundet. Kein Rabe wird häufiger gefangen gehalten, als die Dohle, keiner aber verdient es auch mehr, falls man von der Alpenkrähe abſehen will. Jhr heiteres Weſen, ihre Gewandtheit und Klugheit, ihre Anhänglichkeit an ihren Gebieter, ihre Harmloſigkeit und ihre Nachahmungsgabe endlich ſind wohl geeignet, ihr Freunde zu erwerben. Ohne Mühe kann man jung aufgezogene an das Ein- und Ausfliegen gewöhnen. Sie gewinnen bald das Haus ihres Herrn lieb und verlaſſen es regelmäßig auch im Herbſte nicht oder kehren, wenn ſie wirklich die Winterreiſe mit andern ihrer Art antreten, im nächſten Frühjahre zu ihm zurück.
Unſere Raben haben in Oſtindien viele Verwandte, kein einziger von allen aber vertritt die geſammte Familie ſo vollſtändig, wie die Glanzkrähe der Jndier (Anomalocorax splendens). Sie iſt zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben worden, weil ihre Flügel ſo kurz ſind, daß ſie das Ende des langen Schwanzes nicht erreichen. Jn der Größe kommt ſie ungefähr unſerer Dohle gleich; die Länge beträgt nach Jerdon 15 bis 18 Zoll, wovon der Schwanz 7 Zoll mißt; die Fittiglänge wird zu 11 Zoll angegeben. Jn der Färbung hat die Glanzkrähe entfernte Aehnlichkeit mit unſerer Dohle. Der Vorderkopf und die Wangen ſind glänzend ſchwarz, der Hinterkopf, Nacken und Hinterhals lebhaft aſchfarben, der Rücken, die Schwingen und der Schwanz ſchwarz mit reichem Purpur- oder Stahl- glanze; das Kinn, die Bruſt und zum Theil auch die Halsſeiten ſind ſtahlglänzendſchwarz; die Bruſt iſt dunkel aſchfarben, die Mitte des Bauches düſterſchwarz, nur leicht ſtahlblau überflogen.
Jerdon bedauert, daß dieſem Vogel ein ſo unpaſſender Artname gegeben worden ſei, wahrſchein- lich weil er meint, daß man einen viel entſprechenderen habe finden können; denn eigentlich iſt der Name Glanzkrähe nicht zu verwerfen. Der Vogel iſt einer der gewöhnlichſten und beſtbekannteſten Jndiens, welcher vom Himalaya an bis Ceylon und nach Oſten bis Aſſam in jedem Dorfe, in jeder Stadt ſich findet, den Menſchen dreiſt ſich aufdrängt und dabei Eigenſchaften zu deſſen Kunde bringt, welche für ſeine Benennung vielleicht bezeichnender wären.
„Dieſe Krähe‟, ſagt Jerdon, „ſo ungemein geſellig, iſt doch eigentlich kein Herdenvogel. Sie nächtigt gemeinſchaftlich mit andern in großer Zahl, und es gibt gewiſſe Stellen in der Nähe aller volkreichen Städte und Ortſchaften, wo ſich Maſſen nächtlich vereinigen, um zu ſchlafen, und zu denen ſie aus Entfernungen von drei bis zehn Meilen im Umkreiſe herbeiſtrömen. Groß iſt der Lärm, ehe jede ihren Platz gefunden, und zahlreich ſind die Händel, welche dabei ausgefochten werden, und dieſer Lärm wird außerdem noch vermehrt durch Schwärme von Papageien, Meinas und anderen Vögeln, welche ſämmtlich die gemeinſchaftliche Nachtherberge allabendlich beziehen.‟
„Sehr früh am Morgen, oft vor Tagesanbruch, gewöhnlich aber ein wenig ſpäter, erwachen die Glanzkrähen und zertheilen ſich dann in kleinere Flüge von zwanzig, dreißig oder vierzig Stück, jedoch nicht ohne ein vorheriges Hin- und Wiederfliegen und ein großartiges Geplapper, welches vielleicht bezweckt, die Ereigniſſe des geſtrigen Tages der Geſellſchaft mitzutheilen oder für den heutigen irgend welche Beſtimmungen zu treffen. Diejenigen Flüge, deren Berufswege weit ſind, eilen raſch dahin, die andern, deren Jagdgründe näher liegen, nehmen ſich Zeit, ſchwatzen noch mit ihren Nachbarn oder putzen ſich durch ein außergewöhnliches Niſteln in ihrem Gefieder.‟
„So verſchieden die Nahrung der Glanzkrähe auch iſt, ſo kann man doch ſagen, daß ſie von den Broſamen lebt, welche von des Menſchen Tiſche fallen. Viele Eingeborne eſſen regelmäßig außer- halb der Thür ihrer Hütte, und die Ueberbleibſel des gekochten Reiſes und andere Nahrungsſtoffe werden weggeworfen; Diejenigen, welche im Jnnern der Häuſer ſpeiſen, entledigen ſich ſolcher Ueber- bleibſel zu gewiſſen, den Krähen der Nachbarſchaft wohlbekannten Zeiten. Sobald nun Etwas abfällt, zeigt ein wachſames Mitglied der gefiederten Bettler der ganzen Nachbarſchaft an, daß der Schmaus beginnt. Die Vögel wiſſen ſo genau, was das Kochen zu bedeuten hat, daß ein kleines Feuer, ja
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[362/0390]
Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
erwiedert vielmehr in gewiſſem Sinne die Freundſchaftlichkeit, welche ſie ihm gegenüber bekundet.
Kein Rabe wird häufiger gefangen gehalten, als die Dohle, keiner aber verdient es auch mehr, falls
man von der Alpenkrähe abſehen will. Jhr heiteres Weſen, ihre Gewandtheit und Klugheit,
ihre Anhänglichkeit an ihren Gebieter, ihre Harmloſigkeit und ihre Nachahmungsgabe endlich ſind
wohl geeignet, ihr Freunde zu erwerben. Ohne Mühe kann man jung aufgezogene an das Ein- und
Ausfliegen gewöhnen. Sie gewinnen bald das Haus ihres Herrn lieb und verlaſſen es regelmäßig
auch im Herbſte nicht oder kehren, wenn ſie wirklich die Winterreiſe mit andern ihrer Art antreten, im
nächſten Frühjahre zu ihm zurück.
Unſere Raben haben in Oſtindien viele Verwandte, kein einziger von allen aber vertritt die
geſammte Familie ſo vollſtändig, wie die Glanzkrähe der Jndier (Anomalocorax splendens). Sie
iſt zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben worden, weil ihre Flügel ſo kurz ſind, daß ſie das Ende
des langen Schwanzes nicht erreichen. Jn der Größe kommt ſie ungefähr unſerer Dohle gleich; die
Länge beträgt nach Jerdon 15 bis 18 Zoll, wovon der Schwanz 7 Zoll mißt; die Fittiglänge wird
zu 11 Zoll angegeben. Jn der Färbung hat die Glanzkrähe entfernte Aehnlichkeit mit unſerer Dohle.
Der Vorderkopf und die Wangen ſind glänzend ſchwarz, der Hinterkopf, Nacken und Hinterhals lebhaft
aſchfarben, der Rücken, die Schwingen und der Schwanz ſchwarz mit reichem Purpur- oder Stahl-
glanze; das Kinn, die Bruſt und zum Theil auch die Halsſeiten ſind ſtahlglänzendſchwarz; die Bruſt
iſt dunkel aſchfarben, die Mitte des Bauches düſterſchwarz, nur leicht ſtahlblau überflogen.
Jerdon bedauert, daß dieſem Vogel ein ſo unpaſſender Artname gegeben worden ſei, wahrſchein-
lich weil er meint, daß man einen viel entſprechenderen habe finden können; denn eigentlich iſt der
Name Glanzkrähe nicht zu verwerfen. Der Vogel iſt einer der gewöhnlichſten und beſtbekannteſten
Jndiens, welcher vom Himalaya an bis Ceylon und nach Oſten bis Aſſam in jedem Dorfe, in jeder
Stadt ſich findet, den Menſchen dreiſt ſich aufdrängt und dabei Eigenſchaften zu deſſen Kunde bringt,
welche für ſeine Benennung vielleicht bezeichnender wären.
„Dieſe Krähe‟, ſagt Jerdon, „ſo ungemein geſellig, iſt doch eigentlich kein Herdenvogel. Sie
nächtigt gemeinſchaftlich mit andern in großer Zahl, und es gibt gewiſſe Stellen in der Nähe aller
volkreichen Städte und Ortſchaften, wo ſich Maſſen nächtlich vereinigen, um zu ſchlafen, und zu denen ſie
aus Entfernungen von drei bis zehn Meilen im Umkreiſe herbeiſtrömen. Groß iſt der Lärm, ehe jede
ihren Platz gefunden, und zahlreich ſind die Händel, welche dabei ausgefochten werden, und dieſer
Lärm wird außerdem noch vermehrt durch Schwärme von Papageien, Meinas und anderen Vögeln,
welche ſämmtlich die gemeinſchaftliche Nachtherberge allabendlich beziehen.‟
„Sehr früh am Morgen, oft vor Tagesanbruch, gewöhnlich aber ein wenig ſpäter, erwachen die
Glanzkrähen und zertheilen ſich dann in kleinere Flüge von zwanzig, dreißig oder vierzig Stück, jedoch nicht
ohne ein vorheriges Hin- und Wiederfliegen und ein großartiges Geplapper, welches vielleicht bezweckt,
die Ereigniſſe des geſtrigen Tages der Geſellſchaft mitzutheilen oder für den heutigen irgend welche
Beſtimmungen zu treffen. Diejenigen Flüge, deren Berufswege weit ſind, eilen raſch dahin, die
andern, deren Jagdgründe näher liegen, nehmen ſich Zeit, ſchwatzen noch mit ihren Nachbarn oder
putzen ſich durch ein außergewöhnliches Niſteln in ihrem Gefieder.‟
„So verſchieden die Nahrung der Glanzkrähe auch iſt, ſo kann man doch ſagen, daß ſie von den
Broſamen lebt, welche von des Menſchen Tiſche fallen. Viele Eingeborne eſſen regelmäßig außer-
halb der Thür ihrer Hütte, und die Ueberbleibſel des gekochten Reiſes und andere Nahrungsſtoffe
werden weggeworfen; Diejenigen, welche im Jnnern der Häuſer ſpeiſen, entledigen ſich ſolcher Ueber-
bleibſel zu gewiſſen, den Krähen der Nachbarſchaft wohlbekannten Zeiten. Sobald nun Etwas abfällt,
zeigt ein wachſames Mitglied der gefiederten Bettler der ganzen Nachbarſchaft an, daß der Schmaus
beginnt. Die Vögel wiſſen ſo genau, was das Kochen zu bedeuten hat, daß ein kleines Feuer, ja
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/390>, abgerufen am 27.11.2024.
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