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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Alpenkrähe.

"Jndessen bin ich doch der Meinung, daß, hätte die Alpendohle frei auf der Straße einer min-
der großen und bevölkerten Stadt, als Berlin ist, herumfliegen dürfen, sich ganz gewiß noch andere
Ergebnisse gezeigt haben würden. Jedenfalls habe ich, das lästige Schreien bei dem geringsten
Begehren, das mich öfter ganz toll machen konnte, abgerechnet, noch keinen zahmeren und liebens-
würdigeren Vogel gesehen, dessen lautes Rufen ich hinter mir her noch auf der Straße vernahm, wenn
ich meine Wohnung verlassen und er mit der Langenweile in seinem Käfige allein geblieben war.
Befreundete Gesellschaft sah er sehr gern, und jede in der Nähe sich mit Geräusch öffnende Thüre ent-
lockte ihm einen lauten Ruf, der von ganz bestimmter Unterscheidung der Entfernung zeugte, und
meine ihm bekannte Wirthin herbeilocken sollte."

"Die geringere oder größere Schen, welche den allermeisten gezähmten Vögeln immer doch noch
bei einer schnellen Handbewegung oder einer sonstigen überraschend wirkenden Handlung inne wohnt,
fehlte Catana gänzlich, und die Zutraulichkeit eines Hundes war kein kleiner Vorzug ihres Wesens."

"Dem Feuer, als etwas glänzendem, näherte sie sich gerne, spielte auch wohl mit einer glühenden
Kohle. Die helle Flamme berührte sie indessen nicht, noch verschluckte sie brennende Kohlen oder
Lampendochte, wie Savi von seiner gelbschnäbeligen Alpendohle erzählt, hinzufügend, daß ein solcher
Genuß derselben niemals einen Schaden zugefügt."

Hansmann hat sehr Recht, wenn er annimmt, daß eine Alpenkrähe, welche größerer Freiheit
sich erfreuen darf, als seine Gefangene, noch zu andern Beobachtungen Gelegenheit gibt. Mein Bru-
der sah, wie er in seinen "Skizzen und Bildern" mittheilt, in Murcia zahme Alpenkrähen, welche,
obwohl alt gefangen, doch bald so an ihren Herrn sich gewöhnt, daß sie frei aus- und einfliegen durf-
ten. Sie kamen auf die Erker der benachbarten Häuser und baten mit lautem Geschrei um Einlaß,
merkten auch sehr bald, wo sie gern gesehen und bezüglich gefüttert wurden. Sie erschienen dann
täglich mehrmals zur gewohnten Stunde, um ihre Freunde zu begrüßen und ihre Nahrung in
Empfang zu nehmen.

Bei meinem Freunde, dem eifrigen und kenntnißreichen Forscher Cornely de St. Gerlach in
Belgien, habe ich eine zahme Alpenkrähe gesehen, welche nach Belieben umherfliegen kann. Sie spielt
den Herrn im Gehöft und Garten, macht sich überall zu schaffen, reißt auch wohl ein Pflänzchen ab
oder sucht ein junges Vögelchen zu überlisten, benimmt sich aber stets liebenswürdig. Jhr Gebieter
hat die Güte gehabt, mir das Nachfolgende über sie mitzutheilen:

"Vor etwa zwei Jahren erhielt ich unter anderen lebenden Vögeln eine Alpenkrähe, welche
damals ungefähr drei Monate alt sein mochte. Sie wurde sehr lästig durch ihr fortwährendes
Schreien nach Futter und hatte sich bald den allgemeinen Unwillen zugezogen. Das sollte sich jedoch
ändern. Chuqui, wie der Korallenschnabel genannt worden war, wurde nach einigen Wochen mit
beschnittenen Flügeln im Park freigelassen und durste sich hier nach Belieben unter Pfauen, Fasanen,
Sumpf- und Stelzvögeln bewegen. Die gemischte Gesellschaft empfing den Neuling zwar zuerst mit
Schnabelhieben; dieser aber wußte sich doch rasch genug Bürgerrecht zu erwerben, und alle Feind-
seligkeiten hatten nun ein Ende. Munter hüpfte der schwarze Gesell durch sein Gehege, und nach
beendeter Mauser begann er, seine Schwingen zu üben. Er flatterte zunächst auf die Umzäunungen,
später auf die benachbarten Bäume, so oft sich aber Jemand sehen ließ, alter Gewohnheit nach, stets
auf dessen Arm, um Futter bettelnd. Anfangs war ihm jeder Mensch gleich; mit zunehmendem Alter
aber stellte sich das Mißtrauen ein, und er unterschied nun scharf zwischen Bekannten und Fremden:
nur die ersteren dursten ihn anfassen und streicheln. Bald war er im ganzen Hause bekannt, und
namentlich im Speisezimmer heimisch; denn alle Mitglieder meiner Familie versäumten niemals, ihm
einige Bissen zuzuwerfen, falls er sich zur rechten Zeit einstellte. Schon im ersten Jahre seines Lebens
kannte er die Frühstückszeit ebenso genau, wie wir selbst, verfehlte nie, sich pünktlichst einzufinden, und
klopfte, fand er den Eingang verschlossen, so lange ans Fenster, bis man ihm öffnete. Ließ man ihn
absichtlich vergeblich klopfen, überhörte man auch sein bittendes "Kräh, kräh", so flog er wohl mißvergnügt
weg und nahm andere Geschäfte auf: ein einziger Ruf aber reichte und reicht hin, ihn wieder herbeizulocken."

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Alpenkrähe.

„Jndeſſen bin ich doch der Meinung, daß, hätte die Alpendohle frei auf der Straße einer min-
der großen und bevölkerten Stadt, als Berlin iſt, herumfliegen dürfen, ſich ganz gewiß noch andere
Ergebniſſe gezeigt haben würden. Jedenfalls habe ich, das läſtige Schreien bei dem geringſten
Begehren, das mich öfter ganz toll machen konnte, abgerechnet, noch keinen zahmeren und liebens-
würdigeren Vogel geſehen, deſſen lautes Rufen ich hinter mir her noch auf der Straße vernahm, wenn
ich meine Wohnung verlaſſen und er mit der Langenweile in ſeinem Käfige allein geblieben war.
Befreundete Geſellſchaft ſah er ſehr gern, und jede in der Nähe ſich mit Geräuſch öffnende Thüre ent-
lockte ihm einen lauten Ruf, der von ganz beſtimmter Unterſcheidung der Entfernung zeugte, und
meine ihm bekannte Wirthin herbeilocken ſollte.‟

„Die geringere oder größere Schen, welche den allermeiſten gezähmten Vögeln immer doch noch
bei einer ſchnellen Handbewegung oder einer ſonſtigen überraſchend wirkenden Handlung inne wohnt,
fehlte Catana gänzlich, und die Zutraulichkeit eines Hundes war kein kleiner Vorzug ihres Weſens.‟

„Dem Feuer, als etwas glänzendem, näherte ſie ſich gerne, ſpielte auch wohl mit einer glühenden
Kohle. Die helle Flamme berührte ſie indeſſen nicht, noch verſchluckte ſie brennende Kohlen oder
Lampendochte, wie Savi von ſeiner gelbſchnäbeligen Alpendohle erzählt, hinzufügend, daß ein ſolcher
Genuß derſelben niemals einen Schaden zugefügt.‟

Hansmann hat ſehr Recht, wenn er annimmt, daß eine Alpenkrähe, welche größerer Freiheit
ſich erfreuen darf, als ſeine Gefangene, noch zu andern Beobachtungen Gelegenheit gibt. Mein Bru-
der ſah, wie er in ſeinen „Skizzen und Bildern‟ mittheilt, in Murcia zahme Alpenkrähen, welche,
obwohl alt gefangen, doch bald ſo an ihren Herrn ſich gewöhnt, daß ſie frei aus- und einfliegen durf-
ten. Sie kamen auf die Erker der benachbarten Häuſer und baten mit lautem Geſchrei um Einlaß,
merkten auch ſehr bald, wo ſie gern geſehen und bezüglich gefüttert wurden. Sie erſchienen dann
täglich mehrmals zur gewohnten Stunde, um ihre Freunde zu begrüßen und ihre Nahrung in
Empfang zu nehmen.

Bei meinem Freunde, dem eifrigen und kenntnißreichen Forſcher Cornely de St. Gerlach in
Belgien, habe ich eine zahme Alpenkrähe geſehen, welche nach Belieben umherfliegen kann. Sie ſpielt
den Herrn im Gehöft und Garten, macht ſich überall zu ſchaffen, reißt auch wohl ein Pflänzchen ab
oder ſucht ein junges Vögelchen zu überliſten, benimmt ſich aber ſtets liebenswürdig. Jhr Gebieter
hat die Güte gehabt, mir das Nachfolgende über ſie mitzutheilen:

„Vor etwa zwei Jahren erhielt ich unter anderen lebenden Vögeln eine Alpenkrähe, welche
damals ungefähr drei Monate alt ſein mochte. Sie wurde ſehr läſtig durch ihr fortwährendes
Schreien nach Futter und hatte ſich bald den allgemeinen Unwillen zugezogen. Das ſollte ſich jedoch
ändern. Chuqui, wie der Korallenſchnabel genannt worden war, wurde nach einigen Wochen mit
beſchnittenen Flügeln im Park freigelaſſen und durſte ſich hier nach Belieben unter Pfauen, Faſanen,
Sumpf- und Stelzvögeln bewegen. Die gemiſchte Geſellſchaft empfing den Neuling zwar zuerſt mit
Schnabelhieben; dieſer aber wußte ſich doch raſch genug Bürgerrecht zu erwerben, und alle Feind-
ſeligkeiten hatten nun ein Ende. Munter hüpfte der ſchwarze Geſell durch ſein Gehege, und nach
beendeter Mauſer begann er, ſeine Schwingen zu üben. Er flatterte zunächſt auf die Umzäunungen,
ſpäter auf die benachbarten Bäume, ſo oft ſich aber Jemand ſehen ließ, alter Gewohnheit nach, ſtets
auf deſſen Arm, um Futter bettelnd. Anfangs war ihm jeder Menſch gleich; mit zunehmendem Alter
aber ſtellte ſich das Mißtrauen ein, und er unterſchied nun ſcharf zwiſchen Bekannten und Fremden:
nur die erſteren durſten ihn anfaſſen und ſtreicheln. Bald war er im ganzen Hauſe bekannt, und
namentlich im Speiſezimmer heimiſch; denn alle Mitglieder meiner Familie verſäumten niemals, ihm
einige Biſſen zuzuwerfen, falls er ſich zur rechten Zeit einſtellte. Schon im erſten Jahre ſeines Lebens
kannte er die Frühſtückszeit ebenſo genau, wie wir ſelbſt, verfehlte nie, ſich pünktlichſt einzufinden, und
klopfte, fand er den Eingang verſchloſſen, ſo lange ans Fenſter, bis man ihm öffnete. Ließ man ihn
abſichtlich vergeblich klopfen, überhörte man auch ſein bittendes „Kräh, kräh‟, ſo flog er wohl mißvergnügt
weg und nahm andere Geſchäfte auf: ein einziger Ruf aber reichte und reicht hin, ihn wieder herbeizulocken.‟

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[339/0365] Alpenkrähe. „Jndeſſen bin ich doch der Meinung, daß, hätte die Alpendohle frei auf der Straße einer min- der großen und bevölkerten Stadt, als Berlin iſt, herumfliegen dürfen, ſich ganz gewiß noch andere Ergebniſſe gezeigt haben würden. Jedenfalls habe ich, das läſtige Schreien bei dem geringſten Begehren, das mich öfter ganz toll machen konnte, abgerechnet, noch keinen zahmeren und liebens- würdigeren Vogel geſehen, deſſen lautes Rufen ich hinter mir her noch auf der Straße vernahm, wenn ich meine Wohnung verlaſſen und er mit der Langenweile in ſeinem Käfige allein geblieben war. Befreundete Geſellſchaft ſah er ſehr gern, und jede in der Nähe ſich mit Geräuſch öffnende Thüre ent- lockte ihm einen lauten Ruf, der von ganz beſtimmter Unterſcheidung der Entfernung zeugte, und meine ihm bekannte Wirthin herbeilocken ſollte.‟ „Die geringere oder größere Schen, welche den allermeiſten gezähmten Vögeln immer doch noch bei einer ſchnellen Handbewegung oder einer ſonſtigen überraſchend wirkenden Handlung inne wohnt, fehlte Catana gänzlich, und die Zutraulichkeit eines Hundes war kein kleiner Vorzug ihres Weſens.‟ „Dem Feuer, als etwas glänzendem, näherte ſie ſich gerne, ſpielte auch wohl mit einer glühenden Kohle. Die helle Flamme berührte ſie indeſſen nicht, noch verſchluckte ſie brennende Kohlen oder Lampendochte, wie Savi von ſeiner gelbſchnäbeligen Alpendohle erzählt, hinzufügend, daß ein ſolcher Genuß derſelben niemals einen Schaden zugefügt.‟ Hansmann hat ſehr Recht, wenn er annimmt, daß eine Alpenkrähe, welche größerer Freiheit ſich erfreuen darf, als ſeine Gefangene, noch zu andern Beobachtungen Gelegenheit gibt. Mein Bru- der ſah, wie er in ſeinen „Skizzen und Bildern‟ mittheilt, in Murcia zahme Alpenkrähen, welche, obwohl alt gefangen, doch bald ſo an ihren Herrn ſich gewöhnt, daß ſie frei aus- und einfliegen durf- ten. Sie kamen auf die Erker der benachbarten Häuſer und baten mit lautem Geſchrei um Einlaß, merkten auch ſehr bald, wo ſie gern geſehen und bezüglich gefüttert wurden. Sie erſchienen dann täglich mehrmals zur gewohnten Stunde, um ihre Freunde zu begrüßen und ihre Nahrung in Empfang zu nehmen. Bei meinem Freunde, dem eifrigen und kenntnißreichen Forſcher Cornely de St. Gerlach in Belgien, habe ich eine zahme Alpenkrähe geſehen, welche nach Belieben umherfliegen kann. Sie ſpielt den Herrn im Gehöft und Garten, macht ſich überall zu ſchaffen, reißt auch wohl ein Pflänzchen ab oder ſucht ein junges Vögelchen zu überliſten, benimmt ſich aber ſtets liebenswürdig. Jhr Gebieter hat die Güte gehabt, mir das Nachfolgende über ſie mitzutheilen: „Vor etwa zwei Jahren erhielt ich unter anderen lebenden Vögeln eine Alpenkrähe, welche damals ungefähr drei Monate alt ſein mochte. Sie wurde ſehr läſtig durch ihr fortwährendes Schreien nach Futter und hatte ſich bald den allgemeinen Unwillen zugezogen. Das ſollte ſich jedoch ändern. Chuqui, wie der Korallenſchnabel genannt worden war, wurde nach einigen Wochen mit beſchnittenen Flügeln im Park freigelaſſen und durſte ſich hier nach Belieben unter Pfauen, Faſanen, Sumpf- und Stelzvögeln bewegen. Die gemiſchte Geſellſchaft empfing den Neuling zwar zuerſt mit Schnabelhieben; dieſer aber wußte ſich doch raſch genug Bürgerrecht zu erwerben, und alle Feind- ſeligkeiten hatten nun ein Ende. Munter hüpfte der ſchwarze Geſell durch ſein Gehege, und nach beendeter Mauſer begann er, ſeine Schwingen zu üben. Er flatterte zunächſt auf die Umzäunungen, ſpäter auf die benachbarten Bäume, ſo oft ſich aber Jemand ſehen ließ, alter Gewohnheit nach, ſtets auf deſſen Arm, um Futter bettelnd. Anfangs war ihm jeder Menſch gleich; mit zunehmendem Alter aber ſtellte ſich das Mißtrauen ein, und er unterſchied nun ſcharf zwiſchen Bekannten und Fremden: nur die erſteren durſten ihn anfaſſen und ſtreicheln. Bald war er im ganzen Hauſe bekannt, und namentlich im Speiſezimmer heimiſch; denn alle Mitglieder meiner Familie verſäumten niemals, ihm einige Biſſen zuzuwerfen, falls er ſich zur rechten Zeit einſtellte. Schon im erſten Jahre ſeines Lebens kannte er die Frühſtückszeit ebenſo genau, wie wir ſelbſt, verfehlte nie, ſich pünktlichſt einzufinden, und klopfte, fand er den Eingang verſchloſſen, ſo lange ans Fenſter, bis man ihm öffnete. Ließ man ihn abſichtlich vergeblich klopfen, überhörte man auch ſein bittendes „Kräh, kräh‟, ſo flog er wohl mißvergnügt weg und nahm andere Geſchäfte auf: ein einziger Ruf aber reichte und reicht hin, ihn wieder herbeizulocken.‟ 22 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/365>, abgerufen am 24.11.2024.