Sein Sommerleben ist, mit kurzen Worten beschrieben, folgendes: Sofort nach der Ankunft im Frühjahre erscheinen die Männchen auf den höchsten Punkten des Dorfes oder der Stadt, auf dem Kirchthurme oder auf alten Bäumen also, und fingen hier unter lebhaften Bewegungen der Flügel und des Schwanzes. Der Gesang ist eigentlich nicht viel werth; er ist mehr ein Geschwätz als ein Lied; er enthält auch einzelne unangenehme, schnarrende Töne: dafür aber wird er mit so viel Lust und Fröh- lichkeit vorgetragen und auf die pfeifenden starken Laute so viel Ausdruck gelegt oder die schnalzenden, schwatzenden so gemüthlich hergeplappert, daß man ihn doch recht gern hört. Ein bedeutendes Nach- ahmungsvermögen trägt noch wesentlich dazu bei, ich will nicht sagen, die Schönheit, sondern die Ergötzlichkeit des Gesanges zu vermehren. Alle Laute, welche in einer Gegend hörbar werden: der verschlungene Pfiff des Pirols, wie das Kreischen des Hehers, der laute Schrei des Bussards, wie das Gackern der Hühner, das Klappern einer Mühle oder das Knarren einer Thüre und Wind- fahne, der Schlag der Wachtel, das Lullen der Haidelerche, ganze Strophen aus dem Gesang der Schilfsänger, der Drosseln, des Blaukehlchens, das Zwitschern der Schwalben und dergl. -- sie alle werden mit geübtem Ohre aufgefaßt, eifrigst gelernt und dann in der lustigsten Weise wiedergegeben. Mit dem ersten Grauen des Tages beginnt der Staar zu singen, hält damit ein paar Stunden an, läßt sich, nachdem er sich satt gefressen, zeitweilig wieder hören und hält nun, immer mit andern vereinigt, abends noch einen großen Gesangsvortrag.
Anfangs März regt sich die Liebe. Das Männchen wendet jetzt alle Kunststücke auf, um das Weibchen zu unterhalten, fliegt ihm überall hin nach, jagt sich unter großem Geschrei mit ihm herum und betritt es endlich auf der Erde. Die Bruthöhlung ist mittlerweile, und nicht immer ohne Kampf, eingenommen worden und erhält jetzt eine passende Ausfütterung. Jn Laubwaldungen benutzt der Staar Baumhöhlungen aller Art; in Ermangelung dieser natürlichen Brutstellen siedelt er sich in Gebäuden an; am häufigsten aber bezieht er die von den Menschen ihm angefertigten Brutkästchen: ausgehöhlte Stücke Baumschaft von 11/2 bis 2 Fuß Länge, welche oben und unten mit einem Brettchen verschlossen und unfern der Decke mit einer Oeffnung von 2 Zoll Durchmesser ver- sehen wurden, oder aus Brettern zusammengenagelte Kästen ähnlicher Gestalt, welche auf Bäumen aufgehängt, auf Stangen oder an Hausgiebeln befestigt werden. Das Nest ist ein wirrer Bau. Die Unterlage besteht aus Stroh und Grashalmen; die innere Wandung wird mit Federn von Gänsen, Hühnern und andern großen Vögeln ausgefüttert; im Nothfall behilft sich der Staar aber auch mit Stroh oder Heu allein und im Walde zuweilen mit verschiedenen Flechten. Ende Aprils findet man hier das erste Gelege, fünf bis sechs große, längliche, etwas rauhschalige, aber schön glänzende Eier von lichtblauer Farbe, welche vom Weibchen allein ausgebrütet werden. Sobald die Jungen dem Ei ent- schlüpft sind, haben beide Eltern so viel mit Futterzutragen zu thun, daß dem Vater wenig Zeit zum Singen übrig bleibt; ein Stündchen aber weiß er sich doch abzustehlen. Deshalb sieht man auch wäh- rend dieser Zeit gegen Abend die ehrbaren Familienväter zusammenkommen und singend sich unter- halten. Sind jedoch die Jungen glücklich ausgeflogen, dann fingen die Staaren wieder wie im Frühjahre; denn jetzt verursacht ihnen die Kinderschar durchaus keine Sorge mehr. Drei bis vier Tage unter Geleit der Eltern genügen den Jungen, sich selbständig zu machen. Sie vereinigen sich dann mit andern Nestlingen und bilden nunmehr schon ziemlich starke Flüge, welche ziellos im Lande umher- schweifen. Die Eltern schreiten währenddem zur zweiten Brut und suchen, wenn auch diese endlich glücklich ausgekommen, die ersten Jungen in Gesellschaft der zweiten auf. Von nun an schlafen die Eltern nicht mehr an den Brutstellen, sondern entweder in Wäldern oder später im Röhricht der Ge- wässer. "Meilenweit", schildert Lenz, "ziehen sie nach solchen Stellen hin und sammeln sich abends, von allen Seiten her truppweise anrückend. Jst endlich Ende August das Schilfrohr und der Rohrkolben in Flüssen, Teichen, Seen hoch und stark genug, so ziehen sie sich nach solchen Stellen hin, vertheilen sich bei Tage stunden- und meilenweit, und sammeln sich abends, von allen Seiten her truppenweis an- rückend, bei den Schilf- oder Rohrkolben-Dickichten zu Tausenden, ja zu Hunderttausenden an, schwär- men stundenlang, bald vereint, bald getheilt, gleich Wolken umher, lassen sich abwechselnd auf den
Die Knacker. Rabenvögel. Staaren.
Sein Sommerleben iſt, mit kurzen Worten beſchrieben, folgendes: Sofort nach der Ankunft im Frühjahre erſcheinen die Männchen auf den höchſten Punkten des Dorfes oder der Stadt, auf dem Kirchthurme oder auf alten Bäumen alſo, und fingen hier unter lebhaften Bewegungen der Flügel und des Schwanzes. Der Geſang iſt eigentlich nicht viel werth; er iſt mehr ein Geſchwätz als ein Lied; er enthält auch einzelne unangenehme, ſchnarrende Töne: dafür aber wird er mit ſo viel Luſt und Fröh- lichkeit vorgetragen und auf die pfeifenden ſtarken Laute ſo viel Ausdruck gelegt oder die ſchnalzenden, ſchwatzenden ſo gemüthlich hergeplappert, daß man ihn doch recht gern hört. Ein bedeutendes Nach- ahmungsvermögen trägt noch weſentlich dazu bei, ich will nicht ſagen, die Schönheit, ſondern die Ergötzlichkeit des Geſanges zu vermehren. Alle Laute, welche in einer Gegend hörbar werden: der verſchlungene Pfiff des Pirols, wie das Kreiſchen des Hehers, der laute Schrei des Buſſards, wie das Gackern der Hühner, das Klappern einer Mühle oder das Knarren einer Thüre und Wind- fahne, der Schlag der Wachtel, das Lullen der Haidelerche, ganze Strophen aus dem Geſang der Schilfſänger, der Droſſeln, des Blaukehlchens, das Zwitſchern der Schwalben und dergl. — ſie alle werden mit geübtem Ohre aufgefaßt, eifrigſt gelernt und dann in der luſtigſten Weiſe wiedergegeben. Mit dem erſten Grauen des Tages beginnt der Staar zu ſingen, hält damit ein paar Stunden an, läßt ſich, nachdem er ſich ſatt gefreſſen, zeitweilig wieder hören und hält nun, immer mit andern vereinigt, abends noch einen großen Geſangsvortrag.
Anfangs März regt ſich die Liebe. Das Männchen wendet jetzt alle Kunſtſtücke auf, um das Weibchen zu unterhalten, fliegt ihm überall hin nach, jagt ſich unter großem Geſchrei mit ihm herum und betritt es endlich auf der Erde. Die Bruthöhlung iſt mittlerweile, und nicht immer ohne Kampf, eingenommen worden und erhält jetzt eine paſſende Ausfütterung. Jn Laubwaldungen benutzt der Staar Baumhöhlungen aller Art; in Ermangelung dieſer natürlichen Brutſtellen ſiedelt er ſich in Gebäuden an; am häufigſten aber bezieht er die von den Menſchen ihm angefertigten Brutkäſtchen: ausgehöhlte Stücke Baumſchaft von 1½ bis 2 Fuß Länge, welche oben und unten mit einem Brettchen verſchloſſen und unfern der Decke mit einer Oeffnung von 2 Zoll Durchmeſſer ver- ſehen wurden, oder aus Brettern zuſammengenagelte Käſten ähnlicher Geſtalt, welche auf Bäumen aufgehängt, auf Stangen oder an Hausgiebeln befeſtigt werden. Das Neſt iſt ein wirrer Bau. Die Unterlage beſteht aus Stroh und Grashalmen; die innere Wandung wird mit Federn von Gänſen, Hühnern und andern großen Vögeln ausgefüttert; im Nothfall behilft ſich der Staar aber auch mit Stroh oder Heu allein und im Walde zuweilen mit verſchiedenen Flechten. Ende Aprils findet man hier das erſte Gelege, fünf bis ſechs große, längliche, etwas rauhſchalige, aber ſchön glänzende Eier von lichtblauer Farbe, welche vom Weibchen allein ausgebrütet werden. Sobald die Jungen dem Ei ent- ſchlüpft ſind, haben beide Eltern ſo viel mit Futterzutragen zu thun, daß dem Vater wenig Zeit zum Singen übrig bleibt; ein Stündchen aber weiß er ſich doch abzuſtehlen. Deshalb ſieht man auch wäh- rend dieſer Zeit gegen Abend die ehrbaren Familienväter zuſammenkommen und ſingend ſich unter- halten. Sind jedoch die Jungen glücklich ausgeflogen, dann fingen die Staaren wieder wie im Frühjahre; denn jetzt verurſacht ihnen die Kinderſchar durchaus keine Sorge mehr. Drei bis vier Tage unter Geleit der Eltern genügen den Jungen, ſich ſelbſtändig zu machen. Sie vereinigen ſich dann mit andern Neſtlingen und bilden nunmehr ſchon ziemlich ſtarke Flüge, welche ziellos im Lande umher- ſchweifen. Die Eltern ſchreiten währenddem zur zweiten Brut und ſuchen, wenn auch dieſe endlich glücklich ausgekommen, die erſten Jungen in Geſellſchaft der zweiten auf. Von nun an ſchlafen die Eltern nicht mehr an den Brutſtellen, ſondern entweder in Wäldern oder ſpäter im Röhricht der Ge- wäſſer. „Meilenweit‟, ſchildert Lenz, „ziehen ſie nach ſolchen Stellen hin und ſammeln ſich abends, von allen Seiten her truppweiſe anrückend. Jſt endlich Ende Auguſt das Schilfrohr und der Rohrkolben in Flüſſen, Teichen, Seen hoch und ſtark genug, ſo ziehen ſie ſich nach ſolchen Stellen hin, vertheilen ſich bei Tage ſtunden- und meilenweit, und ſammeln ſich abends, von allen Seiten her truppenweis an- rückend, bei den Schilf- oder Rohrkolben-Dickichten zu Tauſenden, ja zu Hunderttauſenden an, ſchwär- men ſtundenlang, bald vereint, bald getheilt, gleich Wolken umher, laſſen ſich abwechſelnd auf den
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[296/0320]
Die Knacker. Rabenvögel. Staaren.
Sein Sommerleben iſt, mit kurzen Worten beſchrieben, folgendes: Sofort nach der Ankunft im
Frühjahre erſcheinen die Männchen auf den höchſten Punkten des Dorfes oder der Stadt, auf dem
Kirchthurme oder auf alten Bäumen alſo, und fingen hier unter lebhaften Bewegungen der Flügel
und des Schwanzes. Der Geſang iſt eigentlich nicht viel werth; er iſt mehr ein Geſchwätz als ein Lied;
er enthält auch einzelne unangenehme, ſchnarrende Töne: dafür aber wird er mit ſo viel Luſt und Fröh-
lichkeit vorgetragen und auf die pfeifenden ſtarken Laute ſo viel Ausdruck gelegt oder die ſchnalzenden,
ſchwatzenden ſo gemüthlich hergeplappert, daß man ihn doch recht gern hört. Ein bedeutendes Nach-
ahmungsvermögen trägt noch weſentlich dazu bei, ich will nicht ſagen, die Schönheit, ſondern die
Ergötzlichkeit des Geſanges zu vermehren. Alle Laute, welche in einer Gegend hörbar werden: der
verſchlungene Pfiff des Pirols, wie das Kreiſchen des Hehers, der laute Schrei des Buſſards,
wie das Gackern der Hühner, das Klappern einer Mühle oder das Knarren einer Thüre und Wind-
fahne, der Schlag der Wachtel, das Lullen der Haidelerche, ganze Strophen aus dem Geſang
der Schilfſänger, der Droſſeln, des Blaukehlchens, das Zwitſchern der Schwalben und
dergl. — ſie alle werden mit geübtem Ohre aufgefaßt, eifrigſt gelernt und dann in der luſtigſten Weiſe
wiedergegeben. Mit dem erſten Grauen des Tages beginnt der Staar zu ſingen, hält damit ein paar
Stunden an, läßt ſich, nachdem er ſich ſatt gefreſſen, zeitweilig wieder hören und hält nun, immer
mit andern vereinigt, abends noch einen großen Geſangsvortrag.
Anfangs März regt ſich die Liebe. Das Männchen wendet jetzt alle Kunſtſtücke auf, um das
Weibchen zu unterhalten, fliegt ihm überall hin nach, jagt ſich unter großem Geſchrei mit ihm herum
und betritt es endlich auf der Erde. Die Bruthöhlung iſt mittlerweile, und nicht immer ohne
Kampf, eingenommen worden und erhält jetzt eine paſſende Ausfütterung. Jn Laubwaldungen benutzt
der Staar Baumhöhlungen aller Art; in Ermangelung dieſer natürlichen Brutſtellen ſiedelt
er ſich in Gebäuden an; am häufigſten aber bezieht er die von den Menſchen ihm angefertigten
Brutkäſtchen: ausgehöhlte Stücke Baumſchaft von 1½ bis 2 Fuß Länge, welche oben und unten mit
einem Brettchen verſchloſſen und unfern der Decke mit einer Oeffnung von 2 Zoll Durchmeſſer ver-
ſehen wurden, oder aus Brettern zuſammengenagelte Käſten ähnlicher Geſtalt, welche auf Bäumen
aufgehängt, auf Stangen oder an Hausgiebeln befeſtigt werden. Das Neſt iſt ein wirrer Bau. Die
Unterlage beſteht aus Stroh und Grashalmen; die innere Wandung wird mit Federn von Gänſen,
Hühnern und andern großen Vögeln ausgefüttert; im Nothfall behilft ſich der Staar aber auch mit
Stroh oder Heu allein und im Walde zuweilen mit verſchiedenen Flechten. Ende Aprils findet man
hier das erſte Gelege, fünf bis ſechs große, längliche, etwas rauhſchalige, aber ſchön glänzende Eier von
lichtblauer Farbe, welche vom Weibchen allein ausgebrütet werden. Sobald die Jungen dem Ei ent-
ſchlüpft ſind, haben beide Eltern ſo viel mit Futterzutragen zu thun, daß dem Vater wenig Zeit zum
Singen übrig bleibt; ein Stündchen aber weiß er ſich doch abzuſtehlen. Deshalb ſieht man auch wäh-
rend dieſer Zeit gegen Abend die ehrbaren Familienväter zuſammenkommen und ſingend ſich unter-
halten. Sind jedoch die Jungen glücklich ausgeflogen, dann fingen die Staaren wieder wie im Frühjahre;
denn jetzt verurſacht ihnen die Kinderſchar durchaus keine Sorge mehr. Drei bis vier Tage unter
Geleit der Eltern genügen den Jungen, ſich ſelbſtändig zu machen. Sie vereinigen ſich dann mit
andern Neſtlingen und bilden nunmehr ſchon ziemlich ſtarke Flüge, welche ziellos im Lande umher-
ſchweifen. Die Eltern ſchreiten währenddem zur zweiten Brut und ſuchen, wenn auch dieſe endlich
glücklich ausgekommen, die erſten Jungen in Geſellſchaft der zweiten auf. Von nun an ſchlafen die
Eltern nicht mehr an den Brutſtellen, ſondern entweder in Wäldern oder ſpäter im Röhricht der Ge-
wäſſer. „Meilenweit‟, ſchildert Lenz, „ziehen ſie nach ſolchen Stellen hin und ſammeln ſich abends, von
allen Seiten her truppweiſe anrückend. Jſt endlich Ende Auguſt das Schilfrohr und der Rohrkolben in
Flüſſen, Teichen, Seen hoch und ſtark genug, ſo ziehen ſie ſich nach ſolchen Stellen hin, vertheilen ſich
bei Tage ſtunden- und meilenweit, und ſammeln ſich abends, von allen Seiten her truppenweis an-
rückend, bei den Schilf- oder Rohrkolben-Dickichten zu Tauſenden, ja zu Hunderttauſenden an, ſchwär-
men ſtundenlang, bald vereint, bald getheilt, gleich Wolken umher, laſſen ſich abwechſelnd auf den
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/320>, abgerufen am 25.11.2024.
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