er sich unverträglich und herrschsüchtig. Auf der Sitzstange, welche er eben einnimmt, duldet er keinen Zweiten, und am Freßnapfe ist er der unumschränkte Herr. Erst nachdem er sich gesättigt hat, dür- fen seine Genossen sich nahen. Seinem Wärter scheint er eine gewisse Zuneigung an den Tag zu legen; er unterscheidet ihn wenigstens bestimmt von Fremden oder von solchen Personen, welche er zwar häufig, jedoch nicht regelmäßig zu sehen bekommt. Angesichts Fremder läßt er selten einen Laut vernehmen; wenn man ihn singen hören will, muß man sich verstecken, während er in Gegen- wart des Wärters seinen Gefühlen keinen Zwang auflegt. Jedenfalls verdient er, mehr berücksichtigt zu werden, als es bisher geschehen ist. Er hat sich unter seinen Landeseingebornen nicht umsonst einen gewissen Ruhm erworben; denn er ist in der That eine wahre Zierde des Gebauers.
Unter den nordamerikanischen Arten der Horde verdient der Baltimorevogel (Hyphantes Bal- timore) als der bekannteste der Erwähnung. Jn seinem Leibesbau ist er dem eben beschriebenen Süd- amerikaner sehr ähnlich; sein Schnabel ist jedoch auf der Firste etwas gebogen, der Flügel verhältniß- mäßig länger und der Schwanz etwas kürzer. Beim alten Männchen sind Kopf, Vorderhals und Nacken, die Schwingen und großen Flügeldeckfedern, so wie die mittelsten Steuerfedern schwarz, die ganze Unterseite, der Unterrücken und die kleinen Flügeldeckfedern aber glänzend orangegelb, die Federn der Brust und des Rückens licht scharlachroth. Die seitlichen Steuerfedern sind an der Wur- zelhälfte schwarz, an der Spitzenhälfte orangenfarbig. Die Schwingen sind weiß gesäumt und die großen Oberflügeldeckfedern weiß zugespitzt. Das Auge ist orangegelb, der Schnabel und der Fuß sind lichtgrau. Die Länge beträgt 73/4 Zoll, die Breite 12 Zoll. Bei jüngeren Männchen sind die Farben blässer, die Jris ist lichtbraun und der Oberschnabel bräunlichschwarz.
Der Baltimorevogel verbreitet sich über Nordamerika bis zum 55. Grad nördlicher Breite und findet sich vorzugsweise an Flußufern. Nach Audubon ist er an geeigneten Orten sehr häufig, während er andere nur auf dem Zuge berührt. Hügelige Landschaften scheinen ihm vor Allem zuzusagen. Er ist ein Sommervogel, welcher mit Beginn des Frühlings paarweise im Lande eintrifft und dann bald- möglichst zur Fortpflanzung schreitet. Sein Nest ist verschieden, je nachdem das Land, in welchem der Vogel wohnt, heißer oder kälter ist. Es wird an einem schlanken Zweige angehängt und sehr künst- lich gewebt. Jn den südlichen Staaten Nordamerikas besteht es nur aus sogenanntem "spanischen Mose", und ist so locker gebaut, daß die Luft überall leicht hindurch dringen kann; das Jnnere enthält auch keine wärmenden Stoffe, ja der Bau wird sogar auf der Nordseite der Bäume angebracht. Jn den nördlichen Staaten hingegen wird es an Zweigen aufgehängt, welche den Strahlen der Sonne ausgesetzt sind, und innen mit den wärmsten und feinsten Stoffen ausgekleidet. Die Thiere richten sich also ganz nach dem Klima ein. Der Bau des Nestes geschieht wie bei unserm Pirol. Der Vogel fliegt zum Boden herab, sucht sich geeignete Stoffe, heftet das Ende derselben mit Schnabel und Klauen an einen Zweig und verflicht das Ganze mit großer Kunst durch einander. Gelegentlich des Nestbaues wird der Baltimorevogel übrigens zuweilen lästig. Die Frauen haben es dann nöthig, auf das Garn zu achten, welches sie bleichen wollen; denn jener schleppt alle möglichen Fäden, welche er erlangen kann, seinem Neste zu. Man hat oft Zwirnssträhne oder Knäuel mit Seidenfäden im Nestgewebe des Baltimorevogels gefunden und zwar immer so versitzt, daß es ganz unmöglich war, die Fäden zu lösen.
Nachdem der Bau fertig ist, legt das Weibchen vier oder sechs Eier, welche auf blaßgrauem Grunde mit dunkleren Flecken, Punkten und Strichen bezeichnet sind. Nach vierzehntägiger Bebrü- tung entschlüpfen die Jungen; drei Wochen später sind sie flügge. Dann brütet, wenigstens in den südlichen Staaten, das Paar wohl noch einmal im Laufe des Sommers. Bevor die Jungen aus- fliegen, hängen sie sich oft an der Außenseite des Nestes an und schlüpfen aus und ein wie junge Spechte. Hierauf folgen sie ihren Eltern etwa vierzehn Tage lang und werden während der Zeit von
Die Knacker. Rabenvögel. Stärlinge.
er ſich unverträglich und herrſchſüchtig. Auf der Sitzſtange, welche er eben einnimmt, duldet er keinen Zweiten, und am Freßnapfe iſt er der unumſchränkte Herr. Erſt nachdem er ſich geſättigt hat, dür- fen ſeine Genoſſen ſich nahen. Seinem Wärter ſcheint er eine gewiſſe Zuneigung an den Tag zu legen; er unterſcheidet ihn wenigſtens beſtimmt von Fremden oder von ſolchen Perſonen, welche er zwar häufig, jedoch nicht regelmäßig zu ſehen bekommt. Angeſichts Fremder läßt er ſelten einen Laut vernehmen; wenn man ihn ſingen hören will, muß man ſich verſtecken, während er in Gegen- wart des Wärters ſeinen Gefühlen keinen Zwang auflegt. Jedenfalls verdient er, mehr berückſichtigt zu werden, als es bisher geſchehen iſt. Er hat ſich unter ſeinen Landeseingebornen nicht umſonſt einen gewiſſen Ruhm erworben; denn er iſt in der That eine wahre Zierde des Gebauers.
Unter den nordamerikaniſchen Arten der Horde verdient der Baltimorevogel (Hyphantes Bal- timore) als der bekannteſte der Erwähnung. Jn ſeinem Leibesbau iſt er dem eben beſchriebenen Süd- amerikaner ſehr ähnlich; ſein Schnabel iſt jedoch auf der Firſte etwas gebogen, der Flügel verhältniß- mäßig länger und der Schwanz etwas kürzer. Beim alten Männchen ſind Kopf, Vorderhals und Nacken, die Schwingen und großen Flügeldeckfedern, ſo wie die mittelſten Steuerfedern ſchwarz, die ganze Unterſeite, der Unterrücken und die kleinen Flügeldeckfedern aber glänzend orangegelb, die Federn der Bruſt und des Rückens licht ſcharlachroth. Die ſeitlichen Steuerfedern ſind an der Wur- zelhälfte ſchwarz, an der Spitzenhälfte orangenfarbig. Die Schwingen ſind weiß geſäumt und die großen Oberflügeldeckfedern weiß zugeſpitzt. Das Auge iſt orangegelb, der Schnabel und der Fuß ſind lichtgrau. Die Länge beträgt 7¾ Zoll, die Breite 12 Zoll. Bei jüngeren Männchen ſind die Farben bläſſer, die Jris iſt lichtbraun und der Oberſchnabel bräunlichſchwarz.
Der Baltimorevogel verbreitet ſich über Nordamerika bis zum 55. Grad nördlicher Breite und findet ſich vorzugsweiſe an Flußufern. Nach Audubon iſt er an geeigneten Orten ſehr häufig, während er andere nur auf dem Zuge berührt. Hügelige Landſchaften ſcheinen ihm vor Allem zuzuſagen. Er iſt ein Sommervogel, welcher mit Beginn des Frühlings paarweiſe im Lande eintrifft und dann bald- möglichſt zur Fortpflanzung ſchreitet. Sein Neſt iſt verſchieden, je nachdem das Land, in welchem der Vogel wohnt, heißer oder kälter iſt. Es wird an einem ſchlanken Zweige angehängt und ſehr künſt- lich gewebt. Jn den ſüdlichen Staaten Nordamerikas beſteht es nur aus ſogenanntem „ſpaniſchen Moſe‟, und iſt ſo locker gebaut, daß die Luft überall leicht hindurch dringen kann; das Jnnere enthält auch keine wärmenden Stoffe, ja der Bau wird ſogar auf der Nordſeite der Bäume angebracht. Jn den nördlichen Staaten hingegen wird es an Zweigen aufgehängt, welche den Strahlen der Sonne ausgeſetzt ſind, und innen mit den wärmſten und feinſten Stoffen ausgekleidet. Die Thiere richten ſich alſo ganz nach dem Klima ein. Der Bau des Neſtes geſchieht wie bei unſerm Pirol. Der Vogel fliegt zum Boden herab, ſucht ſich geeignete Stoffe, heftet das Ende derſelben mit Schnabel und Klauen an einen Zweig und verflicht das Ganze mit großer Kunſt durch einander. Gelegentlich des Neſtbaues wird der Baltimorevogel übrigens zuweilen läſtig. Die Frauen haben es dann nöthig, auf das Garn zu achten, welches ſie bleichen wollen; denn jener ſchleppt alle möglichen Fäden, welche er erlangen kann, ſeinem Neſte zu. Man hat oft Zwirnsſträhne oder Knäuel mit Seidenfäden im Neſtgewebe des Baltimorevogels gefunden und zwar immer ſo verſitzt, daß es ganz unmöglich war, die Fäden zu löſen.
Nachdem der Bau fertig iſt, legt das Weibchen vier oder ſechs Eier, welche auf blaßgrauem Grunde mit dunkleren Flecken, Punkten und Strichen bezeichnet ſind. Nach vierzehntägiger Bebrü- tung entſchlüpfen die Jungen; drei Wochen ſpäter ſind ſie flügge. Dann brütet, wenigſtens in den ſüdlichen Staaten, das Paar wohl noch einmal im Laufe des Sommers. Bevor die Jungen aus- fliegen, hängen ſie ſich oft an der Außenſeite des Neſtes an und ſchlüpfen aus und ein wie junge Spechte. Hierauf folgen ſie ihren Eltern etwa vierzehn Tage lang und werden während der Zeit von
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[288/0310]
Die Knacker. Rabenvögel. Stärlinge.
er ſich unverträglich und herrſchſüchtig. Auf der Sitzſtange, welche er eben einnimmt, duldet er keinen
Zweiten, und am Freßnapfe iſt er der unumſchränkte Herr. Erſt nachdem er ſich geſättigt hat, dür-
fen ſeine Genoſſen ſich nahen. Seinem Wärter ſcheint er eine gewiſſe Zuneigung an den Tag zu
legen; er unterſcheidet ihn wenigſtens beſtimmt von Fremden oder von ſolchen Perſonen, welche er
zwar häufig, jedoch nicht regelmäßig zu ſehen bekommt. Angeſichts Fremder läßt er ſelten einen
Laut vernehmen; wenn man ihn ſingen hören will, muß man ſich verſtecken, während er in Gegen-
wart des Wärters ſeinen Gefühlen keinen Zwang auflegt. Jedenfalls verdient er, mehr berückſichtigt
zu werden, als es bisher geſchehen iſt. Er hat ſich unter ſeinen Landeseingebornen nicht umſonſt
einen gewiſſen Ruhm erworben; denn er iſt in der That eine wahre Zierde des Gebauers.
Unter den nordamerikaniſchen Arten der Horde verdient der Baltimorevogel (Hyphantes Bal-
timore) als der bekannteſte der Erwähnung. Jn ſeinem Leibesbau iſt er dem eben beſchriebenen Süd-
amerikaner ſehr ähnlich; ſein Schnabel iſt jedoch auf der Firſte etwas gebogen, der Flügel verhältniß-
mäßig länger und der Schwanz etwas kürzer. Beim alten Männchen ſind Kopf, Vorderhals und
Nacken, die Schwingen und großen Flügeldeckfedern, ſo wie die mittelſten Steuerfedern ſchwarz, die
ganze Unterſeite, der Unterrücken und die kleinen Flügeldeckfedern aber glänzend orangegelb, die
Federn der Bruſt und des Rückens licht ſcharlachroth. Die ſeitlichen Steuerfedern ſind an der Wur-
zelhälfte ſchwarz, an der Spitzenhälfte orangenfarbig. Die Schwingen ſind weiß geſäumt und die
großen Oberflügeldeckfedern weiß zugeſpitzt. Das Auge iſt orangegelb, der Schnabel und der Fuß
ſind lichtgrau. Die Länge beträgt 7¾ Zoll, die Breite 12 Zoll. Bei jüngeren Männchen ſind die
Farben bläſſer, die Jris iſt lichtbraun und der Oberſchnabel bräunlichſchwarz.
Der Baltimorevogel verbreitet ſich über Nordamerika bis zum 55. Grad nördlicher Breite und
findet ſich vorzugsweiſe an Flußufern. Nach Audubon iſt er an geeigneten Orten ſehr häufig, während
er andere nur auf dem Zuge berührt. Hügelige Landſchaften ſcheinen ihm vor Allem zuzuſagen. Er
iſt ein Sommervogel, welcher mit Beginn des Frühlings paarweiſe im Lande eintrifft und dann bald-
möglichſt zur Fortpflanzung ſchreitet. Sein Neſt iſt verſchieden, je nachdem das Land, in welchem der
Vogel wohnt, heißer oder kälter iſt. Es wird an einem ſchlanken Zweige angehängt und ſehr künſt-
lich gewebt. Jn den ſüdlichen Staaten Nordamerikas beſteht es nur aus ſogenanntem „ſpaniſchen
Moſe‟, und iſt ſo locker gebaut, daß die Luft überall leicht hindurch dringen kann; das Jnnere enthält
auch keine wärmenden Stoffe, ja der Bau wird ſogar auf der Nordſeite der Bäume angebracht. Jn
den nördlichen Staaten hingegen wird es an Zweigen aufgehängt, welche den Strahlen der Sonne
ausgeſetzt ſind, und innen mit den wärmſten und feinſten Stoffen ausgekleidet. Die Thiere richten ſich
alſo ganz nach dem Klima ein. Der Bau des Neſtes geſchieht wie bei unſerm Pirol. Der Vogel
fliegt zum Boden herab, ſucht ſich geeignete Stoffe, heftet das Ende derſelben mit Schnabel und
Klauen an einen Zweig und verflicht das Ganze mit großer Kunſt durch einander. Gelegentlich des
Neſtbaues wird der Baltimorevogel übrigens zuweilen läſtig. Die Frauen haben es dann nöthig,
auf das Garn zu achten, welches ſie bleichen wollen; denn jener ſchleppt alle möglichen Fäden, welche
er erlangen kann, ſeinem Neſte zu. Man hat oft Zwirnsſträhne oder Knäuel mit Seidenfäden im
Neſtgewebe des Baltimorevogels gefunden und zwar immer ſo verſitzt, daß es ganz unmöglich war,
die Fäden zu löſen.
Nachdem der Bau fertig iſt, legt das Weibchen vier oder ſechs Eier, welche auf blaßgrauem
Grunde mit dunkleren Flecken, Punkten und Strichen bezeichnet ſind. Nach vierzehntägiger Bebrü-
tung entſchlüpfen die Jungen; drei Wochen ſpäter ſind ſie flügge. Dann brütet, wenigſtens in den
ſüdlichen Staaten, das Paar wohl noch einmal im Laufe des Sommers. Bevor die Jungen aus-
fliegen, hängen ſie ſich oft an der Außenſeite des Neſtes an und ſchlüpfen aus und ein wie junge
Spechte. Hierauf folgen ſie ihren Eltern etwa vierzehn Tage lang und werden während der Zeit von
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/310>, abgerufen am 22.11.2024.
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