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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Rabenvögel. Stärlinge.
mit umberbraunen Flecken und kurzen Strichen bezeichnet, am dichtesten gegen das dickere Ende hin.
Nach Audubon legt der Kuhvogel niemals mehr als ein Ei in ein Nest, zweifelsohne ihrer aber
mehrere in Verlauf der Brutzeit. Nach ungefähr vierzehntägiger Bebrütung schlüpft der junge Vogel
aus und zwar immer zuerst (?). Daher kommt es, daß die übrigen Eier von den eigenen Eltern
vernachläßigt werden; denn das Pfleglingskind nimmt fortan ihre ausschließliche Sorgfalt in Anspruch.
Die treuen Pflegeeltern geben sich die größte Mühe, es groß zu ziehen und beweisen ihm gegenüber
alle ihre Zärtlichkeit und Aufopferungsfähigkeit. Auch der ausgeflogene Kuhvogel läßt sich noch
lange füttern, sobald er aber selbständig geworden ist, verläßt er rücksichtslos seine Pflegeeltern.

Wilson erzählt folgende allerliebste Geschichte. "Jm Monat Juni hob ich einen jungen Kuh-
vogel aus dem Neste seiner Pflegeeltern, nahm ihn mit mir nach Haus und steckte ihn mit einem
Rothvogel in einen Käfig zusammen. Der Kardinal betrachtete den neuen Ankömmling einige
Minuten lang mit großer Neugierde, bis dieser kläglich nach Futter schrie. Von diesem Augenblicke
an nahm sich der Rothvogel seiner an und fütterte ihn mit aller Emsigkeit und Zärtlichkeit einer liebe-
vollen Pflegemutter. Als er fand, daß ein Heimchen, welches er seinem Pflegling gebracht, zu groß
war und von diesem nicht verschlungen werden konnte, zerriß er es in kleinere Stücke, kaute diese ein
wenig, um sie zu erweichen und steckte sie ihm mit der möglichsten Schonung und Zartheit einzeln in den
Mund. Oefters betrachtete und untersuchte er ihn mehrere Minuten lang von allen Seiten und pickte
kleine Schmuzklümpchen weg, welche er am Gefieder seines Lieblings bemerkte. Er lockte und ermun-
terte ihn zum Fressen; er suchte ihn auf jede Weise selbständig zu machen. Jetzt, während ich
diese Zeilen schreibe, ist der Kuhvogel sechs Monate alt, hat sein vollständiges Gefieder erlangt und
vergilt die liebevollen Dienste seines Pflegers durch ofte Wiederholung seines Gesanges. Dieser ist
allerdings nichts weniger als bezaubernd; er verdient jedoch wegen seiner Sonderbarkeit erwähnt zu
werden. Der Sänger spreizt seine Flügel aus, schwellt seinen Körper zu einer Kugelgestalt an, richtet
jede Feder wie ein Truthahn auf und stößt, anscheinend mit großer Anstrengung, einige tiefe und
holprige Töne aus, tritt auch dabei jedesmal mit großer Bedeutsamkeit vor den Rothvogel hin, welcher
ihm aufmerksam zuzuhören scheint, obgleich er ein ausgezeichneter Sänger ist, und an diesen gurgeln-
den Kehltönen gewiß nur das Wohlgefallen finden kann, welches Darlegung der Liebe und Dankbar-
keit dem Herzen bereitet."



Eine zweite Horde unserer Familie umfaßt die Gilbvögel (Icteri). Sie unterscheiden sich
von den vorhergehenden durch beträchtlichere Größe, einen langen, schlanken, fein zugespitzten Schnabel
mit gerader Firste, mäßig lange Flügel, aber langen, abgerundeten, seitlich stufig verkürzten Schwanz,
kräftige Beine mit ziemlich starken Zehen und hohen, scharf gekrümmten Krallen, sowie endlich durch
ein weiches Gefieder von vorherrschend gelber Farbe. Die Weibchen unterscheiden sich wenig von den
Männchen, und die Jungen haben niemals die ammerartige Zeichnung des Gefieders, wie die Mit-
glieder der vorhergehenden Gruppe.

Die Gilbvögel bewohnen vorzugsweise die südliche Hälfte Amerikas, ohne jedoch im Norden zu
fehlen. Jhre Gesellschaften beleben die Gebüsche und Wälder, und ihre oft sehr reichhaltigen Lieder
erfreuen den Ansiedler wie den Jäger inmitten des Waldes. Jhre Nahrung besteht aus Kerbthieren
und Früchten; zu gewissen Zeiten verzehren auch sie Körner mancherlei Art. Sie suchen hauptsächlich
nach weichen Maden und Larven auf dem Boden, durchstöbern deshalb gelegentlich den Mist und wer-
den demzufolge von den Brasilianern trotz ihres schönen Gefieders wohl auch mit dem Namen Mist-
wälzer belegt. Unter den Staaren sind sie Dasselbe, was die Webervögel unter den Finken: die Erbauer
äußerst künstlicher Nester, welche ebenfalls, und oft in großer Anzahl, auf ein und demselben Baume
aufgehängt werden. Fast alle Arten sind geschätzte Stubenvögel, sie empfehlen sich durch die Schön-
heit ihres Gefieders, durch ihr lebhaftes Betragen und durch ihren reichen Gesang.

Die Knacker. Rabenvögel. Stärlinge.
mit umberbraunen Flecken und kurzen Strichen bezeichnet, am dichteſten gegen das dickere Ende hin.
Nach Audubon legt der Kuhvogel niemals mehr als ein Ei in ein Neſt, zweifelsohne ihrer aber
mehrere in Verlauf der Brutzeit. Nach ungefähr vierzehntägiger Bebrütung ſchlüpft der junge Vogel
aus und zwar immer zuerſt (?). Daher kommt es, daß die übrigen Eier von den eigenen Eltern
vernachläßigt werden; denn das Pfleglingskind nimmt fortan ihre ausſchließliche Sorgfalt in Anſpruch.
Die treuen Pflegeeltern geben ſich die größte Mühe, es groß zu ziehen und beweiſen ihm gegenüber
alle ihre Zärtlichkeit und Aufopferungsfähigkeit. Auch der ausgeflogene Kuhvogel läßt ſich noch
lange füttern, ſobald er aber ſelbſtändig geworden iſt, verläßt er rückſichtslos ſeine Pflegeeltern.

Wilſon erzählt folgende allerliebſte Geſchichte. „Jm Monat Juni hob ich einen jungen Kuh-
vogel aus dem Neſte ſeiner Pflegeeltern, nahm ihn mit mir nach Haus und ſteckte ihn mit einem
Rothvogel in einen Käfig zuſammen. Der Kardinal betrachtete den neuen Ankömmling einige
Minuten lang mit großer Neugierde, bis dieſer kläglich nach Futter ſchrie. Von dieſem Augenblicke
an nahm ſich der Rothvogel ſeiner an und fütterte ihn mit aller Emſigkeit und Zärtlichkeit einer liebe-
vollen Pflegemutter. Als er fand, daß ein Heimchen, welches er ſeinem Pflegling gebracht, zu groß
war und von dieſem nicht verſchlungen werden konnte, zerriß er es in kleinere Stücke, kaute dieſe ein
wenig, um ſie zu erweichen und ſteckte ſie ihm mit der möglichſten Schonung und Zartheit einzeln in den
Mund. Oefters betrachtete und unterſuchte er ihn mehrere Minuten lang von allen Seiten und pickte
kleine Schmuzklümpchen weg, welche er am Gefieder ſeines Lieblings bemerkte. Er lockte und ermun-
terte ihn zum Freſſen; er ſuchte ihn auf jede Weiſe ſelbſtändig zu machen. Jetzt, während ich
dieſe Zeilen ſchreibe, iſt der Kuhvogel ſechs Monate alt, hat ſein vollſtändiges Gefieder erlangt und
vergilt die liebevollen Dienſte ſeines Pflegers durch ofte Wiederholung ſeines Geſanges. Dieſer iſt
allerdings nichts weniger als bezaubernd; er verdient jedoch wegen ſeiner Sonderbarkeit erwähnt zu
werden. Der Sänger ſpreizt ſeine Flügel aus, ſchwellt ſeinen Körper zu einer Kugelgeſtalt an, richtet
jede Feder wie ein Truthahn auf und ſtößt, anſcheinend mit großer Anſtrengung, einige tiefe und
holprige Töne aus, tritt auch dabei jedesmal mit großer Bedeutſamkeit vor den Rothvogel hin, welcher
ihm aufmerkſam zuzuhören ſcheint, obgleich er ein ausgezeichneter Sänger iſt, und an dieſen gurgeln-
den Kehltönen gewiß nur das Wohlgefallen finden kann, welches Darlegung der Liebe und Dankbar-
keit dem Herzen bereitet.‟



Eine zweite Horde unſerer Familie umfaßt die Gilbvögel (Icteri). Sie unterſcheiden ſich
von den vorhergehenden durch beträchtlichere Größe, einen langen, ſchlanken, fein zugeſpitzten Schnabel
mit gerader Firſte, mäßig lange Flügel, aber langen, abgerundeten, ſeitlich ſtufig verkürzten Schwanz,
kräftige Beine mit ziemlich ſtarken Zehen und hohen, ſcharf gekrümmten Krallen, ſowie endlich durch
ein weiches Gefieder von vorherrſchend gelber Farbe. Die Weibchen unterſcheiden ſich wenig von den
Männchen, und die Jungen haben niemals die ammerartige Zeichnung des Gefieders, wie die Mit-
glieder der vorhergehenden Gruppe.

Die Gilbvögel bewohnen vorzugsweiſe die ſüdliche Hälfte Amerikas, ohne jedoch im Norden zu
fehlen. Jhre Geſellſchaften beleben die Gebüſche und Wälder, und ihre oft ſehr reichhaltigen Lieder
erfreuen den Anſiedler wie den Jäger inmitten des Waldes. Jhre Nahrung beſteht aus Kerbthieren
und Früchten; zu gewiſſen Zeiten verzehren auch ſie Körner mancherlei Art. Sie ſuchen hauptſächlich
nach weichen Maden und Larven auf dem Boden, durchſtöbern deshalb gelegentlich den Miſt und wer-
den demzufolge von den Braſilianern trotz ihres ſchönen Gefieders wohl auch mit dem Namen Miſt-
wälzer belegt. Unter den Staaren ſind ſie Daſſelbe, was die Webervögel unter den Finken: die Erbauer
äußerſt künſtlicher Neſter, welche ebenfalls, und oft in großer Anzahl, auf ein und demſelben Baume
aufgehängt werden. Faſt alle Arten ſind geſchätzte Stubenvögel, ſie empfehlen ſich durch die Schön-
heit ihres Gefieders, durch ihr lebhaftes Betragen und durch ihren reichen Geſang.

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[286/0308] Die Knacker. Rabenvögel. Stärlinge. mit umberbraunen Flecken und kurzen Strichen bezeichnet, am dichteſten gegen das dickere Ende hin. Nach Audubon legt der Kuhvogel niemals mehr als ein Ei in ein Neſt, zweifelsohne ihrer aber mehrere in Verlauf der Brutzeit. Nach ungefähr vierzehntägiger Bebrütung ſchlüpft der junge Vogel aus und zwar immer zuerſt (?). Daher kommt es, daß die übrigen Eier von den eigenen Eltern vernachläßigt werden; denn das Pfleglingskind nimmt fortan ihre ausſchließliche Sorgfalt in Anſpruch. Die treuen Pflegeeltern geben ſich die größte Mühe, es groß zu ziehen und beweiſen ihm gegenüber alle ihre Zärtlichkeit und Aufopferungsfähigkeit. Auch der ausgeflogene Kuhvogel läßt ſich noch lange füttern, ſobald er aber ſelbſtändig geworden iſt, verläßt er rückſichtslos ſeine Pflegeeltern. Wilſon erzählt folgende allerliebſte Geſchichte. „Jm Monat Juni hob ich einen jungen Kuh- vogel aus dem Neſte ſeiner Pflegeeltern, nahm ihn mit mir nach Haus und ſteckte ihn mit einem Rothvogel in einen Käfig zuſammen. Der Kardinal betrachtete den neuen Ankömmling einige Minuten lang mit großer Neugierde, bis dieſer kläglich nach Futter ſchrie. Von dieſem Augenblicke an nahm ſich der Rothvogel ſeiner an und fütterte ihn mit aller Emſigkeit und Zärtlichkeit einer liebe- vollen Pflegemutter. Als er fand, daß ein Heimchen, welches er ſeinem Pflegling gebracht, zu groß war und von dieſem nicht verſchlungen werden konnte, zerriß er es in kleinere Stücke, kaute dieſe ein wenig, um ſie zu erweichen und ſteckte ſie ihm mit der möglichſten Schonung und Zartheit einzeln in den Mund. Oefters betrachtete und unterſuchte er ihn mehrere Minuten lang von allen Seiten und pickte kleine Schmuzklümpchen weg, welche er am Gefieder ſeines Lieblings bemerkte. Er lockte und ermun- terte ihn zum Freſſen; er ſuchte ihn auf jede Weiſe ſelbſtändig zu machen. Jetzt, während ich dieſe Zeilen ſchreibe, iſt der Kuhvogel ſechs Monate alt, hat ſein vollſtändiges Gefieder erlangt und vergilt die liebevollen Dienſte ſeines Pflegers durch ofte Wiederholung ſeines Geſanges. Dieſer iſt allerdings nichts weniger als bezaubernd; er verdient jedoch wegen ſeiner Sonderbarkeit erwähnt zu werden. Der Sänger ſpreizt ſeine Flügel aus, ſchwellt ſeinen Körper zu einer Kugelgeſtalt an, richtet jede Feder wie ein Truthahn auf und ſtößt, anſcheinend mit großer Anſtrengung, einige tiefe und holprige Töne aus, tritt auch dabei jedesmal mit großer Bedeutſamkeit vor den Rothvogel hin, welcher ihm aufmerkſam zuzuhören ſcheint, obgleich er ein ausgezeichneter Sänger iſt, und an dieſen gurgeln- den Kehltönen gewiß nur das Wohlgefallen finden kann, welches Darlegung der Liebe und Dankbar- keit dem Herzen bereitet.‟ Eine zweite Horde unſerer Familie umfaßt die Gilbvögel (Icteri). Sie unterſcheiden ſich von den vorhergehenden durch beträchtlichere Größe, einen langen, ſchlanken, fein zugeſpitzten Schnabel mit gerader Firſte, mäßig lange Flügel, aber langen, abgerundeten, ſeitlich ſtufig verkürzten Schwanz, kräftige Beine mit ziemlich ſtarken Zehen und hohen, ſcharf gekrümmten Krallen, ſowie endlich durch ein weiches Gefieder von vorherrſchend gelber Farbe. Die Weibchen unterſcheiden ſich wenig von den Männchen, und die Jungen haben niemals die ammerartige Zeichnung des Gefieders, wie die Mit- glieder der vorhergehenden Gruppe. Die Gilbvögel bewohnen vorzugsweiſe die ſüdliche Hälfte Amerikas, ohne jedoch im Norden zu fehlen. Jhre Geſellſchaften beleben die Gebüſche und Wälder, und ihre oft ſehr reichhaltigen Lieder erfreuen den Anſiedler wie den Jäger inmitten des Waldes. Jhre Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Früchten; zu gewiſſen Zeiten verzehren auch ſie Körner mancherlei Art. Sie ſuchen hauptſächlich nach weichen Maden und Larven auf dem Boden, durchſtöbern deshalb gelegentlich den Miſt und wer- den demzufolge von den Braſilianern trotz ihres ſchönen Gefieders wohl auch mit dem Namen Miſt- wälzer belegt. Unter den Staaren ſind ſie Daſſelbe, was die Webervögel unter den Finken: die Erbauer äußerſt künſtlicher Neſter, welche ebenfalls, und oft in großer Anzahl, auf ein und demſelben Baume aufgehängt werden. Faſt alle Arten ſind geſchätzte Stubenvögel, ſie empfehlen ſich durch die Schön- heit ihres Gefieders, durch ihr lebhaftes Betragen und durch ihren reichen Geſang.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/308>, abgerufen am 25.11.2024.