kannte man wahrscheinlich nur indische Arten; später mögen wohl auch die afrikanischen Papageien eingeführt worden sein. Um die Zeit der Kreuzzüge schmückten sie die Käfige in den Häusern reicher Leute unseres Vaterlandes und wurden auch hier zum Sprechen abgerichtet, wie Christian von Hameln mittheilt, welcher singt:
"Jch wolte, daz der anger sprechen solte als der sylich in den glas."
Jn Amerika fanden die ersten Entdecker gezähmte Papageien in den Hütten der Eingeborenen, wie Dies heutigen Tages auch noch der Fall. Von Schomburgk erfahren wir, daß man die Vögel in ihren Heimatsländern frei fliegen läßt, ohne ihnen die Flügel zu stutzen. "Jch sah mehrere", schreibt er, "welche sich des Morgens unter die Flüge der wilden mischten, die über das Dorf hin- wegflogen und bei der Rückkehr am Abend sich wieder auf die Hütte ihres Herrn niederließen." -- "Wir sahen", heißt es an einer andern Stelle des anziehenden Werkes dieses ausgezeichneten Reisen- den, "mehrere vereinzelte Bäume, welche mit ungewöhnlich großen gelben Blüthen bedeckt zu sein schienen. Schon wurde die Hoffnung in mir rege, daß meiner hier eine neue botanische Entdeckung harre, als ich plötzlich bemerkte, daß sich die vermeintlichen Blüthen bewegten und ihren Standort veränderten: -- es waren zahme Kessi-Kessi-Papageien (Conurus solstitialis), die sich bei unserer Annäherung unter einem wahren Höllenlärm erhoben und nach einer der nahen Hütten flogen." Aus Schomburgk's Erzählungen geht hervor, daß zu den indianischen Niederlassungen im Walde die Papageien gehören, wie zu unsern Bauernhöfen die Hühner. Nur nehmen die Affenvögel weit inni- geren Antheil an dem menschlichen Treiben, als unser Hausgeflügel Dies zu thun pflegt. "Auffal- lend ist die Zuneigung der zahmen Papageien und Affen gegen Kinder. Jch habe selten einen Kreis spielender Jndianerkinder bemerkt, dem sich nicht auch Affen und Papageien beigesellt gehabt hätten. Diese lernen bald alle Stimmen ihrer Umgebungen nachahmen, das Krähen der Hähne, das Bellen der Hunde, das Weinen der Kinder, Lachen etc."
Jm Vergleich zu solchem Gefangenleben hat der für Europa bestimmte Papagei freilich ein trau- riges Loos. Am übelsten ergeht es ihm, bevor er den Ort seiner Bestimmung erreicht. Der Jn- dianer des Urwaldes, welcher ihn fing, um ihn gegen die Erzeugnisse Europas zu vertauschen, über- gibt ihn in der ersten besten Hafenstadt den Händen eines Matrosen, welcher weder von der Pflege, noch von der einem derartigen Vogel ersprießlichen Nahrung das geringste weiß. Kaum mehr, als die Hälfte aller Papageien, welche an Bord eines Schiffes gebracht werden, überstehen die weite Seereise, und von denen, welche glücklich in Europa angelangt sind, gehen auch noch viele in den dunklen, schmuzigen, verpesteten Buden der Händler zu Grunde. Erst wenn der Vogel in geeignete Pflege kommt, bessert sich sein Schicksal: er ist dann aber oft leutescheu, mißtrauisch, heftig und un- artig geworden und verliert erst nach längerer Behandlung das Herbe seines Wesens.
Aber er ist klug und lernt es noch immer bald genug, sich in die veränderten Umstände zu fin- den. Zunächst gewöhnt er sich an allerlei Kost. Anstatt der saftigen Früchte und der Körner seiner heimatlichen Wälder werden ihm die Nahrungsmittel des Menschen geboten. Sie behagen ihm um so besser, jemehr von ihnen er kennen lernt. Anfänglich genügt ihm Hanf oder Kanariensamen, bald aber wird er lecker. Durch Darreichung von Süßigkeiten wird er zum verwöhnten Schlecker, welcher mit einfacher Nahrung sich nicht mehr begnügt. Man kann ihn an fast alle Stoffe gewöhnen, welche der Mensch genießt, auch an Kaffee, Thee, Wein, Bier und dergleichen: er berauscht sich sogar durch Genuß geistiger Getränke. Blos auf die kleinen australischen Graspapageien paßt vorstehende Schilderung nicht; sie verschmähen außer ihrem Körnerfutter und Kräuterblättern andere Nahrung. Es wird behauptet, daß Fleischnahrung, welche man unsern Vögeln reicht, die Ursache einer Unart der- selben ist. Viele gefangene Papageien nämlich ziehen sich selbst ihre Federn aus, rupfen sich zuweilen vollständig kahl. Sie verfolgen die hervorsprossende Feder mit einem gewissen Eifer und lassen sich durch keine Strafe, gegen welche sie sonst höchst empfindlich sind, von ihrem Beginnen abschrecken.
Brehm, Thierleben. III. 2
Zähmung. Pflege.
kannte man wahrſcheinlich nur indiſche Arten; ſpäter mögen wohl auch die afrikaniſchen Papageien eingeführt worden ſein. Um die Zeit der Kreuzzüge ſchmückten ſie die Käfige in den Häuſern reicher Leute unſeres Vaterlandes und wurden auch hier zum Sprechen abgerichtet, wie Chriſtian von Hameln mittheilt, welcher ſingt:
„Jch wolte, daz der anger ſprechen ſolte als der ſylich in den glas.‟
Jn Amerika fanden die erſten Entdecker gezähmte Papageien in den Hütten der Eingeborenen, wie Dies heutigen Tages auch noch der Fall. Von Schomburgk erfahren wir, daß man die Vögel in ihren Heimatsländern frei fliegen läßt, ohne ihnen die Flügel zu ſtutzen. „Jch ſah mehrere‟, ſchreibt er, „welche ſich des Morgens unter die Flüge der wilden miſchten, die über das Dorf hin- wegflogen und bei der Rückkehr am Abend ſich wieder auf die Hütte ihres Herrn niederließen.‟ — „Wir ſahen‟, heißt es an einer andern Stelle des anziehenden Werkes dieſes ausgezeichneten Reiſen- den, „mehrere vereinzelte Bäume, welche mit ungewöhnlich großen gelben Blüthen bedeckt zu ſein ſchienen. Schon wurde die Hoffnung in mir rege, daß meiner hier eine neue botaniſche Entdeckung harre, als ich plötzlich bemerkte, daß ſich die vermeintlichen Blüthen bewegten und ihren Standort veränderten: — es waren zahme Keſſi-Keſſi-Papageien (Conurus solstitialis), die ſich bei unſerer Annäherung unter einem wahren Höllenlärm erhoben und nach einer der nahen Hütten flogen.‟ Aus Schomburgk’s Erzählungen geht hervor, daß zu den indianiſchen Niederlaſſungen im Walde die Papageien gehören, wie zu unſern Bauernhöfen die Hühner. Nur nehmen die Affenvögel weit inni- geren Antheil an dem menſchlichen Treiben, als unſer Hausgeflügel Dies zu thun pflegt. „Auffal- lend iſt die Zuneigung der zahmen Papageien und Affen gegen Kinder. Jch habe ſelten einen Kreis ſpielender Jndianerkinder bemerkt, dem ſich nicht auch Affen und Papageien beigeſellt gehabt hätten. Dieſe lernen bald alle Stimmen ihrer Umgebungen nachahmen, das Krähen der Hähne, das Bellen der Hunde, das Weinen der Kinder, Lachen ꝛc.‟
Jm Vergleich zu ſolchem Gefangenleben hat der für Europa beſtimmte Papagei freilich ein trau- riges Loos. Am übelſten ergeht es ihm, bevor er den Ort ſeiner Beſtimmung erreicht. Der Jn- dianer des Urwaldes, welcher ihn fing, um ihn gegen die Erzeugniſſe Europas zu vertauſchen, über- gibt ihn in der erſten beſten Hafenſtadt den Händen eines Matroſen, welcher weder von der Pflege, noch von der einem derartigen Vogel erſprießlichen Nahrung das geringſte weiß. Kaum mehr, als die Hälfte aller Papageien, welche an Bord eines Schiffes gebracht werden, überſtehen die weite Seereiſe, und von denen, welche glücklich in Europa angelangt ſind, gehen auch noch viele in den dunklen, ſchmuzigen, verpeſteten Buden der Händler zu Grunde. Erſt wenn der Vogel in geeignete Pflege kommt, beſſert ſich ſein Schickſal: er iſt dann aber oft leuteſcheu, mißtrauiſch, heftig und un- artig geworden und verliert erſt nach längerer Behandlung das Herbe ſeines Weſens.
Aber er iſt klug und lernt es noch immer bald genug, ſich in die veränderten Umſtände zu fin- den. Zunächſt gewöhnt er ſich an allerlei Koſt. Anſtatt der ſaftigen Früchte und der Körner ſeiner heimatlichen Wälder werden ihm die Nahrungsmittel des Menſchen geboten. Sie behagen ihm um ſo beſſer, jemehr von ihnen er kennen lernt. Anfänglich genügt ihm Hanf oder Kanarienſamen, bald aber wird er lecker. Durch Darreichung von Süßigkeiten wird er zum verwöhnten Schlecker, welcher mit einfacher Nahrung ſich nicht mehr begnügt. Man kann ihn an faſt alle Stoffe gewöhnen, welche der Menſch genießt, auch an Kaffee, Thee, Wein, Bier und dergleichen: er berauſcht ſich ſogar durch Genuß geiſtiger Getränke. Blos auf die kleinen auſtraliſchen Graspapageien paßt vorſtehende Schilderung nicht; ſie verſchmähen außer ihrem Körnerfutter und Kräuterblättern andere Nahrung. Es wird behauptet, daß Fleiſchnahrung, welche man unſern Vögeln reicht, die Urſache einer Unart der- ſelben iſt. Viele gefangene Papageien nämlich ziehen ſich ſelbſt ihre Federn aus, rupfen ſich zuweilen vollſtändig kahl. Sie verfolgen die hervorſproſſende Feder mit einem gewiſſen Eifer und laſſen ſich durch keine Strafe, gegen welche ſie ſonſt höchſt empfindlich ſind, von ihrem Beginnen abſchrecken.
Brehm, Thierleben. III. 2
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[17/0029]
Zähmung. Pflege.
kannte man wahrſcheinlich nur indiſche Arten; ſpäter mögen wohl auch die afrikaniſchen Papageien
eingeführt worden ſein. Um die Zeit der Kreuzzüge ſchmückten ſie die Käfige in den Häuſern reicher
Leute unſeres Vaterlandes und wurden auch hier zum Sprechen abgerichtet, wie Chriſtian von
Hameln mittheilt, welcher ſingt:
„Jch wolte, daz der anger ſprechen ſolte
als der ſylich in den glas.‟
Jn Amerika fanden die erſten Entdecker gezähmte Papageien in den Hütten der Eingeborenen,
wie Dies heutigen Tages auch noch der Fall. Von Schomburgk erfahren wir, daß man die Vögel
in ihren Heimatsländern frei fliegen läßt, ohne ihnen die Flügel zu ſtutzen. „Jch ſah mehrere‟,
ſchreibt er, „welche ſich des Morgens unter die Flüge der wilden miſchten, die über das Dorf hin-
wegflogen und bei der Rückkehr am Abend ſich wieder auf die Hütte ihres Herrn niederließen.‟ —
„Wir ſahen‟, heißt es an einer andern Stelle des anziehenden Werkes dieſes ausgezeichneten Reiſen-
den, „mehrere vereinzelte Bäume, welche mit ungewöhnlich großen gelben Blüthen bedeckt zu ſein
ſchienen. Schon wurde die Hoffnung in mir rege, daß meiner hier eine neue botaniſche Entdeckung
harre, als ich plötzlich bemerkte, daß ſich die vermeintlichen Blüthen bewegten und ihren Standort
veränderten: — es waren zahme Keſſi-Keſſi-Papageien (Conurus solstitialis), die ſich bei unſerer
Annäherung unter einem wahren Höllenlärm erhoben und nach einer der nahen Hütten flogen.‟ Aus
Schomburgk’s Erzählungen geht hervor, daß zu den indianiſchen Niederlaſſungen im Walde die
Papageien gehören, wie zu unſern Bauernhöfen die Hühner. Nur nehmen die Affenvögel weit inni-
geren Antheil an dem menſchlichen Treiben, als unſer Hausgeflügel Dies zu thun pflegt. „Auffal-
lend iſt die Zuneigung der zahmen Papageien und Affen gegen Kinder. Jch habe ſelten einen Kreis
ſpielender Jndianerkinder bemerkt, dem ſich nicht auch Affen und Papageien beigeſellt gehabt hätten.
Dieſe lernen bald alle Stimmen ihrer Umgebungen nachahmen, das Krähen der Hähne, das Bellen
der Hunde, das Weinen der Kinder, Lachen ꝛc.‟
Jm Vergleich zu ſolchem Gefangenleben hat der für Europa beſtimmte Papagei freilich ein trau-
riges Loos. Am übelſten ergeht es ihm, bevor er den Ort ſeiner Beſtimmung erreicht. Der Jn-
dianer des Urwaldes, welcher ihn fing, um ihn gegen die Erzeugniſſe Europas zu vertauſchen, über-
gibt ihn in der erſten beſten Hafenſtadt den Händen eines Matroſen, welcher weder von der Pflege,
noch von der einem derartigen Vogel erſprießlichen Nahrung das geringſte weiß. Kaum mehr, als
die Hälfte aller Papageien, welche an Bord eines Schiffes gebracht werden, überſtehen die weite
Seereiſe, und von denen, welche glücklich in Europa angelangt ſind, gehen auch noch viele in den
dunklen, ſchmuzigen, verpeſteten Buden der Händler zu Grunde. Erſt wenn der Vogel in geeignete
Pflege kommt, beſſert ſich ſein Schickſal: er iſt dann aber oft leuteſcheu, mißtrauiſch, heftig und un-
artig geworden und verliert erſt nach längerer Behandlung das Herbe ſeines Weſens.
Aber er iſt klug und lernt es noch immer bald genug, ſich in die veränderten Umſtände zu fin-
den. Zunächſt gewöhnt er ſich an allerlei Koſt. Anſtatt der ſaftigen Früchte und der Körner ſeiner
heimatlichen Wälder werden ihm die Nahrungsmittel des Menſchen geboten. Sie behagen ihm um ſo
beſſer, jemehr von ihnen er kennen lernt. Anfänglich genügt ihm Hanf oder Kanarienſamen, bald
aber wird er lecker. Durch Darreichung von Süßigkeiten wird er zum verwöhnten Schlecker, welcher
mit einfacher Nahrung ſich nicht mehr begnügt. Man kann ihn an faſt alle Stoffe gewöhnen, welche
der Menſch genießt, auch an Kaffee, Thee, Wein, Bier und dergleichen: er berauſcht ſich ſogar durch
Genuß geiſtiger Getränke. Blos auf die kleinen auſtraliſchen Graspapageien paßt vorſtehende
Schilderung nicht; ſie verſchmähen außer ihrem Körnerfutter und Kräuterblättern andere Nahrung. Es
wird behauptet, daß Fleiſchnahrung, welche man unſern Vögeln reicht, die Urſache einer Unart der-
ſelben iſt. Viele gefangene Papageien nämlich ziehen ſich ſelbſt ihre Federn aus, rupfen ſich zuweilen
vollſtändig kahl. Sie verfolgen die hervorſproſſende Feder mit einem gewiſſen Eifer und laſſen ſich
durch keine Strafe, gegen welche ſie ſonſt höchſt empfindlich ſind, von ihrem Beginnen abſchrecken.
Brehm, Thierleben. III. 2
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/29>, abgerufen am 24.11.2024.
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