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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Wüstenlerche.

Jch habe die Wüstenlerche während meines Aufenthalts in Afrika in ganz Egypten und Rubien
überall in der Wüste angetroffen, selbst inmitten der großen Sandstrecken, welche der Araber sehr
bezeichnend Hammadas, d. h. die durchglühten, nennt. Sie meidet das bebaute Land und findet
sich erst da, wo der dürre Sand der belebenden Kraft des Wassers zu spotten scheint. Der Wüste
gehört sie vollständig und ausschließlich an, hier aber ist sie häufig.

Jch habe den lieblichen Vogel früher schon in meinen "Ergebnissen u. s. w." beschrieben und weiß
dem dort Gesagten nichts Neues hinzuzufügen. Deshalb mag es mir nachgesehen werden, wenn ich
die bereits gebrauchten Worte wiederhole: Jhren Ruf vernimmt man schon in Oberegypten, sobald
man den Fuß über den letzten Damm setzt, mit welchem man die dem Strom enthobenen fruchtbaren
Fluten vor dem gierig nach ihnen verlangenden Sande schützt; sie ist es, welcher man zwischen den
großartigen Zeichen vergangener Zeiten des Pharaonenlandes, in den Tempelrninen, begegnet: sie
waltet wie ein aus alter Zeit zurückgelassener, verwandelter Priester der Jsis in den hehren Räumen;
sie ist es aber auch, welche im Zelte des braunen Nomaden förmlich zum Hausvogel geworden ist.

Die Wüstenlerche ist ein liebenswürdiges, aber ein stilles, ernstes Thierchen. Lauf und Flug

[Abbildung] Die Wüstenlerche (Ammomanes deserti).
sind behend und gewandt; denn die arme Wüste verlangt derartige leibliche Befähigung von ihren
Kindern, -- aber das ganze Wesen des Vogels steht nicht im Einklang mit solcher Begabung, und der
gewöhnliche Lockruf hat etwas so Schwermüthiges, daß man über diesen Eindruck fast den ihm eigenen
Wohllaut vergißt.

Unsere Lerche lebt paarweise, aber mit anderen ihrer Art friedlich zusammen. Zuweilen schart
sie sich mit diesen in große Flüge. Sie ist eins der anspruchlosesten Geschöpfe, welche ich kenne. Einige
hundert Geviertellen Sandfläche, ein paar Steine darauf und ein wenig dürftiges Riedgras zwischen
ihnen genügen ihr, und vergeblich fragt man sich, wie solcher, dem menschlichen Auge vollkommen todt
erscheinender Wohnsitz dem Vogel Heimat sein kann, wie er ihn ernähren könne. Und doch muß Dies
der Fall sein: denn jedes Paar hängt treu an dem einmal erwählten Wohnorte. Wenn man diesen
mehrere Tage nach einander besucht, wird man die Lerche fast immer an derselben Stelle, ja an dem-
selben Steine finden.

Jn den ersten Monaten des Jahres schreitet die Wüstenlerche zur Fortpflanzung. Jhr Nest
steht höchst wahrscheinlich in Steinspalten. Es hält außerordentlich schwer, es zu finden; mir wenig-
stens ist Dies, trotz des eifrigsten Suchens, nicht gelungen. Das Männchen bekundet die Zeit seiner

Wüſtenlerche.

Jch habe die Wüſtenlerche während meines Aufenthalts in Afrika in ganz Egypten und Rubien
überall in der Wüſte angetroffen, ſelbſt inmitten der großen Sandſtrecken, welche der Araber ſehr
bezeichnend Hammadas, d. h. die durchglühten, nennt. Sie meidet das bebaute Land und findet
ſich erſt da, wo der dürre Sand der belebenden Kraft des Waſſers zu ſpotten ſcheint. Der Wüſte
gehört ſie vollſtändig und ausſchließlich an, hier aber iſt ſie häufig.

Jch habe den lieblichen Vogel früher ſchon in meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ beſchrieben und weiß
dem dort Geſagten nichts Neues hinzuzufügen. Deshalb mag es mir nachgeſehen werden, wenn ich
die bereits gebrauchten Worte wiederhole: Jhren Ruf vernimmt man ſchon in Oberegypten, ſobald
man den Fuß über den letzten Damm ſetzt, mit welchem man die dem Strom enthobenen fruchtbaren
Fluten vor dem gierig nach ihnen verlangenden Sande ſchützt; ſie iſt es, welcher man zwiſchen den
großartigen Zeichen vergangener Zeiten des Pharaonenlandes, in den Tempelrninen, begegnet: ſie
waltet wie ein aus alter Zeit zurückgelaſſener, verwandelter Prieſter der Jſis in den hehren Räumen;
ſie iſt es aber auch, welche im Zelte des braunen Nomaden förmlich zum Hausvogel geworden iſt.

Die Wüſtenlerche iſt ein liebenswürdiges, aber ein ſtilles, ernſtes Thierchen. Lauf und Flug

[Abbildung] Die Wüſtenlerche (Ammomanes deserti).
ſind behend und gewandt; denn die arme Wüſte verlangt derartige leibliche Befähigung von ihren
Kindern, — aber das ganze Weſen des Vogels ſteht nicht im Einklang mit ſolcher Begabung, und der
gewöhnliche Lockruf hat etwas ſo Schwermüthiges, daß man über dieſen Eindruck faſt den ihm eigenen
Wohllaut vergißt.

Unſere Lerche lebt paarweiſe, aber mit anderen ihrer Art friedlich zuſammen. Zuweilen ſchart
ſie ſich mit dieſen in große Flüge. Sie iſt eins der anſpruchloſeſten Geſchöpfe, welche ich kenne. Einige
hundert Geviertellen Sandfläche, ein paar Steine darauf und ein wenig dürftiges Riedgras zwiſchen
ihnen genügen ihr, und vergeblich fragt man ſich, wie ſolcher, dem menſchlichen Auge vollkommen todt
erſcheinender Wohnſitz dem Vogel Heimat ſein kann, wie er ihn ernähren könne. Und doch muß Dies
der Fall ſein: denn jedes Paar hängt treu an dem einmal erwählten Wohnorte. Wenn man dieſen
mehrere Tage nach einander beſucht, wird man die Lerche faſt immer an derſelben Stelle, ja an dem-
ſelben Steine finden.

Jn den erſten Monaten des Jahres ſchreitet die Wüſtenlerche zur Fortpflanzung. Jhr Neſt
ſteht höchſt wahrſcheinlich in Steinſpalten. Es hält außerordentlich ſchwer, es zu finden; mir wenig-
ſtens iſt Dies, trotz des eifrigſten Suchens, nicht gelungen. Das Männchen bekundet die Zeit ſeiner

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[263/0285] Wüſtenlerche. Jch habe die Wüſtenlerche während meines Aufenthalts in Afrika in ganz Egypten und Rubien überall in der Wüſte angetroffen, ſelbſt inmitten der großen Sandſtrecken, welche der Araber ſehr bezeichnend Hammadas, d. h. die durchglühten, nennt. Sie meidet das bebaute Land und findet ſich erſt da, wo der dürre Sand der belebenden Kraft des Waſſers zu ſpotten ſcheint. Der Wüſte gehört ſie vollſtändig und ausſchließlich an, hier aber iſt ſie häufig. Jch habe den lieblichen Vogel früher ſchon in meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ beſchrieben und weiß dem dort Geſagten nichts Neues hinzuzufügen. Deshalb mag es mir nachgeſehen werden, wenn ich die bereits gebrauchten Worte wiederhole: Jhren Ruf vernimmt man ſchon in Oberegypten, ſobald man den Fuß über den letzten Damm ſetzt, mit welchem man die dem Strom enthobenen fruchtbaren Fluten vor dem gierig nach ihnen verlangenden Sande ſchützt; ſie iſt es, welcher man zwiſchen den großartigen Zeichen vergangener Zeiten des Pharaonenlandes, in den Tempelrninen, begegnet: ſie waltet wie ein aus alter Zeit zurückgelaſſener, verwandelter Prieſter der Jſis in den hehren Räumen; ſie iſt es aber auch, welche im Zelte des braunen Nomaden förmlich zum Hausvogel geworden iſt. Die Wüſtenlerche iſt ein liebenswürdiges, aber ein ſtilles, ernſtes Thierchen. Lauf und Flug [Abbildung Die Wüſtenlerche (Ammomanes deserti).] ſind behend und gewandt; denn die arme Wüſte verlangt derartige leibliche Befähigung von ihren Kindern, — aber das ganze Weſen des Vogels ſteht nicht im Einklang mit ſolcher Begabung, und der gewöhnliche Lockruf hat etwas ſo Schwermüthiges, daß man über dieſen Eindruck faſt den ihm eigenen Wohllaut vergißt. Unſere Lerche lebt paarweiſe, aber mit anderen ihrer Art friedlich zuſammen. Zuweilen ſchart ſie ſich mit dieſen in große Flüge. Sie iſt eins der anſpruchloſeſten Geſchöpfe, welche ich kenne. Einige hundert Geviertellen Sandfläche, ein paar Steine darauf und ein wenig dürftiges Riedgras zwiſchen ihnen genügen ihr, und vergeblich fragt man ſich, wie ſolcher, dem menſchlichen Auge vollkommen todt erſcheinender Wohnſitz dem Vogel Heimat ſein kann, wie er ihn ernähren könne. Und doch muß Dies der Fall ſein: denn jedes Paar hängt treu an dem einmal erwählten Wohnorte. Wenn man dieſen mehrere Tage nach einander beſucht, wird man die Lerche faſt immer an derſelben Stelle, ja an dem- ſelben Steine finden. Jn den erſten Monaten des Jahres ſchreitet die Wüſtenlerche zur Fortpflanzung. Jhr Neſt ſteht höchſt wahrſcheinlich in Steinſpalten. Es hält außerordentlich ſchwer, es zu finden; mir wenig- ſtens iſt Dies, trotz des eifrigſten Suchens, nicht gelungen. Das Männchen bekundet die Zeit ſeiner

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/285>, abgerufen am 25.11.2024.