Die Lerchen (Alaudae) sind gewissermaßen als die Hühner unter den Sperlingsvögeln an- zusehen. Alle bisher genannten Mitglieder der Ordnung waren vorzugsweise Baumvögel: die Ler- chen gehören dem flachen Boden an. Sie sind im Gezweig der Bäume so fremd, daß es uns auffällt, wenn sie sich einmal auf einer Astspitze niederlassen.
Alle Lerchen sind kräftig gebaute Sperlingsvögel mit großem Kopf, kurzem oder mittellangen Schnabel von verschiedener Stärke, langen und sehr breiten Flügeln, kurzem Schwanz und ziemlich niedrigen Füßen mit mittellangen Zehen, deren hinterste oft einen spornartigen Nagel trägt, mit zwölffedrigem, nicht besonders langen oder kurzen, meist gerade abgeschnittenen Schwanz und erdfar- benem Gefieder, welches nach dem Geschlecht wenig, nach dem Alter sehr verschieden ist. Der innere Leibesbau kommt im wesentlichen mit dem anderer Sperlingsvögel überein. Das Geripp ist kräftig, zum großen Theil marklos und luftführend. Die Singmuskeln sind vorhanden; die Lungen sind groß; der Magen ist fleischig, also muskelkräftig; ein Kropf fehlt.
Freie Gegenden, Wüsten und Steppen ebensowohl, wie das bebaute Land, bilden die Wohnsitze der Lerchen; einige Arten leben auch im Walde. Sie gehören vorzugsweise der nördlichen Erdhälfte an, verbreiten sich aber über große Strecken derselben, obwohl die einzelnen Arten mehr oder weniger an bestimmte Stellen gebunden sind: die einen an die Felder, die andern an die Steppen oder Wüsten etc. Alle im Norden wohnenden Lerchen sind Zug- oder wenigstens Wandervögel, die im Süden lebenden Stand- oder Strichvögel. Jhre Reisen sind nicht sehr ausgedehnt, und der Aufent- halt in der Fremde währt immer nur kurze Zeit. Sie gehören zu den ersten Vögeln, welche der kom- mende Frühling uns sendet, und verweilen bei uns bis spät in den Herbst hinein.
Jn ihren Begabungen haben die Lerchen vieles Eigenthümliche. Sie sind unter allen Sper- lingsvögeln die besten Läufer: ihr Gang ist kein Hüpfen, sondern ein Schreiten, welches ungemein beschleunigt werden kann; ihr Flug ist durch vielfachen Wechsel ausgezeichnet. Wenn sie Eile haben, fliegen sie in großen Bogenlinien sehr rasch dahin, und die Flügel werden dabei abwechselnd schnell bewegt und dann wieder eingezogen; beim Singen hingegen erheben sie sich flatternd gerade empor oder drehen sich in großen Schraubenlinien zum Himmel auf, senken sich vondortaus erst langsam schwebend hernieder und stürzen dann plötzlich mit ganz eingezogenen Flügeln wie ein lebloser Gegen- stand zum Boden herab. Manchmal flattern sie mit zitterndem Flügelschlag hart über dem Boden oder dicht über dem Spiegel großer Wasserflächen dahin; zuweilen zeigen sie rasch nach einander alle ihnen möglichen Künste des Fluges. Jhre Sinne scheinen durchgängig wohl entwickelt zu sein; ihr Ver- stand hingegen ist gering. Sie sind lebhaft, selten ruhig, vielmehr immer in Bewegung, in gewissem Sinne rastlos. Mit andern ihrer Art leben sie höchst friedfertig, so lange die Liebe nicht ins Spiel kommt, während der Paarungszeit hingegen in fortwährendem Streit. Um andere Vögel bekümmern sie sich wenig, obwohl sich einzelne Arten den Schwärmen der Finken und Ammern beimischen. Stärkeren Thieren gegenüber benehmen sie sich stets furchtsam, dem Menschen gegenüber nur dann nicht, wenn sie sich durch längere Schonung von ihrer Sicherheit vollständig überzeugt haben. Die meisten von ihnen sind gute Sänger, einige ganz ausgezeichnete. Das Lied, welches sie vortragen, ist arm an Strophen, aber ungemein reich an Abwechselung; die wenigen Töne, aus denen es besteht, werden hundertfältig verschmolzen und so zu einem immer neuen Ganzen gestaltet. Einzelne Arten besitzen auch die Gabe, fremde Laute nachzuahmen und bereichern dadurch ihren Gesang noch wesentlich. Nur wenige stümpern.
Die Lerchen verbringen den größten Theil ihres Lebens auf dem Boden. Hier suchen und finden sie ihre Nahrung, hier reinigen sie sich, hier kämpfen sie den in der Luft begonnenen Streit aus, hier endlich gründen sie ihr Nest. Die Nahrung besteht aus Kerbthieren und Pflanzenstoffen. Während des Sommers nähren sie sich von Käferchen, kleinen Schmetterlingen, Heuschrecken, Spinnen und deren Larven; im Herbst und Winter fressen sie Getreidekörner und eine Anzahl von Pflanzen, und im Frühling nehmen sie Samen, Kerbthiere und junge Pflanzenstoffe, namentlich die Schößlinge des Getreides zu sich. Sie verschlucken die Körner ganz d. h. unenthülst und bedürfen deshalb stets eine
Brehm, Thierleben. III. 17
Allgemeines.
Die Lerchen (Alaudae) ſind gewiſſermaßen als die Hühner unter den Sperlingsvögeln an- zuſehen. Alle bisher genannten Mitglieder der Ordnung waren vorzugsweiſe Baumvögel: die Ler- chen gehören dem flachen Boden an. Sie ſind im Gezweig der Bäume ſo fremd, daß es uns auffällt, wenn ſie ſich einmal auf einer Aſtſpitze niederlaſſen.
Alle Lerchen ſind kräftig gebaute Sperlingsvögel mit großem Kopf, kurzem oder mittellangen Schnabel von verſchiedener Stärke, langen und ſehr breiten Flügeln, kurzem Schwanz und ziemlich niedrigen Füßen mit mittellangen Zehen, deren hinterſte oft einen ſpornartigen Nagel trägt, mit zwölffedrigem, nicht beſonders langen oder kurzen, meiſt gerade abgeſchnittenen Schwanz und erdfar- benem Gefieder, welches nach dem Geſchlecht wenig, nach dem Alter ſehr verſchieden iſt. Der innere Leibesbau kommt im weſentlichen mit dem anderer Sperlingsvögel überein. Das Geripp iſt kräftig, zum großen Theil marklos und luftführend. Die Singmuskeln ſind vorhanden; die Lungen ſind groß; der Magen iſt fleiſchig, alſo muskelkräftig; ein Kropf fehlt.
Freie Gegenden, Wüſten und Steppen ebenſowohl, wie das bebaute Land, bilden die Wohnſitze der Lerchen; einige Arten leben auch im Walde. Sie gehören vorzugsweiſe der nördlichen Erdhälfte an, verbreiten ſich aber über große Strecken derſelben, obwohl die einzelnen Arten mehr oder weniger an beſtimmte Stellen gebunden ſind: die einen an die Felder, die andern an die Steppen oder Wüſten ꝛc. Alle im Norden wohnenden Lerchen ſind Zug- oder wenigſtens Wandervögel, die im Süden lebenden Stand- oder Strichvögel. Jhre Reiſen ſind nicht ſehr ausgedehnt, und der Aufent- halt in der Fremde währt immer nur kurze Zeit. Sie gehören zu den erſten Vögeln, welche der kom- mende Frühling uns ſendet, und verweilen bei uns bis ſpät in den Herbſt hinein.
Jn ihren Begabungen haben die Lerchen vieles Eigenthümliche. Sie ſind unter allen Sper- lingsvögeln die beſten Läufer: ihr Gang iſt kein Hüpfen, ſondern ein Schreiten, welches ungemein beſchleunigt werden kann; ihr Flug iſt durch vielfachen Wechſel ausgezeichnet. Wenn ſie Eile haben, fliegen ſie in großen Bogenlinien ſehr raſch dahin, und die Flügel werden dabei abwechſelnd ſchnell bewegt und dann wieder eingezogen; beim Singen hingegen erheben ſie ſich flatternd gerade empor oder drehen ſich in großen Schraubenlinien zum Himmel auf, ſenken ſich vondortaus erſt langſam ſchwebend hernieder und ſtürzen dann plötzlich mit ganz eingezogenen Flügeln wie ein lebloſer Gegen- ſtand zum Boden herab. Manchmal flattern ſie mit zitterndem Flügelſchlag hart über dem Boden oder dicht über dem Spiegel großer Waſſerflächen dahin; zuweilen zeigen ſie raſch nach einander alle ihnen möglichen Künſte des Fluges. Jhre Sinne ſcheinen durchgängig wohl entwickelt zu ſein; ihr Ver- ſtand hingegen iſt gering. Sie ſind lebhaft, ſelten ruhig, vielmehr immer in Bewegung, in gewiſſem Sinne raſtlos. Mit andern ihrer Art leben ſie höchſt friedfertig, ſo lange die Liebe nicht ins Spiel kommt, während der Paarungszeit hingegen in fortwährendem Streit. Um andere Vögel bekümmern ſie ſich wenig, obwohl ſich einzelne Arten den Schwärmen der Finken und Ammern beimiſchen. Stärkeren Thieren gegenüber benehmen ſie ſich ſtets furchtſam, dem Menſchen gegenüber nur dann nicht, wenn ſie ſich durch längere Schonung von ihrer Sicherheit vollſtändig überzeugt haben. Die meiſten von ihnen ſind gute Sänger, einige ganz ausgezeichnete. Das Lied, welches ſie vortragen, iſt arm an Strophen, aber ungemein reich an Abwechſelung; die wenigen Töne, aus denen es beſteht, werden hundertfältig verſchmolzen und ſo zu einem immer neuen Ganzen geſtaltet. Einzelne Arten beſitzen auch die Gabe, fremde Laute nachzuahmen und bereichern dadurch ihren Geſang noch weſentlich. Nur wenige ſtümpern.
Die Lerchen verbringen den größten Theil ihres Lebens auf dem Boden. Hier ſuchen und finden ſie ihre Nahrung, hier reinigen ſie ſich, hier kämpfen ſie den in der Luft begonnenen Streit aus, hier endlich gründen ſie ihr Neſt. Die Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Pflanzenſtoffen. Während des Sommers nähren ſie ſich von Käferchen, kleinen Schmetterlingen, Heuſchrecken, Spinnen und deren Larven; im Herbſt und Winter freſſen ſie Getreidekörner und eine Anzahl von Pflanzen, und im Frühling nehmen ſie Samen, Kerbthiere und junge Pflanzenſtoffe, namentlich die Schößlinge des Getreides zu ſich. Sie verſchlucken die Körner ganz d. h. unenthülſt und bedürfen deshalb ſtets eine
Brehm, Thierleben. III. 17
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[257/0279]
Allgemeines.
Die Lerchen (Alaudae) ſind gewiſſermaßen als die Hühner unter den Sperlingsvögeln an-
zuſehen. Alle bisher genannten Mitglieder der Ordnung waren vorzugsweiſe Baumvögel: die Ler-
chen gehören dem flachen Boden an. Sie ſind im Gezweig der Bäume ſo fremd, daß es uns auffällt,
wenn ſie ſich einmal auf einer Aſtſpitze niederlaſſen.
Alle Lerchen ſind kräftig gebaute Sperlingsvögel mit großem Kopf, kurzem oder mittellangen
Schnabel von verſchiedener Stärke, langen und ſehr breiten Flügeln, kurzem Schwanz und ziemlich
niedrigen Füßen mit mittellangen Zehen, deren hinterſte oft einen ſpornartigen Nagel trägt, mit
zwölffedrigem, nicht beſonders langen oder kurzen, meiſt gerade abgeſchnittenen Schwanz und erdfar-
benem Gefieder, welches nach dem Geſchlecht wenig, nach dem Alter ſehr verſchieden iſt. Der innere
Leibesbau kommt im weſentlichen mit dem anderer Sperlingsvögel überein. Das Geripp iſt kräftig,
zum großen Theil marklos und luftführend. Die Singmuskeln ſind vorhanden; die Lungen ſind
groß; der Magen iſt fleiſchig, alſo muskelkräftig; ein Kropf fehlt.
Freie Gegenden, Wüſten und Steppen ebenſowohl, wie das bebaute Land, bilden die Wohnſitze
der Lerchen; einige Arten leben auch im Walde. Sie gehören vorzugsweiſe der nördlichen Erdhälfte
an, verbreiten ſich aber über große Strecken derſelben, obwohl die einzelnen Arten mehr oder weniger
an beſtimmte Stellen gebunden ſind: die einen an die Felder, die andern an die Steppen oder
Wüſten ꝛc. Alle im Norden wohnenden Lerchen ſind Zug- oder wenigſtens Wandervögel, die im
Süden lebenden Stand- oder Strichvögel. Jhre Reiſen ſind nicht ſehr ausgedehnt, und der Aufent-
halt in der Fremde währt immer nur kurze Zeit. Sie gehören zu den erſten Vögeln, welche der kom-
mende Frühling uns ſendet, und verweilen bei uns bis ſpät in den Herbſt hinein.
Jn ihren Begabungen haben die Lerchen vieles Eigenthümliche. Sie ſind unter allen Sper-
lingsvögeln die beſten Läufer: ihr Gang iſt kein Hüpfen, ſondern ein Schreiten, welches ungemein
beſchleunigt werden kann; ihr Flug iſt durch vielfachen Wechſel ausgezeichnet. Wenn ſie Eile haben,
fliegen ſie in großen Bogenlinien ſehr raſch dahin, und die Flügel werden dabei abwechſelnd ſchnell
bewegt und dann wieder eingezogen; beim Singen hingegen erheben ſie ſich flatternd gerade empor
oder drehen ſich in großen Schraubenlinien zum Himmel auf, ſenken ſich vondortaus erſt langſam
ſchwebend hernieder und ſtürzen dann plötzlich mit ganz eingezogenen Flügeln wie ein lebloſer Gegen-
ſtand zum Boden herab. Manchmal flattern ſie mit zitterndem Flügelſchlag hart über dem Boden
oder dicht über dem Spiegel großer Waſſerflächen dahin; zuweilen zeigen ſie raſch nach einander alle
ihnen möglichen Künſte des Fluges. Jhre Sinne ſcheinen durchgängig wohl entwickelt zu ſein; ihr Ver-
ſtand hingegen iſt gering. Sie ſind lebhaft, ſelten ruhig, vielmehr immer in Bewegung, in gewiſſem
Sinne raſtlos. Mit andern ihrer Art leben ſie höchſt friedfertig, ſo lange die Liebe nicht ins Spiel
kommt, während der Paarungszeit hingegen in fortwährendem Streit. Um andere Vögel bekümmern
ſie ſich wenig, obwohl ſich einzelne Arten den Schwärmen der Finken und Ammern beimiſchen.
Stärkeren Thieren gegenüber benehmen ſie ſich ſtets furchtſam, dem Menſchen gegenüber nur dann
nicht, wenn ſie ſich durch längere Schonung von ihrer Sicherheit vollſtändig überzeugt haben. Die
meiſten von ihnen ſind gute Sänger, einige ganz ausgezeichnete. Das Lied, welches ſie vortragen, iſt
arm an Strophen, aber ungemein reich an Abwechſelung; die wenigen Töne, aus denen es beſteht,
werden hundertfältig verſchmolzen und ſo zu einem immer neuen Ganzen geſtaltet. Einzelne Arten
beſitzen auch die Gabe, fremde Laute nachzuahmen und bereichern dadurch ihren Geſang noch weſentlich.
Nur wenige ſtümpern.
Die Lerchen verbringen den größten Theil ihres Lebens auf dem Boden. Hier ſuchen und finden
ſie ihre Nahrung, hier reinigen ſie ſich, hier kämpfen ſie den in der Luft begonnenen Streit aus, hier
endlich gründen ſie ihr Neſt. Die Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Pflanzenſtoffen. Während
des Sommers nähren ſie ſich von Käferchen, kleinen Schmetterlingen, Heuſchrecken, Spinnen und
deren Larven; im Herbſt und Winter freſſen ſie Getreidekörner und eine Anzahl von Pflanzen, und
im Frühling nehmen ſie Samen, Kerbthiere und junge Pflanzenſtoffe, namentlich die Schößlinge des
Getreides zu ſich. Sie verſchlucken die Körner ganz d. h. unenthülſt und bedürfen deshalb ſtets eine
Brehm, Thierleben. III. 17
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/279>, abgerufen am 25.11.2024.
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