Ganz Mittelafrika bewohnen die Hahnschweifwittwen (Steganura), von denen Reichen- bach zwei Arten aufführt. Bei ihnen ist der Schnabel kaum länger, als hoch, auf der Firste sanft gebogen, mit ihr spitzwinklig in die Stirn tretend, der Flügel mittellang, der Schwanz im Hochzeits-
[Abbildung]
Die Paradieswittwe (Vidua paradisea).
kleide beim Männchen bis auf die vier mittleren Federn einfach gestaltet, d. h. nur wenig gesteigert, während die vier Mittelfedern verlängert und abweichend gebildet sind. Die beiden inneren sind hahnenschwanzartig gebogen, sehr breit und sehr lang, nach der Spitze zu aber verschmälert; die neben ihnen nach außen hin stehenden sind kürzer, geradeaus ste- hend, stumpf zugerundet und mit ein- zelnen langen Borsten besetzt.
Das Kleid ist bei der männlichen Paradieswittwe (Steganura para- disea.) auf Oberkopf, Rücken und Schwanz schwarz, am Nacken und auf der Unterseite aber feuerroth gefärbt. Das Weibchen ist sperlingsartig, auf dem Kopfe fahl, mit zwei schwarzen Scheitelstreifen und schwarzem Zügel, auf der Brust roströthlich; die schwar- zen Schwingen sind rostfarben gesäumt. Die Länge des Vogels, mit Ausschluß der langen Schwanzfedern, beträgt 53/4 Zoll, mit diesen 111/4 Zoll, die Breite 91/2 Zoll; der Fittig mißt 2 Zoll 9 Li- nien. Das Weibchen ist um 3 Linien kürzer, als das Männchen im Winter- kleide, und um 6 Linien schmäler. Eine zweite Art unterscheidet sich nur wenig von der beschriebenen.
Die Paradieswittwe bewohnt Mittelafrika und zwar vorzugsweise die dünn bestandenen Wälder der Steppe. Den Ortschaften nähert sie sich nicht gern, obgleich auch sie keinen Grund hat, den Menschen und sein Treiben zu meiden. Jn baumreichen Gegenden Mittelafrikas trifft man sie überall, während der Fortpflanzungszeit paar- weise, sonst in kleinen Gesellschaften oder selbst in größeren Flügen. Jhr Prachtkleid trägt sie während der Regen- zeit, etwa vier Monate lang. Die Mauser geht ungemein rasch von statten, und namentlich die großen Schwanzfedern wachsen sehr schnell. Vier Monate später sind sie bereits sehr abgenutzt, und mit Beginn der Dürre fallen sie aus. Das Nest habe ich nicht gefunden; ich kenne auch keine Beschreibung desselben.
Die Knacker. Sperlingsvögel. Wittwen.
Ganz Mittelafrika bewohnen die Hahnſchweifwittwen (Steganura), von denen Reichen- bach zwei Arten aufführt. Bei ihnen iſt der Schnabel kaum länger, als hoch, auf der Firſte ſanft gebogen, mit ihr ſpitzwinklig in die Stirn tretend, der Flügel mittellang, der Schwanz im Hochzeits-
[Abbildung]
Die Paradieswittwe (Vidua paradisea).
kleide beim Männchen bis auf die vier mittleren Federn einfach geſtaltet, d. h. nur wenig geſteigert, während die vier Mittelfedern verlängert und abweichend gebildet ſind. Die beiden inneren ſind hahnenſchwanzartig gebogen, ſehr breit und ſehr lang, nach der Spitze zu aber verſchmälert; die neben ihnen nach außen hin ſtehenden ſind kürzer, geradeaus ſte- hend, ſtumpf zugerundet und mit ein- zelnen langen Borſten beſetzt.
Das Kleid iſt bei der männlichen Paradieswittwe (Steganura para- disea.) auf Oberkopf, Rücken und Schwanz ſchwarz, am Nacken und auf der Unterſeite aber feuerroth gefärbt. Das Weibchen iſt ſperlingsartig, auf dem Kopfe fahl, mit zwei ſchwarzen Scheitelſtreifen und ſchwarzem Zügel, auf der Bruſt roſtröthlich; die ſchwar- zen Schwingen ſind roſtfarben geſäumt. Die Länge des Vogels, mit Ausſchluß der langen Schwanzfedern, beträgt 5¾ Zoll, mit dieſen 11¼ Zoll, die Breite 9½ Zoll; der Fittig mißt 2 Zoll 9 Li- nien. Das Weibchen iſt um 3 Linien kürzer, als das Männchen im Winter- kleide, und um 6 Linien ſchmäler. Eine zweite Art unterſcheidet ſich nur wenig von der beſchriebenen.
Die Paradieswittwe bewohnt Mittelafrika und zwar vorzugsweiſe die dünn beſtandenen Wälder der Steppe. Den Ortſchaften nähert ſie ſich nicht gern, obgleich auch ſie keinen Grund hat, den Menſchen und ſein Treiben zu meiden. Jn baumreichen Gegenden Mittelafrikas trifft man ſie überall, während der Fortpflanzungszeit paar- weiſe, ſonſt in kleinen Geſellſchaften oder ſelbſt in größeren Flügen. Jhr Prachtkleid trägt ſie während der Regen- zeit, etwa vier Monate lang. Die Mauſer geht ungemein raſch von ſtatten, und namentlich die großen Schwanzfedern wachſen ſehr ſchnell. Vier Monate ſpäter ſind ſie bereits ſehr abgenutzt, und mit Beginn der Dürre fallen ſie aus. Das Neſt habe ich nicht gefunden; ich kenne auch keine Beſchreibung deſſelben.
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Die Knacker. Sperlingsvögel. Wittwen.
Ganz Mittelafrika bewohnen die Hahnſchweifwittwen (Steganura), von denen Reichen-
bach zwei Arten aufführt. Bei ihnen iſt der Schnabel kaum länger, als hoch, auf der Firſte ſanft
gebogen, mit ihr ſpitzwinklig in die Stirn tretend, der Flügel mittellang, der Schwanz im Hochzeits-
[Abbildung Die Paradieswittwe (Vidua paradisea).]
kleide beim Männchen bis auf die vier
mittleren Federn einfach geſtaltet, d. h.
nur wenig geſteigert, während die vier
Mittelfedern verlängert und abweichend
gebildet ſind. Die beiden inneren ſind
hahnenſchwanzartig gebogen, ſehr breit
und ſehr lang, nach der Spitze zu aber
verſchmälert; die neben ihnen nach außen
hin ſtehenden ſind kürzer, geradeaus ſte-
hend, ſtumpf zugerundet und mit ein-
zelnen langen Borſten beſetzt.
Das Kleid iſt bei der männlichen
Paradieswittwe (Steganura para-
disea.) auf Oberkopf, Rücken und
Schwanz ſchwarz, am Nacken und auf
der Unterſeite aber feuerroth gefärbt.
Das Weibchen iſt ſperlingsartig, auf
dem Kopfe fahl, mit zwei ſchwarzen
Scheitelſtreifen und ſchwarzem Zügel,
auf der Bruſt roſtröthlich; die ſchwar-
zen Schwingen ſind roſtfarben geſäumt.
Die Länge des Vogels, mit Ausſchluß
der langen Schwanzfedern, beträgt 5¾
Zoll, mit dieſen 11¼ Zoll, die Breite
9½ Zoll; der Fittig mißt 2 Zoll 9 Li-
nien. Das Weibchen iſt um 3 Linien
kürzer, als das Männchen im Winter-
kleide, und um 6 Linien ſchmäler. Eine
zweite Art unterſcheidet ſich nur wenig
von der beſchriebenen.
Die Paradieswittwe bewohnt
Mittelafrika und zwar vorzugsweiſe die
dünn beſtandenen Wälder der Steppe.
Den Ortſchaften nähert ſie ſich nicht
gern, obgleich auch ſie keinen Grund
hat, den Menſchen und ſein Treiben zu
meiden. Jn baumreichen Gegenden
Mittelafrikas trifft man ſie überall,
während der Fortpflanzungszeit paar-
weiſe, ſonſt in kleinen Geſellſchaften
oder ſelbſt in größeren Flügen. Jhr
Prachtkleid trägt ſie während der Regen-
zeit, etwa vier Monate lang. Die Mauſer geht ungemein raſch von ſtatten, und namentlich die großen
Schwanzfedern wachſen ſehr ſchnell. Vier Monate ſpäter ſind ſie bereits ſehr abgenutzt, und mit Beginn
der Dürre fallen ſie aus. Das Neſt habe ich nicht gefunden; ich kenne auch keine Beſchreibung deſſelben.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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