Unglaublich groß und die ernsteste Abwehr seitens des Menschen rechtfertigend, sind die Ver- wüstungen, welche Papageien im Felde und Garten anrichten. Vor ihnen ist wenig sicher, Nichts eigentlich geschützt. "Sie und besonders die großen Araras", sagt der Prinz, "zersplittern mit ihrem riesenhaften, kräftigen, beweglichen Schnabel die härtesten Früchte und Rüsse"; aber ebenso gut verarbeiten sie auch eine schlüpferige Frucht oder ein kleines Korn. Die Riefen im Oberschnabel erleichtern ihnen das Festhalten glattschaliger oder kleiner Nahrung ungemein, und die bewegliche Zunge hilft dabei geschickt mit. Jm Nu ist eine Nuß zerknackt, eine Aehre entkernt, ein Samenkorn enthülst. Reicht der Schnabel allein nicht aus, dann wird auch der Fuß noch zu Hilfe genommen, und gar geschickt führen sie die mit ihm festgehaltene Speise zum Munde. Wie die Affen, verwüsten sie weit mehr, als sie verzehren. Die Unmassen, welche vereint auf die Felder oder Fruchtbäume fal- len, fressen dort so viel sie können, beißen noch mehr ab, tragen wohl auch noch einige Kornähren auf die Bäume, um sie dort mit größerer Ruhe für ihren vielbegehrenden Magen zu verwerthen. Sie er- scheinen in Obstgärten, untersuchen jeden Baum, welcher in Frucht steht, pflücken von dieser nach Be- lieben, beißen sie an, werfen sie, falls sie nicht allen Ansprüchen solcher Schlecker genügt, auf den Boden herab und nehmen dafür eine andere. Während des Fressens klettern sie allgemein von unten nach oben; sind sie auf der Spitze des Wipfels angekommen, so schweben sie, meist ohne Flügelschlag, einem zweiten Baume zu, um dort dieselbe Verwüstung zu beginnen. Jn Nordamerika oder in Chile überfallen sie die Obstbäume, auch wenn deren Früchte noch unreif sind, der milchigen Kerne wegen; -- man kann sich denken, was sie dabei vernichten! Die Feimen im Felde sind ihnen, nach Audu- bon's Erfahrungen, zuweilen äußerst erwünscht. Sie setzen und hängen sich außen an, ziehen mit dem Schnabel die Kornähren aus den Garben und ersparen dem Bauer dafür das Dreschen. Die Einen haben für diese, die Andern für jene Feld- oder Gartenfrucht eine besondere Vorliebe: gefährdet ist also Alles, was der Mensch zu eigenen Gunsten sät und pflanzt, und an Freundschaft zwischen ihm und den Vögeln ist selbstverständlich nicht zu denken.
Nach eingenommener Mahlzeit fliegen die Papageien zur Tränke und zum Bade. Sie trinken viel, nach Audubon und Schomburgk auch Salz- oder wenigstens Brackwasser. Außer gelegent- lichen Regenbädern nehmen sie auch solche in Lachen. Wie Le Vaillant uns mittheilt, baden sie sich, "daß die Tropfen sie wie in einem Regen einhüllen". Nach Audubon's Beobachtungen pad- deln sie sich gern im Sande, wie die Hühner, und stäuben dabei ihr Gesieder ordentlich ein, kriechen auch wohl in die Nisthöhlen der größeren Eisvögel, um Dasselbe zu erreichen. Salzhaltige Erde suchen sie auf; bei Sulzen im Walde erscheinen sie regelmäßig.
Die Fortpflanzung der Papageien fällt in die Monate, welche in ihrer Heimat unserm Frühling entsprechen und der Fruchtreife vorausgehen. Die größeren Arten scheinen nur einmal im Jahre zu brüten und blos zwei Eier zu legen; die australischen Graspapageien und die anderen Breitschwänze überhaupt weichen jedoch von dieser Regel ab; sie legen regelmäßig drei bis vier, ja einzelne sogar sechs bis neun Eier und brüten, wie aus Beobachtungen an Gefangenen zu schließen, zwei bis dreimal im Jahre. Auch die Sittiche und Kakadus legen regelmäßig mehr als zwei Eier, brüten aber nur ein- mal. Die Eier selbst sind immer weiß von Farbe, glattschalig und rundlich.
Baumhöhlen sind die bevorzugten, nicht aber ausschließlichen Nistplätze der Papageien. Einige amerikanische Arten brüten in Felsenhöhlen, indische Sittiche nach Jerdon häufig in den Höhlungen alter Gebäude, in Pagoden, Grabmälern, Häusern etc.; die Erdpapageien legen die Eier auf den nackten Boden. Audubon versichert, daß mehrere Weibchen in ein und dieselbe Nesthöhle legen; ich halte diese Angabe jedoch für irrthümlich. So viel ist aber richtig, daß die Papageien gern in größeren Gesellschaften und zuweilen in ungeheuren Scharen vereinigt nisten. Schon Molina erzählt von einer zahlreichen Ansiedelung nistender Papageien in Chile; Pöppig schildert sie, wohl die derselben Art, ausführlicher. "Die Ungewohnten", sagt er, "mögen diese geselligen Niederlassungen sehr über- raschen. Man nähert sich bei einer mühsamen Streiserei um die Mittagsstunde einer senkrechten Fel-
Knacker. Die Papageien.
Unglaublich groß und die ernſteſte Abwehr ſeitens des Menſchen rechtfertigend, ſind die Ver- wüſtungen, welche Papageien im Felde und Garten anrichten. Vor ihnen iſt wenig ſicher, Nichts eigentlich geſchützt. „Sie und beſonders die großen Araras‟, ſagt der Prinz, „zerſplittern mit ihrem rieſenhaften, kräftigen, beweglichen Schnabel die härteſten Früchte und Rüſſe‟; aber ebenſo gut verarbeiten ſie auch eine ſchlüpferige Frucht oder ein kleines Korn. Die Riefen im Oberſchnabel erleichtern ihnen das Feſthalten glattſchaliger oder kleiner Nahrung ungemein, und die bewegliche Zunge hilft dabei geſchickt mit. Jm Nu iſt eine Nuß zerknackt, eine Aehre entkernt, ein Samenkorn enthülſt. Reicht der Schnabel allein nicht aus, dann wird auch der Fuß noch zu Hilfe genommen, und gar geſchickt führen ſie die mit ihm feſtgehaltene Speiſe zum Munde. Wie die Affen, verwüſten ſie weit mehr, als ſie verzehren. Die Unmaſſen, welche vereint auf die Felder oder Fruchtbäume fal- len, freſſen dort ſo viel ſie können, beißen noch mehr ab, tragen wohl auch noch einige Kornähren auf die Bäume, um ſie dort mit größerer Ruhe für ihren vielbegehrenden Magen zu verwerthen. Sie er- ſcheinen in Obſtgärten, unterſuchen jeden Baum, welcher in Frucht ſteht, pflücken von dieſer nach Be- lieben, beißen ſie an, werfen ſie, falls ſie nicht allen Anſprüchen ſolcher Schlecker genügt, auf den Boden herab und nehmen dafür eine andere. Während des Freſſens klettern ſie allgemein von unten nach oben; ſind ſie auf der Spitze des Wipfels angekommen, ſo ſchweben ſie, meiſt ohne Flügelſchlag, einem zweiten Baume zu, um dort dieſelbe Verwüſtung zu beginnen. Jn Nordamerika oder in Chile überfallen ſie die Obſtbäume, auch wenn deren Früchte noch unreif ſind, der milchigen Kerne wegen; — man kann ſich denken, was ſie dabei vernichten! Die Feimen im Felde ſind ihnen, nach Audu- bon’s Erfahrungen, zuweilen äußerſt erwünſcht. Sie ſetzen und hängen ſich außen an, ziehen mit dem Schnabel die Kornähren aus den Garben und erſparen dem Bauer dafür das Dreſchen. Die Einen haben für dieſe, die Andern für jene Feld- oder Gartenfrucht eine beſondere Vorliebe: gefährdet iſt alſo Alles, was der Menſch zu eigenen Gunſten ſät und pflanzt, und an Freundſchaft zwiſchen ihm und den Vögeln iſt ſelbſtverſtändlich nicht zu denken.
Nach eingenommener Mahlzeit fliegen die Papageien zur Tränke und zum Bade. Sie trinken viel, nach Audubon und Schomburgk auch Salz- oder wenigſtens Brackwaſſer. Außer gelegent- lichen Regenbädern nehmen ſie auch ſolche in Lachen. Wie Le Vaillant uns mittheilt, baden ſie ſich, „daß die Tropfen ſie wie in einem Regen einhüllen‟. Nach Audubon’s Beobachtungen pad- deln ſie ſich gern im Sande, wie die Hühner, und ſtäuben dabei ihr Geſieder ordentlich ein, kriechen auch wohl in die Niſthöhlen der größeren Eisvögel, um Daſſelbe zu erreichen. Salzhaltige Erde ſuchen ſie auf; bei Sulzen im Walde erſcheinen ſie regelmäßig.
Die Fortpflanzung der Papageien fällt in die Monate, welche in ihrer Heimat unſerm Frühling entſprechen und der Fruchtreife vorausgehen. Die größeren Arten ſcheinen nur einmal im Jahre zu brüten und blos zwei Eier zu legen; die auſtraliſchen Graspapageien und die anderen Breitſchwänze überhaupt weichen jedoch von dieſer Regel ab; ſie legen regelmäßig drei bis vier, ja einzelne ſogar ſechs bis neun Eier und brüten, wie aus Beobachtungen an Gefangenen zu ſchließen, zwei bis dreimal im Jahre. Auch die Sittiche und Kakadus legen regelmäßig mehr als zwei Eier, brüten aber nur ein- mal. Die Eier ſelbſt ſind immer weiß von Farbe, glattſchalig und rundlich.
Baumhöhlen ſind die bevorzugten, nicht aber ausſchließlichen Niſtplätze der Papageien. Einige amerikaniſche Arten brüten in Felſenhöhlen, indiſche Sittiche nach Jerdon häufig in den Höhlungen alter Gebäude, in Pagoden, Grabmälern, Häuſern ꝛc.; die Erdpapageien legen die Eier auf den nackten Boden. Audubon verſichert, daß mehrere Weibchen in ein und dieſelbe Neſthöhle legen; ich halte dieſe Angabe jedoch für irrthümlich. So viel iſt aber richtig, daß die Papageien gern in größeren Geſellſchaften und zuweilen in ungeheuren Scharen vereinigt niſten. Schon Molina erzählt von einer zahlreichen Anſiedelung niſtender Papageien in Chile; Pöppig ſchildert ſie, wohl die derſelben Art, ausführlicher. „Die Ungewohnten‟, ſagt er, „mögen dieſe geſelligen Niederlaſſungen ſehr über- raſchen. Man nähert ſich bei einer mühſamen Streiſerei um die Mittagsſtunde einer ſenkrechten Fel-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0024"n="12"/><fwplace="top"type="header">Knacker. Die Papageien.</fw><lb/><p>Unglaublich groß und die ernſteſte Abwehr ſeitens des Menſchen rechtfertigend, ſind die Ver-<lb/>
wüſtungen, welche Papageien im Felde und Garten anrichten. Vor ihnen iſt wenig ſicher, Nichts<lb/>
eigentlich geſchützt. „Sie und beſonders die großen Araras‟, ſagt der <hirendition="#g">Prinz,</hi>„zerſplittern mit<lb/>
ihrem rieſenhaften, kräftigen, beweglichen Schnabel die härteſten Früchte und Rüſſe‟; aber ebenſo<lb/>
gut verarbeiten ſie auch eine ſchlüpferige Frucht oder ein kleines Korn. Die Riefen im Oberſchnabel<lb/>
erleichtern ihnen das Feſthalten glattſchaliger oder kleiner Nahrung ungemein, und die bewegliche<lb/>
Zunge hilft dabei geſchickt mit. Jm Nu iſt eine Nuß zerknackt, eine Aehre entkernt, ein Samenkorn<lb/>
enthülſt. Reicht der Schnabel allein nicht aus, dann wird auch der Fuß noch zu Hilfe genommen,<lb/>
und gar geſchickt führen ſie die mit ihm feſtgehaltene Speiſe zum Munde. Wie die Affen, verwüſten<lb/>ſie weit mehr, als ſie verzehren. Die Unmaſſen, welche vereint auf die Felder oder Fruchtbäume fal-<lb/>
len, freſſen dort ſo viel ſie können, beißen noch mehr ab, tragen wohl auch noch einige Kornähren auf<lb/>
die Bäume, um ſie dort mit größerer Ruhe für ihren vielbegehrenden Magen zu verwerthen. Sie er-<lb/>ſcheinen in Obſtgärten, unterſuchen jeden Baum, welcher in Frucht ſteht, pflücken von dieſer nach Be-<lb/>
lieben, beißen ſie an, werfen ſie, falls ſie nicht allen Anſprüchen ſolcher Schlecker genügt, auf den<lb/>
Boden herab und nehmen dafür eine andere. Während des Freſſens klettern ſie allgemein von unten<lb/>
nach oben; ſind ſie auf der Spitze des Wipfels angekommen, ſo ſchweben ſie, meiſt ohne Flügelſchlag,<lb/>
einem zweiten Baume zu, um dort dieſelbe Verwüſtung zu beginnen. Jn Nordamerika oder in Chile<lb/>
überfallen ſie die Obſtbäume, auch wenn deren Früchte noch unreif ſind, der milchigen Kerne wegen;<lb/>— man kann ſich denken, was ſie dabei vernichten! Die Feimen im Felde ſind ihnen, nach <hirendition="#g">Audu-<lb/>
bon’s</hi> Erfahrungen, zuweilen äußerſt erwünſcht. Sie ſetzen und hängen ſich außen an, ziehen mit<lb/>
dem Schnabel die Kornähren aus den Garben und erſparen dem Bauer dafür das Dreſchen. Die<lb/>
Einen haben für dieſe, die Andern für jene Feld- oder Gartenfrucht eine beſondere Vorliebe: gefährdet<lb/>
iſt alſo Alles, was der Menſch zu eigenen Gunſten ſät und pflanzt, und an Freundſchaft zwiſchen ihm<lb/>
und den Vögeln iſt ſelbſtverſtändlich nicht zu denken.</p><lb/><p>Nach eingenommener Mahlzeit fliegen die Papageien zur Tränke und zum Bade. Sie trinken<lb/>
viel, nach <hirendition="#g">Audubon</hi> und <hirendition="#g">Schomburgk</hi> auch Salz- oder wenigſtens Brackwaſſer. Außer gelegent-<lb/>
lichen Regenbädern nehmen ſie auch ſolche in Lachen. Wie <hirendition="#g">Le Vaillant</hi> uns mittheilt, baden ſie<lb/>ſich, „daß die Tropfen ſie wie in einem Regen einhüllen‟. Nach <hirendition="#g">Audubon’s</hi> Beobachtungen pad-<lb/>
deln ſie ſich gern im Sande, wie die Hühner, und ſtäuben dabei ihr Geſieder ordentlich ein, kriechen<lb/>
auch wohl in die Niſthöhlen der größeren Eisvögel, um Daſſelbe zu erreichen. Salzhaltige Erde<lb/>ſuchen ſie auf; bei Sulzen im Walde erſcheinen ſie regelmäßig.</p><lb/><p>Die Fortpflanzung der Papageien fällt in die Monate, welche in ihrer Heimat unſerm Frühling<lb/>
entſprechen und der Fruchtreife vorausgehen. Die größeren Arten ſcheinen nur einmal im Jahre zu<lb/>
brüten und blos zwei Eier zu legen; die auſtraliſchen Graspapageien und die anderen Breitſchwänze<lb/>
überhaupt weichen jedoch von dieſer Regel ab; ſie legen regelmäßig drei bis vier, ja einzelne ſogar ſechs<lb/>
bis neun Eier und brüten, wie aus Beobachtungen an Gefangenen zu ſchließen, zwei bis dreimal im<lb/>
Jahre. Auch die Sittiche und Kakadus legen regelmäßig mehr als zwei Eier, brüten aber nur ein-<lb/>
mal. Die Eier ſelbſt ſind immer weiß von Farbe, glattſchalig und rundlich.</p><lb/><p>Baumhöhlen ſind die bevorzugten, nicht aber ausſchließlichen Niſtplätze der Papageien. Einige<lb/>
amerikaniſche Arten brüten in Felſenhöhlen, indiſche Sittiche nach <hirendition="#g">Jerdon</hi> häufig in den Höhlungen<lb/>
alter Gebäude, in Pagoden, Grabmälern, Häuſern ꝛc.; die Erdpapageien legen die Eier auf den nackten<lb/>
Boden. <hirendition="#g">Audubon</hi> verſichert, daß mehrere Weibchen in ein und dieſelbe Neſthöhle legen; ich halte<lb/>
dieſe Angabe jedoch für irrthümlich. So viel iſt aber richtig, daß die Papageien gern in größeren<lb/>
Geſellſchaften und zuweilen in ungeheuren Scharen vereinigt niſten. Schon <hirendition="#g">Molina</hi> erzählt von<lb/>
einer zahlreichen Anſiedelung niſtender Papageien in Chile; <hirendition="#g">Pöppig</hi>ſchildert ſie, wohl die derſelben<lb/>
Art, ausführlicher. „Die Ungewohnten‟, ſagt er, „mögen dieſe geſelligen Niederlaſſungen ſehr über-<lb/>
raſchen. Man nähert ſich bei einer mühſamen Streiſerei um die Mittagsſtunde einer ſenkrechten Fel-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[12/0024]
Knacker. Die Papageien.
Unglaublich groß und die ernſteſte Abwehr ſeitens des Menſchen rechtfertigend, ſind die Ver-
wüſtungen, welche Papageien im Felde und Garten anrichten. Vor ihnen iſt wenig ſicher, Nichts
eigentlich geſchützt. „Sie und beſonders die großen Araras‟, ſagt der Prinz, „zerſplittern mit
ihrem rieſenhaften, kräftigen, beweglichen Schnabel die härteſten Früchte und Rüſſe‟; aber ebenſo
gut verarbeiten ſie auch eine ſchlüpferige Frucht oder ein kleines Korn. Die Riefen im Oberſchnabel
erleichtern ihnen das Feſthalten glattſchaliger oder kleiner Nahrung ungemein, und die bewegliche
Zunge hilft dabei geſchickt mit. Jm Nu iſt eine Nuß zerknackt, eine Aehre entkernt, ein Samenkorn
enthülſt. Reicht der Schnabel allein nicht aus, dann wird auch der Fuß noch zu Hilfe genommen,
und gar geſchickt führen ſie die mit ihm feſtgehaltene Speiſe zum Munde. Wie die Affen, verwüſten
ſie weit mehr, als ſie verzehren. Die Unmaſſen, welche vereint auf die Felder oder Fruchtbäume fal-
len, freſſen dort ſo viel ſie können, beißen noch mehr ab, tragen wohl auch noch einige Kornähren auf
die Bäume, um ſie dort mit größerer Ruhe für ihren vielbegehrenden Magen zu verwerthen. Sie er-
ſcheinen in Obſtgärten, unterſuchen jeden Baum, welcher in Frucht ſteht, pflücken von dieſer nach Be-
lieben, beißen ſie an, werfen ſie, falls ſie nicht allen Anſprüchen ſolcher Schlecker genügt, auf den
Boden herab und nehmen dafür eine andere. Während des Freſſens klettern ſie allgemein von unten
nach oben; ſind ſie auf der Spitze des Wipfels angekommen, ſo ſchweben ſie, meiſt ohne Flügelſchlag,
einem zweiten Baume zu, um dort dieſelbe Verwüſtung zu beginnen. Jn Nordamerika oder in Chile
überfallen ſie die Obſtbäume, auch wenn deren Früchte noch unreif ſind, der milchigen Kerne wegen;
— man kann ſich denken, was ſie dabei vernichten! Die Feimen im Felde ſind ihnen, nach Audu-
bon’s Erfahrungen, zuweilen äußerſt erwünſcht. Sie ſetzen und hängen ſich außen an, ziehen mit
dem Schnabel die Kornähren aus den Garben und erſparen dem Bauer dafür das Dreſchen. Die
Einen haben für dieſe, die Andern für jene Feld- oder Gartenfrucht eine beſondere Vorliebe: gefährdet
iſt alſo Alles, was der Menſch zu eigenen Gunſten ſät und pflanzt, und an Freundſchaft zwiſchen ihm
und den Vögeln iſt ſelbſtverſtändlich nicht zu denken.
Nach eingenommener Mahlzeit fliegen die Papageien zur Tränke und zum Bade. Sie trinken
viel, nach Audubon und Schomburgk auch Salz- oder wenigſtens Brackwaſſer. Außer gelegent-
lichen Regenbädern nehmen ſie auch ſolche in Lachen. Wie Le Vaillant uns mittheilt, baden ſie
ſich, „daß die Tropfen ſie wie in einem Regen einhüllen‟. Nach Audubon’s Beobachtungen pad-
deln ſie ſich gern im Sande, wie die Hühner, und ſtäuben dabei ihr Geſieder ordentlich ein, kriechen
auch wohl in die Niſthöhlen der größeren Eisvögel, um Daſſelbe zu erreichen. Salzhaltige Erde
ſuchen ſie auf; bei Sulzen im Walde erſcheinen ſie regelmäßig.
Die Fortpflanzung der Papageien fällt in die Monate, welche in ihrer Heimat unſerm Frühling
entſprechen und der Fruchtreife vorausgehen. Die größeren Arten ſcheinen nur einmal im Jahre zu
brüten und blos zwei Eier zu legen; die auſtraliſchen Graspapageien und die anderen Breitſchwänze
überhaupt weichen jedoch von dieſer Regel ab; ſie legen regelmäßig drei bis vier, ja einzelne ſogar ſechs
bis neun Eier und brüten, wie aus Beobachtungen an Gefangenen zu ſchließen, zwei bis dreimal im
Jahre. Auch die Sittiche und Kakadus legen regelmäßig mehr als zwei Eier, brüten aber nur ein-
mal. Die Eier ſelbſt ſind immer weiß von Farbe, glattſchalig und rundlich.
Baumhöhlen ſind die bevorzugten, nicht aber ausſchließlichen Niſtplätze der Papageien. Einige
amerikaniſche Arten brüten in Felſenhöhlen, indiſche Sittiche nach Jerdon häufig in den Höhlungen
alter Gebäude, in Pagoden, Grabmälern, Häuſern ꝛc.; die Erdpapageien legen die Eier auf den nackten
Boden. Audubon verſichert, daß mehrere Weibchen in ein und dieſelbe Neſthöhle legen; ich halte
dieſe Angabe jedoch für irrthümlich. So viel iſt aber richtig, daß die Papageien gern in größeren
Geſellſchaften und zuweilen in ungeheuren Scharen vereinigt niſten. Schon Molina erzählt von
einer zahlreichen Anſiedelung niſtender Papageien in Chile; Pöppig ſchildert ſie, wohl die derſelben
Art, ausführlicher. „Die Ungewohnten‟, ſagt er, „mögen dieſe geſelligen Niederlaſſungen ſehr über-
raſchen. Man nähert ſich bei einer mühſamen Streiſerei um die Mittagsſtunde einer ſenkrechten Fel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/24>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.